Das Institut der deutschen Wirtschaft aus Köln hat berechnet, wen die kalte Progression bis 2017 prozentual am härtesten trifft: Es sind genau die kleinen und kleinsten Einkommen. Die Menschen in der Gehaltsgruppe von 1.000 bis 2.000 € bekommen durch die kalte Progression eine zusätzliche Last von 45 % aufgebürdet, bei der Gruppe von 20.000 bis 30.000 € sind es immerhin noch 32 % zusätzlich. Je höher die Gehaltsgruppe wird, umso weniger schlägt die kalte Progression zu - beim Gehalt von über 500.000 € - das der Kollege Stegner noch anstrebt - sind es gerade einmal noch 2 % zusätzlich.
Wer angesichts dieser Zahlen noch immer behauptet, er wolle steuerpolitisch der sozialen Spaltung entgegenwirken, der will die Menschen im Land bewusst hinters Licht führen; denn tatsächlich ist das genaue Gegenteil der Fall. Wer steuerpoliti
sche Änderungen zur Abmilderung der kalten Progression unterlässt, der benachteiligt viele Menschen, der erhöht durch Nichtstun faktisch die Steuern für die finanziell schlechter Gestellten. Das ist weder gerecht noch fair, sondern das ist zutiefst unsozial.
Wir waren doch im letzten Jahr bereits so weit, dass der Deutsche Bundestag unter Schwarz-Gelb ein Gesetz verabschiedet hat. Die verbalen Erklärungen der Sozialdemokraten und der Grünen im Bundestag hierzu kenne ich. Ich weiß aber auch, dass das Gesetz im Bundesrat aus anderen Gründen gescheitert ist als aus dem Grund, verhindern zu wollen, dass die kalte Progression beseitigt wird.
Damit wir eine allgemeine Größenordnung bekommen: Bis 2017 werden es insgesamt 17,5 Milliarden € sein, die den Menschen im Land durch die kalte Progression fehlen. Feierliche Worte, wie sozial man sich findet, helfen den Menschen im Zweifel nicht, wenn man diesen Menschen nicht durch Taten unter die Arme greift.
Ich erwarte vor allem vom designierten sechsten stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD, dass er all sein politisches Gewicht in die Waagschale legt, um dieser Ungerechtigkeit ein Ende zu setzen.
Jeder hier im Hohen Hause muss anerkennen, dass es nicht gerecht sein kann, wenn eine Gehaltserhöhung dazu führt, am Ende inflationsbereinigt weniger in der Tasche zu haben. Noch einmal: Es kommt wegen der kalten Progression dazu, dass man nach einer Gehaltserhöhung effektiv weniger in der Tasche hat als vorher. Das kann doch nicht richtig sein.
Deshalb wollen wir, dass vom Schleswig-Holsteinischen Landtag nicht nur ein starkes Signal, sondern eine konkrete politische Initiative ausgeht, um dieses Problem zu beseitigen. Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Entgegen sonstiger Gewohnheit habe ich einmal in Protokollen der beiden letzten Wahlzeiten nachgelesen. Das Thema „kalte Progression“ ist ein
echtes Wiedervorlagethema, mal direkt, meistens indirekt, und ist in Verbindung mit aktuellen Themen wie Einkommens- und Vermögensentwicklung oder gar Rettungsschirm und vielen anderen mehr auch von allen Fraktionen eingebracht.
Keine Fragen gibt es zur Berechtigung des Anliegens. Da will ich mich nicht nur auf die vorangegangenen Superbeispiele beziehen, die hier genannt worden sind, sondern auch sagen: Selbst mittlere Einkommen sind betroffen, denn die Progression der Steuertarife in Verbindung mit über 20 Prozentpunkten Sozialabgaben führt sehr schnell dazu, dass von jedem Euro mehr an Einkommen nicht mal die Hälfte beim Steuerzahler verbleibt.
Ein kleines Fenster der Verbesserung bleibt nur, wenn das Einkommen gerade noch oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze, aber unterhalb des Spitzensteuersatzes und des Solidaritätszuschlages und frei von einer Veranlagung zur Kirchensteuer ist. So weit besteht Einvernehmen.
Zum Thema Wahlprogramm und Koalitionsvertrag: Ich denke, Herr Kubicki, auch Sie haben schon mal Koalitionsverträge unterschrieben, die erheblich vom Wahlprogramm abgewichen sind. Insofern befinden wir uns in guter Gesellschaft. Aber lassen Sie uns das vielleicht einmal an anderer Stelle in Erinnerung rufen.
Zum Berliner Koalitionsvertrag: Nach meiner Erinnerung war es schon mühevoll genug, Steuererhöhungen herauszuhalten. Demgegenüber steht in dem Koalitionsvertrag etwas über Konsolidierung der Finanzen, Entlastung der Kommunen, Investitionen in Infrastruktur, Städtebauförderung, Kostenübernahme für die Eingliederung Arbeitsuchender, Mittel für Forschung an Hochschulen und vieles andere mehr. Das sind alles Punkte, zu denen wir sicherlich alle Ja sagen, weil sie mit unterschiedlicher Gewichtung auch unseren guten Vorsätzen hier im Lande entsprechen.
Mein sehr verehrter Herr Kollege Sönnichsen, habe ich Sie jetzt dahin gehend richtig verstanden - ich
möchte das nur klargestellt wissen -, dass es ausgerechnet die Sozialdemokraten waren, die es in Koalitionsverhandlungen verhindert haben, dass der Wunsch der Union, die kalte Progression abzuschaffen, nicht umgesetzt werden konnte?
- Nein, das haben Sie nicht richtig verstanden. Ich habe nur allgemein festgestellt, dass zwischen Wahlprogrammen und Koalitionsverträgen Unterschiede bestehen und dass bei diesem Koalitionsvertrag, wie er jetzt für den Bund geschlossen worden ist, das Verhindern von Steuererhöhungen der größere Part gewesen ist.
Ich kann zum Ende kommen. Im Koalitionsvertrag ist zwar von Steuervereinfachung und anderem die Rede, nicht aber vom Abbau der kalten Progression. Das muss uns nicht daran hindern, diesen Abbau einzufordern. Ich glaube kaum, dass wir im Ausschuss zu anderen Ergebnissen kommen werden, deshalb können wir direkt entscheiden.
Wir wissen, sehr geehrter Herr Kubicki, dass längst nicht alle Punkte eines jeden Koalitionsvertrages umgesetzt werden, anderseits aber auch Punkte außerhalb solcher Verträge zur Umsetzung kommen.
Der Antrag ist im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger, der Arbeitnehmer und damit der Steuerzahler. Insofern kann meine Fraktion zustimmen. Die Restredezeit spende ich denjenigen, die auch am Freitagnachmittag noch gesteigertes Mitteilungsbedürfnis haben.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer in diesem Haus wäre nicht für Steuergerechtigkeit? Allerdings: Wenn wir „Steuergerechtigkeit“ sagen, meinen wir damit häufig etwas Unterschiedliches. Die SPD hat schon häufiger deutlich gemacht, was sie darunter versteht: Stabile Staatsfinanzen sind notwendig, um allen Menschen in unserem Land die Teilhabe an
Wir wollen soziale Gerechtigkeit, Bildung, Nachhaltigkeit, moderne Infrastruktur und ausgeglichene Haushalte.
Sie wissen, dass wir immer dafür geworben haben, dies nicht nur durch Ausgabekürzungen, sondern auch durch Einnahmeerhöhungen zu erreichen. Dazu zählen zum Beispiel die Erhöhung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer, die Reduzierung von Ausnahmetatbeständen, die Abschaffung von Subventionen, zum Beispiel für Hoteliers und andere; von der Vermögensteuer will ich hier erst gar nicht reden.
Herr Kubicki, Sie haben so wunderbar aus unserem Regierungsprogramm zitiert. Wenn Sie noch weiter zitiert hätten, dann wären Sie auch noch zu den Passagen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung und zur Beteiligung der Finanzmärkte gekommen, um nur zwei weitere Bereiche herauszugreifen.
Die Schaffung von zusätzlichen Regelungen, die Besserverdienende relativ stärker entlasten als Beschäftigte in unteren und mittleren Einkommensklassen und dazu noch öffentliche Haushalte in Milliardenhöhe belasten, gehört ganz sicher nicht dazu. Deshalb ist Ihr Vorschlag mit uns nicht zu machen.
Damit könnte mein Redebeitrag auch schon zu Ende sein, aber lassen Sie mich gerne noch einige weitere Ausführungen machen.
Meine Damen und Herren, es ist richtig: Alle über dem Grundfreibetrag liegenden Einkommensgruppen würden durch einen Ausgleich der sogenannten kalten Progression entlastet. Die Wirkung wäre allerdings unterschiedlich. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen: Je geringer das Einkommen, desto mehr sind Menschen auf öffentliche Angebote angewiesen. Wer Entlastungen bei der Einkommensteuer schafft, hat diese Mittel dann nicht mehr für die Leistungen der Daseinsvorsorge zur Verfügung. Deshalb könnte man sogar sagen:
Wir meinen nach wie vor, dass eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes notwendig ist, um die erforderlichen Investitionen in Bildung und Infrastruktur finanzieren zu können. Wenn es im Bund hierzu seriöse Vorschläge gibt, werden wir diese erörtern. Aber bisher sieht es nicht danach aus.
In der letzten Legislaturperiode hat Schwarz-Gelb im Bund einen Vorschlag zum Abbau der kalten Progression gemacht. Herr Kubicki hat bereits darauf hingewiesen. Der ist aber meines Erachtens zu Recht vom Bundesrat zurückgewiesen worden. Wenn wir die kalte Progression abmildern wollen, ist eine solide Gegenfinanzierung notwendig. Auch deshalb enthält der Koalitionsvertrag der Großen Koalition keine Festlegungen zu diesem Thema.