Protocol of the Session on January 23, 2014

(Vereinzelter Beifall CDU)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung der Frau Abgeordneten Fritzen?

Herr Kollege Sönnichsen, Sie sind in Ihrer Rede schon weit fortgeschritten und möglicherweise kommt dies noch, aber ich möchte auf zwei Anmerkungen von Ihnen zurückkommen, die besagen, all dies sei eher dünne Suppe und zu wenig konkret, weil alles im Konjunktiv stehe. Diese Kritik haben Sie schon häufiger geäußert. Ich würde mich freuen, wenn Sie konkret sagen könnten, wie Sie sich so einen Prozess vorstellen und welche konkreten Projekte, die in diesem Bericht hätten vorkommen sollen, Sie sich wünschen würden oder die Sie als möglicher Kulturminister angestoßen hätten.

- So weit sind wir noch lange nicht.

(Zuruf Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Frau Abgeordnete, ich denke, Herr Abgeordneter Sönnichsen wird jetzt antworten.

Bisher habe ich in allen Bereichen und vor allem bei den bisherigen Berichten hauptsächlich Kritik daran geübt, dass wir - und das ist keine Geringschätzung - im Moment nur mit den Kulturschaffenden und untereinander reden. Daraus ergibt sich - ich übertreibe jetzt ein wenig - regelmäßig ein Wunschkonzert. Ich habe gerade eben deutlich gemacht, wo die Probleme liegen. Wir müssen in den Schulen die Voraussetzung dafür schaffen, dass diese Umsetzung möglich wird.

(Beifall CDU)

Daher rührt mein Anspruch an die Bildungsministerin, den ich hier formuliert habe. Wenn wir sagen, dies solle auch in den Ganztagseinrichtungen geregelt werden, dann müssen wir sehen, dass das andere Träger sind. Weder das Land noch die Ministerin sind entscheidend. Die Betroffenen gehören mit an den Tisch, nichts anderes.

(Peter Sönnichsen)

(Beifall CDU)

Herr Abgeordneter Sönnichsen, es gibt den Wunsch nach einer weiteren Zwischenfrage oder -bemerkung.

Nein, ich wollte nur sagen, dass ich an dieser Stelle mit Ihnen absolut einer Meinung bin. Ich wollte dies nur konkreter hören. Wir sind uns an dieser Stelle einig.

Das ist eine Bemerkung, die Sie machen durften.

Verehrte Frau Ministerin, Sie werden mit anerkannten Bildungsträgern darüber sprechen müssen, wie bestehende Landesförderungen neu aufgeteilt werden. Ich nenne hier die Volkshochschulen, die ich sehr schätze. Diese werden aus der gesamten Landesförderung an ihre regionalen und örtlichen Institutionen Förderungen weitergeben. Dieses Weitergeben geschieht aber nach den jeweiligen Bildungsangeboten, wozu die kulturellen Angebote der einzelnen Volkshochschulen ausdrücklich nicht gehören. Das sind Fragen, die geklärt werden müssen. Hier müssen wir weit über den Bereich der Kultur hinaus ins Detail gehen. Hier sind wir noch keinen Schritt weitergekommen.

(Beifall CDU und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es wäre zu schön, einfach über die Kultur, ihre Vielfalt und ihren unendlichen gesellschaftlichen Wert zu reden. Die Wirklichkeit aber zeigt die Zusammenhänge und die wechselseitigen Abhängigkeiten, wie ich sie hier nur zum Teil benennen konnte. Frau Kulturministerin, das sind viele Aufgaben, bei denen wir Sie gern unterstützen werden. Ich sage es aber in aller Deutlichkeit: Mit Dialogen, Regionalkonferenzen und Zitaten aus der Bildungsministerkonferenz allein ist es nicht getan.

(Beifall CDU und FDP)

Immer noch gilt Ihr Wort aus der Landtagssitzung vom 31. März 2013. Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich Sie:

„Ich wünsche mir … die Verabschiedung einer Kulturstrategie in diesem Hause, in diesem Parlament.“

Ihrer beratungsreifen Vorlage sehen wir gern entgegen.

(Beifall CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Beate Raudies das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte auch ich mich bei Frau Ministerin Spoorendonk und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den Bericht bedanken. Mein Dank schließt ausdrücklich die Bildungs- und die Sozialministerin ein, denn das Zusammenwirken der drei Ministerien ist etwas Besonderes und macht den hohen Stellenwert deutlich, den diese Landesregierung der kulturellen Bildung beimisst.

Was aber ist kulturelle Bildung? - Ich möchte mit einem Zitat von Theodor Fontane antworten:

„Das ist ein weites Feld.“

Kulturelle Bildung ist in jedem Fall elementarer Bestandteil, nicht Voraussetzung der Kulturpolitik. Daher ist es wichtig, dass wir hier darüber diskutieren. Kulturelle Bildung hat so viele Facetten, dass es mir trotz nunmehr 13 Minuten Redezeit nicht möglich sein wird, alle Aspekte zu beleuchten. Ich werde mich also auf einzelne Gesichtspunkte beschränken.

Meine Damen und Herren, der damalige Bundespräsident Johannes Rau hat auf dem Kongress des Forums Bildung im Juli 2000 gesagt, ich zitiere:

„Zum Wissen und zum Können für morgen gehören auch die Inhalte jener Fächer, die an den Rand zu geraten drohen, wenn wir nur noch nach Nützlichkeit und Verwertbarkeit gehen: Musik, Kunst und Sport.“

(Beifall SPD und SSW)

„Die Begegnung mit den Künsten kann verhindern, dass aus Bildung ein trostloses ‚Fitmachen für …’ wird. Erst das ‚Wohlgefallen ohne alles Interesse’, wie Kant es nennt, das jenseits von Funktionalität und Brauchbarkeit steht, macht den Menschen zum Menschen. Eine Schule ohne musische Bildung wäre nicht der menschengemäße Lebensraum, den ich mir wünsche.“

Ich möchte sogar noch weitergehen und sagen: Kulturelle Bildung vermittelt wichtige Kompetenzen,

(Peter Sönnichsen)

verbessert Bildungschancen, hilft bei der Integration Benachteiligter und fördert das Selbstbewusstsein und die Identität aller Menschen. Die UNESCO, die Weltkulturorganisation, hat 2006 und 2010 zwei weltweite Konferenzen zur kulturellen Bildung durchgeführt. In einer bereits 2006 verabschiedeten Road Map wurde hervorgehoben, dass kulturelle Bildung kein Luxusgut ist, sondern aus dem als Menschenrecht geltenden Anspruch jedes Kindes und jedes Jugendlichen auf Bildung und Erziehung abgeleitet werden kann.

2010 ergab eine Abfrage bei den Mitgliedstaaten, dass sich nicht nur die wohlhabenden Staaten der OECD bemühen, diesen Anspruch umzusetzen. Nein, auch Länder, in denen das Einkommen der Bevölkerung im weltweit mittleren Durchschnitt liegt, und die weniger entwickelten Länder versuchen, Kultur nicht als Luxusgut zu verstehen, sondern als elementaren Bestandteil der Gesellschaft.

Lieber Herr Sönnichsen, um auf Ihre Rede zu antworten: In einem der reichsten Länder der Welt ist das Erste, was uns zu Kulturpolitik und kultureller Bildung einfällt, die Finanzfrage. Dies finde ich ein bisschen armselig.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Frau Ministerin Spoorendonk hat es schon erwähnt: Die Kultusministerkonferenz hat einen Grundsatzbeschluss gefasst, in dem sie sich für eine Intensivierung der kulturellen Bildung ausspricht und die Aufgabe definiert. Ein weiteres Augenmerk legt die KMK auf die Ausbildung der Fachkräfte, also der Lehrkräfte. Herr Sönnichsen, ich möchte Ihnen entgegnen: Das ist ein Thema, mit dem wir uns noch in diesem Jahr in diesem Haus beschäftigen werden, nämlich mit der Frage, wie wir künftig die Lehrkräfte für unsere Schulen ausbilden. Wir sind also schon mitten in der Umsetzung.

Natürlich sind es vor allem die Schulen, die mit außerschulischen Einrichtungen, Institutionen, Verbänden und den Familien zusammenarbeiten müssen. Die kulturelle Bildung muss die Achse für das lebenslange Lernen sein, das heute unerlässliche Voraussetzung für die Persönlichkeitsbildung und für den beruflichen Erfolg ist.

Gerade deshalb ist aus unserer Sicht, die unter anderem von der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung geteilt wird, ein wesentlicher Aspekt, dass es keine sozialen Barrieren beim Zugang zu kulturellen Bildungsangeboten geben darf. Hier hat es zum Teil sehr berechtigte Kri

tik am „Bildungs- und Teilhabepaket“ gegeben, das für diesen Bereich nur sehr geringe Zuschüsse vorsieht und diese zugleich auf das vollendete 18. Lebensjahr beschränkt. Auch das schon erwähnte neue Bundesprogramm „Kultur macht stark“ ermöglicht nicht alle Angebote, denn das Antragsverfahren ist sehr umständlich. Viele gute Ideen bleiben darum im Anfangsstadium stecken.

Sehr geehrte Frau Ministerin Spoorendonk, es wäre schön, wenn Sie sich auf Bundesebene für Vereinfachungen im Antragsverfahren starkmachen könnten. Das würde vielen Menschen in diesem Land helfen. Oben auf der Tribüne nicken die Kulturschaffenden. Das ist offensichtlich ein Knackpunkt.

(Beifall SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, viele deutsche Kommunen und Regionen haben Netzwerke der kulturellen Bildung aufgebaut, die über die künstlerischen und musischen Fächer an den Schulen hinausgehen. Die bisher vorhandenen Angebote sind allerdings noch ausbaufähig, wenn ich das einmal vornehm sagen darf. Wir haben ein hervorragendes Netz an anerkannten Musikschulen, aber Musik ist nicht die einzige kulturelle Ausdrucksform. Vergleichbare Einrichtungen für die bildenden Künste, Theater, Tanz und Literatur sind selten. Häufig ist es dem Engagement kulturell interessierter Einzelpersonen oder Gruppen zu verdanken, dass Malschulen, Bildhauerworkshops oder Schreibwerkstätten existieren. Aber auch Bibliotheken und Volkshochschulen haben einen großen Anteil an der außerschulischen kulturellen Bildung. Nicht zuletzt leistet die Möglichkeit, ein Freiwilliges Soziales Jahr auch im kulturellen Bereich ableisten zu können, einen wichtigen Beitrag zur lebenslangen Verstetigung der kulturellen Bildung.

Das Jahr der kulturellen Bildung 2014 soll in Schleswig-Holstein einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, diese Lerninhalte ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Denn so wichtig die Debatte um die PISA-Tests war und ist, die die Initialzündung zur Überwindung alter Zöpfe im deutschen Schulsystem war: Die Fixierung auf die kognitiven Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler birgt das Risiko, dass andere Fähigkeiten vernachlässigt werden.

Frau Ministerin Spoorendonk hat in ihrem Bericht den Fahrplan für dieses Jahr vorgestellt. Jetzt muss es aber auch darum gehen, über das Jahr 2014 hinauszudenken. Die Ministerin hat das mit dem Begriff der Nachhaltigkeit angesprochen. Denn wir

(Beate Raudies)

haben es gerade bei diesen Projekten allzu häufig erlebt, dass ein Pflichtprogramm zu dem jeweiligen Thema abgespult wird und die Beteiligten am Ende des Jahres froh sind, wenn ein neuer Schwerpunkt kommt und andere sich daran abarbeiten können.

Ich bin jedoch zuversichtlich, dass die Ergebnisse des laufenden Kulturdialogs, aber auch die Erfahrungen der geplanten Regionalkonferenzen zahlreiche Ideen liefern werden. Bei der kulturellen Bildung darf es keine Begrenzung nach Kalendertagen geben, und sie darf auch nicht als Pflichtprogramm für unter 18-jährige missverstanden werden, sondern als lebenslanges Angebot, das man nicht ablehnen kann, wie der italo-amerikanische Kulturpolitiker Don Vito Corleone vielleicht sagen würde.

Motivation ist der Schlüssel. Lieber Herr Sönnichsen, Sie haben recht, wir haben gestern ein neues Schulgesetz verabschiedet und neue Rahmenbedingungen für die Schulen in unserem Land geschaffen. Aber wir haben das Schulsystem doch nicht komplett vom Kopf auf die Füße gestellt und müssen nicht bei Null anfangen in unseren Schulen. Da übertreiben Sie ein bisschen. Wir müssen nicht alles neu erfinden.