Protocol of the Session on January 23, 2014

wie möglich Zugang zum Kultursektor bekommen können. Je früher man damit anfängt, umso größer sind die Erfolgsaussichten.

Das Angebot zur kulturellen Bildung ist nicht nur für alle Kinder und Jugendlichen im gleichen Umfang zugänglich. Der schulische Rahmen sollte daher allen eine Chance bieten, Kultur in vielfältiger Weise zu nutzen und zu gestalten. Es müssen Brücken gebaut werden zwischen den schulischen und den außerschulischen Akteuren. Dabei geht es nicht nur um künstlerische Fähigkeiten, sondern auch um interkulturelle Kompetenzen, die Stärkung der politischen und gesellschaftlichen Partizipation oder auch um ganz persönliche Erfahrungen, Interessen und Entwicklungen. Kulturkonsum, Kulturhobbys, Anwendung von Kulturtechniken und künstlerische Schulfächer, all das sind die Utensilien, mit denen das „Jahr der kulturellen Bildung“ beschritten werden soll.

In den meisten Schulen spielen Fächer wie Musik oder Kunst nur eine Randrolle, zum einen weil der ökonomische Nutzen nicht unmittelbar erkennbar ist, zum anderen weil diese Fächer nicht nur in Zeiten der PISA-Ergebnisse in einer starken Konkurrenz zu den MINT-Fächern stehen.

Auf der anderen Seite scheinen Musiker und andere Künstler in Deutschland mit Preisen und Auszeichnungen nur so überhäuft zu werden. Sie genießen ein hohes öffentliches Ansehen. Ihnen gilt der Ruhm.

Natürlich sind Projekte und Investitionen im Kulturbereich mit anderen Sektoren, wie etwa im Bereich der Verkehrspolitik, nur schwer zu vergleichen. Jedoch erwirtschaftete diese Branche im Jahr 2011 bundesweit einen Umsatz von mehr als 143 Milliarden €. Ungefähr eine Million Arbeitnehmer arbeiten hauptamtlich im Kulturbereich - Tendenz steigend.

Es ist sicher keine Überraschung, dass die Umsatzzahlen der Kultur- und Kreativwirtschaft weit hinter den Umsatzzahlen der Automobilindustrie liegen. Jedoch schneidet die Kulturwirtschaft im Bruttowertschöpfungsvergleich besser ab als etwa die Energieversorgung oder die Chemieindustrie. Im Jahr 2012 machte der Kulturbereich in SchleswigHolstein 5,7 % der Gesamtwirtschaft aus. Es handelt sich zwar nur um einen kleinen, aber einen aufsteigenden Bereich.

Es handelt sich also durchaus um einen Arbeitsbereich, in dem viele Schülerinnen und Schüler ihren Beruf ausüben werden. Die Kultur- und Kreativwirtschaft fungiert mit ihren Dienstleistungen als

(Ministerin Anke Spoorendonk)

ein wichtiger Querschnittsbereich für andere Bereiche in der Wirtschaft. Die Kulturwirtschaft bildet eine wichtige Basis für wirtschaftliche und gesellschaftliche Neuerungen; denn die Kulturwirtschaft versprüht eine Menge an Kreativität, ohne die es keine Innovationen gäbe. Ohne Innovationen gibt es keinen wirtschaftlichen Fortschritt. Das ist natürlich ein wenig überspitzt formuliert. Wir sind uns sicher alle einig darin, dass der Kulturbereich von der Schul- und Berufsbildung nicht ausgeschlossen werden darf. Kreativität ist eben doch keine Selbstverständlichkeit.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit das Programm zur kulturellen Bildung auch Erfolg haben kann, darf an den bisherigen gedanklichen Grenzen des Kultursektors nicht halt gemacht werden. Je größer wir dieses Rahmenprogramm stricken, umso besser. Da man mindestens mit zwei Nadeln strickt, impliziert das, dass mehrere an diesem Rahmenprogramm stricken.

(Anita Klahn [FDP]: Man kann auch mit vier Nadeln stricken!)

- Man kann auch mit sechs Nadeln stricken, Frau Klahn. Damit wollte ich lediglich zum Ausdruck bringen, dass man diesen Dialog ausdehnen kann.

Je größer die Vielfalt, umso größer ist der Bildungseffekt und umso weiter wird das Netzwerk, welches etabliert werden soll. Jeder kann daran mit seiner eigenen Parteifarbe herumstricken.

Die drei Ministerinnen haben dies aufgegriffen und passenderweise das „Jahr der kulturellen Bildung“ in Zusammenarbeit aufgegriffen. Gemeinsam sollen vier Regionalkonferenzen im ganzen Land abgehalten werden, in denen die Teilnehmer gemeinsame Projekte und Vorhaben entwickeln können. Im Kulturministerium soll eine Koordinierungsstelle ihre Arbeit aufnehmen, um den Kontakt zwischen Künstlern, Institutionen und Schulen herzustellen. Auch eine Datenbank soll im Verlauf des Programms erstellt und genutzt werden.

Zudem werden die drei Ministerien fünf sogenannte Kulturschulen in Schleswig-Holstein auszeichnen. Des Weiteren wird es einen Wettbewerb um den Titel „Kultur-Kita 2014“ für Kindertagesstätten geben. Ein Preisgeld gibt es dazu noch obendrauf.

Zum Schwerpunkt gehört auch der Bereich der Fort- und Weiterbildung. So sollen Menschen in pädagogischen Berufen verstärkt für das Thema der ästhetisch-kulturellen Bildung sensibilisiert werden. Auf der anderen Seite sollen Kunstschaffende von

ihrem pädagogischen Wissen und von ihren Fähigkeiten lernen.

Dies sind wieder zwei Seiten einer Medaille. Eine solche umfassende interministerielle Kooperation kommt nicht allzu oft vor. Daher ist das schon einmal einen Applaus wert.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Hans-Jörn Arp [CDU]: Ist das jetzt schon verpflichtend?)

Die Akteure und Kulturschaffenden müssen im Rahmen des „Jahres der kulturellen Bildung“ nicht neu erfunden werden.

Die gibt es ja bereits. Sie wohnen um die Ecke, im Haus gegenüber oder sogar im selben Haus. Denn wir können alle an diesem Programm teilnehmen. In Bezug auf die Akteure haben wir es mit einer äußerst heterogenen Gruppe zu tun. Sie umfasst etwa Schüler, Lehrer, Kinder, Erwachsene, Schauspieler, Musiker und Grafikdesigner, um nur einige von ihnen zu nennen. Kooperationspartner sind genügend vorhanden. Es muss lediglich ein fundiertes Netzwerk geschaffen werden, durch das die Kinder und Jugendlichen dann auch einen Gewinn erzielen können. Die Verbindungen müssen also nur noch geknüpft werden. Das Jahr der kulturellen Bildung bietet dazu die richtige Gelegenheit. Dabei geht es ganz konkret um die Frage: Wer macht was, und wie können wir voneinander lernen und profitieren?

Wir vom SSW im Landtag setzen darauf, dass diese Plattform dann auch über die nächsten zwölf Monate hinaus genutzt werden kann. In den kommenden Monaten sollte rund um das Jahr der kulturellen Bildung nicht nur kreativ gearbeitet werden, sondern wir sollten uns auch kritisch mit diesem Thema auseinandersetzen. Was ist eigentlich Qualität? Welche Qualität wollen wir in diesem Jahr erreichen? Welche Werte vermittelt kulturelle Bildung? Was können wir im Umgang mit Medien lernen? Welche Rolle spielt eigentlich das Kulturerbe? Diese Fragen gilt es in diesem Zusammenhang zu diskutieren.

Ich kann nur alle Interessierten dazu auffordern, sich am Jahr der kulturellen Bildung tatkräftig zu beteiligen. Vor allem fordere ich die Vertreter der autochthonen Minderheiten auf, sich ebenfalls zu bewerben, damit die Vielfalt in unserem Land auch angemessen repräsentiert ist. Denn wo lernt man eine fremde - oder auch die eigene - Kultur schneller und besser, als etwa beim Musizieren oder Theaterspielen?

(Jette Waldinger-Thiering)

Abschließend möchte ich noch ein Zitat mit auf den Weg geben, ein Zitat, welches das Jahr der kulturellen Bildung gut umrahmt. So sagte der deutsch-friesisch-dänische Maler Emil Nolde einmal:

,,Die Kunst kommt vom Menschen und ist für den Menschen gemacht - nicht für die Experten. Ihre Formen bilden sich aus der lebendigen Liebe zum Leben. Sie verbindet die Menschen und gibt ein positives Lebensgefühl.“

In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein erfolgreiches kulturelles Jahr der Bildung. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Peter Sönnichsen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenige Tage vor der abschließenden Sitzung der Lenkungsgruppe Kulturdialog nun noch schnell der Berichtsantrag zum Thema kulturelle Bildung. Ein wichtiger Aspekt, aber eben nur ein Teilaspekt - sei es drum.

(Zuruf)

- Habe ich gesagt.

Vor Ihrem heutigen mündlichen Bericht, liebe Frau Ministerin Spoorendonk, für den ich Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danke, war zu diesem Thema seit September letzten Jahres bekannt, dass 2014 ein Jahr der kulturellen Bildung sein und dass fünf Kulturschulen und eine Kulturkita benannt werden sollen. Inzwischen wurde zu vier Regionalkonferenzen im März eingeladen, in denen die Beteiligten Gedanken zusammentragen sollen. So weit sind wir nun schon einmal.

Ihren heutigen Ausführungen entnehme ich, dass der Kultur eine Plattform gegeben werden soll, dass Netzwerke zu knüpfen sind, dass wir Räume für die Kultur schaffen wollen, dass Sie Projekte pflegen und neu initiieren wollen, Dinge - mit Verlaub -, über die allein wir in dieser Wahlperiode schon zweimal gesprochen haben.

Das Hauptwort im Berichtsantrag heißt Bildung. Sie haben ja ausdrücklich darauf hingewiesen, dass

diese Initiative eine von drei Ministerien ist. Gerade zum ersten und bereits eingeleiteten Teil der Kinder- und Jugendbildung - Stichworte Kulturschulen und Kulturkita - werden der Bildungsministerin die größten Aufgaben zukommen. Da gehen wir dann auch einmal ins Detail.

Ob es uns allen gefällt oder nicht: Seit gestern gilt ein neues Schulgesetz mit geänderten Strukturen. Damit steht der Rahmen. Es ist nun vor allem Aufgabe der Bildungsministerin, diesen Rahmen auch mit einem Gesamtbild zu füllen. Vorschriften und Vorgaben werden zu ändern oder neu zu fassen sein. Hohe Ansprüche werden zu erfüllen sein, vor allem in Richtung Motivation und Schaffung von Möglichkeiten. Darin sehe ich große Chancen. Die Rahmenbedingungen müssen aber - wie gesagt noch geschaffen werden.

In meinem Alter darf man schon einmal von früher reden. Wo es früher noch selbstverständlich war, Schloss Gottorf oder das nächstgelegene Heimatmuseum zu besuchen, Klassenfahrten in Theater oder Kulturzentren zu unternehmen, müssen alle diese Punkte erst wieder ganz neu aufgebaut werden, vor allem durch die Motivation der Lehrerinnen und Lehrer, aber auch durch Stundenkontingente und vieles andere mehr.

(Beifall CDU)

Ohne Weiteres gibt es Chancen durch die Ganztagsbetreuung und vergleichbare Angebote. Diese Einrichtungen befinden sich jedoch in der Zuständigkeit der Schulträger, die diese Aufgaben dann regelmäßig auf Vereine und andere - meist ehrenamtliche - Träger delegieren. Warum also nicht die Theater AG oder den Chor, die im Regelunterricht zu kurz kommen, in Projekte oder Kursangebote überführen? Aber auch das wird nicht ohne eine mindestens anteilige Stundenzuweisung funktionieren.

Die Bildungsministerin und ihr Haus werden sich auch an vergleichbaren Strukturen anderer Aufgaben orientieren müssen. Ich nenne als Stichwort hier einmal die Begriffe Fachberater, die aus dem Ehrenamt oder bestehenden Institutionen kommen können, aber ebenfalls mit Begleitung der Schule und vor allem die Ausstattung mit Zeitkontingenten. Auch hier sehe ich Chancen und habe - das sage ich in aller Deutlichkeit - allerdings Zweifel am Handeln des Bildungsministeriums, die beispielsweise der eingeleitete Abbau der Aufgaben in der Verkehrserziehung erzeugt. So darf das Ausloben von fünf Kulturschulen und einer Kulturkita nicht

(Jette Waldinger-Thiering)

Alibifunktion haben. Das muss hier in aller Deutlichkeit herausgestellt werden.

(Beifall CDU und PIRATEN)

Ehrlichen Herzens wünsche ich allen Beteiligten in den Ministerien, im LKJ, den Verantwortlichen in Kinder- und Jugendtheatern und anderen Erfolg bei der Umsetzung. Dieser kann aber nur gemeinsam gelingen. Wenn ich gemeinsam sage, meine ich nicht nur das hervorragende Zusammenwirken der Kulturschaffenden allein, sondern es gibt in dieser Welt auch noch etwas darum herum. Es müssen die Träger und andere mit eingebunden werden. Auch wenn es einigen nicht gefällt, reden wir hier letztendlich auch über Geld und darüber, wer das Ganze bezahlen soll.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Zu weiteren Aspekten. Ein deutsches Sprichwort sagt: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Bildung geht nach der Schule weiter, auch kulturelle Bildung. So wird es ein großer Schritt sein - das gestehe ich selbstverständlich gern zu -, wenn über Schule und Kita, über die Kulturinstitution und hoffentlich auch über die Elternhäuser ein Einstieg in kulturelle Bildung zur Erhaltung und Steigerung von Kulturinteresse und Kulturorientierung erfolgt.

Es gilt aber weiterzudenken, wie die Menschen, die nach der Schulzeit und der dabei angeregten - oder aus der Sicht der jungen Menschen auch angeordneten - kulturellen Bildung einmal eine Auszeit nehmen, an der Kultur dranbleiben oder für die Kultur wieder gewonnen werden können. Es gilt auch, weiter daran zu denken, wie wir Bürgerinnen und Bürgern aller Altersgruppen helfen, lebenslanges Lernen und Kultur zu entdecken oder wiederzuentdecken. Dazu bedarf es mehr als einer Aufzählung von Wünschenswertem, wie ich diesem mündlichen Bericht entnommen hatte. Wo es nicht beim Wünschenswerten bleibt, da stehen alle Vorschläge regelmäßig im Konjunktiv, was vermutlich auch den Landesfinanzen geschuldet ist. So zählt die Einsicht, dass Kulturförderung im Wesentlichen als freiwillige Leistung durch die Kommunen erfolgt.

Wenn ich an die derzeitigen Überlegungen zum FAG denke, die wenige begünstigen und viele benachteiligen werden, so habe ich gerade im ländlichen Raum Sorge um unsere kulturelle Vielfalt.

(Vereinzelter Beifall CDU)