Protocol of the Session on January 23, 2014

Mündlicher Bericht der Landesregierung

Ich erteile der Ministerin für Justiz, Kultur und Europa, Anke Spoorendonk, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach der Debatte zum letzten Tagesordnungspunkt könnte man der Meinung sein, dass wir uns jetzt eher mit einem Schmusethema befassen werden. Darum sage ich ganz klar und deutlich: Das Thema kulturelle Bildung ist kein weiches gesellschaftliches Thema, sondern ein wirklich hartes. Sie wissen alle, dass wir als Gesellschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten vor großen Herausforderungen stehen. Die Debatte zum Thema Pflege hat dies bereits belegt. Der demografische Wandel, die Energiewende, die Globalisierung und die Digitalisierung werden Schleswig-Holstein verändern.

Wenn wir die richtigen Antworten darauf finden und diese Veränderung für Schleswig-Holstein nutzen wollen, brauchen wir Menschen, die kreativ denken und kreativ handeln, Menschen, die über das, was direkt vor Ihnen liegt, hinaus denken, ohne je zu vergessen, woher sie stammen. Dabei kann die Rolle der kulturellen Bildung gar nicht hoch genug geschätzt werden. Denn wie sagt der amerikanische Schriftsteller Paul Auster? Ich zitiere:

„Der wahre Sinn der Kunst liegt nicht darin, schöne Objekte zu schaffen. Es ist vielmehr eine Methode, um zu verstehen. Ein Weg, die Welt zu durchdringen und den eigenen Platz zu finden.“

Dieses Verstehen sollte möglichst vielen Menschen eigen sein. Es ist für uns alle wichtig, den eigenen Platz zu finden.

Ich habe deshalb die kulturelle Bildung als einen Schwerpunkt meiner Arbeit benannt und mir vorgenommen, die Zusammenarbeit zwischen Künstlern und kulturellen Einrichtungen, zwischen schulischen und außerschulischen Bildungseinrichtungen auszubauen und zu intensivieren. Das tue ich gemeinsam mit meinen Ministerkolleginnen Kristin Alheit und Wara Wende. Kulturelle Bildung ist eine interdisziplinäre Aufgabe.

Es geht darum, dezentral gute Beispiele ausfindig zu machen und zu dokumentieren, dass kulturelle Bildung auch in der Fläche strahlt, um damit Mut zu machen, denjenigen Mut zu machen, die sie suchen, die sich engagieren wollen, die teilhaben wollen. Wir wollen diejenigen qualifizieren, die in der kulturellen Bildung arbeiten. Kulturelle Kompetenz bedeutet zunehmend auch interkulturelle Kompetenz. Auch mit dieser Dimension werden wir uns in diesem Jahr beispielhaft befassen.

(Ministerin Kristin Alheit)

Kulturelle Bildung ist seit jeher ein Kernbereich schulischer Bildung. Ich bin mir mit der Kollegin Wende darin einig, dass die kulturellen und künstlerischen Fertigkeiten und Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen auf vielfältige Weise in den Schulen befördert werden sollen. Auch außerhalb der Schulen gibt es eine differenzierte und gut ausgebaute Infrastruktur von kulturpädagogischen Einrichtungen, die mit unterschiedlichen Ansätzen arbeiten und damit den individuellen Bedürfnissen junger Menschen entgegenkommen.

Die Kultusministerkonferenz hat im letzten Jahr Empfehlungen zur kulturellen Bildung beschlossen und die besondere Bedeutung der kulturellen Bildung nicht nur für den Einzelnen und seine Persönlichkeitsentwicklung hervorgehoben, sondern auch den Wert für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung betont.

Ich zitiere aus der KMK-Empfehlung:

„Kulturelle Bildung ist für die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen unverzichtbar. Sie verbessert die Bedingungen für eine gelingende Bildungsbiografie und ermöglicht den Erwerb kognitiver und kreativer Kompetenzen. Sie trägt zur emotionalen und sozialen Entwicklung aller Heranwachsenden und zu ihrer Integration in die Gemeinschaft bei und ist somit Grundbedingung gesellschaftlicher Teilhabe. Der Bezug auf die Künste eröffnet erweitere Ausdrucksund Verständigungsmöglichkeiten jenseits des gesprochenen oder geschriebenen Wortes. Eine Gesellschaft, die die kulturelle Bildung der Heranwachsenden stärkt, schafft damit zugleich wichtige Grundlagen ihrer eigenen Zukunftsfähigkeit.“

So weit die Empfehlungen der KMK.

Dazu wollen wir mit dem „Jahr der kulturellen Bildung“ in den kommenden Monaten beitragen.

Meine Damen und Herren, das „Jahr der kulturellen Bildung“ wird die öffentliche Aufmerksamkeit in Schleswig-Holstein auf dieses Thema lenken. Natürlich sollen wesentliche Strukturelemente und Rahmenbedingungen nachhaltig gestärkt und gesichert werden. Ich füge hinzu: Gerade die Nachhaltigkeit ist ein entscheidender Aspekt. Bereits jetzt existieren viele Initiativen, Vorhaben und Projekte, die die kulturelle Bildung in Bildungseinrichtungen, Schulen, Kindertagesstätten, Volkshochschulen, Vereinen oder Bürgertreffs fest verankern. Interessierte finden hier das zu ihnen passende Angebot. Initiativen suchen Unterstützung durch

Künstlerinnen und Künstler, Kulturschaffende wünschen sich neue Räume, die sie mit Aktivitäten ausfüllen können. Diese Plattform ausbauen und erweitern, ein Netzwerk knüpfen und von den guten Beispielen lernen, das werden 2014 die vordringlichen Aufgaben sein.

Heute, meine Damen und Herren, werden Sie bereits in der Mittagspause einen kleinen Einblick in die Vielfalt der kulturellen Bildung erhalten. Ich wünsche Ihnen schon jetzt viel Freude beim Zuhören und Zusehen. Gönnen Sie sich also um 13 Uhr eine halbe Stunde für die kulturelle Bildung. Es wird schön werden; das garantiere ich Ihnen. Es wird hoffentlich auch schön laut werden.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Sie zu einer der vier Regionalkonferenzen in Mölln, Schleswig, Itzehoe oder Plön einzuladen, die wir im März anbieten. Die Konferenzen sollen als Marktplatz der Kulturinformationen die bereits existierenden Aktivitäten der Regionen sichtbarer machen, die Kommunikation zwischen den Anbietern und Interessierten verdichten und helfen, Kooperationen zu initiieren. Die Ideen des „Jahres der kulturellen Bildung“ werden so in das Land getragen. Neue Partner für den Grundgedanken der kulturellen Bildung werden gewonnen.

Bereits zum Ende des letzten Jahres haben wir uns mit einem Aufruf an Schulen und Kindergärten gewandt und einen Wettbewerb um die beste Idee für kulturelle Bildungsangebote begonnen. Im März werden die von einer Jury gewählten Kulturschulen und Kulturkindertagesstätten bekanntgegeben. Diese Projekte werden wir finanziell unterstützen, damit sie als Leuchtturmprojekte der Region und als Knotenpunkte in die Netzwerke wirken, also wie die Spinne im Netz.

Im April wird die kulturelle Bildung von Kleinkindern im Mittelpunkt stehen. Erzieherinnen und Erzieher werden auf einer Fachtagung die Möglichkeit haben, sich mit Künstlerinnen und Künstlern auszutauschen und neue Projekte zu entwickeln.

Angebote der Theaterpädagogik präsentieren sich im Mai. Die Jugendclubs an den öffentlichen Theatern erhalten hier Anregungen und finden gemeinsam einen Ausdruck für die Freude am Theaterspielen und am Theatererleben.

Ein weiterer Aspekt wird die Frage nach der Interkulturalität im Rahmen der kulturellen Bildung sein. Also: Wie können Räume geschaffen werden, in denen der kulturelle Austausch stattfindet? Dabei sprechen wir von richtigen Räumen, aber natürlich auch von Begegnung. So wird der Dialog zwischen

(Ministerin Anke Spoorendonk)

Kulturschaffenden mit verschiedenen kulturellen Hintergründen, das Gespräch zur unterschiedlichen Aufnahme von Kunst und Kultur sowie der Austausch über die Wahrnehmung der Bedeutung von Kunst und Kultur für die eigene Identität geführt werden.

Die kulturelle Bildung für Erwachsene wird im Mittelpunkt einer Veranstaltung im Juni stehen. Die Volkshochschulen sind ein wichtiger, landesweit gut vernetzter Partner, der mit seinem breit gefächerten Angebot wichtige Impulse in diesen Prozess einbringen kann. Bewährte und neue Formen der kulturellen Bildung für Erwachsene, die sowohl den Aspekt der Rezeption wie auch des eigenen kreativen Handelns berücksichtigen, werden vorgestellt.

Meine Damen und Herren, die Folgen des demografischen Wandels verändern die Angebote in der kulturellen Bildung. Damit verändern sich die Institutionen. Ich denke etwa an die Musikschulen, die schon heute Angebote für ältere Menschen vorhalten und diese Angebote sicherlich noch ausweiten können. Denn kulturelle Bildung ist auch lebenslanges Lernen. Das darf man meiner Meinung nach nicht vergessen.

Kulturelle Bildung ist auch in Betrieben realisierbar. Hier gibt es in Schleswig-Holstein gute Beispiele, die zum Nachmachen einladen. In Klammern möchte ich hinzufügen - das hat wirklich mit den harten Themen zu tun -, dass die Förderung kreativer Kompetenzen ein ureignes Interesse der Wirtschaft ist. Die gut aufgestellten Betriebe wissen das schon. Ich könnte hinzufügen: In wirtschaftlicher Hinsicht ist Kultur natürlich auch ein Wirtschaftsfaktor. Denken wir nur an die Kultur- und an die Kreativwirtschaft.

Das IQSH veranstaltet im September eine Fachtagung, die sich mit der Fragestellung der Zusammenarbeit zwischen Museen und Schule auseinandersetzen wird.

Im November, meine Damen und Herren, wollen wir die vielen Erkenntnisse zusammentragen und gemeinsam Schlussfolgerungen aus diesen Initiativen und Aktivitäten ziehen. Hier werden wir gerade der Kreativität Raum geben. Workshops und Performances wechseln sich ab und bieten allen Interessierten ein vielfältiges Spektrum kultureller Inhalte und Aktivitäten.

Mit dem Bundesprogramm Bündnis für Bildung „Kultur macht stark“ ist bereits eine Vielzahl von Projekten - derzeit sind es 88 in Schleswig-Holstein - mit viel Engagement in den unterschiedlichsten

Kooperationen initiiert und auch gestartet worden. Das ist ein überproportionaler Anteil im Ländervergleich. Ich erwarte aber noch mehr Projektnennungen als jetzt. Ich führe diese Erfolgsquote auch auf die Einrichtung der Servicestelle in der Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung zurück, die wir - bundesweit beispielhaft - bereits im letzten Jahr geschaffen haben und mit Landesmitteln finanzieren. Diese Servicestelle ist notwendig, weil das Antragsverfahren - darauf haben wir keinen Einfluss - leider so kompliziert ist. Ich weiß nicht, ob es uns gelingen kann, da etwas zu verändern. Aber gerade das schwierige Antragsverfahren macht deutlich, wie wichtig diese Beratungsund Servicestelle ist.

Die Musikschulen in Schleswig-Holstein nutzen das Bundesprogramm besonders intensiv, um Kindern und Jugendlichen den Einstieg in die musikalische Grundbildung zu ermöglichen. Die Volkshochschulen bieten für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund Ferienfreizeiten an, Museen pädagogische Programme, um Kindern und Jugendlichen einen eigenen Blick auf die Sammlungen und die Auseinandersetzung damit zu ermöglichen.

Überall in Schleswig-Holstein existieren große und kleine Vorhaben der kulturellen Bildung, an überraschenden Orten, initiiert von vielfältigen Kooperationen für die unterschiedlichsten Zielgruppen. Das „Jahr der kulturellen Bildung 2014“ will diese Vielfalt sichtbar machen, Vernetzungen befördern und Anstöße für weitere Entwicklungen geben.

Ich glaube, noch nie sind die Chancen so gut gewesen, die Zusammenarbeit im Sinne einer konzertierten Aktion zu realisieren. Nichts anderes will das „Jahr der kulturellen Bildung 2014“ sein. Wir wollen wachrütteln, und wir wollen diese Kampagne.

Ich freue mich, dass wir diesen Weg in diesem Jahr mit vielen engagierten Partnern gemeinsam gehen können. Ich freue mich sehr darüber, dass dies das Bildungsministerium, das Sozialministerium sowie das Ministerium für Justiz, Kultur und Europa gemeinsam machen.

(Vereinzelter Beifall SSW, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich freue mich natürlich auch auf Ihre weitere Unterstützung.

Die jungen Menschen werden daraus Nutzen ziehen. Die Gesellschaft insgesamt wird dadurch eine andere Anmutung erfahren. Demokratie und Toleranz werden gestärkt. Was wünschen wir uns ei

(Ministerin Anke Spoorendonk)

gentlich mehr? - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Landesregierung hat die verabredete Redezeit um 3 Minuten überzogen. Das steht auch den Fraktionen zu.

Bitte begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Frau Christine Braun von den Musikschulen in Schleswig-Holstein, Herrn Hartmut Schröder vom Landesmusikrat Schleswig-Holstein, Herrn Alexander Luttmann von der Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Schleswig-Holstein sowie 45 Schülerinnen und Schüler des FriedrichSchiller-Gymnasiums Preetz. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Für die Abgeordneten des SSW hat nun Frau Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin, vielen Dank für Ihren ausführlichen mündlichen Bericht und für die Einladung in der Mittagspause. Ich hoffe, dass wir dort mehr Leute sehen werden, nicht nur die Kulturschaffenden beziehungsweise die kulturpolitischen Sprecher. Vielleicht folgt auch der eine oder andere aus dem Wirtschaftsausschuss dieser Einladung.

Bildung und Kultur sind zwei Seiten einer Medaille. Sie müssen daher gemeinsam gedacht und getragen werden. Kulturministerin Anke Spoorendonk hat zusammen mit ihren Kolleginnen Wara Wende und Kristin Alheit für 2014 das „Jahr der kulturellen Bildung“ eingeläutet.

Dieser Begriff hat in diesen Tagen nicht nur in Schleswig-Holstein Hochkonjunktur. Auch auf Bundesebene hat man ein Pendant zu dem Vorhaben unserer drei Ministerinnen auf die Beine gestellt. Vielerorts werden Enquetekommissionen, Projekte, Initiativen und Gutachten zu diesem Thema präsentiert.

Doch worum geht es bei der kulturellen Bildung eigentlich? Dabei geht es vor allem um die Förderung zur kulturellen Teilhabe. Die Kulturpolitik hat in diesem Zusammenhang einen klaren Auftrag, nämlich dafür zu sorgen, dass so viele Menschen

wie möglich Zugang zum Kultursektor bekommen können. Je früher man damit anfängt, umso größer sind die Erfolgsaussichten.