Protocol of the Session on January 23, 2014

Die Installation der Pflegekammer wird noch zwei bis drei Jahre dauern, wir haben es gehört. Niemand weiß, wann sie dann die von Ihnen formulierten Aufträge erfüllen kann. Das ist völlig ungewiss. Diese Zeit haben wir nicht. Viel wichtiger und erfolgversprechender ist es, die Sozialpartner an einen Tisch zu bringen.

Ich habe vor ein paar Tagen live und vor Ort die Pressekonferenz der Pflegeanbieter verfolgt. Die Argumente, die ich dort hörte, waren zum Teil richtig, zum Teil waren sie falsch. In jedem Fall aber fehlte die Erkenntnis, durch eine attraktivere Arbeitsplatzgestaltung den Pflegeberuf selbst zu stärken. Hier stehlen sich die Pflegeanbieter meiner Meinung nach recht billig aus ihrer Verantwortung. Das können sie jedoch nur tun, weil ihnen keine nennenswerte Gewerkschaft gegenübersteht. Frau Pauls, an dieser Stelle widerspreche ich Ihnen. Wir unterstützen die bpa an keiner Stelle, denn deren In

tention verfolge ich nicht. Es kann zufällig so sein, dass wir, zumindest nach ihrer Wahrnehmung, das Gleiche wollen. Ich sage es noch einmal: Das schlechte Engagement von ver.di ist zu rügen. So wird ver.di weder den Pflichten gegenüber den Beschäftigten noch den Pflichten als Gewerkschaft gerecht.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Das hier entstandene sozialpolitische Vakuum kann eine Pflegekammer nicht füllen. Das soll sie auch nicht, wie wir von der Abteilungsleiterin Frau Dr. Buck gehört haben. Damit ändert sich jedoch nichts an der Bezahlung, an den Tarifverträgen und schon gar nichts am Image der Pflege.

(Beifall PIRATEN, FDP und vereinzelt CDU)

Die von Ihnen eingeladenen Vertreter der Ärzteund der Psychotherapeutenkammer, die die scheinbare Sinnhaftigkeit von Kammern argumentativ stützen sollten, haben genau das Gegenteil bewirkt. Eine Kammer ist überwiegend etwas für freiberuflich oder selbstständig tätige Menschen, die ihren Berufsstand definieren und fortentwickeln, und zwar im gesamtgesellschaftlichen Interesse.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- Ja, die fast ausschließlich abhängig Beschäftigten in der Pflege brauchen unseren gesamtgesellschaftlichen Rückhalt und unsere Anerkennung. Sie brauchen eine gute Bezahlung, sie brauchen eine gute Ausbildung und gute Arbeitsbedingungen. Darum müssen wir uns direkt kümmern und nicht um eine Pflegekammer, die erst Antworten finden wird, wenn es für diese Antworten wahrscheinlich schon zu spät ist. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN, CDU und FDP)

Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Eines möchte ich es vorweg deutlich sagen: Der SSW ist nie Verfechter des Kammergedankens gewesen. Wir konnten und können uns ein System ohne Kammern gut vorstellen. Daran hat sich nichts geändert.

(Beifall PIRATEN)

(Wolfgang Dudda)

Wir leben aber in einer Gesellschaft, in der es Kammern gibt.

(Zurufe)

Da steht unsere prinzipielle Ablehnung in einer Abwägung zu den konkreten Gegebenheiten, wo gleichwertige Bedingungen natürlich auch eine Rolle spielen.

(Vereinzelter Beifall SSW, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben es uns in der Frage der Pflegekammer wirklich nicht leicht gemacht und das Für und Wider intensiv diskutiert. Der Grund für unser Ja liegt darin, dass die Pflege einen enorm hohen Stellenwert für den SSW hat. Einzig und allein deshalb haben wir in diesem besonderen Fall im Sinne der Pflegenden zugestimmt.

(Vereinzelter Beifall SSW, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Herr Kollege Meyer, nachdem Sie bekundet haben, worin Ihre Kehrtwende in der Verkammerung begründet liegt, würden Sie mir freundlicherweise eine Kammer nennen, bei der die Beschäftigten - nicht die Unternehmensinhaber, die Selbstständigen - Mitglied der Kammer sind?

(Birte Pauls [SPD]: Saarland und Bremen! - Weitere Zurufe)

Herr Abgeordneter, wollen Sie eine Antwort des Abgeordneten Flemming Meyer haben, oder wollen Sie eine Debatte kreuz und quer? - Herr Abgeordneter Meyer, Sie haben das Wort.

Das hat sich damit meiner Meinung nach schon erledigt.

(Heiterkeit)

Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass wir jetzt eine neue Kammer bilden. Die verkrusteten

Strukturen der alten Kammern, die seit über 150 Jahren bestehen, gelten für diese Kammer nicht. Wir schaffen ganz neue Strukturen. Das ist doch das Wichtigste dabei!

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Unruhe)

Kollegin Klahn, ich bin ein bisschen verwundert. Sie waren Montag zwar nicht dabei, aber Sie waren vor zwei Jahren bei der großen Veranstaltung im Kieler Schloss dabei, bei der wir gemeinsam auf dem Podium saßen. Da habe ich genau das Gleiche gesagt.

(Widerspruch Anita Klahn [FDP])

- Doch, das habe ich, und zwar sehr deutlich. Auf Nachfrage habe ich nichts anderes gesagt. Deshalb verstehe ich die Verwunderung nicht.

(Zurufe)

Persönlich bin ich mit den Problemen in der Pflege wie etwa der hohen Arbeitsbelastung, der viel zu geringen Wertschätzung oder der allzu niedrigen Bezahlung schon seit über 20 Jahren regelmäßig konfrontiert. Mitglieder meiner Familie, die in der Pflege tätig waren, haben genau hierunter schon vor vielen Jahren gelitten, sogar so sehr, dass sie der Pflege letztendlich den Rücken zugekehrt haben. Es sind keine neuen Probleme, über die wir reden. Mir ist durchaus bewusst, dass sich seitdem wichtige Faktoren wie etwa der Personalschlüssel noch ungünstiger entwickelt haben.

Wir alle wissen es: So vielfältig wie die Probleme im Pflegebereich sind auch die Maßnahmen, die für eine Verbesserung der Situation nötig sind. Wir brauchen dringend erträglichere Arbeitsbedingungen. Wir brauchen verbesserte Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir brauchen nicht zuletzt auch eine bessere Bezahlung. Außerdem muss die Fort- und Weiterbildung von professionell Pflegenden mit den steigenden Anforderungen Schritt halten. Bei all dem darf der soziale Aspekt der Pflege auf gar keinen Fall vernachlässigt werden. Diese Herausforderungen gibt es heute genau wie vor 20 Jahren.

Wenn die Gegner einer Pflegekammer - vor allem CDU und FDP bei der Veranstaltung in Schleswig neulich - behaupten, dass all diese Probleme auch ohne eine Kammer lösbar sind, dann frage ich mich ernsthaft, warum auf diesem Gebiet bisher kaum etwas passiert ist.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Flemming Meyer)

Ganz offensichtlich hat die Pflege doch nicht so große Bedeutung, wie immer gern behauptet wird. Fakt ist: Weder Politik noch Arbeitgeber noch Gewerkschaften haben sich bisher mit Ruhm bekleckert.

(Beifall Wolfgang Dudda [PIRATEN])

Wenn ich vor diesem Hintergrund auch noch von Arbeitgebern in der Pflegebranche höre, dass sie ja das größte Interesse an attraktiven Arbeitsbedingungen für ihre Fachkräfte hätten - und damit eigentlich die besseren Arbeitnehmervertreter seien -, muss ich mich wirklich sehr wundern. Um es vorsichtig zu formulieren: Die Tatsache, dass der Widerstand gegen eine Pflegekammer so massiv von Arbeitgeberseite kommt, sollte einen zumindest einmal nachdenklich stimmen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich persönlich frage mich dann schon, was die Arbeitgeber in der Pflege eigentlich zu befürchten haben. Wenn sie wirklich ein so großes Interesse an guten Arbeitsbedingungen und einer erhöhten Attraktivität des Pflegeberufs haben, dann sollten sie die Kammer doch eigentlich begrüßen. Denn nach meinem Verständnis wird sie genau diese wichtigen Themen wie etwa Weiterbildungsstandards, Qualitätsstandards, die allgemeinen Arbeitsbedingungen oder auch eine Berufsordnung im Interesse der Pflegefachkräfte weiter voranbringen.

In einem Punkt will ich den Kritikern gern recht geben: Man darf keine falschen Erwartungen wecken, wenn es um die Arbeit der Pflegekammer geht. Sie ist sicher nicht die eierlegende Wollmilchsau, die alle Probleme im Pflegebereich von jetzt auf gleich lösen kann. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass sie aus verschiedenen Gründen ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist. Pflege wird im verkammerten Gesundheitswesen endlich auf Augenhöhe vertreten sein. Die bisher eher zersplitterte Gruppe der professionell Pflegenden wird durch sie mit einer starken Stimme sprechen können.

Auch wir als Landespolitiker haben in Zukunft einen gewichtigen Ansprechpartner und können wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung der Pflege erwarten. Dies gilt ganz besonders für ethische Fragen, die für die Zukunft im Pflegebereich immer wichtiger werden.

Ich finde, es wurde wirklich lange genug über die Pflege, aber nicht mit ihr gesprochen. Dabei wurde oft über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden. Aus Sicht des SSW müssen die Pflegen

den endlich selbst die Möglichkeit bekommen, die Weiterentwicklung der Pflege aktiv zu gestalten.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Die Kammer ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Selbstbestimmung. - Jo tak.

Meine Damen und Herren, es gibt offensichtlich einen erheblichen Redebedarf. Wir haben bisher fünf Dreiminutenbeiträge. - Den ersten hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg von der FDP-Fraktion.