Das war eine Anmerkung oder Ergänzung, die meines Wissens nach zutreffend ist. Ich wollte deutlich machen, dass auch ein Flächenland mit vergleichbaren - wenn auch deutlich größeren - Strukturen politisch sehr wohl die Möglichkeiten besser ausgeschöpft hat, als das bislang in Schleswig-Holstein der Fall gewesen ist.
Meine Damen und Herren, der Innenminister hat am 17. Januar 2014 selbst in einer Presseinformation gesagt:
„Inhaltliche Gründe, den Optionszwang nicht so schnell wie möglich abzuschaffen, gebe es nicht. ‚Das ist eine Herzensangelegenheit der Sozialdemokraten und vieler türkischstämmiger Deutscher’, sagte Breitner.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor diesem Hintergrund bin ich froh, dass es in diesem Hohen Haus nach wie vor einen breiten Konsens darüber gibt, den Optionszwang so schnell wie möglich abzuschaffen. Es ist doch nicht zeitgemäß, dass man von einem jungen Menschen, der in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, verlangt, sich in einem bestimmten Alter zwischen zwei Staatsangehörigkeiten zu entscheiden, wenn wir doch genau wissen, dass in der Zuwanderung unter anderem ein Teil der Zukunftsfähigkeit unseres Landes liegt.
Ich komme zum Schluss; das ist mein letzter Satz. Dann gehört es dazu, dass man alles dafür tut, dass sich diese jungen Menschen in diesem Land gut aufgehoben fühlen. Dazu gehört es, dass man den unsinnigen Optionszwang so schnell wie möglich abschafft.
Wir sollten hier und heute noch einmal das klare Signal aussenden, das es ohnehin schon gibt. Ich würde mich freuen, wenn an dieser Stelle auch die Union über ihren Schatten springen könnte. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die doppelte Staatsbürgerschaft ist normal. Kinder von EU-Bürgern können bereits zwei Staatsangehörigkeiten haben, wenn sie in Deutschland leben. Allerdings tut sich Deutschland immer noch schwer damit, diese neuen gesellschaftlichen Realitäten auch für die Bürger anzuerkennen, deren Eltern aus einem Staat außerhalb der EU kommen. Immer mehr deutsch-türkische oder andere binationale Familien leben allerdings schon vor, dass man durchaus mit zwei nationalen Wurzeln verbunden sein kann. Das müssen wir immer wieder erklären.
Was wir brauchen, sind mehr Gesichter von Zweitgenerationsmigranten, die in Wirtschaft, Forschung, Sport und nicht zuletzt in den Parlamenten zeigen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Die Wahrnehmung muss sich ändern, und ich bin mir sicher, das wird sie sich auch. Eine bunte, lebendige und bewegliche Gesellschaft ist einfach die bessere Gesellschaft. Sie kann mehr leisten als eine unbewegliche und homogene Gesellschaft.
Auf die globalen Herausforderungen benötigen wir ein regelrechtes Arsenal an Antworten. Gut, wenn wir die gemeinsam finden können. Wer sich allerdings als Neu-Deutscher in solche Debatten mit seinen Ideen einbringt, der möchte auch die Anerkennung seiner Herkunft.
Das passende Symbol dazu ist die doppelte Staatsbürgerschaft. Das ist die Anerkennung, die wir als Staat vergeben können, weil sie mit umfangreichen Rechten verbunden ist. Vorrangig zu nennen sind das aktive und passive Wahlrecht, das mit der Staatsbürgerschaft verbunden ist, oder das Recht, sich im Ausland durch die Deutsche Botschaft unterstützen lassen zu können. Der Vollständigkeit halber nenne ich aber auch noch die Pflichten, manchmal auch Nachteile, die mit der Staatsbürgerschaft verbunden sind. Zu nennen sind dabei die Wehrpflicht - die gehört in einigen Staaten immer noch dazu - oder die Pflicht, beim ausländischen Wohnsitz Steuern zu bezahlen. Deutscher zu sein, ist nicht immer nur schön. Fragen Sie einmal Herrn Hoeneß; der ist nicht von dieser Regelung begeistert, die mit seiner Staatsbürgerschaft verbunden ist.
Eigentlich kann man angesichts dieser technischen Konsequenzen nicht verstehen, warum Diskussionen über die Staatsbürgerschaft in Deutschland so erbittert geführt werden. Deutschland als Nationalstaat hat in der Geschichte über die Staatsbürgerschaft ethnische und politische Grenzziehung betrieben. Das wirkt anscheinend noch ziemlich nach. Darum doktern wir immer noch an diesem vermaledeiten Optionsmodell aus dem Jahr 2000 herum: ein typischer Wiedergänger hier im Parlament. Seit seiner Einführung fordert der SSW immer wieder in jeder Debatte aufs Neue die Ablehnung dieses unsinnigen und demütigenden Verfahrens. In Deutschland geborene Kinder von Eltern aus NichtEU-Staaten sollen sich nicht länger bis zum 23. Geburtstag für die deutsche Staatsangehörigkeit oder für die Staatsangehörigkeit der Eltern entscheiden müssen. Die Abschaffung des Optionsmodells führt weder zur Masseneinwanderung noch zur Unterhöhlung unserer Gesellschaft.
Keines der Argumente, die gegen die doppelte Staatsbürgerschaft bislang vorgebracht wurden, kann wirklich überzeugen. Sie muten vielmehr wie Rückzugsgefechte Ewiggestriger an, die sich mit neuen gesellschaftlichen Realitäten schwertun. Darum war immer klar: Weg mit dieser unsinnigen Regelung!
„Zuwanderer sollen Staatsbürger werden. Wer in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, soll seinen deutschen Pass nicht verlieren und keiner Optionspflicht unterliegen.“
Allerdings - auch andere sagten das schon - folgen diesen Worten keine Taten. Im Gegenteil, die Große Koalition in Berlin hat einen entsprechenden Antrag der Opposition, bis zum offiziellen Ende des Optionsmodells eine Übergangsregelung zu ermöglichen, letzte Woche abgelehnt. Aufgrund einer nicht nachvollziehbaren Regierungslogik haben wir immer noch dieses falsche Optionsmodell. Die neue Mehrheit hat im Bundestag eine historische Chance vertan.
Schätzungsweise 5.400 junge Menschen werden also im Laufe des Jahres Post bekommen, damit sie sich aufgrund des Optionsmodells für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Sie erhalten mit dem Schreiben nicht den Antrag auf Beibehaltungsgenehmigung, wie es die Grünen vorgeschlagen hatten. Die Beibehaltungsgenehmigung nach § 29 Abs. 4 des Staatsbürgergesetzes ist zu erteilen,
„wenn die Aufgabe oder der Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit nicht möglich oder nicht zumutbar ist oder bei einer Einbürgerung nach Maßgabe von § 12 Mehrstaatigkeit hinzunehmen wäre“.
So weit das Gesetz, auf das sich nicht nur schleswig-holsteinische Bürgerinnen und Bürger beziehen können. Im Gegensatz zu Bürgern in anderen Ländern finden sie bei uns in Schleswig-Holstein Gehör. Innenminister Breitner regt gegenüber unseren kommunalen Einbürgerungsbehörden an, das Optionsverfahren nicht anzuwenden und das neue Bundesgesetz abzuwarten. Damit folgt er seinem Hamburger und Bremer Amtskollegen. Das ist vorbildlich, und das ist das richtige Signal.
Viele Menschen aus Ländern außerhalb der EU leben bei uns, und viele junge Menschen stünden normalerweise jetzt vor der Wahl, welche Staatsbürgerschaft sie behalten wollen. Wir hoffen, dass die Behörden jetzt schon der zukünftigen Gesetzeslage unbürokratisch vorauseilen und den Menschen diese Wahl ersparen. Das wünsche ich mir im Übrigen nicht nur für Schleswig-Holstein, sondern für die gesamte Bundesrepublik Deutschland.
Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. - Doch, ein Dreiminutenbeitrag von Dr. Breyer. Jetzt sind die Dreiminutenbeiträge dran.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da in der Debatte rechtlich bestritten worden ist, dass es möglich wäre, wie wir vorschlagen, alle Betroffenen zu informieren und zu verhindern, dass sie die Staatsbürgerschaft verlieren, hat meine Fraktion eben beschlossen, den Wissenschaftlichen Dienst zu beauftragen, die Frage zu prüfen. Da Ihr Beschluss vorsieht, die rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen zu wollen, gehe ich davon aus, dass dann, wenn die rechtlichen Möglichkeiten geklärt sind, auch das Innenministerium veranlasst werden wird, sie zu nutzen. - Danke schön.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Für die Landesregierung erhält Herr Innenminister Andreas Breitner das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist kein Geheimnis, dass sich die Koalitionspartner der Landesregierung bereits seit Jahren für die Abschaffung des Optionsverfahrens einsetzen.
Das Optionsverfahren hat sich nicht bewährt. Diese Erkenntnis hat sich inzwischen über die politischen Lagergrenzen hinweg weitestgehend durchgesetzt. Ich denke dabei unter anderem an den Antrag der FDP zur Aufhebung des Optionszwangs Anfang letzten Jahres. In den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene, an denen auch ich mitgewirkt habe, ist der Durchbruch gelungen. Das Optionsverfahren wird abgeschafft.
Die Haltung der Landesregierung ist klar: Bis zur Abschaffung des Optionsverfahrens sollte möglichst kein Betroffener mehr seine deutsche Staatsangehörigkeit verlieren. Dabei ist die Verwaltung aber an Recht und Gesetz gebunden. Wir können
Bundesrecht nicht aussetzen, schon gar nicht durch einen Landeserlass. Das hat auch Hamburg - entgegen anderslautender Meldungen - nicht gemacht. Inzwischen geht es um Bremen. Meines Wissens nach gilt dies auch für kein anders Bundesland. Die Erlasse liegen mir vor. Der Hamburger Weg entspricht vielmehr dem Schleswig-Holsteins. Abgesehen davon hat Hamburg als Stadtstaat ganz andere Einwirkungsmöglichkeiten auf die für das Optionsverfahren zuständigen Stellen. In Hamburg brauchen diese sich nicht selbst aufzufordern. Dort machen die Stellen das mit sich selbst ans.
Bereits am 11. Dezember 2013 hat das Innenministerium die Frage des Umgangs mit aktuellen Optionsfällen im Rahmen einer Dienstbesprechung mit den Einbürgerungsbehörden erörtert. Wir haben Einvernehmen dahin gehend erzielt, dass das Optionsverfahren nach wie vor geltendes Recht darstellt. Vor allem haben wir uns aber darauf verständigt, dass aktuelle Verfahren nicht beschleunigt werden sollen; alles im Rahmen des geltenden Rechts. Entsprechend wurden die zuständigen Behörden mit Schreiben vom 30. Dezember 2013 aufgefordert, Anträge auf Beibehaltungsgenehmigung nicht negativ zu bescheiden, denn der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit tritt erst ein, wenn ein solcher Antrag bestandskräftig abgelehnt worden ist. Dies gilt nach unserer Rechtsauffassung übrigens auch für Anträge, die nach dem 21. Lebensjahr gestellt werden.
Sie wollen, dass die Landesregierung sicherstellt, dass Optionspflichtige informiert und gebeten werden, einen Antrag auf Beibehaltungsgenehmigung zu stellen. Grundsätzlich ist das längst Verwaltungspraxis. Seit jeher werden Optionspflichtige unverzüglich nach Erreichen der Volljährigkeit informiert. Das geschieht sowohl schriftlich als auch mündlich und im Zweifel auch wiederholt. Die Antragstellung ist zudem weder bürokratisch noch an ein bestimmtes Formular gebunden. Sie ist formlos und auch rein vorsorglich möglich.
Ich denke, viele Optionspflichtige sind über ihre Informationswege über die aktuellen Diskussionen informiert. Einen allgemeinen Hinweis auf die Rechtslage, wie es in Punkt b) des Antrags gefordert wird, halte ich daher für verzichtbar.
Für sinnvoll halte ich aber, konkret Betroffene noch einmal anzusprechen. Ich werde daher Ihre letzte Anregung aufgreifen und die Kreise und kreisfreien Städte bitten, in Fällen, in denen noch keine Beibe
haltungsgenehmigung beantragt wurde, die Betroffenen auf die Möglichkeit der Beantragung hinzuweisen.
Zusammenfassend denke ich, dass wir uns über das eigentliche Ziel einig sind, nämlich die Optionsverfahren so schnell wie möglich abzuschaffen. In unseren Einbürgerungsbehörden werden die Anfragen der Betroffenen auflaufen. Im Interesse unserer Bürger wollen wir die Entwicklung voranbringen und zu einer zügigen Lösung kommen. Zügig wäre es in der Tat gewesen, wenn die Große Koalition in Berlin in der letzten Woche die Chance genutzt hätte, den Optionszwang in die Geschichtsbücher zu verbannen. Das hat der Bundestag zunächst nicht getan.
Deshalb wird die Landesregierung noch in Kürze eine eigene Bundesratsinitiative vorlegen. Sie enthält als zentralen Punkt die Aufhebung der Optionspflicht. Für die Fälle, in denen die Wirkungen des Optionsverfahrens bereits eingetreten sind oder nicht verhindert werden konnten, wird eine Übergangsregelung geschaffen. Den Betroffenen wird die Möglichkeit zum gebührenfreien Wiedererwerb der deutschen beziehungsweise der ausländischen Staatsangehörigkeit unter Beibehaltung der deutschen eröffnet. Der Gesetzentwurf deckt damit ähnlich wie der Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundestag - alle Fallkonstellationen ab. Ich hoffe, dass Sie alle ihn als politischen Konsens mittragen.