Protocol of the Session on December 13, 2013

In Erinnerung an das Debakel bei den Biogasanlagen und der viel gescholtenen Vermaisung unserer Landschaft müssen wir allerdings die natürlichen

Grenzen unseres Vorhabens von Beginn an im Blick haben. Das hat mir bei den bisherigen Ausführungen gefehlt. Selbst wenn wir jeden Quadratmeter Schleswig-Holsteins mit Soja bepflanzen würden, dann wären die 4,5 Millionen t kaum zu schaffen, logisch.

Wir müssen also feststellen, dass wir es zunehmend mit einem Flächenproblem zu tun haben. Das betrifft nicht nur die aktuelle Frage und Debatte, sondern wir sehen das beim Dauergrünland, wir sehen das beim Wald, dessen Anteil wir nur schwerlich erhöhen können; darüber haben wir gerade im letzten Tagungsabschnitt diskutiert. Unsere Sojaimporte - auch das muss gesagt werden - gehen zulasten der Regenwälder.

(Beifall PIRATEN)

Am Ende des Tages verzehren wir Fläche, die wir selber nicht haben.

Kurzum, wer erwartet, die Eiweißlücke allein dadurch schließen zu können, dass wir „dagegen“ anbauen? Diese Erwartung wird sich aber kaum erfüllen lassen.

Zum Glück gibt es eine weitere Möglichkeit, die in jedem Fall funktioniert. Wir müssen die Anzahl der Großtiereinheiten an die zur Verfügung stehende Fläche koppeln. Wenn wir jede Großtiereinheit für die Fläche vorsehen, die zu dessen Ernährung benötigt wird, dann schließt sich auch unsere Eiweißlücke. Das, meine Damen und Herren, wäre ein Konzept der Nachhaltigkeit. Darüber werden wir gern im Ausschuss diskutieren. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN)

Das Wort für den SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus welchen Gründen auch immer gibt es in Schleswig-Holstein noch keine Strategie, wie der Anteil heimischer Eiweißpflanzen - sogenannter Leguminosen - bei uns im Land erhöht werden soll. Dies wollen wir mit dem vorliegenden Antrag ändern. Seit Jahren gibt es bereits in anderen Bundesländern und sogar auf Bundesebene Strategien, um den Anbau von Eiweißpflanzen in der Landwirtschaft zu erhöhen.

(Oliver Kumbartzky)

Die Gründe hierfür sind vielfältig. Die Einbeziehung von Eiweißpflanzen in der Fruchtfolge wirkt sich positiv auf die Kohlenstoffbilanz aus und führt zu einer Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit. Dies wiederum führt dazu, dass sich die Stickstoffausbringung auf den Flächen signifikant verringern lässt.

Deutschland importiert rund 6 Millionen t Sojabohnen und Sojaschrot, wobei der weitaus größte Teil des Sojaimports gentechnisch verändert ist. Die Produktion der Kraftfutterkomponenten hat sich nach Nord- und Südamerika verlagert. Rund 35 bis 45 % der benötigten eiweißhaltigen Kraftfutterkomponenten werden heute über den Import bezogen.

Dies ist kein Phänomen in Deutschland allein, sondern europaweit zu verzeichnen. Es gibt in Europa eine „Eiweißlücke“, denn ausschließlich mit heimischen Futtermittelpflanzen und ohne die Sojaimporte lassen sich die großen Nutztierbestände nicht mehr ernähren.

Derzeit werden nur auf rund 1 bis 3 % der gesamten Ackerfläche in Deutschland Leguminosen angebaut. Daher gilt es, Wege zu gehen, um hier einen anderen Drive in die Futtermittelproduktion zu bekommen. Wie gesagt: Eiweißstrategien wurden bereits in anderen Bundesländern und auf Bundesebene auf den Weg gebracht. Auch der Deutsche Bauernverband, der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter und die Union zur Förderung von Ölund Proteinpflanzen haben bereits Anfang 2012 eine Strategie zur Steigerung des heimischen Eiweißpflanzenanbaus vorgelegt.

Daher bin ich ehrlich gesagt überrascht, dass in einem landwirtschaftlich geprägten und agrartechnisch fortschrittlichen Land wie Schleswig-Holstein die Resonanz auf derartige Eiweißstrategien immer noch so gering ist.

(Beifall Lars Harms [SSW] und Kirsten Eickhoff-Weber [SPD])

Es wird aber deutlich, dass es höchste Zeit ist, dass wir in Schleswig-Holstein endlich eine eigene Strategie für mehr heimische Eiweißpflanzen entwickeln.

Das Rad brauchen wir hierfür auch nicht mehr in allen Belangen neu zu erfinden, denn es gibt durchaus Erfahrungswerte in anderen Bundesländern, auf die wir zugreifen sollten. Daher macht eine Zusammenarbeit oder Kooperation mit anderen norddeutschen Ländern Sinn. Die Eiweißstrategie wird aber nur dann Erfolg haben, wenn wir den gesamten Prozess im Blick haben. Hier müssen

Forschung, Züchtung, Landwirtschaft, Handel sowie Lebens- und Futtermittelindustrie Hand in Hand gehen. Das heißt, die gesamte Wertschöpfungskette muss betrachtet und es müssen gemeinsam Lösungen erarbeiten werden. Die Allianz aller Beteiligten ist eine Voraussetzung.

Es wird aber auch darauf ankommen, ob es gelingt - gerade in der Startphase -, Fördermittel aufzutreiben, die Schwung in die Strategie bringen können. Nur wenn dies gelingt und wenn Landwirte auf Dauer ihr Einkommen aus dem Anbau von Eiweißpflanzen sichern können, wird es gelingen, den Anbau von heimischen Eiweißpflanzen zu erhöhen. Das sollte für uns das Ziel sein.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herr Dr. Robert Habeck.

Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Viele gute Gründe sind genannt worden: Unabhängigkeit von Importen, Auflockerung von Fruchtfolgen, Schutz der Böden - all das ist richtig und wird von uns unterstützt. Gleichwohl, Flemming Meyer, ist die Antwort darauf, warum es in Schleswig-Holstein so schwer ist, eine Eiweißstrategie nicht nur aufzuführen, sondern auch durchzusetzen, relativ einfach. In Schleswig-Holstein ist seit den 60er-Jahren der Eiweißanteil nie größer als 2.000 ha gewesen, im letzten Jahr 1.300 ha. Wir sind so ein starkes Agrarland. Eben weil es so ein starkes Agrarland ist, ist es so schwer, alternative Fruchtfolgen oder alternative Pflanzen anzubauen. Das muss man auch bei aller Dringlichkeit des Handlungsauftrags in Erinnerung behalten. Wir arbeiten gegen die Ökonomie an. Deswegen ist es vergleichsweise schwer, dort kurzfristig Erfolge zu erzielen.

Es gibt drei Ansatzpunkte, die wir dann im Ausschuss oder im Plenum oder wo auch immer weiter vertiefen können, die in eine Strategie eingebaut werden können. Der letzte scheint mir der Entscheidende zu sein.

Die beiden anderen sind, dass durch die neue Förderperiode das Greening eingeführt wurde. Wir haben das verschiedentlich diskutiert. Greening heißt,

(Flemming Meyer)

dass erst einmal 5 % der landwirtschaftlichen Fläche als ökologische Vorrangfläche behandelt werden soll. Außer Landschaftselemente zu schaffen also Knicks, Tümpel, ungenutzte Flächen und Brachen -, gibt es auch die Möglichkeit, dort Eiweißpflanzen anzubauen. Man streitet sich im Moment politisch darüber, ob dieser Anbau dann pflanzenschutzmittel- und pestizidfrei erfolgen soll. Das muss aus meiner Sicht so sein, weil es eben ökologische Vorrangflächen sind. Es wäre relativ sinnlos, ökologische Vorrangflächen zu definieren und zu sagen: Da dürfen dann Herbizide oder Pestizide eingesetzt werden. Das macht aber den Eiweißanbau auf diesen Flächen sehr schwierig, weil die Eiweißpflanzen, wenn sie praktisch angebaut werden sollen, in der Regel tatsächlich des Pflanzenschutzoder Herbizideinsatzes bedürfen.

Die zweite Möglichkeit wäre, über die Agrar- und Umweltmaßnahmen eine Förderung von Fruchtfolgen im Ackerbau aufzulegen. Das werden wir in jedem Fall tun, also dass wir von monokulturellen Ackerbaumaßnahmen wegkommen. Da wäre es ideal, Eiweißpflanzen einzubauen. Allerdings ist der Aufwand noch immer sehr hoch. Wir würden natürlich ein Stück weit dafür entschädigen. Dann mag es Landwirte geben, die sagen: Die 130 € nehmen wir noch einmal mit. - Aber ob das den großen Durchbruch bringt, wage ich auch zu bezweifeln. Gleichwohl ist das der zweite Bestandteil, den wir anbieten werden.

Der dritte scheint mir der Entscheidende zu sein und das hat auch Oliver Kumbartzky schon gesagt -: Wir müssen rein in die Betriebe. Ich glaube, eine Strategie sollte nicht auf Fläche zielen, sondern auf die Praxis in den Betrieben. Wenn es etwa in der Bullenmast gelingt, wieder ein Gespür dafür zu entwickeln, dass es auch sinnvoll sein kann, die Bullen etwa über Ackerbohnen zu mästen und nicht über Sojaimporte, wird die Fläche nachkommen. Das heißt, wir brauchen Beratung, wir brauchen Forschung, wir brauchen Schulung für die Betriebe. Wenn die Produktion dies nachfragt, dann wird die Fläche nachfolgen. Auch darüber gibt es ein Instrument, das wir aufbauen könnten, nämlich über die Europäischen Innovationspartnerschaften, die sogenannten EIP, um Geschäftsstellen für Eiweißforschung und -beratung aufzubauen, quasi neben der Kammer. Darüber wird verschiedentlich gesprochen. Allerdings muss ich auch sagen: Diese EIP funktionieren nur, wenn sich verschiedene Gruppen daran beteiligen. Das ist im Moment noch nicht so richtig der Fall, oder es gibt Gespräche darüber, aber noch keinen richtigen Zug in der Sache.

Deswegen wäre mein Wunsch, dass alle agrarpolitischen Sprecher, die sich jetzt für eine Eiweißstrategie ausgesprochen haben, in den Verbänden, die ihnen nahestehen, in den Gruppen der Landwirtschaft, die dort Interesse haben müssten, dafür werben, dass wir diese EIP an den Start bringen. Oder anders formuliert: Es ist relativ sinnlos, eine Strategie auf ein Papier zu schreiben, wenn wir es nicht hinbekommen, innerhalb des nächsten halben Jahres eine Europäische Innovationspartnerschaft für Eiweißpflanzen aufzulegen. Das ist die Chance, Geld in die Hand zu nehmen. Das andere ist bedrucktes Papier. Aber wenn wir noch nicht einmal den ersten Schritt schaffen, dann verstolpern wir diesen Start. Den schaffen wir aber nicht durch politische Anordnung, sondern nur, wenn wir Akteure der landwirtschaftlichen Gesellschaft unterhaken und dann aktiv werden. Insofern glaube ich, dass eine Strategie auf die Betriebe zielen muss und nicht auf die Fläche. Die Fläche wird dann nachkommen.

Erlauben Sie mir, mit einem Thema zu schließen, das überhaupt nichts mit der Sache zu tun hat, aber da Bernd Voß gleich noch einmal redet, möchte ich sagen, dass auch Bernd Voß heute Großvater geworden ist.

(Zuruf)

- Das wurde schon gesagt?

(Zurufe: Ja!)

- Da war ich draußen. Dann auch einen herzlichen Glückwunsch von mir! - Danke, frohe Weihnachten!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich gebe zu, Herr Minister, regierungsseitig ist offiziell noch nicht gratuliert worden, insofern ist das in Ordnung. - Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat Herr Abgeordneter Bernd Voß.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für die vielen, vielen freundlichen Glückwünsche. Es ist schon spannend, was mir heute Morgen widerfahren ist.

Warum habe ich mich noch einmal gemeldet? Nicht um mich unbeliebt zu machen, aber ich weiß

(Minister Dr. Robert Habeck)

natürlich auch, dass eine halbe Stunde Beratung weggefallen ist und die Fragestunde ausfällt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So war das nicht gedacht!)

Zwei Sachen sollten noch einmal gesagt werden: Das eine ist - Heiner Rickers hat das angesprochen - die Frage der Biokraftstoffe und die Frage der Treibstoffe, die Frage von Öl und Eiweiß aus einer Pflanze, die iLUC-Faktoren - Landnutzungsänderungen -, über die intensiv diskutiert wird und die auch in der Presseerklärung des NABU angesprochen werden. Ich denke, gerade auch in eurem Interesse ist es sinnvoll, dass die Kommission da noch einmal tief durchatmet und ganz genau anschaut, in welche Richtung die neue Biokraftstoffpolitik gehen kann. Da sollte noch einmal tief Luft geholt werden.

An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal betonen, dass gerade die Stellungnahme von SchleswigHolstein zusammen mit Rheinland-Pfalz und Bayern in der Frage im Bundesrat auch damals schon klargestellt hat, dass man ein bisschen genauer gucken muss, was man da veranstaltet, damit es nicht nach hinten losgeht.

Ich will noch ganz kurz etwas zu dem Teil des Antrags sagen, der sich mit Öl beschäftigt. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass mit einer Agrarspritstrategie überhaupt nicht gemeint sein kann, dass fossile Treibstoffe durch Biotreibstoffe ersetzt werden. Sehe ich die Zahlen der FAO - ich meine, sie sind untertrieben -, dann sehe ich, dass wir schon heute weltweit bei 70 % der ganzen Ackerfläche liegen, die wir bräuchten, wenn wir meinen, wir könnten fossilen Brennstoff eins zu eins durch Biotreibstoff ersetzen. Das hält der Planet nicht aus. Dafür bräuchten wir gleich mehrere Planeten. Das kann keine sinnvolle Politik sein.

Zugleich muss man differenziert vorgehen. Die Entwicklung zur Nutzung reiner Pflanzenöle in der Landwirtschaft, im Gartenbau, in der Forstwirtschaft muss differenziert betrachtet werden. Auf der einen Seite nenne ich den Einsatz in Wasserschutzgebieten, in sensiblen Gebieten. Ich muss auf der anderen Seite aber auch ganz klar sagen, dass zur Landbearbeitung weiter treibstoffbetriebene Maschinen benötigt werden, dass ein Einsatz von EMobilität nur sehr begrenzt sinnvoll sein wird. Von daher muss in regionalen Kreisläufen geguckt werden, wie wir die Techniken weiterentwickeln. Es kann einfach sinnvoll sein. Wir brauchen auch in Schleswig-Holstein eine neue, aktuelle Bewertung. Von daher haben wir diesen Punkt reingenommen;

damit wollten wir deutlich machen, dass wir ihn im Auge haben.

In den letzten 29 Sekunden will ich deutlich machen, warum die Regierungskoalition bittet, in diesem Punkt in der Sache abzustimmen. Ich habe das den fachpolitischen Sprechern bereits gesagt. Es gibt durch die Beschlüsse der Agrarministerkonferenz in München eine neue Situation. Von daher geben wir an die Landesregierung einen Arbeitsauftrag. Wir sollten in der kommenden Ausschusssitzung darüber beraten, um dieses Thema gemeinsam voranzubringen. Wenn wir es erst in den Ausschuss schieben und erst dann das Parlament seinen Willen bekundet, wird das Thema ein Stück weit verschleppt. Und plötzlich gibt es Entscheidungen, wohin demnächst die Mittel gehen, die wir vielleicht nicht unbedingt wollen. Aufgrund dieser Situation bitte ich um Zustimmung zu dem Antrag. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)