Protocol of the Session on December 12, 2013

Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Bernd Heinemann [SPD] - Unruhe)

Für die Fraktion der PIRATEN hat der Abgeordnete Uli König das Wort.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Das Problem der Geburtshilfe geht uns alle an. Ich hätte gern ein ganz einfaches Meinungsbild: Wer von Ihnen ist in seinem Leben bisher ohne Geburtshilfe ausgekommen?

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Da muss ich mal meine Mutter anrufen! - Zurufe: Daten- schutz!)

Ich habe den Eindruck, dass sich hier niemand gemeldet hat. Ich verstehe nicht, warum das lustig ist. Ich finde, das ist ein sehr ernstes Thema.

(Zurufe)

Wir haben festgestellt: Wir alle hängen von der Geburtshilfe ab - passiv, wenn man selbst auf die Welt kommt, und aktiv, wenn man Eltern wird oder Großeltern, wie wir heute Morgen vom Kollegen Peters gehört haben. - Darüber freue ich mich sehr.

(Vereinzelter Beifall)

Ich muss aber auch feststellen: Die Hebammenversorgung und die Geburtshilfeversorgung ist kein Inselproblem, sondern das ist ein Problem für das ganze Land. Die Entwicklung der Versicherung für Hebammen mit Geburtshilfe ist erschreckend. Im Jahr 1998 war eine Deckungshöhe von 3 Millionen € vorgesehen. Damals hat eine Haftpflichtversicherung 393 € gekostet. 2003 waren es schon 453 €. 2004 gab es einen Sprung auf 1.352 €. Das ist schon echt heftig. Es geht weiter: 2009 lag die Deckungshöhe bei 6 Millionen € und der Versicherungsbeitrag bei 2.370 €, 2012 bei 4.242 €. Mitte 2014 sind 5.090 € angesetzt. Wir kommen von knapp 400 € auf über 5.000 €. Das ist eine unglaubliche Entwicklung. Ich verstehe nicht, wie da noch jemand Geburtshilfe machen soll. Man kann doch nicht ohne Haftpflichtversicherung Geburtshilfe machen! Wir müssen den Hebammen in unserem Land beistehen, wenn sie weiter Geburtshilfe machen sollen. Es hängt für uns alle viel davon ab.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Ich stelle fest: Der Markt hat hier ganz klar versagt, und wir müssen eingreifen. Das ist wichtig.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es wurden 151 Versicherer angefragt. Davon haben 147 mitgeteilt, dass sie kein Interesse haben. Der Rest, bestehend aus einem Konsortium der Lloyd’s-Versicherung London und der Allianz, hat

(Dr. Andreas Tietze)

Angebote gemacht, die sich auf eine ähnliche Höhe belaufen.

Eine Deckungshöhe von 6 Millionen € halte ich für zu niedrig. Deswegen finde ich den Vorschlag der Koalition gut, sich für eine humanere Versicherung einzusetzen, sodass die Geburtshilfe mit einer ordentlichen Haftpflichtversicherung sichergestellt werden kann. Ich bitte, darauf zu achten, dass die Deckungshöhe ausreichend ist. Wenn ein Kind einen Geburtsschaden erleidet, kommt man mit 6 Millionen € an Kosten für das restliche Leben nicht aus. Da kommen die Hebammen im Zweifelsfall in Teufels Küche. Ich frage mich, wer diesen Job noch machen soll. Ich würde ihn unter den Umständen nicht machen. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN)

Für die Fraktion der CDU hat Frau Kollegin Astrid Damerow das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als Wahlkreisabgeordnete aus Nordfriesland, zu dem auch Sylt gehört,

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

will ich hier noch einige Worte sagen. Einiges ist hier richtigerweise schon gesagt worden. Die Kollegen Trauernicht und Tietze haben es ebenfalls angemerkt. Es ist allerdings schade, dass wir erst heute im Landtag über das Thema sprechen, denn die Probleme der Geburtshilfe auf Sylt sind in der Tat nicht erst seit drei Wochen bekannt, sondern wir sind ein bisschen sehr knapp dran. Es ist gut, dass der Runde Tisch tagt, dass man nach Lösungen sucht. Es wird aber auch allerhöchste Zeit.

Ich will auch ein paar Worte zum Asklepios-Konzern verlieren. Es ist nahezu unerträglich, täglich die Zeitung aufzuschlagen und jeden Tag ein neues Argument von Asklepios zu lesen, weshalb die Geburtshilfe auf Sylt nicht weiter durchzuführen sei. Die heutige Schlagzeile schlägt eigentlich dem Fass den Boden aus. Nun wählen Zeitungsleute die Schlagzeilen nach eigenem Gutdünken, aber hier die Qualität der Geburtshilfe auf Sylt in die Nähe derer von Armenien zu rücken, finde ich gegenüber den werdenden Müttern einfach unverantwortlich.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN, SSW und vereinzelt SPD)

Ich finde, es ist auch unsere Pflicht als Politik, dieses deutlich zurückzuweisen. Umso mehr ist Asklepios in der Pflicht, spätestens morgen ein tragbares Konzept vorzulegen. Dieses Konzept - damit wir hier auch richtig verstanden werden - muss für alle tragbar sein. Herr Kollege Dudda hat es angesprochen: Es kann nicht sein, dass, nur weil etwas nicht mehr lukrativ ist, jetzt die öffentliche Hand alles zu übernehmen hat. Denn wir alle wissen durchaus auch um die Probleme, die unsere öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser haben. Auch da muss es geleistet werden können.

Zur Qualität hatten Sie den Artikel von Herrn Dr. Stachow zitiert. Ich teile das voll. Deshalb richte ich von hier aus den dringenden Appell an den Asklepios-Konzern, nun im Sinne der Sylter Bevölkerung Lösungen anzubieten, die auch umzusetzen sind und vor allem nicht damit zu drohen, sich ansonsten aus der ärztlichen Versorgung komplett zu verabschieden. Ich finde, das ist unlauter und eines solchen Konzerns und der Verantwortung, die er hat, nicht würdig.

(Vereinzelter Beifall CDU, SPD und PIRA- TEN)

Lassen Sie mich vielleicht noch ganz kurz etwas zum Antrag der Regierungsfraktionen sagen. Wir haben gestern diese 45.000 € für die Erstellung eines landesweiten Konzeptes zur Geburtshilfe abgelehnt. Das stimmt aus einem einfachen Grund ich bin keine Sozialpolitikerin, aber einmal ganz ehrlich -: Ich habe bis heute nicht verstanden, warum wir jetzt für ein Konzept 45.000 € ausgeben müssen, wo wir ein ganzes Ministerium haben mit einer sicherlich doch durchaus kreativen und innovativen Hausspitze. Warum sind die nicht imstande, mit Bordmitteln ein solches Konzept zu erstellen?

(Beifall CDU und PIRATEN)

Warum müssen wir dafür 45.000 € ausgeben? - Das habe ich echt nicht verstanden. Ich glaube auch, man hätte vielleicht der einen oder anderen Hebamme mit den 45.000 € besser helfen können. Das war der kritische Aspekt, um die Ablehung der 45.000 € zu erklären. - Danke.

(Beifall CDU, PIRATEN und Anita Klahn [FDP])

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg.

(Uli König)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Kollegin Bohn, es tut mir leid, dass ich vorhin bei Ihrer Zwischenfrage an die Kollegin Klahn so dazwischengerufen habe. Ich will das noch einmal sagen: Die Herauslösung der Hebammen aus der RVO, der Reichsversicherungsordnung, und die Übertragung auf das SGB V haben Teile der Probleme, über die wir seit einigen Jahren diskutieren, erst verursacht. Möglicherweise würden wir das heute anders machen - möglicherweise! Möglicherweise war die Übertragung in die sogenannte Selbstverwaltung insbesondere für die Hebammen ein Problem. Dass es zum Teil problematisch wird, diskutieren wir seit mehreren Jahren.

Punkt zwei: die Frage der Höhe der Haftpflichtversicherung und der Haftpflichtprämien. Sehr geehrte Damen und Herren, das ist natürlich auch eine Konsequenz des medizinischen und medizinischtechnischen Fortschritts. Wenn Sie im Bereich der Geburtenhilfe und der Gynäkologie sehen, dass wir es inzwischen auf fantastische Art und Weise geschafft haben, dass sogar Frühchen mit weniger als 500 g Geburtsgewicht eine Überlebenschance haben,

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

- aber nicht weniger als 500 g -, gleichzeitig damit die Risiken natürlich enorm zugenommen haben das sage ich völlig wertfrei -, dann erklärt das den Anstieg dieser Haftpflichtprämie.

Ein dritter Punkt, ohne in irgendeiner Art und Weise das Problem, das hier akut diskutiert wird, kleinreden zu wollen: Wir diskutieren eigentlich immer noch daran vorbei, dass all diese Punkte, die hier genannt wurden, eine Konsequenz des demografischen Wandels sind. Wir werden noch sehr häufig in diesem Landtag stehen und uns fragen, ob die eine oder andere Fachabteilung des einen oder anderen Krankenhauses noch richtig ist oder nicht. Das ist erst der Anfang einer riesengroßen Diskussion, was der demografische Wandel bedeutet und welche Konsequenzen dieser demografische Wandel für die medizinische Versorgung einer Bevölkerung in einem Flächenland hat.

Deswegen müssen wir sehr wohl diese Frage stellen, wenn es einen gesellschaftlichen Konsens gibt. Bei der Frage der Versorgung der Inselbevölkerung gab es den bislang, und nicht nur den gesellschaftlichen Konsens, sondern auch den politischen Konsens; ich darf bemerken, dass die Ministerin in dem einen oder anderen Fall - bei Asklepios braucht sie es nicht, weil es da einen Sicherstellungszuschlag

für die Insel Sylt gibt - natürlich die Möglichkeit hat, einen Sicherstellungszuschlag anzuordnen. Damit werden wir aber nicht alle medizinischen Versorgungsprobleme dieses Landes in den nächsten zehn bis 15 Jahren lösen.

Wir müssen eine ehrliche Diskussion mit der Bevölkerung führen, was ihnen Gesundheit und Gesundheitsversorgung - dazu gehört auch die Geburtshilfe - in Zukunft wert ist und welche Instrumente wir in Zukunft in die Hand nehmen wollen, um diese Versorgung zu gewährleisten.

Da wäre ich - deshalb hatte ich mich zu Wort gemeldet - etwas vorsichtiger, von vornherein die Versorgung durch private Klinikträger zu verteufeln. Das wollte ich mit meiner Zwischenfrage deutlich machen. Es gibt private Klinikträger, die im Land vorbildlich versorgen. Schauen Sie einmal nach Neustadt. Dort ist ein privater Klinikträger bei der Schönklinik -, der einen exzellenten Job erledigt. Den stellt auch niemand infrage. Schauen Sie sich dagegen die Probleme an, die wir mit einem bestimmten Klinikbetreiber immer wieder auch an anderer Stelle hatten.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme zum Schluss. Ich würde einfach einmal anregen und darum bitten, dass wir die Probleme, wenn sie denn bei der Versorgung punktuell auftreten, zum Anlass nehmen, um grundsätzlich eine Debatte darüber zu führen, wie wir dauerhaft die Versorgung mit stationären und ambulanten Leistungen in einem Flächenland sicherstellen können. Diese Probleme lassen sich nämlich nicht jedes Mal im Einzelfall mit ganz besonderem Engagement lösen.

(Beifall FDP)

Herr Abgeordneter, Sie müssen tatsächlich zum Schluss kommen. - Das sind Sie jetzt auch, wie ich das vernehme. Herr Dr. Tietze würde Ihre Redemöglichkeit verlängern, wenn Sie seine Zwischenbemerkung zulassen.

Selbstverständlich. Ich möchte auch bemerken, dass ich Fehmarn nicht mit Sylt verwechselt habe, Herr Kollege Tietze.

Vielen Dank, Herr Kollege Garg. Ich bin aufgestanden, weil Sie über die privaten Krankenhausträger gesprochen haben. Halten Sie es für richtig, dass in diesem Gesundheitsmarkt in einem Krankenhaus ein Privater seinen Shareholdern, seinen Aktienanteilinhabern, Renditeerwartungen - Helios: 16 %; Asklepios: 9 bis 10 % - verspricht? Wir müssen auch darüber reden, was vielleicht dann an anderer Stelle dieser Konzern einspart oder aufgrund dieser Renditeinteressen nicht anbietet. Finden Sie nicht, dass wir darüber reden müssen?

- Herr Kollege Tietze, wir können grundsätzlich über alles in diesem Landtag reden. Ich will Ihnen nur sagen: Die Politik und hier im Fall der stationären Versorgung insbesondere auch die Landespolitik gemeinsam mit den Kostenträgern, gemeinsam mit den Kommunen, hat - ich darf daran erinnern, dass beispielsweise über Investitionen nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht eine Ministerin oder ein Minister allein entscheidet, sondern eine gesamte Beteiligungsrunde -, über vielfältige Steuerungsmöglichkeiten sehr wohl die Möglichkeit, die eine oder andere Präferenz, um das einmal sehr freundlich und neutral auszudrücken, auch zu ermöglichen. Insofern dürfen aus meiner Sicht private Klinikbetreiber meinetwegen Renditen versprechen, wie sie wollen. Sie müssen nur zusehen, dass sie sie dann nicht nur erwirtschaften, indem sie den Auftrag, den sie haben, nicht komplett erfüllen. Und zu überwachen, dass sie ihn erfüllen, ist Aufgabe unter anderem der Kolleginnen und Kollegen, denen es gut zu Gesicht steht, darüber zu diskutieren und am Ende die Entscheidung zu treffen.

- Wenn Sie noch eine Zwischenbemerkung erlauben würden?

- Selbstverständlich.