Protocol of the Session on December 12, 2013

Es wäre also hilfreich gewesen, meine Damen und Herren, wenn das Sozialministerium zur Problematik der Geburtshilfe auf Sylt und zu dem Problem der Haftpflichtversicherung in der leider ausgefallenen Sozialausschusssitzung hätte berichten können und wir über einige der Punkte sachlich und fachlich aufgeklärt worden wären.

Meine Damen und Herren, wir fragen uns auch, warum die Bundesregierung sich auf EU-Ebene für eine wettbewerbsrechtliche Regelung einsetzen sollte. Dass Kliniken Belegärzte und Hebammen nicht bei der Haftpflichtversicherung unterstützen dürfen, ist doch im SGB V begründet und in den

(Dr. Marret Bohn)

Regelungen zur Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen. Ich nenne § 43 in Verbindung mit § 128 SGB V, die die unzulässige Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Vertragsärzten regeln und ausschließen, dass Leistungserbringer Vertragsärzten Entgelte und sonstige wirtschaftliche Vorteile gewähren. Ich denke, da sind wir uns einig: Die Übernahme der Haftpflichtversicherungskosten wäre ein klarer wirtschaftlicher Vorteil.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung der Frau Abgeordneten Dr. Bohn? - Ja.

Nein, ich habe eine Frage. Sie sagen, es gibt auch andere Bereiche, wo diese Probleme auftreten. Was sind denn Ihre Lösungsvorschläge? Ich bin ja gern bereit, über Alternativen zu sprechen. Aber wir haben klare Vorschläge, wie es funktionieren könnte. Wir möchten, dass auf Bundesebene etwas getan wird. Ich sehe es auch als großen Schritt, dass wir es schon geschafft haben, die Hebammen überhaupt aus der Reichsversicherungsordnung ins SGB V zu überführen. Aber wie würden Sie es sich denn vorstellen, wenn unser Vorschlag nicht funktioniert? Was möchten Sie dann machen, um das Problem zu lösen?

(Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP])

Genau. Ich danke dem Kollegen Dr. Garg. Das ist in Ordnung. Ich würde vorschlagen, dass es eine Bundesratsinitiative gibt, das SGB V an dieser Stelle anzupacken. Das wollt Ihr nicht.

Frau Dr. Bohn, es ist ein Fragenkatalog, über den wir reden müssen. Wie wollen Sie das denn machen, wenn Sie sagen, Sie wollen das einfach verstaatlichen? Das machen Sie doch in keinem anderen Bereich. Was für ein Fass wollen Sie denn da aufmachen?

Zu der Frage, für welche Bereiche die Übernahme der Haftpflichtversicherungskosten möglich ist, müssen wir schauen, was im SGB V steht. Was ist mit dem, was momentan vorhanden ist, möglich und was nicht, und an welcher Stelle müssen Veränderungen vorgenommen werden?

Liebe Frau Dr. Bohn, Sie haben ja eben so vehement dafür geworben, dass wir heute in der Sache

abstimmen. Ich möchte vehement dafür werben, dass wir nicht abstimmen, sondern im Ausschuss wirklich in aller Ruhe beraten - mit fachlicher Expertise. Ich fände es fatal, jetzt, nur um ein Signal zu geben, irgendetwas zu verabschieden, bei dem wir uns über die Konsequenzen nicht wirklich im Klaren sind. Sie sind doch die Koalition des Dialogs.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Deswegen wollen wir verstaatlichen!)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine weitere Bemerkung der Abgeordneten Dr. Bohn?

Deswegen hole ich ja schon Luft und warte.

Liebe Kollegin Klahn, wir waren doch beide auch Abgeordnete in der letzten Legislatur. Das Thema ist seit 2010 bekannt. Wir haben wirklich lange darüber diskutiert. Ich kann nicht ganz nachvollziehen, dass Sie jetzt sagen: Es ist alles völlig neu, und wir sollten jetzt im Ausschuss darüber beraten. Jetzt bildet sich gerade eine neue Bundesregierung. Jetzt haben wir den Fuß in der Tür. Vor allem haben wir jetzt das Problem auf Sylt. Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Ich kann für die regierungstragenden Fraktionen nur sagen: Wir werden über unseren Antrag auf jeden Fall in der Sache abstimmen, weil wir weiter nach vorn kommen wollen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

- Ich nehme das zur Kenntnis, dass Sie abstimmen wollen.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Dann stimmen Sie jetzt mit!)

Ich sage Ihnen aber auch: Das Problem ist nicht erst seit zwei Jahren bekannt, sondern seit dem Jahr 2000. Es sind über zwölf Entbindungsstationen in Schleswig-Holstein - das habe ich bei der Vorbereitung herausgefunden - in dieser Zeit geschlossen worden.

Was die Haftpflichtversicherung betrifft, was die Kosten, die Einnahmesituation der Hebammen betrifft, erinnere ich daran, dass es ein SPD-geführtes Bundesgesundheitsministerium war, das die Heb

(Anita Klahn)

ammen in die Selbstverwaltung entlassen hat. Die Hebammen haben selber gesagt: Sie sind ein kleiner Verband, sie können nicht mit der Stärke auftreten wie andere. Wollen wir nicht darüber nachdenken, ob man ihnen die Möglichkeit gibt, gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Verhandlungen zu führen? Lassen Sie uns doch die Varianten, die es gibt, im Ausschuss diskutieren und dann im Januar 2014 auf den Weg bringen. Ich habe damit kein Problem.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, wir Liberale bezweifeln auch, dass die 45.000 €, die die Landesregierung bekommen soll, um ein Konzept für die Geburtshilfe zu entwickeln, kurzfristig zu einer befriedigenden Lösung für die Insel führen werden.

Ich habe es eben schon in meiner Antwort auf die Frage von Frau Dr. Bohn gesagt: Ich möchte darum bitten, dass wir mit fachlicher Expertise im Ausschuss eine Lösung finden, dass wir zum Beispiel einmal schauen, was man über die Frage des Sicherstellungszuschlags regeln kann, den Asklepios für Sylt an dieser Stelle erhält. Wir sollten vielleicht auch darüber nachdenken, ob ein bundesweiter Haftungsfonds im medizinischen Bereich Schadenssummen im Millionenbereich absichern kann, ob das ein gangbarer Weg wäre.

Aber ich mahne an dieser Stelle auch ganz deutlich an: Wir müssen eine ehrliche Bestandsaufnahme machen. Diese Diskussion führen wir in vielen Bereichen. Wir müssen sehen, welche Strukturen wir bei zurückgehenden Geburtenzahlen aufrechterhalten können oder was wir neu installieren müssen, was mit neuen, anderen Techniken möglich ist.

Wir haben es vorhin gehört: Bei schlechtem Wetter kann der Hubschrauber nicht fliegen. Vielleicht gibt es inzwischen neue technische Möglichkeiten für Hubschrauber, sodass sie bei Nebel besser fliegen können, sodass sie auch bei starkem Wind fliegen können. Vielleicht gibt es die Möglichkeit, einen Arzt auf die Insel zu bekommen.

(Unruhe)

Eines ist auf jeden Fall klar: Dramatisch wird es, wenn eine Notsituation eintritt. Es geht nicht um die ganz normale, geplante Entbindung. Die darf eine Hebamme im Zweifel auch ohne Arzt durchführen. Es geht darum, dass, wenn Not am Mann ist, die fachliche Kompetenz da ist.

An dieser Stelle noch einmal mein Appell, die weitere Beratung im Ausschuss zu führen.

(Beifall FDP)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Dr. Andreas Tietze.

Frau Kollegin Klahn, wenn Sie einmal da oben auf die Wand hinter dem Rednerpult schauen: Sylt ist die Insel links oben in der Ecke, an der Westküste.

(Zurufe)

Das kann man auf der Karte sehen. Die stimmt aber nicht mehr so ganz, denn nach dem letzten Sturm, Xaver, haben da unten in Hörnum erhebliche Landverluste an den Dünen stattgefunden.

(Zurufe)

Weiter zu Ihrer Information: Sylt liegt in der Nordsee und nicht in der Ostsee. An der Nordsee haben wir andere Wettersituationen, wie wir es letzte Woche beim Sturmtief Xaver erleben durften: Drei Tage ging nichts.

Sie sagen, der Hubschrauber fliege bis Windstärke 5. Dies gilt für den Hubschrauber, der in Niebüll stationiert ist, Sea-King-Hubschrauber der Bundeswehr - die sind jetzt übrigens in Cuxhaven stationiert, Flugdauer etwa eine Stunde -, Für die gibt es Beschränkungen. Die fliegen zwar noch bis Windstärke 10. Beim Sturmtief Xaver haben wir auf Sylt allerdings 187 km/h gemessen. Das entspricht nach der Beaufort-Skala Windstärke 12. Da fliegt nichts mehr. Es fährt auch keine Fähre, weil die Häfen überflutet sind. Es fährt kein Zug, weder ein Autozug noch irgend ein anderer Zug. Sylt war für drei Tage von der Außenwelt abgeschnitten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Geburten sind nicht planbar. Das weiß ich zumindest von der Geburt unseres zweiten Kindes. Da wurde uns gesagt, ihr habt noch 14 Tage Zeit, und am nächsten Tag wollte der Bursche auf diese Welt. Man kann das eben nicht planen. Deshalb braucht man eine verlässliche Versorgungsstruktur, um den Frauen bei der Geburtshilfe Sicherheit zu bieten.

Liebe Frau Klahn, nachdem auf Ihrem Bundesparteitag von „mitfühlendem Liberalismus“ die Rede war, habe ich davon in Ihrer Rede leider nichts entdecken können. Es geht darum, jetzt eine Lösung zu finden. Da brauchen wir keine Ausschussüberweisung. Wenn wir zum 31. Dezember 2013 keine

(Anita Klahn)

Lösung haben, ist zum 1. Januar 2014 Schluss mit der Geburtshilfe auf Sylt.

Ich bin der Ministerin und ihrer Staatssekretärin sehr dankbar, dass sie mit den Betroffenen vor Ort engagiert in Kontakt stehen. Es geht darum, hier eine Lösung zu finden.

Natürlich geht es auch um Asklepios. Wir erleben hier folgendes Dilemma: Wenn solche Konzerne Gewinne machen, werden sie internalisiert, wenn Verluste auftreten, werden sie sozialisiert, und dann haben wir als öffentliche Hand die Probleme zu tragen. Deshalb ist die Privatisierung im Krankenhausbereich in einer solchen Situation wie auf Sylt an dieser Stelle ein Problem.

Wir müssen uns die Frage stellen, was es für rechtliche Möglichkeiten gibt. Natürlich könnte man über einen Sicherstellungszuschlag reden. Aber es gibt einen Herrn Broermann, der in seinem Krankenhauskonzern eine Rendite erwartet.

(Zuruf)

- Der ist nicht ausreichend. Wir haben auf der Insel einen Sicherstellungszuschlag, der sämtliche Behandlungen anders abrechenbar macht als beim Asklepios-Konzern. Man muss sich die Frage stellen, ob man das will, ob man dem Asklepios-Konzern interne Renditeerwartungen ermöglichen will, die bei 7 bis 8 % liegen. Wenn die nicht erfüllt werden, wird der Laden dichtgemacht.

Wir können den Asklepios-Konzern gar nicht vor die Flinte nehmen. Denn der sagt: Wenn wir wollen, schließen wir die Akutklinik. Dann haben wir nur noch eine Reha-Klinik. Auch diese Situation müssen wir berücksichtigen.

Herr Kollege, Ihre Redzeit ist leider abgelaufen.

Vielen Dank.