Das ist die Frage, die ich mir so stelle. Vor dem Hintergrund bekommt das Thema Meinungsfreiheit, Beständigkeit und Glaubwürdigkeit bei Ihnen
ein Geschmäckle. Ihre Genossen stimmen heute bis 24 Uhr darüber ab, die Große Koalition einzugehen, danach wissen wir, ob wir die Vorratsdatenspeicherung bekommen. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich habe 1972 als 15-Jähriger bei der Kampagne „Willy wählen“ mitgemacht. Ich habe gestern erfahren, dass Günter Grass die Kampagne „Willy wählen“ und die ganze Zeit seinerzeit als Zivilisierung unserer Gesellschaft gesehen hat. Ich habe daran also indirekt mitgewirkt. Ich wüsste gern, was Willy Brandt heute zu seiner eigenen SPD sagen würde.
Ich bitte, mir meine Leidenschaft zu verzeihen. Ich hätte sie Ihnen auch gern verziehen, wenn es um Bürgerrechte geht. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einführung von Instrumenten für unsere Sicherheitsorgane und deren Evaluation ist immer eine Abwägung zwischen Werten und Bedürfnissen in der Bevölkerung, die in einem gewissen Konflikt zueinander stehen. So ist hier natürlich auch gründlich abzuwägen zwischen Sicherheitsbedürfnissen auf der einen Seite und Freiheitsbedürfnissen auf der anderen Seite. Wenn wir uns anhören, welche maßgeblichen Positionierungen es an dieser Stelle gibt, sagen uns alle Praktiker aus Polizei, aus Justiz - ob es unser LKA, das BKA oder der Deutsche Richterbund sind -, dass die Vorratsdatenspeicherung ein wichtiges und nötiges Ermittlungsinstrument ist. Die Europäische Union gibt sie uns vor.
Ich nehme jetzt die freudige Erregung aufgrund der Äußerung des Generalanwalts wahr, würde mich aber wundern, wenn in einem Anhörungsverfahren, das wir hier durchführen, jede Stellungnahme in seine Richtung derartig bejubeln würde. Im Übrigen fordert der Generalanwalt auch keinesfalls die Aussetzung der Vorratsdatenspeicherungsvorgabe auf europäischer Ebene, sondern er spricht insbesondere die Speicherfristen an, genau das, was übrigens der Koalitionsvertrag in Berlin auch tut.
Das Bundesverfassungsgericht hat 2010 klargestellt, unter welchen Vorgaben und Bedingungen die Vorratsdatenspeicherung grundrechtskonform
durchgeführt werden kann. Aus Überzeugung, dass wir an dieser Stelle für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger einen richtigen Schritt gehen, halte ich es für ausgesprochen gut, dass die Große Koalition das aller Voraussicht nach an dieser Stelle endlich umsetzen wird.
Ich nehme alle Argumente gegen die Vorratsdatenspeicherung ernst. Die sind auch nicht einfach vom Tisch zu wischen. Allerdings verwahre ich mich schon dagegen, wenn hier bewusst mit Unwahrheiten argumentiert wird. Lars Harms, was hier heute vorgetragen wurde, dass es sich bei der Vorratsdatenspeicherung um das Abhören von Bürgern handeln würde, ist schlicht falsch. Das wissen Sie auch.
Ich bin weit davon entfernt, denjenigen, die die Vorratsdatenspeicherung ablehnen, Zynismus zu unterstellen, aber ich erwarte auch, dass die gegenteilige Position respektiert und fachlich argumentiert wird. Genau an dieser Stelle möchte ich auch darum bitten, dass die Argumente, die auch der Innenminister hier noch einmal vorgetragen hat, in der Debatte ernst genommen werden und dass wir hier nicht einfach zwei Lager einander gegenüberstellen, die vermeintlichen Gutmenschen und die Sicherheitsfanatiker, sondern es geht um eine ernsthafte Abwägung, die an der Stelle vorgenommen werden muss.
Herr Breitner, Sie haben mich im Innen- und Rechtsausschuss gebeten, dass ich meine Freude über Ihre Position doch bitte nicht allzu laut zum Ausdruck bringen möge. Über Ihre fachliche Position allein bricht bei mir auch noch keine Freude aus, sondern wenn ein Minister eine fachliche Überzeugung hat, dann erwarte ich auch, dass er die nicht nur beratend vertritt, wie Sie es angekündigt haben, sondern dass dem auch Taten folgen. Da sind wir sehr gespannt, wie Sie argumentativ und ansonsten in der Lage sind, an diesem Punkt weiterzukommen.
Ich glaube, wir müssen uns alle einmal vor Augen führen - gerade bei dem, was wir in den vergangenen Monaten erlebt haben -, an welchen Stellen die Daten von Bürgerinnen und Bürgern in falsche Hände geraten sind, an denen, mit unserem Rechts
staatsverständnis unvereinbar, Daten von Bürgerinnen und Bürgern erfasst oder ausgewertet wurden, dass die Feinde unserer informationellen Selbstbestimmung ganz gewiss nicht im LKA oder im BKA sitzen, sondern die sitzen an ganz anderer Stelle, und die sind technisch und von ihrer Manpower her auch heute in der Lage, Daten zu erheben, bei denen wir alle gemeinsam der Auffassung sind, das dürfe nicht passieren.
Ich bin der Auffassung, dass wir uns selbst nicht so enge Fesseln anlegen dürfen - bei aller gebotenen Vorsicht in diesem Bereich -, dass unsere eigenen Sicherheitsorgane am Ende die Dummen sind, die nicht mitspielen können, während diejenigen, die sich nicht an rechtsstaatliche Gepflogenheiten halten, munter agieren können.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte hier vier Dinge feststellen. Erstens. Der Koalitionsvertrag ist eindeutig und nicht missinterpretierbar. Er bindet die Koalitionsfraktionen und die Regierung und führt dazu, dass in der Innenministerkonferenz und im Bundesrat die anlasslose Vorratsdatenspeicherung abgelehnt wird - ohne Wenn und Aber, Punkt und klar.
Zweitens. Ich muss ehrlich sagen, ich finde die Meinungsfreiheit ist etwas, das generell jedem zugestanden werden sollte. Ich respektiere auch ausdrücklich, dass in diesem Parlament Meinungen vertreten werden dürfen, wie es Herr Breyer eben getan hat. Er kann das alles sagen. Ich will aber ausdrücklich die Anmaßung, den Ton und die Unverfrorenheit seiner Darlegungen hier zurückweisen. Es gibt hier keinen Ministerpräsidenten, der von den PIRATEN geschützt wird, sondern es gibt einen Ministerpräsidenten der Koalitionsfraktionen. Ich will hier ganz klar sagen: Auch Ihre wirklich unverschämten Zwischenbemerkungen in unsere Richtung weise ich in aller Form und aller Entschiedenheit zurück. Sie diskreditieren sich selbst in der Art und Weise, wie Sie hier auftreten.
Mit Verlaub: Willy Brandt ist eine Person der Zeitgeschichte, aber ihn sich hier so billig zu eigen zu machen bei allen möglichen Gelegenheiten und einem das vorzuhalten? - Willy Brandt ist vor allen Dingen jemand, der gesagt hat: Die Freiheit ist das Wichtigste, auch die Freiheit der eigenen Meinungsäußerung und nicht die Freiheit, andere zu beschränken in dem, was sie denken. - Da sollten Sie sich einmal an Ihre eigenen Leute halten, wenn Sie solche irgendwann einmal in Ihrer Parlaments- und Parteiengeschichte produzieren, und sich bitte nicht an Willy Brandt abarbeiten.
Drittens. Ich möchte gern sagen: Man kann in der Sache unterschiedliche Meinungen haben und fachpolitisch auch unterschiedliche Auffassungen vertreten. Es gibt hier nicht gut und böse.
Ich stelle mir auch Fragen, die man sich stellen darf. Ich kann nicht auf der einen Seite sagen, wenn es um Lotteriestaatsverträge oder so etwas geht, dass da EU-Recht gelte, egal ob uns das gefalle oder nicht, das müssten wir umsetzen. Wenn es mir in einem anderen Bereich nicht gefällt, dann sage ich aber: Das ist komplett illegitim, es zu verfolgen. - Das ist nicht in Ordnung. Wir versuchen übrigens, dieses EU-Recht zu ändern, das ist Teil der Position der SPD. Aber ich kann es mir nicht aussuchen, dass immer dann, wenn mir das Recht sympatisch ist - das wird uns immer vorgehalten -, es dann angewendet wird, wenn es mir nicht sympatisch ist, kann ich dagegen vorgehen. So wird es für eine Bundesregierung nicht gehen können, und es ist egal, wer ihr angehört. Das ist doch völlig klar.
Lassen Sie mich auch sagen: Die Klischees über Personen stimmen nicht. Ich bin seinerzeit der einzige Innenminister der gesamten Innenministerkonferenz gewesen - da herrscht Einstimmigkeitsprinzip -, der gegen den Online-Trojaner gewesen ist. Übrigens hat ein FDP-Minister aus NRW ein Gesetz eingebracht, das das einführen wollte. Ich war dagegen, weil ich gesagt habe, dass es ein Eingriff ist, der viel gravierender ist als das.
Wir verwanzen - mit Richtervorbehalt - zum Teil Wohnungen und hören Leute in ihrer Kommunikation und deren Inhalt ab. Das ist ein gravierender Eingriff, den der Rechtsstaat zulässt.
Ich will damit nur sagen: Es gibt da ganz schwierige Abwägungen, die man treffen kann. Diese Abwägungen sollten uns daran hindern, in schlichten Klischees zu denken und zu sagen: Das eine ist gut, und das andere ist böse. Was ich aber zwingend wichtig finde, ist, dass die rechtsstaatlichen Vorgaben beachtet werden. Wenn hier von EU-Seite festgestellt ist, dass es menschenrechtswidrig ist, dann wird es auch nicht praktiziert, und zwar weder in Deutschland noch irgendwo. Dann ist es auch gut so, dass es so ist. Wenn das Gericht etwas anderes sagen sollte, ist das möglicherweise umzusetzen. Ich bitte aber doch sehr darum, dass man nicht Dinge unterstellt, die nicht unterstellt werden sollten. Ich fand das sehr maßvoll.
Man muss übrigens auch nicht in jedem einzelnen Punkt die Meinung eines Ministers teilen und auch nicht die Form, in der er sich öffentlich äußert, gutheißen. Es geschieht gelegentlich bei anderen Leuten hier im Haus auch, dass sie sich in einer Form äußern, die nicht jedem gefällt. Das allein ist noch kein Grund, ihm die Meinungsfreiheit zu beschneiden.
Herr Abgeordneter, ich muss Sie darauf hinweisen, dass Sie bitte zum Schluss kommen und dass Sie die Gelegenheit hätten, eine Zwischenbemerkung des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer zuzulassen, damit Sie weiterreden können.
Ich möchte die Zwischenbemerkung machen, dass wir ausdrücklich nicht Ihre Meinung zur Abwägung teilen, die Sie eben zum Vergleich Bundestrojaner und Vorratsdatenspeicherung geäußert haben. Nach meiner Überzeugung ist der Eingriff, wenn man jemanden, der konkret einer schweren Straftat verdächtigt ist und gezielt überwacht wird, nicht damit zu vergleichen, Informationen über die Kommu