Protocol of the Session on December 12, 2013

Deswegen glaube ich schlicht und ergreifend, dass wir kein hohes Interesse daran haben. Ich bleibe dabei: Man wird sich einer solchen Debatte auf Bundesebene stellen müssen. Als Land Schleswig-Holstein haben wir aber kein eigenes Interesse, hier tätig zu werden.

Ich will mich gern von den Uraltbegründungen für die Verträge lösen. Es ist schwierig, heute eine gesellschaftliche Debatte zu gewinnen, wenn man über Enteignungen redet, die vor über 200 Jahren durchgeführt worden sind. Ich finde, dass es auch heute noch Begründungen dafür gibt, die Kirchen zu unterstützen. Sie liegen im heutigen Engagement der Kirchen.

Herr Kubicki, Sie haben eben zu Recht darauf hingewiesen: Für Kitas und so weiter gibt es andere Formen von staatlichen Zuschüssen. Aber jeder weiß doch, dass die Kirchen mit den Zuschüssen, die sie für diese Bereiche bekommen, gar nicht auskommen und sie deswegen auch andere Mittel in Anspruch nehmen müssen,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Hundertprozen- tig!)

um diese Leistungen auch zukünftig erbringen zu können. Ich finde im Übrigen, dass 12,6 Millionen €, die die evangelische Kirche bekommt, und 219.000 €, die die katholische Kirche bekommt, keine Masse an Geld sind.

Ich verweise darauf, dass die Länder für die Dienstleistung des Einzugs der Kirchensteuer - sie ist quasi ein Mitgliedsbeitrag, den die beiden Kirchen einziehen - von der Nordkirche exakt 12 Millionen € zurückzahlen. Das relativiert durchaus die Summe, über die wir hier reden.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki zu?

(Wolfgang Kubicki)

Selbstverständlich.

Herr Kollege, ich will mich gar nicht über die Frage des Einzugs von Kirchensteuern unterhalten, weil der Verwaltungsaufwand abgegolten wird, der damit entsteht. Das Land Schleswig-Holstein zieht auch keine Mitgliedsbeiträge für den ADAC ein.

(Beifall PIRATEN)

Das können wir aber auch machen und uns das erstatten lassen.

Meine spannende Frage ist: Welche vernünftige Begründung gibt es für Sie, dass das Land Schleswig-Holstein, das heißt alle Steuerzahler, auch die, die keiner Konfession angehören, die Gehälter der evangelischen Priester und Pastoren bezahlen?

(Beifall FDP und PIRATEN)

Da Sie, Herr Kubicki, für sich selbst entschieden haben, über welche Fragen Sie mit mir nicht streiten wollen, entscheide ich mich auch, dass ich mich über diese Frage mit Ihnen auch nicht streiten möchte.

(Christopher Vogt [FDP]: Ein bisschen mi- mosenhaft, Herr Kollege!)

Dann gibt es den Fragebedarf des Abgeordneten Weber.

Beim Kollegen Weber kann ich nicht Nein sagen.

Das höre ich sehr gerne, Herr Kollege. - Sie haben vorhin ausgeführt, dass die Kirchen beispielsweise für Kitas entsprechende Mittel vom Staat unabhängig von der Kirchensteuer bekommen, dass diese Mittel aber nicht ausreichten. Habe ich Sie richtig verstanden, dass die Kirchen anders als andere Träger der freien Wohlfahrtspflege, die Kindertagesstätten unterhalten, keine vollständige Refinanzierung der Kosten erhalten?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: 100 %!)

- Nein, das habe ich überhaupt nicht gesagt. Auch andere Träger müssen Mittel aus anderen Bereichen ziehen, um diese Einrichtungen zu unterhalten. Die bekommen nicht nur Unterstützung vom Land Schleswig-Holstein. Deswegen gilt für beide genau das Gleiche. Es gilt an dieser Stelle genauso für die Kirchen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist aber ganz neu!)

- Nein, das ist definitiv so.

Auch wenn ich die Kollegin Frau von Kalben vorhin gelobt habe und ich auf einen Teil dieses Beitrags verzichten wollte, um sie zu schonen, muss ich mich zumindest zu diesem Bereich äußern. Weil die Grünen auch einen Antrag gestellt haben, finde ich das Verhalten der Grünen in diesem Bereich, auch die öffentlichen Äußerungen, schon etwas merkwürdig. Sie haben auch gesagt, sie seien für die strikte Trennung von Staat und Kirche. Es würde mich interessieren, was der Kollege Tietze dazu sagt. Aber als die Debatte über Kirchenstaatsverträge und über die Staatsleistungen losging, da argumentierten die Grünen, solche alten Verträge, die wir mit den Kirchen geschlossen haben, passten nicht mehr in eine moderne Zeit. Ich darf übrigens daran erinnern: Der mit der evangelischen Kirche stammt aus dem Jahre 1957, der mit der katholischen Kirche ist gerade erst im Jahre 2009 abgeschlossen worden. So alt sind die Verträge nicht.

Was ich nicht verstehe, ist: Die Verträge mit den christlichen Kirchen bezeichnen Sie als altmodisch und nicht mehr in die Zeit passend, zugleich rühmt sich aber die Landesregierung, insbesondere die Grünen, dass gleichlautende Verträge mit den muslimischen Verbänden in Schleswig-Holstein geschlossen werden. Das ist plötzlich modern. Aber Verträge, die mit den christlichen Kirchen geschlossen worden sind, sollen nicht mehr modern sein. Das können Sie mir gern erklären.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Ich finde diese Vorstellung in einem Land wie diesem schon ziemlich verquer. Ich will dabei nicht in Abrede stellen, dass solche Verträge mit muslimischen Verbänden durchaus sinnvoll sein können. Auch ich muss akzeptieren, dass das heutzutage wichtig ist. Denn selbst hier im Landtag haben wir mittlerweile genauso viele Muslime wie Katholiken.

(Beifall Uli König [PIRATEN])

Die Steigerungen, die in den Verträgen festgelegt werden, sind nicht exorbitant. Ich finde, wir haben

vernünftige Verträge abgeschlossen. Diese Verträge sollten wir auch weiterhin in Schleswig-Holstein stärken. Deswegen brauchen wir beide Anträge nicht. Wir lehnen auch den Antrag der Regierungskoalition ab, weil wir nicht glauben, dass es wichtig ist, dass das Verhältnis zwischen Staat und Kirche extra evaluiert werden sollte. Wir können alle miteinander beurteilen, wie wir das empfinden. Von daher lehnen wir beide Anträge ab. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Bernd Heinemann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst ein paar grundsätzliche Erwägungen am Anfang. Wir leben in diesen Wochen wie an anderen Stellen in unserem Jahreskalender wieder einmal christlich-jüdische Tradition. Dieses Haus ist weiß Gott keine Kirche. Dennoch steht es voller Tannenbäume. Die Diskussionen unter uns haben manchmal auch christliche Züge.

(Wortmeldung Wolfgang Kubicki [FDP] - Lachen SPD - Peter Eichstädt [SPD]: Er hat noch gar nichts gesagt!)

Herr Abgeordneter Heinemann, Ihre Tannenbaumgeschichte hat den Kollegen Kubicki veranlasst, Sie etwas fragen zu wollen.

Ich bin einmal gespannt.

Herr Kollege Heinemann, ist Ihnen bewusst, dass der Tannenbaum mit der christlich-jüdischen Tradition überhaupt nichts zu tun hat, sondern eigentlich ein heidnisches Symbol ist,

(Beifall FDP, PIRATEN und SSW)

er aber in unserem Kulturkreis seit Hunderten von Jahren zur Weihnachtszeit dazugehört, weil wir, naiv wie wir sind, geglaubt haben, dass es in Jerusalem geschneit hat, als Christus geboren wurde?

(Heiterkeit FDP und PIRATEN)

- Ich weiß nicht, in welcher Kirche Sie am Heiligen Abend sind, wenn Sie überhaupt in einer Kirche sind; das finde ich auch noch heraus.

(Heiterkeit und Beifall SPD)

Dann stellt sich natürlich die Frage, ob dort ein christlicher Weihnachtsbaum steht oder nicht. Ob das auf heidnische Bräuche zurückgeht, müssen Sie den Papst fragen. Das kann ich nicht sagen.

(Christopher Vogt [FDP]: Die haben auch Lautsprecher in der Kirche! Das ist auch nichts Christliches!)

Worauf ich hinaus will, ist, dass Angst und Verlässlichkeit, tiefe innere Balance oder emotionale Sicherheit eher in unserer Seele wohnen als auf irgendwelchen politischen Bühnen. Ein Anker dafür ist in der Geschichte der Menschheit immer wieder der Glaube, der, wie man sagt, sogar Berge versetzen kann.

Das gilt nicht nur für Menschen, die nach Jahrzehnten der Glaubensabstinenz im Angesicht des nahenden Todes zum Glauben finden, es gilt auch für die überwältigende Zahl junger Menschen, die auf Kirchentagen zusammenkommen, über Grenzen hinweg diskutieren und sich gemeinsam für andere einsetzen. Es gibt Gesellschaften, die ihre Glaubensorientierung in die Verfassung schreiben, sich einem Glauben umfassend unterwerfen, etwa als Gottesstaat, oder Glaubensbekenntnisse gar auf Geldscheine drucken wie in den USA. Auf dem Glauben beruhen viele Elemente, auch hier in unserer abendländischen Tradition.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Einigkeit besteht sicher im politischen Gedanken der Toleranz gegenüber den unterschiedlichen menschlichen Wertesystemen, also auch dem Glauben. Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung trennt die Institutionen des Glaubens, also Kirchen und Religionsgemeinschaften, und der rechtlichen Ordnung, also den Staat mit seinen Institutionen, strikt, aber es bestehen vertragliche Beziehungen zwischen diesen Elementen des Zusammenlebens.

Kirchenstaatsverträge sind ein produktives Mittel, die Zusammenarbeit zu ordnen, Arbeits- und Aufgabenfelder zu beschreiben, Verantwortung zu regeln. Kirchenstaatsverträge sind damit auch die Garanten für eine notwendige und ordentliche Trennung von Kirche und Staat, und sie sorgen für Verlässlichkeit und Sicherheit für alle Beteiligten. Auch eine moderne Gesellschaft hat religiöse Orientierungen.

(Daniel Günther)

Kritiker der Kirchenstaatsverträge sehen ein undemokratisches Element, weil die Verträge nur im Einvernehmen kündbar sind. Die Erfahrung zeigt aber, dass die Kirchen grundsätzlich bereit sind, sie zu gestalten. Auch Kirche wandelt sich, meine Damen und Herren. Wenn ich mich in den Kirchen umhöre, stelle ich fest, im Gegensatz zu unserer Vorgängerregierung finden die Kirchen mit uns Sozialdemokraten und Grünen sowie dem SSW gute Partner, die für konstruktive und verlässliche Regelungen ein offenes Ohr haben. Wir gehen nicht vor den Kadi, wir reden.

Über unterschiedliche Begrifflichkeiten lassen sich sicher zeitgemäße demokratische Formeln finden. „Dauerhaft“ oder „langfristig“ muss heute in unserer schnelllebigen Zeit nicht mehr mit „ewiglich“ beschrieben werden. Das kann es sicher nicht sein.