Protocol of the Session on December 12, 2013

Über unterschiedliche Begrifflichkeiten lassen sich sicher zeitgemäße demokratische Formeln finden. „Dauerhaft“ oder „langfristig“ muss heute in unserer schnelllebigen Zeit nicht mehr mit „ewiglich“ beschrieben werden. Das kann es sicher nicht sein.

Ein anderer Kritikpunkt ist der Gestaltungsrahmen der Parlamente. In der Tat gibt es fehlende gesetzliche Regelungen. Hier kann eine Kommission vielleicht tatsächlich ein Weg sein; ein derartiges Gremium kann hier durchaus ins Detail gehen.

Wie gestaltet sich die Bewertung der Leistungen für das Gemeinwesen? Was tut wer zum Beispiel für unser kulturelles Erbe? Der Denkmalschutz ist hierfür nur ein wichtiges Tätigkeitsfeld. Wie viel und was kann und sollte in kirchlicher oder staatlicher Verantwortung geleistet werden?

Dies bezieht sich zum Beispiel auch auf karitative und diakonische Leistungen als wesentliche Garanten einer sozialen Gesellschaft in Bahnhofsmissionen, in Kindergärten und bei Tafeln, vor allem aber auf die Bereiche der Seelsorge, zum Beispiel der Unfallseelsorge, Kompetenz der Sinnstiftung und Wertevermittlung, wobei Letzteres sogar ein Alleinstellungsmerkmal der Kirche ist. Hinzu kommt Hilfe bei Trauer und Verzweiflung. Die religiöse Motivation für diese Leistungen ist politisch nachrangig, aber sie ist unverzichtbar.

Meine Damen und Herren, wir gehen den Weg der Überprüfung der Zusammenarbeit auf Bundesebene mit. Es geht nicht vorrangig um die Verrechnung alter Rechnungen. Wir wollen uns auch nicht auf das Trittbrett von Tebartz van Elst stellen, sondern wir wollen sachlich vorankommen. Das ist der Weg. In unserem Antrag geht es um etwas viel Grundsätzlicheres. Es geht uns generell um das Verhältnis von Kirche und Staat, und zwar nachhaltig und gemeinsam mit der Kirche, nicht über sie hinweg. Unsere modernen Kirchen sind gesprächsbereit, das sollten wir nutzen. Bitte stimmen Sie unserem Antrag zu. - Danke schön.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende Eka von Kalben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, Kirche ist heute ein wichtiger Teil der Gesellschaft. Nach Jahrhunderten des Streits um Vorherrschaft und Machtkämpfen haben wir eine moderne, belastbare Kooperation mit der Kirche, auf die wir nicht verzichten können und wollen. Ohne die Kirche wären unser Staat und unsere Gesellschaft arm dran. Sie prägt unser Leben und unseren Alltag. Sie ist mahnender Begleiter der Politik und fordert uns mit ihren Ansichten und Normen heraus. Sie engagiert sich unermüdlich in der Bildungs- und Sozialarbeit und für Menschen, die Hilfe benötigen. Sie bietet Flüchtlingen Raum und Schutz und eine Stimme; gerade in den Bereichen, in denen der Staat manchmal versagt. Ich bin froh, dass wir eine streitbare und bereichernde Kirche haben.

Fakt ist aber auch: Kirche ist ein Teil der Zivilgesellschaft. Keine Frage, sie ist ein wichtiger Teil. Wir zweifeln ihre Bedeutung nicht an. Die unter anderen Vorzeichen entstandene Trennung von Staat und Kirche ist heute Gewinn und fester Bestandteil unseres modernen Staatsverständnisses.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Herr Günther, das ist ganz klar grüne Parteilinie: Wir stehen unbedingt zur Trennung von Staat und Kirche. Ich sage dies, weil gesagt wurde, es gebe hier vielleicht unterschiedliche Auffassungen.

Zur Zivilgesellschaft gehören die Kirchen genauso wie die jüdischen Gemeinden, die türkischen Gemeinden oder die muslimischen Verbände. Naturschutzverbände, Flüchtlingsorganisationen und Bürgerinitiativen leisten genauso einen Beitrag zu unserer Gesellschaft wie die Kirche.

(Lars Harms [SSW]: Die haben auch keine Staatsverträge!)

- Vielen Dank, Lars, wir wollen keine Staatsverträge. - Durch jahrhundertealte Rechtstitel zwischen Staat und Kirche sind diese seit 1803 eng miteinander verwoben. Ja, das sind moderne und erneuerte Staatsverträge. Trotzdem beruhen sie auf einer langen juristischen Tradition. Es ist nicht so, als hätte man in der Nachkriegszeit überlegt, einen

(Bernd Heinemann)

Staatsvertrag mit den Kirchen zu schließen und dort eine Ewigkeitsklausel einzufügen. Dies wurde von meinem Vorredner bereits ausgeführt. Vielmehr gibt es eine historische Grundlage. Wir finden, es gibt gute Gründe, darüber nachzudenken, ob das Mittel eines Staatsvertrags noch zeitgemäß ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt PIRATEN)

Man kann zwar sagen, die Ewigkeitsklausel gibt es vielleicht noch in Hollywood-Filmen oder im Märchen, aber nicht in unserer heutigen modernen Zeit, aber wir unterscheiden uns mit unserem Antrag von Ihnen, Herr Kubicki. Wir wollen diese rückwärtsgewandte Rechenmentalität nicht. Ich kann es mir nur sehr schwer vorstellen, dass wir in SchleswigHolstein feststellen, wie viel die Kuhweide 1803 in welcher Währung auch immer, Gulden oder Taler, wert war und wie der Wert heute in Euro ist. Was ist zum Beispiel auf der anderen Seite die Leistung der Kirchen wert, die diese in der Nachkriegszeit in den 50er-Jahren geleistet haben, als die Staatszuschüsse eine andere Höhe hatten? Damals wurde von den Kirchen zum Teil noch mehr ehrenamtlich geleistet als heute. Ich finde also die Aufrechnung der Leistungen sehr schwierig. Das ist der eine Kritikpunkt.

Wir wünschen uns eher eine nach vorn gewandte Lösung. Sie sind Jurist, ich bin das nicht. Als Jurist haben Sie recht, ohne eine Ablösesumme wird es nicht gehen. Trotzdem halten wir es für sinnvoll, mit den Kirchen ins Gespräch zu kommen, wie dies im Moment durch die Regierung geschieht. Hier finden gute Gespräche statt. Die Kirche hier in Norddeutschland ist auf einem sehr kooperativen Weg. Daher halten wir es für sinnvoller, eine Kommission einzusetzen, in der grundsätzlich gefragt wird, wie es mit dem Religionsunterricht und den bundesweiten Staatsverträgen als Mittel aussieht. Es wird nicht gefragt, wie es mit unserem eigenen Staatsvertrag aussieht, sondern es wird gefragt, ob wir dieses Instrument grundsätzlich wollen. Zu fragen ist, wie es mit den arbeitsrechtlichen Fragen aussieht, die bei der Kirche immer wieder kritisiert werden. All diese Punkte müssen auf den Tisch, wenn man eine ehrliche Trennung von Kirche und Staat erreichen will.

Ich sage dies ausdrücklich nicht als Kirchenkritikerin. Sie haben vorhin meinen Redebeitrag gehört. Ich stehe dazu, dass wir in dieser Gesellschaft in einem guten Verhältnis mit Kirchen und christlichen Glaubensgemeinschaften leben. Ich halte das Mittel des Staatsvertrags aber für unzeitgemäß. Ich glaube, dass wir zu einer Neubewertung unseres Ver

hältnisses zwischen Kirche und Staat kommen müssen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion der PIRATEN hat Herr Abgeordneter Dr. Patrick Breyer das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern haben wir den Haushalt des Landes beraten. Die Beratungen waren geprägt von der Notwendigkeit einer Konsolidierung. Ein Bereich, der bislang von allen Sparmaßnahmen ausgenommen ist, sind die Staatsleistungen an die Kirchen. 12,8 Millionen € sollen im nächsten Jahr fließen; 120.000 € mehr als in diesem Jahr. Für uns PIRATEN ist es nicht hinnehmbar, dass wir mit Steuern Glaubensgemeinschaften alimentieren sollen, denen wir nicht angehören. Die Wut steigt, wenn man sieht, was die Kirche teilweise mit ihren Mitteln anfängt. Ich verweise auf den Luxus im Zusammenhang mit dem Bischofssitz von Limburg.

(Lars Harms [SSW]: Protestantische Askese! - Heiterkeit)

Es ist richtig, Kirchen sind in der Vergangenheit enteignet worden. Wie sie allerdings ursprünglich zu diesen Gütern gekommen waren, davon will ich heute nichts sagen. Richtig ist auch, dass ihnen in der Folge Staatsleistungen zugesagt worden sind, allerdings war man sich 1919, als man die Weimarer Reichsverfassung verhandelt hat, einig, dass die Staatsleistungen abgelöst werden sollen, weil diese Staatsleistungen mit der weltanschaulichen Neutralität des Staates nicht zu vereinbaren sind.

Verfassungsrechtlich garantiert sind entsprechend nur die historischen und 1919 geschuldeten Staatsleistungen an die Kirchen. Hier in Schleswig-Holstein haben dagegen die ehemaligen Landeskirchen Eutin und Lübeck damals gar keine Rechtsansprüche gegen das Land gehabt und sind ohne Verfassungspflicht der ehemaligen Landeskirche Schleswig-Holstein gleichgestellt worden. Diese Leistungen könnten wir also sofort einstellen, wenn sie nicht vertraglich zugesagt wären. Trotzdem sind sie auf ewig festgeschrieben worden und unkündbar. Ich frage mich, ob die nach 1919 noch geschlossenen Kirchenstaatsverträge überhaupt verfassungskonform sind, weil sie der von der Verfassung gewollten Ablösung ganz klar zuwiderlaufen.

(Eka von Kalben)

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Durch unkündbare Kirchenstaatsverträge werden der evangelischen Nordkirche und der katholischen Kirche jährliche Zahlungen in Millionenhöhe garantiert. Die Nordkirche hat seit Abschluss des Kirchenstaatsvertrags 1957 in erheblichem Maß an Mitgliedern verloren und Personal abgebaut. Dennoch wachsen die staatlichen Zuschüsse von Jahr zu Jahr entsprechend der Entwicklung der Besoldung für Landesbeamte, obwohl diese Mittel gar nicht der Deckung von Personalkosten dienen und die Mittelerhöhungen nicht an die Kirchenbediensteten weitergegeben werden. Auf meine Anfrage hin hat sich herausgestellt, dass bei der Anpassung der Zuschüsse an die Entwicklung der Beamtenbesoldung nicht berücksichtigt wurde, dass die Arbeitszeit von Landesbeamten in der Vergangenheit ohne Lohnausgleich erhöht worden ist.

Das heißt, auch insofern zahlen wir weit mehr, als eigentlich zugesagt worden war.

Aus Sicht der letzten Landesregierung und auch des Landesrechnungshofs stellt sich die Frage, ob dem Land ein Festhalten an den stetig zuwachsenden Kirchenleistungen in Zeiten der Schuldenkrise überhaupt noch zumutbar ist. Die letzte Landesregierung hat deswegen damals Verhandlungen mit der Nordelbischen Kirche aufgenommen mit dem Ziel, eine Absenkung der Leistungen herbeizuführen. Diese Landesregierung dagegen bleibt bisher untätig.

Ich fordere, dass die Kirchen ebenso einen Konsolidierungsbeitrag leisten müssen wie alle anderen Schleswig-Holsteiner. Außerdem muss die Landesregierung bei der Berechnung der Veränderung der Besoldung der Landesbeamten berücksichtigen, wenn deren Stundenlohn durch Arbeitszeitverlängerung faktisch gesunken ist. Und die allgemeinen Zuschüsse an Religionsgemeinschaften, die ohne rechtliche Verpflichtung und Zweckbindung geleistet werden, sollten insgesamt eingestellt werden; denn im Grundgesetz, das auf die Weimarer Reichsverfassung verweist, heißt es:

„Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgemeinschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst.“

Wenn wir diesem Verfassungsauftrag nicht bald gerecht werden, werden wir demnächst das Jubiläum „100 Jahre Bruch der Verfassung“ feiern müssen. Wir müssen deswegen einen Schlussstrich unter diese Staatsleistungen ziehen.

(Beifall PIRATEN)

Deswegen ist das Anliegen der FDP richtig und gut gemeint, aber leider schlecht gemacht. Es ist nämlich verfassungsrechtlich zweifelhaft, ob die in der Verfassung vorgesehene Ablösung eine bloße Anrechnung der bisherigen Zahlungen erlaubt. Außerdem erscheint eine Berechnung oder Verrechnung verfrüht, weil eine Ablösung ein Bundesgesetz voraussetzt, das wir bis heute nicht haben. Der Landtag sollte deswegen zuerst den Bund auffordern, ein solches Ablösegesetz auf den Weg zu bringen. Vorher macht eine Rechnerei keinen Sinn.

Wenn die Koalition dafür offen ist, würde ich gerne Überweisung der beiden Anträge in den Innen- und Rechtsausschuss beantragen, damit wir dort noch einmal darüber sprechen können. Wenn das nicht der Fall ist, kann ich auch dem Koalitionsantrag nicht zustimmen, weil dieser ein bloßes Wischiwaschi enthält.

Wir dürfen die Verantwortung für diese Frage nicht einfach auf die Bundesebene oder an irgendeine Kommission abschieben, sondern müssen hier im Land handeln. Wir müssen hier die Anpassung der Staatsleistungen verändern. Wir müssen eine Konsolidierung der Leistungen verhandeln, und wir brauchen ein klares Signal an den Bund, dass wir ein Gesetz fordern, das uns die Ablösung ermöglicht. - Danke.

(Beifall PIRATEN)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Kirchenstaatsverträge sind ein kompliziertes Konstrukt, welches aus historischen Gründen so gewachsen ist. Im Zusammenhang mit den Kirchenstaatsverträgen ist immer wieder die Rede von der Ewigkeitsklausel, der Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung, Subventionen, Privilegien oder gar Garantien zugunsten der Kirchen.

Sie merken schon, es ist wieder ein hochsensibles Thema, mit dem viele Bürgerinnen und Bürger einen Teil ihrer Identität verbinden. Als SSW wollen wir die Kirche als solche auch überhaupt nicht infrage stellen. Von einem Beenden dieses Vertrages ist aus unserer Sicht auch gar nicht die Rede.

(Dr. Patrick Breyer)

Eine Kündigung können wir ohnehin nicht vornehmen; das sieht der Vertrag nämlich nicht vor.

Zweifelsohne bildet der Vertrag eine wichtige Basis. Ein solcher Vertrag regelt schließlich auch Grundlegendes. Dabei geht es nicht nur um Geld, sondern auch um das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen sowie um das Seelsorge- und Beichtgeheimnis. Der Vertrag regelt auch die Zusammenarbeit im Bildungsbereich, die Zugriffsmöglichkeiten auf Daten, die für die Erhebung der Kirchensteuer nötig sind, und vieles mehr, was den umfänglichen Arbeitsbereich der evangelischen und katholischen Kirche umfasst.

Was wir jedoch infrage stellen wollen und können, ist das gesamte Prinzip, auf dem der Vertrag aufgebaut ist. Den Vorschlag, dass eine unabhängige Kommission in Berlin deutschlandweit einmal ganz genau dieses Prinzip erörtert, können wir nur unterstützen. Denn es geht nicht nur um die Situation bei uns im Land, sondern viele Menschen in Deutschland haben ähnliche Fragen.

(Unruhe)

Zunächst müsste die bundesgesetzliche Grundlage geändert werden, erst dann könnten wir als Land nachziehen. In Bezug auf die Kommission sollten vor allem die Rechtsgrundlage sowie die jeweiligen Summen überprüft werden. Eine Finanzierungsklarheit ist dabei durchaus erforderlich.

Außerdem sollte geklärt werden, wie das Verhältnis von Staat und Kirche zum heutigen Zeitpunkt ist. Darüber hinaus müsste man sich einmal Gedanken machen, wie sich die Summen derzeit definieren und wie sie nach einem neuen Berechnungsprinzip möglicherweise auch aussehen könnten.

Eine andere Frage ist, ob man weiterhin ein Gleichheitszeichen zwischen einem normalen Staatsbürger und einem Mitglied der evangelischen oder katholischen Kirche setzen kann. Sind diese beiden Seiten wirklich noch gleichbedeutend? Ist dieses Verhältnis noch zeitgemäß? Und welchen Weg wollen wir mit den Kirchen in Zukunft gehen?