Protocol of the Session on December 12, 2013

(Beifall PIRATEN, Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Es freut mich, dass unser Osterfest immer noch vier Tage lang ist. - Jetzt hat für die Landesregierung der Innenminister des Landes Schleswig-Holstein das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sonntage und die staatlich anerkannten Feiertage sind gemäß Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 139 der Weimarer Reichsverfassung als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erbauung verfassungsrechtlich geschützt. Das in Schleswig-Holstein geltende Gesetz über Sonn- und Feiertage ist erst im Jahr 2004 in Kraft getreten. Mit dem Gesetz wurden der Wandel der gesellschaftlichen Auffassung angemessen berücksichtigt und die Einschränkung der Freizeitgestaltung an Sonn- und Feiertagen auf das Notwendigste begrenzt.

Dabei bleiben die stillen Feiertage zwar besonders geschützt, der Schutz wurde allerdings geändert. Entscheidend ist nunmehr, ob und inwieweit eine Veranstaltung auf den ernsten Charakter des jeweiligen Tages Rücksicht nimmt. Wenn man sich mit Karfreitag, mit Volkstrauertag und Totensonntag beziehungsweise Ewigkeitssonntag beschäftigt, wird deutlich, dass die stillen Feiertage unsere Gesellschaft bereichern, weil sie in einer immer lauteren, schrilleren und individualistischeren Zeit kol

lektive Ruhepunkte der Einkehr und der Besinnung bieten.

(Vereinzelter Beifall SPD, CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Beratung über den Antrag der PIRATEN sollten daher nicht nur die Regelungen des Stadtstaates Bremen, sondern auch die anderen Flächenländer betrachtet werden. So ist in allen anderen Flächenländern der Karfreitag ganztägig geschützt. Hinsichtlich der anderen beiden stillen Feiertage sind die Regelungen sehr ähnlich wie in SchleswigHolstein. Zudem kann über eine mögliche Änderung des geltenden Gesetzes nur im engen Dialog mit den gesellschaftlichen Akteuren, insbesondere den Kirchen, nachgedacht werden.

Eine Schlussbemerkung: Die Landjugend Steinburger Geest hat im Übrigen eine Lösung für ihr Osterfeuer gefunden. Es wird im nächsten Jahr um eine Woche vorverlegt. - Herzlichen Dank.

(Vereinzelter Beifall SPD, CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Innenminister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf in der Drucksache 18/1242 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig der Fall.

Ich unterbreche die Sitzung für die Mittagspause. Wir sehen uns um 15 Uhr wieder.

(Unterbrechung: 13:42 bis 15:02 Uhr)

Meine Damen und Herren, ich eröffne die Sitzung wieder und denke, dass wir im Laufe der nächsten zwei, drei Minuten sicherlich noch eine höhere Präsenz im Saal haben werden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Kirchenstaatsverträge evaluieren - Auftrag des Grundgesetzes erfüllen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/1258

Verhältnis zwischen Kirche und Staat evaluieren

(Tobias von Pein)

Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/1411

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Ich erteile dem Fraktionsvorsitzenden der FDP, dem Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn der Debatte möchte ich gern mit einigen Legenden der letzten Wochen aufräumen. Es geht uns nicht um die Frage, ob die Kirche mit ihren vielen karitativen und sozialen Einrichtungen Gutes verrichtet. Ja, das tut sie zweifelsohne, übrigens auch mit meinen Kirchensteuermitteln. Aber es gehört auch zur Wahrheit dazu, zu sagen, dass sie die Leistungen, die sie in Kindertagesstätten, Krankenhäusern, Altenheimen, in der Entwicklungshilfe und so weiter erbringt, auch zusätzlich aus Steuermitteln, und zwar aus allgemeinen Steuermitteln, erstattet bekommt.

Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den Leistungen aus den Kirchenstaatsverträgen einerseits und den erbrachten sozialen Dienstleistungen anderseits.

(Beifall FDP, PIRATEN und SSW)

Wäre dies der Fall, würden in Bremen und Hamburg solche Dienstleistungen heute gar nicht mehr angeboten werden, denn Hamburg und Bremen zahlen keinerlei Kirchenstaatsleistungen.

(Beifall FDP)

Die FDP-Fraktion fordert mit ihrem Antrag nicht wie von einigen dargestellt - eine bedingungslose Auflösung der Kirchenstaatsverträge, sondern zunächst eine Bestandsaufnahme, an deren Ende eine Ablösung der Leistungen stehen soll. Die Kirchen haben selbstverständlich einen Anspruch, dass sie für die ihnen widerrechtlich erfahrenen Enteignungen entschädigt werden. Alles andere wäre Willkür und mit den Grundsätzen eines Rechtsstaats unvereinbar. Aber es muss eine unvoreingenommene und transparente Bestandsaufnahme mit offenem Ausgang erfolgen, bei der die für die Kirchenstaatsverträge grundlegenden Enteignungen mit den bisher geleisteten staatlichen Entschädigungszahlungen an die Kirchen verrechnet werden.

In diesem Prozess können die Kirchen gern ihre Sicht der Dinge darlegen und mit Zahlen unterlegen, dass es sich bei den Zahlungen ausschließlich

um sogenannte Renten- und Mietzahlungen handele, bei denen eine Tilgung nicht stattfinde. Es ist aber genauso gut möglich - das ist eher meine Auffassung -, dass es sich dabei nicht um eine ewige Rente, sondern eher um eine Annuität handelt, bei der Tilgungszahlungen enthalten sind. Um aber genau dies festzustellen, brauchen wir die in unserem Antrag geforderte Aufbilanzierung der entsprechenden Zahlen.

(Beifall FDP)

Mit der Zustimmung zu diesem Antrag kommen wir heute auch einem Verfassungsauftrag nach, der bereits seit der Weimarer Reichsverfassung Gültigkeit besitzt. Dies dürfte wohl auch der Grund sein, dass sich der Fraktionsvorsitzende der SPDBundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier, anlässlich des Empfangs auf der EKD-Synode vor einigen Wochen ebenfalls für eine Ablösung ausgesprochen hat.

Das Argument, das übrigens von Herrn Ministerpräsident Albig in den Raum geworfen wurde, eine Ablösung der Kirchenstaatsverträge schwäche die Kirchen, wird selbst von den obersten Vertretern der Kirche nicht verwendet. Papst Benedikt XVI. hat bei seinem Deutschlandbesuch im Jahr 2011 bei einer Rede in Freiburg vor katholischen Gläubigen folgende Sätze gesagt:

„Die Geschichte kommt der Kirche in gewisser Weise durch die verschiedenen Epochen der Säkularisierung zur Hilfe, die zu ihrer Läuterung und inneren Reform wesentlich beigetragen haben.

Die Säkularisierungen - sei es die Enteignung von Kirchengütern, sei es die Streichung von Privilegien oder Ähnliches - bedeuteten nämlich jedes Mal eine tiefgreifende Entweltlichung der Kirche, die sich dabei gleichsam ihres weltlichen Reichtums entblößt und wieder ganz ihre weltliche Armut annimmt.“

Ich bin mittlerweile auch ein Anhänger von Franziskus - obwohl nicht katholisch -, der erklärt hat, es wäre vielleicht ratsam, wenn insbesondere die katholische Kirche einen Teil ihrer Reichtümer dafür verwenden würde, den Armen wirklich zu helfen, statt weiter Reichtümer anzuhäufen.

(Beifall FDP)

Mit der Argumentation des Ministerpräsidenten wird suggeriert, die Kirchen würden durch eine Ablösung geschwächt. Dies widerspricht jedoch ausdrücklich der Ansicht des Papstes. Vielmehr wird die Kirche durch eine Ablösung des Kirchenstaats

(Präsident Klaus Schlie)

vertrags und der damit verbundenen gesellschaftlichen Diskussion - die von vielen Gläubigen als Last empfunden wird - befreit, wenn nicht gar erlöst. Sie nimmt damit gerade den Kritikern, die der Kirche vorwerfen, sie strebe vordergründig nach weltlichem Besitz und Vermögen, den Wind aus den Segeln.

Die Kirchen würden durch eine Ablösung nicht etwa geschwächt, sondern moralisch gestärkt werden - so wie auch Papst Franziskus nicht etwa an Macht und Ansehen verloren hat, weil er bisher festgehaltene Privilegien und Statussymbole losgelassen hat, sondern an Ansehen, Glaubwürdigkeit und Macht gewonnen hat.

Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Stimmen Sie unserem Antrag zu, und lassen Sie uns damit einem fast 100-jährigen Verfassungsauftrag nachkommen!

Ich habe vernommen - darüber bin ich ganz begeistert -, dass die regierungstragenden Fraktionen einen inhaltlich fast gleichgerichteten Antrag eingebracht haben. Herr Präsident, ich bitte beide Anträge als eigenständige Anträge zu behandeln, weil wir wenigstens Ihrem Antrag, nachdem unser Antrag abgelehnt worden ist - was ich nicht verstehen kann -, zustimmen wollen. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, vereinzelt SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Daniel Günther.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden dem FDP-Antrag unsere Zustimmung nicht geben. Dabei sage ich ausdrücklich: Natürlich wird sich auch die CDU, sollte es auf Bundesebene eine Debatte geben,

(Christopher Vogt [FDP]: Sehr bedauerlich!)

eine Ablösung durchzuführen, die durch das Grundgesetz durchaus geboten ist, nicht verweigern können.

(Christopher Vogt [FDP]: Aber?)

- Ja, jetzt kommt das Aber, Herr Kollege Vogt. Ich glaube nur, dass gerade wir als klammes Land Schleswig-Holstein kein hohes Interesse daran haben können, in Form einer Einmalzahlung die bestehenden Leistungen, die wir gegenüber den bei

den Kirchen in Schleswig-Holstein zu leisten haben, abzulösen. Nach alldem, was ich von Fachleuten weiß, reden wir über Zahlungen in einer Größenordnung, die sich zwischen 300 Millionen und 500 Millionen € bewegen. Wie wir das im nächsten Landeshaushalt darstellen sollten, wenn wir so etwas in Form einer Einmalzahlung leisten sollten, weiß ich nicht. Ich glaube, nicht einmal Herr Kubicki würde es hinbekommen, das so hinzurechnen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Doch, doch!)

Deswegen glaube ich schlicht und ergreifend, dass wir kein hohes Interesse daran haben. Ich bleibe dabei: Man wird sich einer solchen Debatte auf Bundesebene stellen müssen. Als Land Schleswig-Holstein haben wir aber kein eigenes Interesse, hier tätig zu werden.