Die Teilhabe am Leben, so wie wir Menschen ohne Einschränkung es gewohnt sind und für selbstverständlich halten, ist Menschen mit Einschränkung auf dem Niveau, das vereinbart ist und das die allen Menschen zustehenden Menschenrechte umfasst, noch nicht möglich. Auch wir in diesem Haus haben uns da nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Zu oft haben wir die Debatte zum erstatteten Bericht vertagt, als dass man uns tatsächlich den ernsthaften Willen, sich zu kümmern, attestieren könnte.
Lassen Sie uns endlich Nägel mit Köpfen machen und einen Aktionsplan auf den Weg bringen, der neben den Forderungen aus der UN-Konvention die praktischen Anregungen von Herrn Dr. Hase bedient.
Seine Forderung nach einer barrierefreien Gestaltung des öffentlichen Raumes, die schon bei der Ausschreibung und Auftragsvergabe der öffentlichen Hand beginnt, ist ein gutes Planungsziel.
Im Übrigen ist sie auch Beschlusslage des alten Parlaments, ebenso wie die bessere Beteiligung der Betroffenen an und in ihrer Lebenswelt.
Als ich im letzten Herbst die Mürwiker Werkstätten besucht habe, wünschten sich die Menschen dort mehr Beteiligung und rügten, dass sie seit Jahren keine Lohnerhöhung mehr bekommen hätten, weil das Geld stattdessen für neue Plätze in den Mürwiker Werkstätten investiert worden sei. So werden aus den Menschen, um die wir uns kümmern, Objekte, die verwaltet werden. Die Menschen fühlen sich selbst jedoch als Subjekte, die durchaus ihre eigenen Ansprüche haben und formulieren können. Wir müssen ihnen zuhören und sie in die Planungen einbinden.
Eines ist klar: Wie wollen wir glaubwürdig Inklusion gestalten, wenn die zu Inkludierenden nicht daran beteiligt werden? Es steigert auch nicht gerade die Glaubwürdigkeit, wenn Ergebnisse wie die der Inklusions-Konferenz aus dem September 2009 komplett folgenlos bleiben. Deshalb habe ich mich in dieser Rede weniger dem konkreten Inhalt Ihres Berichtes, Herr Hase, zugewendet. Der beschriebene Status quo ist ohnehin beklagenswert, er ist aber auch das Resultat eines über Jahrzehnte tolerierten Nischendaseins in der Politik.
Wir können das ändern. Es wäre gut, wenn wir damit anfangen, es zu ändern, am besten mit den Beratungen im Ausschuss zu diesem Thema. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mich für meine Partei, den SSW, bei Uli Hase und seinem Team bedanken - bedanken für den Bericht und bedanken für die gut ausgeführte Arbeit, auf die man wirklich stolz sein kann.
Schon vor etwas mehr als drei Jahren haben wir hier im Landtag über die Umsetzung der UN-Konvention für Menschen mit Behinderung debattiert. Damals bin ich davon ausgegangen, dass allen die Tragweite dieser Konvention bewusst ist. Doch offensichtlich muss man auch heute noch daran erinnern: Durch die Unterzeichnung des Übereinkommens und die Ratifizierung durch die Organe des Bundes ist die UN-Konvention ein rechtskräftiges Gesetz. Hieraus folgen ganz konkrete Verpflichtungen - und die gelten für Bund, Länder und Kommunen gleichermaßen.
Aus Sicht des SSW hat sich hier bisher eindeutig zu wenig bewegt. Es ist deshalb höchste Zeit, dass die Landesregierung die Versäumnisse ausbügelt und einen Aktionsplan für und vor allem mit den Menschen mit Behinderung erarbeitet und umsetzt.
Das Ziel des Aktionsplans haben wir in unserem „erbärmlichen“ Antrag eindeutig formuliert: Die Anliegen von Menschen mit Behinderung müssen in allen Bereichen des politischen Handelns als Selbstverständlichkeit begriffen und berücksichtigt werden.
Für den SSW sage ich ganz deutlich: Das muss unser Anspruch sein. Dahinter darf die Landespolitik und darf die kommunale Ebene nicht zurückfallen.
Was einen solchen Aktionsplan im Sinne der UNKonvention ausmacht, beschreibt der Landesbeauftragte Uli Hase klar und eindeutig: Voraussetzung ist ein landesweit moderierter Prozess unter Beteiligung gesellschaftlicher Instanzen sowie der Menschen mit Behinderung selbst.
Dass das Sozialministerium hier bereits in vollem Gang ist, freut uns ausdrücklich. Wir wissen, dass dort alles darangesetzt wird, um die Menschen mit Behinderung umfassend zu beteiligen und tatsächlich mitzunehmen. Dies ist umso wichtiger, weil in den vergangenen Jahren viel Vertrauen verloren gegangen ist und so manche Hoffnung und Erwartung enttäuscht wurde.
Die grundlegende Zielsetzung der Konvention dürfte mittlerweile allen klar sein: Menschen mit Behinderung sollen gleichberechtigt und selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilhaben. In unseren Augen ist es unser aller Pflicht, uns für einen angemessenen Lebensstandard und sozialen Schutz von Frauen und Männern mit Behinderung einzusetzen. Wenn wir ehrlich sind, dann ist dieser Lebensstandard und Schutz aber bei Weitem nicht überall im Land in vollem Umfang gewährleistet.
Wir dürfen also keine Zeit verlieren und müssen uns auch als Parteien an die eigene Nase fassen. Damit meine ich, dass wir noch stärker auf unsere Mitglieder und Kommunalpolitiker einwirken müssen. Denn Fakt ist, dass die umfassende Verwirklichung aller bestehenden Menschenrechte für das Leben von Menschen mit Behinderung noch einen großen Einsatz von uns allen erfordert. Ich glaube, das ist noch nicht allen klar.
Ein Zusammenleben in Vielfalt, in dem Menschen mit Behinderung mit ihren Wünschen und Bedürfnissen aktiv und umfassend eingebunden werden, ist für mich und meine Partei ein enorm wichtiges Ziel. Wir wollen eine Gesellschaft, in der Menschen mit und ohne Behinderung ganz selbstverständlich nicht nur die gleichen Rechte haben, son
dern auch die gleiche Wertschätzung genießen. Und die erreicht man ganz bestimmt nicht durch Verordnungen oder durch eine Behindertenpolitik von oben.
Hierfür brauchen wir eine möglichst breite gesellschaftliche Debatte. Wir müssen so viele Bürgerinnen und Bürger wie möglich erreichen und sie dazu bewegen, sich zum Beispiel Gedanken darüber zu machen, was uns Menschen mit Behinderung wert sind. Nur so kommen wir letztendlich zu dem Bewusstseinswandel, der für eine wirklich inklusive Gesellschaft nötig ist - eine Gesellschaft, in der Menschen mit Behinderung nicht assimiliert, sondern in ihrer Vielfältigkeit als Bereicherung gesehen werden.
Ich bin mir sicher: Der Aktionsplan für Menschen mit Behinderung wird uns diesem Ziel ein deutliches Stück näher bringen. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, wir kommen zu den Dreiminutenbeiträgen. - Zunächst hat der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg das Wort für die FDPFraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal hat der Kollege Meyer völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass die UN-Behindertenrechtskonvention nicht „nice to have“ ist, sie ist nicht irgendetwas, sondern sie ist verbindliches Völkerrecht, dem die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist. Deswegen ist sie umzusetzen, und zwar nicht irgendwie und irgendwann, sondern ganz präzise heute und jetzt.
Zweitens. Liebe Kollegin Bohn, wir streiten gar nicht so sehr über die Inhalte der Behindertenpolitik in diesem Land, sondern wir streiten vor allem über das Wie und das, was Sie mit Ihrem Antrag - ich werde jetzt kein Attribut dafür verwenden - heute vorgelegt haben. Es ist nicht weniger, aber auch nicht mehr als ein Anstoß für eine Diskussion.
Ich bin davon überzeugt, dass die Antragsteller, die heute die Regierung tragen, aus der Opposition heraus einen ganz anderen Antrag gestellt hätten. Sie hätten es sich nämlich nicht nehmen lassen, ganz konkrete Ziele zu formulieren, wie ein solcher Aktionsplan aussieht. Ein solcher Aktionsplan in Rheinland-Pfalz ist selbstverständlich vom persön
lichen Schicksal der heutigen Ministerpräsidentin, der ehemaligen Kollegin Malu Dreyer geprägt, und er gibt sehr präzise vor, wie die einzelnen Häuser die UN-Konvention umzusetzen haben. Aber der Aktionsplan beruht auch auf den konkreten Vorstellungen der regierungstragenden Fraktionen, die im Vorhinein ganz klar definiert haben, was sie sich eigentlich unter einem solchen Aktionsplan inhaltlich vorstellen.
Es gibt beispielsweise im Hinblick auf das, was in der 16. Legislaturperiode debattiert und von den Oppositionsfraktionen vorgelegt wurde, einen ganz klaren inhaltlichen Auftrag an den damals erarbeiteten Aktionsplan. Ich weiß noch, Frau Trauernicht, wie sehr wir uns damals im Plenum über die Frage gestritten haben, ob ein Plan das notwendige Instrument ist oder ob möglicherweise der Weg, den Sie eingeschlagen haben, der bessere war.
- Aber wir haben es uns nicht nehmen lassen, Herr Habersaat, ganz klar zu formulieren, was wir eigentlich von einem Plan erwarten, nämlich beispielsweise erstens eine Bestandsaufnahme und -analyse.
Dann sollte es zweitens mit der Lebens- und Wohnsituation von Menschen mit Behinderung und ihrer Familien weitergehen.
Folgende Punkte wollten wir darüber hinaus unter die Lupe nehmen - drittens -: die Arbeits- und Beschäftigungssituation. Dieses Thema ist so brandaktuell wie noch nie - insbesondere vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und der Integration von Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt.
Siebtens: die Verknüpfung und Verbindung mit anderen Plänen des Landes, beispielsweise mit der Landeskrankenhausplanung, der Psychiatrieplanung, des Altenplans und der Pflegeplanung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von den regierungstragenden Fraktionen, vielleicht gelingt es im Ausschuss tatsächlich in einer anderen Atmosphäre, der Regierung nochmals ganz klar zu sagen,
Ich plädiere dafür, es nicht nur einer Verwaltung, die ich ausgesprochen schätze und deren Fachkenntnisse ich ausgesprochen schätze, zu überlassen, was in einen solchen Plan hineinkommt und was nicht.
Es ist natürlich oberste Aufgabe eines Parlamentes und der gewählten Abgeordneten, klipp und klar zu sagen: Wie stellen wir uns eigentlich die Zukunft von Menschen mit Behinderung vor? Wie wollen wir zu der Integration kommen, die der Kollege Meyer beschrieben hat? - Herzlichen Dank.