Protocol of the Session on November 20, 2013

Gleiches gilt auch für die Arbeit der Mitgliedsverbände des Verbandes politischer Jugendarbeit in Schleswig-Holstein, VPJ. Wenn wir ausgerechnet bei den politischen Jugendverbänden sparen, entziehen wir politisch engagierten Heranwachsenden die Grundlage, über verschiedene Politikansätze zu diskutieren. Es geht um unsere Jugendverbände, es geht um unsere Jugendorganisationen, die zwar eigenständig und losgelöst von der Mutterpartei sind, aber trotzdem der Ort sind, an dem der Nachwuchs der Parteien herangebildet wird. Es ist keineswegs zum Schaden für unser Gemeinwesen, wenn wir deutlich machen, dass diese Nachwuchsförderung für die Demokratie auch Kosten verursacht.

Deshalb betone ich:

(Zurufe)

Bei der Verbandsarbeit brauchen wir ein Mindestmaß an Hauptamtlichkeit, und zwar bei den Jusos, bei den Julis, bei der Grünen Jugend und bei der Jungen Union ebenso wie bei der SSWUngdom.

Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Schluss kommen.

Deshalb müssen wir an dieser Stelle konkret nacharbeiten. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns den Bericht der Landesregierung im Ausschuss intensiv diskutieren. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Tobias von Pein das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Die Entwicklung der Beteiligung an Wahlen und an politischen Prozessen müssen für uns als Demokratinnen und Demokraten alarmierend sein, denn seit gut zehn Jahren sind wir mit einer immer noch schlechten Wahlbeteiligung auf allen Ebenen konfrontiert. Die allgemeine Zufriedenheit mit der Politik ist immer noch niedrig.

Dabei sind Wahlen in einer Demokratie eigentlich die egalitärste und niedrigschwelligste Form der politischen Partizipation. Die Teilnahme an ihnen ist die Grundlage für die Legitimation dessen, was wir hier machen. Deshalb haben wir die Schwelle bei Landtagswahlen gesenkt, denn die Lebenssituation von jungen Leuten hat sich gewandelt und zu mehr Selbstständigkeit auch bei 16- und 17-Jährigen geführt. Nun können sie an dieser Stelle mitentscheiden.

Natürlich reicht aber der alleinige Wahlakt nicht aus. Wir brauchen darüber hinaus mehr Beteiligung von Kindern und Jugendlichen und eine Stärkung der demokratischen Kultur im ganzen Land.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Palette der Legenden über das mangelnde Interesse von jungen Leuten an politischen Prozessen ist groß. So wird manchmal von antidemokratischen Einstellungen oder von Politik- und Politikerverdrossenheit gesprochen.

In seiner Studie für die Friedrich-Ebert-Stiftung hat Manfred Göhler die Motivation von Nichtwählern untersucht. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Verweigerung der Wahlteilnahme in den seltensten Fällen daran liegt, dass sich die Menschen nicht für Politik interessieren oder dass sie gar eine antidemokratische Grundeinstellung haben. Ursache ist eher eine allgemeine Unzufriedenheit mit den politischen Parteien, ihrem Personal und der Art und Weise, wie Politik gemacht wird.

Eine Wahlverweigerung, die 15 % der jungen Befragten der Studie mit eben dieser Unzufriedenheit begründeten, ist also nicht zwingend eine Unzufriedenheit mit der Demokratie an sich. Es ist ein Defizit des demokratischen Systems, wenn es die Bür

(Hans Hinrich Neve)

gerinnen und Bürger nicht an allen Entscheidungen gleichberechtigt beteiligt.

Wir sollten es uns aber nicht so einfach machen, den politischen Prozess in der Demokratie darauf zu reduzieren, dass er ein attraktives oder weniger attraktives Angebot ist, das vom Abnehmer nachgefragt oder zum Ladenhüter degradiert wird. Demokratie ist kein Konsumgut. Politik muss in einer Demokratie zum Mitmachen und Mitgestalten anregen. Sie muss auf Kritik eingehen und auf Zustimmung und Interesse der Menschen treffen, um ihrem Anspruch gerecht zu werden.

Für eine funktionierende Demokratie ist es zentral, dass das Handwerkszeug Demokratie allen Bürgerinnen und Bürgern nähergebracht wird. Politische Bildung kann einen Teil dazu beitragen und ein guter Schlüssel zu mehr Teilhabe an Demokratie sein. Wissen über Strukturen, Zusammenhänge und politische Prozesse ist die Grundlage für Demokratie. Demokratie ist nichts Selbstverständliches, Demokratie muss jeden Tag neu gelebt werden. Deshalb muss es Aufgabe der politischen Bildung auf allen Ebenen sein, junge Menschen an die vielfältigen Möglichkeiten der Mitwirkung heranzuführen.

Der Bericht der Landesregierung greift die Vielfalt der Ansätze, die wir in unserem Land haben, auf und zeigt, dass politische Jugendbildung in unserem Land weit mehr ist als nur WiPo-Unterricht. Die Landesregierung hat damit den Berichtsauftrag des Plenums umgesetzt. Wir nehmen den Bericht gern mit in den Ausschuss. Wir werden sehen, wo es noch Handlungsbedarf gibt und wie wir darüber diskutieren können, all dies noch besser machen zu können.

Was uns jetzt als gemeinsame Aufgabe zu tun bleibt, ist, Perspektiven für die Zukunft der politischen Jugendbildung in den nächsten Jahren zu entwickeln. Wir haben uns vorgenommen, gemeinsam mit den politischen Jugendverbänden nicht nur darüber zu reden, wie hoch die Zuschüsse des VPJ sein sollten und was damit geschieht, sondern auch darüber, was wir gemeinsam tun können. Wir sollten daher mit den Jugendverbänden insgesamt ins Gespräch kommen und Ideen für eine neue Partizipations- und Demokratieoffensive in SchleswigHolstein diskutieren.

Ich bitte daher darum, den Bericht der Landesregierung zusammen mit dem Antrag der CDU in den Bildungsausschuss und in den Sozialausschuss zu überweisen. Lassen Sie uns dort gemeinsam darüber diskutieren, wie wir in diesem wichtigen Bereich weiterkommen. Geben wir jungen Leuten eine

Stimme, lassen Sie uns gemeinsam Demokratie stärken und Partizipation und Beteiligung erweitern!

(Beifall SPD, SSW und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Ines Strehlau das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Wahlbeteiligung lag bei 88,5 %. Das ist ein Traumergebnis und keine Abkehr von der Politik. Von welcher Wahl war dies das Ergebnis? - Es war das Ergebnis der Juniorwahl zur Bundestagswahl 2013. In den Wochen vorher hatten sich mehr als eine halbe Million Jugendliche ab der siebenten Klasse auf die Wahl vorbereitet. Sie tasteten sich an den Wahlvorgang und an die eigene Beteiligung am politischen System der Bundesrepublik Deutschland heran. Ziel der Juniorwahl ist das Üben und Erleben von Demokratie. Beides sind zentrale Punkte des Themas politische Bildung. Dies macht auch der Bericht der Landesregierung deutlich, für den ich mich bei der Ministerin und ihrem Haus bedanke.

Der Bericht stellt klar, dass es vielfältige Projekte und Programme zur politischen Kinder- und Jugendbildung gibt. Es werden sowohl Fortbildungen für Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen und Lehrkräfte durchgeführt als auch Projekte für Kinder und Jugendliche. An den Schulen gibt es die Juniorwahl und den WiPo-Unterricht, und auch in anderen Fächern und Wahlpflichtkursen spielen Politik und Wahlen eine Rolle.

Außerhalb der Schulen bringt sich unter anderem die Landeszentrale für politische Bildung ein. Unter ihrer Mitwirkung gab es vor der Bundestagswahl eine Erstwählerkonferenz im Landeshaus, und sie unterstützte das Projekt „jung und wählerisch“. Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel bildete Teamer aus, die zu Erstwählerinnen und Erstwählern in die Schulen gingen, um sie von der Wahrnehmung ihres Wahlrechts zu überzeugen. All diese Projekte sind wichtige Bausteine der politischen Bildung. Politische Bildung aber vorwiegend auf eine Erhöhung der Wahlbeteiligung zu reduzieren, wie es der CDU-Antrag macht, ist viel zu kurz gesprungen.

(Tobias von Pein)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Politische Bildung ist viel mehr, als nur zur Wahl zu gehen. Politische Bildung ist Demokratiebildung, und diese beginnt schon in der Kita. Das ist mittlerweile Allgemeinwissen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Im Bericht sind gute Kita-Beispiele aufgeführt, wie zum Beispiel das Konzept „Kinderstube der Demokratie“ und auch das Forschungsprojekt „Demokratiebildung in Kitas“. Bei diesen Projekten sind die Verankerung von qualifizierter Partizipation ebenso wie Toleranz und Weltoffenheit wichtige Bausteine.

Dieser Ansatz setzt sich in immer mehr Schulen fort. Klassenrat, soziales Lernen, Konfliktlotsen, Sozialer Tag, Gewaltprävention, Zukunftsschule Schleswig-Holstein sind einige Stichworte dazu, die im Bericht erläutert werden.

Entscheidend für ein positives politisches Bewusstsein ist die Erfahrung, selbst gestalten und mitmachen zu können, etwas erreichen zu können, wenn man sich einsetzt: für die Gemeinschaft und für sich selbst. Diese Erfahrung, ernst genommen zu werden und mit entscheiden zu dürfen, müssen schon Kinder in den Kitas sammeln können.

Außerhalb der Schulen kommen die Angebote in Jugendverbänden, Jugendzentren und die Mitarbeit in Jugendbeiräten dazu. Am Beispiel der Jugendbeiräte und der Kinder- und Jugendbeteiligung in den Kommunen wird allerdings deutlich, dass wir in Schleswig-Holstein noch nicht so gut aufgestellt sind. In vielen Kommunen gibt es keine Jugendbeiräte, auch deshalb nicht, weil sich keine Kandidatinnen und Kandidaten finden, und die Beteiligung nach § 47 f Gemeindeordnung wird vielfach nicht oder nur oberflächlich umgesetzt. Hier müssen wir besser werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. Heiner Garg [FDP])

Um politische Bildung als konstanten Baustein bei Kindern und Jugendlichen zu verankern, ist es wichtig, diese in allen Bereichen zu leben. Wir müssen es schaffen, junge Menschen ,,zur freien Selbstbestimmung in Achtung Andersdenkender, zum politischen und sozialen Handeln und zur Beteiligung an der Gestaltung der Arbeitswelt und der Gesellschaft im Sinne der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ zu erziehen, wie es im Schulgesetz steht. Und das muss im Kindesalter ge

schehen; denn nach Forschungsergebnissen zur politischen Sozialisation werden politische Grundeinstellungen bis zum Alter von zwölf Jahren erworben.

Im Bericht wird deutlich, dass es die unterschiedlichen Angebote und Projekte nicht flächendeckend gibt, die Kinder und Jugendlichen also auch Pech haben können, dass an Schule oder Kita wenig läuft. Es fehlt an Verbindlichkeit und an fester Struktur. Außerdem scheinen Angebote eher nebeneinander zu existieren und nicht miteinander vernetzt zu sein. In beiden Punkten besteht aus unserer Sicht Handlungsbedarf.

Wir sind deshalb dabei, für die politische Bildung zusätzliche Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen, aber für konkrete Projekte, nicht für die Finanzierung der Verbandsarbeit. Eine gute Anlaufstelle für Vernetzung und Weiterentwicklung der politischen Kinder- und Jugendbildung wäre die Landeszentrale für politische Bildung. In ihrem Kuratorium sind viele Akteurinnen und Akteure der politischen Bildung sowie Politik und Bildungsministerium vertreten. Auch Sozialministerium und kommunale Landesverbände müssen einbezogen werden.

Der Bericht sagt, dass ,,für das Lernen von Demokratie die Erfahrung von Demokratie entscheidend ist - Kinder lernen Demokratie durch Partizipation“. Dafür brauchen wir ein umfassendes Konzept. Über dieses sollten wir im Sinne des gemeinsamen Antrags, den wir im Bildungsausschuss formuliert haben, in den Ausschüssen weiter beraten. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Anita Klahn [FDP])

Das Wort für die FDP-Fraktion hat Frau Abgeordnete Anita Klahn.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich der Landesregierung namens der FDP-Fraktion meinen Dank für den vorgelegten Bericht sagen. Darauf werde ich noch kurz eingehen. Es ist erkennbar, dass bereits viele Maßnahmen stattfinden, die auch dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche ein Interesse daran haben, sich mit gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Problemen auseinanderzusetzen.

(Ines Strehlau)

Der Bericht erfüllt auch die geforderte Sachstandsaufnahme und -beschreibung in Form einer reinen Auflistung verschiedener Aktivitäten. Vereinzelt werden auch die Vorgaben zur politischen Jugendbildung in Kita, Schulen und anderen Institutionen benannt. Aber auch wenn die Ministerin hier formulierte, dass dort erkennbar sei, wo man noch besser werden müsse, kann ich das leider nicht erkennen, denn die qualitative Bewertung, ob zum Beispiel die Kernziele erreicht werden und ob das Instrument zur Erreichung der Zielsetzung in den jeweiligen Gruppen das richtige ist, fehlt.

Unzureichend empfinde ich auch die Darstellung der Mittel, die für die finanzielle Förderung in dem gesamten Bereich der politischen Jugendbildung verwendet werden. Das Ministerium formuliert zwar in einzelnen Bereichen, aus welchen Töpfen eine Förderung möglich ist. Ich würde es mir jedoch wünschen, dass die Ministerin zu den Beratungen in den Ausschüssen konkretes Zahlenmaterial nachliefert.

Somit kann man die Information des seit Jahren gleichbleibenden Förderbetrags an die Kreise und kreisfreien Städte für außerschulische politische Jugendbildung in Höhe von jeweils 17.000 € wirklich nur als einen kleinen Teilbetrag bewerten.

Über diese aufgeworfenen Fragen werden wir uns also gern im Bildungs- und Sozialausschuss weiter unterhalten. Dort werden wir insbesondere auch die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Antrag der PIRATEN führen müssen, der bekanntlich zu dieser Berichterstattung geführt hat.

Ich möchte an dieser Stelle der Kollegin Strehlau meinen Dank für ihren eben gehaltenen Beitrag aussprechen. Sie haben darin wirklich sehr detailliert und sachlich dargestellt, dass Demokratie mehr ist, als nur Wahlen zu gewinnen. Ich gebe Ihnen völlig recht: Auch im Kindergarten finden die Partizipation und das Erlernen des demokratischen Wesens und der Vorgehensweisen wirklich statt.