Protocol of the Session on August 23, 2013

Zur zweiten Frage: Wir unterstützen die Zusammenarbeit mit allen Staaten, mit denen wir uns im Bündnis befinden. Ansonsten müssten wir das Bündnis verlassen.

(Beifall FDP und CDU)

Dann müssten wir sagen: Deutschland muss aus der NATO austreten, weil die Amerikaner schlicht und ergreifend nicht mehr zuverlässig sind. Ich sage Ihnen: Ich bin auch froh, wenn Informationen von Diensten, die ich nicht für sehr rechtsstaatlich halte,

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Aus Fol- ter?)

dazu beitragen, terroristische Angriffe auf deutschem Boden zu verhindern.

(Beifall FDP und CDU - Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Aus Folter?)

- Herr Kollege Dr. Breyer, wir können uns gern über die Frage unterhalten, ob, wenn eine Information in Deutschland ankommt, wir zunächst die Frage klären müssen, ob sie lauter erworben worden ist, oder ob wir uns zunächst darum kümmern müssen, dass ein terroristischer Anschlag verhindert wird. Ich würde mich für Letzteres entscheiden. Ich

würde mich immer dafür einsetzen. Dort, wo ich Entscheidungsbefugnisse habe, dort, wo ich kompetent genug bin, will ich verhindern, dass mit solchen Methoden, die Sie angesprochen haben, etwas passiert, und verteidige den Rechtsstaat.

Aber als Alternative hinzustellen, wir dürften Informationen, die zur Verhinderung eines Anschlages dienen, die nicht wir erhoben haben, sondern von dritter Seite kommen, nicht verwerten, weil sie möglicherweise unlauter erworben worden sind, diese Position teile ich nicht. Denn ansonsten ist die Frage, mit welchem Staat in der Welt wir noch zusammenarbeiten oder Informationen austauschen wollten. Mit welchem Staat?

(Uli König [PIRATEN]: Island!)

- Island? - Das ist typischerweise die Kindervorstellung der PIRATEN

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

- es ist wirklich eine Kindervorstellung -, die glauben, die vollständige, äußerste Transparenz würde im Zweifel zu mehr Sicherheit führen. Ich glaube das im Zweifel nicht. Sondern wir stehen immer wieder vor der Aufgabe, das Sicherheitsbedürfnis mit dem Freiheitsbedürfnis der Menschen verhältnismäßigerweise abzuwägen und uns im Zweifel dafür zu entscheiden, der Freiheit die Priorität einzuräumen und nicht der Sicherheit, so wie es übrigens die Gründerväter der Vereinigten Staaten in der amerikanischen Verfassung einmal formuliert haben. Daran muss man die Amerikaner vielleicht noch einmal erinnern.

(Beifall FDP - Zuruf Uli König [PIRATEN])

- Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es hat bisher einigermaßen wunderbar funktioniert, denn Sie, Herr Kollege König, haben auch das hohe deutsche und europäische Datenschutzrecht hervorgehoben. Das können wir nicht mit Gewalt durchsetzen, sondern nur durch Überzeugung, durch besseres Beispiel, durch Verhandlungen. Dafür stehen wir auch. Deshalb glaube ich, dass in dieser Frage hektische oder auch polemische Diskussionen fehl am Platz sind.

Ein letzter Punkt, weil die PIRATEN offensichtlich auch eine völlig neue Kraft sind, die Geschichte nicht mehr kennen. Wir haben uns mit der Union lange gestritten, die FDP insgesamt, nicht nur Frau Leutheusser-Schnarrenberger, ist zum Sicherheitsrisiko für Deutschland erklärt worden, übrigens nicht nur von der Union, sondern auch von Sozialdemokraten im Deutschen Bundestag, weil wir uns geweigert haben, die Europäische Richtlinie zur Vor

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

ratsdatenspeicherung umzusetzen mit der Bemerkung, dass die anlasslose Vorratsdatenspeicherung an sich - und zwar unabhängig von der Frist, ob ein halbes Jahr, zwei Jahre, sechs Monate, Herr Kollege Dr. Stegner - ein so schwerwiegender Grundrechtseingriff ist, der durch nichts zu rechtfertigen ist, weshalb das Modell des Quick-Freeze-Verfahrens vorgeschlagen worden ist. Wenn ein Anlass gegeben ist, werden Daten für eine Woche eingefroren, möglicherweise durch richterlichen Beschluss auch für längere Zeit, sie können ausgewertet werden, und dann werden sie wieder vernichtet. Aber keine anlasslose Vorratsdatenspeicherung, dabei bleiben wir.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN] und Lars Harms [SSW])

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten König?

Es ist leider nur eine Zwischenbemerkung, Herr Kubicki. Vielen Dank für Ihre Erklärung zwischen Abwägung von Sicherheit und Freiheit von Ihnen, als der „Freiheit in Person“, wie Sie hier an der Straße plakatiert werden. Ich habe leider den Eindruck, dass die Freiheit bei Ihrer Waage ziemlich leicht wiegt und die Sicherheit doch sehr schwer wiegt. Das wollte ich nur kurz sagen. Vielen Dank.

- Herr Kollege König, für Ihre Eindrücke kann ich nichts, weil sie vorgeprägt sind durch Ihre Vorurteile, die Sie mit sich herumtragen.

(Beifall Christopher Vogt [FDP], Dr. Axel Bernstein [CDU] und Volker Dornquast [CDU])

Insofern habe ich großes Verständnis dafür, dass, egal was ich hier sagen würde, Sie zu dem Ergebnis kommen würden, ich würde der Freiheit nicht zum Durchbruch verhelfen wollen. Aber ich kann Ihnen sagen: Die Freiheit jedes Menschen endet an der Freiheit des anderen. Ich kann Ihnen sicher sagen, dass Sie auch nicht davon reden würden, dass die Freiheitsrechte beeinträchtigt wären, wenn ein Polizeibeamter jemanden daran hindert, Sie mit einer Waffe zu bedrohen.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

Das geht nicht nur physisch, das geht auch elektronisch. Ich bin sicher, dass Sie auch nicht mehr glauben, dass der Freiheit zum Durchbruch verholfen wird, wenn Stalker dabei sind, nicht nur Ihr MailSystem lahmzulegen, sondern über Sie im Netz und wo auch immer Dinge zu verbreiten, die Ihre persönliche Existenz ruinieren können. Auch da hört es auf.

Deshalb sage ich: In jeder Phase müssen wir die Abwägung treffen. Mein Herz schlägt bei der Abwägung im Zweifel mehr für die Freiheit, aber eben auch nur im Zweifel. Dort, wo überhaupt kein Zweifel besteht, handeln die Sicherheitsbehörden schlicht und ergreifend mit dem Instrumentarium, das wir ihnen gesetzlich zur Verfügung stellen nicht mehr, aber auch nicht weniger. Manchmal muss man eben gucken, dass das Mehr, das sich eingebürgert hat, dann wieder durch entsprechende gesetzgeberische oder parlamentarische Maßnahmen zu einem Weniger wird.

(Beifall FDP)

Ihre Redezeit wäre abgelaufen, aber es gibt abschließend die Bitte nach einer weiteren Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Breyer. Sie haben die Chance, diese noch zuzulassen.

Frau Präsidentin, da ich sehe, dass auch bei den PIRATEN zum Nachdenken führt, was ich sage

(Zurufe)

- das sehe ich, jedenfalls bei Herrn Dudda, bei Herrn König weiß ich es nicht -, darf Kollege Dr. Breyer gern eine Frage stellen.

Dann hat Herr Breyer das Wort.

Herr Kollege, ich helfe gern, wo ich kann. Sie haben ein schönes Plädoyer gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung von Telefon-, Internet- und Handyverbindungen gehalten. Wie stehen Sie vor dem Hintergrund zu dem Vorschlag Ihrer eigenen Bundesjustizministerin, Informationen über jede Internetverbindung in Deutschland ohne Anlass vorzuhalten? Würden Sie dem als Mitglied des Bundestags zustimmen?

(Wolfgang Kubicki)

Können Sie die Frage vielleicht etwas konkretisieren? Internetverbindungen wofür vorzuhalten?

- Für die sogenannten Bestandsdatenauskünfte. So ist das in dem Quick-Freeze-Gesetzentwurf, den Sie genannt haben, vorgesehen.

- Ja, aber diese Bestandsdaten werden nicht unendlich lange gespeichert. Für das Quick-Freeze-Verfahren brauchen Sie selbstverständlich die entsprechenden Klardaten für Internetverbindungen, weil das Quick-Freeze-Verfahren ansonsten keinen Sinn machen würde. Selbstverständlich brauchen Sie Bestandsdaten. Aber dann, wenn das Quick-FreezeVerfahren beendet ist und Sie die Daten nicht mehr benötigen - nach einer Woche oder 14 Tagen -, sind die komplett zu löschen und nicht weiter zu speichern.

Ich habe nichts dagegen, aber vielleicht klären wir das zu einem späteren Zeitpunkt. Heute ist Freitag, 15 Uhr. Wir haben noch andere Themen, die von großer Relevanz sind, Herr Kollege Dr. Breyer. Wir machen das dann am Rande des Plenums. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU - Dr. Hei- ner Garg [FDP]: Schick ihm doch einfach ein Autogramm!)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW erteile ich dem Kollegen Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Elektronische Kommunikation ist nicht vertraulich. Es werden zwar mehrere Milliarden elektronischer Briefe verschickt, aber die wenigsten sind tatsächlich mit einem verschlossenen Brief vergleichbar, sondern sie werden ohne Verschlüsselung verschickt. Dabei durchlaufen die Mails mehrere Stationen, dort können die Mails mitgelesen und von Computerprogrammen automatisch ausgewertet werden. Bestimmte Suchworte genügen, und dann schlägt das Programm zu. Mails werden millionenfach gelesen und gespeichert, ohne dass Sender und Empfänger es jemals erfahren.

Die Verbreitung der elektronischen Kommunikation hat nicht Schritt gehalten mit dem Ausbau entsprechender Sicherheitsstandards. Warum gibt es keine sichere elektronische Kommunikation? Das scheitert bislang weder am Umfang noch an

den Kosten, sondern am fehlenden Problembewusstsein.

Noch 2011 hat eine Studie im Auftrag der Deutschen Post mit dem Titel „Vertraulichkeit und Transparenz 2.0“ festgestellt, dass deutsche Verwaltungsorgane auf Bundes- und Kommunalebene kaum Bedenken bezüglich der Sicherheitsstandards bei der Online-Kommunikation haben. Über drei Viertel der damals Befragten gab an, keine oder nur leichte Sicherheitsbedenken bei der Übermittlung von Daten im Online-Verfahren zu haben. Der persönliche PC ist schließlich mit einem Passwort geschützt und das Mailingprogramm wahrscheinlich auch. Das empfinden viele Nutzer als ausreichende eigene Vorkehrungen zur Sicherung ihrer Kommunikation.

Die großen E-Mail-Anbieter haben überhaupt noch nicht begriffen, warum eine Verschlüsselung von E-Mails auf dem kompletten Transportweg dringend erforderlich ist. Sie bieten das einfach nicht an. Bis auf ein paar Spinner sah man bislang in den Konzernetagen gar keinen Markt.

Insofern ist die Aufdeckung der umfänglichen Ausspähung und Speicherung elektronischer Kommunikation durch den amerikanischen Geheimdienst schon so etwas wie ein heilsamer Schock. Die fehlende Sicherheitsarchitektur und der teilweise unbedarfte Umgang mit vertraulichen Inhalten verstand die NSA geradezu als Einladung zur Rasterfahndung. Niemand weiß in Deutschland wirklich genau, welche Daten wie lange in den USA gespeichert werden.

Dass die Bundesregierung das lange Wochen gar nicht wissen wollte, ist ein Armutszeugnis. Dabei ist es doch ganz einfach: Kommunikation in Deutschland unterliegt deutschem Recht. Das untersagt die Ausspähung und Speicherung von Kommunikationsdaten ohne richterliche Zustimmung. Die politische Aufarbeitung steht deshalb noch aus.

Doch der Skandal hat auch sein Gutes: In den letzten Wochen hat sich wirklich etwas getan, was neue, sichere Angebote angeht; so viel, wie in den letzten Jahren nicht. So lernen in Schleswig-Holstein Nutzerinnen und Nutzer auf lokalen Kryptoparties, zum Beispiel in Flensburg,

(Beifall PIRATEN)