Protocol of the Session on June 21, 2013

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Ich hätte fast, halb scherzhaft, gesagt: Vielleicht sollte ich Sie einmal für einen Tag zum Praktikum einladen,

(Beifall PIRATEN und vereinzelt SPD)

damit Sie sehen, dass Familie auch bei einem gleichgeschlechtlichen Paar nichts anderes ist. Es gibt Höhen und Tiefen. Dann musste ich aber an

(Dr. Marret Bohn)

die PIRATEN denken. Ich weiß nicht, ob das mit dem Grundsatz der Transparenz vereinbar ist. Insofern hoffe ich, dass Sie mir einfach glauben. Ein Mehr an Rechten für eingetragene Lebenspartnerschaften tangiert in keiner Weise die Ehe. Das heißt doch nicht, dass man der Ehe etwas wegnimmt, sondern, dass man anderen etwas gibt, was ihnen, jedenfalls aus Sicht meiner Fraktion, längst zusteht.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das gilt aus meiner Sicht für alle Bereiche des Lebens.

Ich bin zwar froh, dass im Jahr 2001 ein Kompromiss gefunden werden konnte, ich glaube aber, dass man im Jahr 2013 durchaus feststellen darf, dass das Konstrukt „eingetragene Lebenspartnerschaft“, allein der Begriff, in Abgrenzung zur Ehe nicht mehr zeitgemäß ist. Wenn wir über gleiche Rechte und gleiche Pflichten sprechen, dann können wir sehr wohl und sehr offensiv die Gleichstellung fordern, und das heißt schlicht und ergreifend: die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Die vormalige CDU-Generalsekretärin und heutige Kanzlerin, Angela Merkel, hat am 13. Dezember 1999 die, wie ich finde, richtigen Worte gefunden, als sie sagte:

„Familie ist überall dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern Verantwortung tragen.“

Ich will Ihnen mein Verständnis von Familie nicht vorenthalten. Familie bedeutet für mich zuallererst Liebe, Geborgenheit, Fürsorge, füreinander da zu sein, und zwar nicht nur in Krisensituationen des Lebens, sondern es geht darum, dass man alle Situationen des Lebens miteinander teilt und meistert. Ich glaube, dass es überhaupt keinen Unterschied macht und es überhaupt keine Rolle spielen darf, auch bei der politischen Rechtsetzung, ob es um eine Familie zwischen Mann und Frau und Kindern geht, um eine Familie zwischen Frau und Frau oder eine Familie zwischen Mann und Mann. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt PIRATEN und SSW)

Für die Piratenfraktion hat der Herr Abgeordnete Torge Schmidt das Wort. - Sie sind Fraktionsvorsitzender, richtig? - Ich habe vergessen, das zu sagen. Entschuldigung!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, Herr Garg hat eben alles gesagt, was zu diesem Thema essenziell wichtig ist. Wir leben im Jahr 2013. Ich verstehe bis heute nicht, warum das noch nicht so ist und warum wir immer noch darüber reden, dass Menschen Rechte verwehrt werden, nur weil sie gleichgeschlechtlich leben.

(Beifall PIRATEN, SSW und vereinzelt SPD)

Ich habe mir im Vorfeld dieser Debatte überlegt, ob ich meine letzte Rede zu diesem Thema noch einmal halte. Ich glaube, in den vergangenen zwei Monaten hat sich meine Haltung und auch die Haltung dieses Parlaments zu diesem Thema nicht geändert. Ich finde es trotzdem wichtig, dass wir jedes Mal wieder in diesem Parlament darüber reden, so lange, bis es wirklich keinen Unterschied mehr zwischen Menschen in unserer Gesellschaft gibt, so lange, bis jeder Mensch in unserer Gesellschaft die gleichen Rechte hat. So lange sollten wir in diesem Parlament noch darüber reden.

(Beifall PIRATEN, vereinzelt SPD und FDP)

Das Adoptionsrecht wurde heute angesprochen. Ich glaube, es ist wichtig, dass auch Menschen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften es bekommen. Es kommt zwar immer wieder der Einwand, dass diese Kinder dann diskriminiert würden, was ein schreckliches Leben für sie bedeute, aber das ist falsch. Diese Diskriminierung entsteht nur daher, weil wir diesen Unterschied immer so sehr betonen.

(Beifall PIRATEN, FDP und Simone Lange [SPD])

Daher sollten wir als Gesellschaft sagen: Hier gibt es keine Unterschiede. Wir sind froh, wenn Kinder in einem glücklichen Zuhause aufwachsen, egal, ob Mann und Mann oder Frau und Frau die Eltern sind. So lange sollten wir im Parlament darüber reden und weiterhin dafür kämpfen.

Frau Rathje-Hoffmann, Sie haben eben gesagt, wir sollten nichts übers Knie brechen. Hier muss ich Ihnen leider widersprechen. Wir leben im Jahr 2013. Wir reden seit vielen Jahren - praktisch seitdem ich

(Dr. Heiner Garg)

geboren bin - darüber. Ich glaube, die Zeit ist reif dafür. Alle Argumente sind ausgetauscht. Es gibt nichts Neues. Die CDU muss sich einen Ruck geben und in der modernen Zeit ankommen. Sie muss Flagge zeigen und für die Rechte von Menschen eintreten. Es ist meiner Meinung nach ein höchst konservatives Gut, für Ehe und Familie einzutreten und dafür, dass Menschen füreinander da sind. Warum sollen das nicht auch Mann und Mann sein? - Ich glaube, diese Haltung würde die CDU deutlich besserstellen.

(Beifall PIRATEN)

Es wurde schon angesprochen, ich möchte in die Richtung der Bundesregierung klar sagen: Ich möchte in keinem Land leben, in dem ein Verfassungsgericht progressiver ist als unsere Bundesregierung.

(Beifall PIRATEN und Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich glaube, unsere Bundesregierung sollte sich hier mehr zutrauen und mehr machen. Der FDP möchte ich sagen: Ich glaube, es ist schmerzhaft, dass ihr hier nicht vorankommt, aber setzt die CDU weiter unter Druck. - Ich danke Ihnen.

(Beifall PIRATEN und Wolfgang Baasch [SPD])

Für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr die Wahrnehmung der Lebenswirklichkeit in Deutschland mitunter variiert. Seit das Ehegattensplitting vor mehr als 50 Jahren eingeführt wurde, hat sich das gängige Familienbild - zumindest in meinen Augen - doch recht stark verändert. Der Mann als versorgender Alleinverdiener und die Frau, die sich um Haushalt und Kinder kümmert, entsprechen schon seit vielen Jahren nicht mehr der Norm. Doch statt diese Entwicklung anzuerkennen, wird sie von vielen strikt ignoriert.

Beim Thema Gleichbehandlung von homo- und heterosexuellen Beziehungen wird die reaktionäre Haltung mancher Politiker in Bund und Ländern besonders deutlich. In den Reihen der CSU lassen sich beispielsweise zum Adoptionsrecht die abstrusesten Theorien finden. So hat Norbert Geis

jüngst wieder darauf verwiesen, dass es - ich zitiere - in der Natur vorgesehen sei, dass es für das Kind am besten sei, wenn es bei Vater und Mutter aufwachse. Es gebe nun einmal keine Belege dafür, dass Kinder, die bei gleichgeschlechtlichen Paaren aufwüchsen, eine ebenso gute Kindheit hätten. - In den Augen des SSW sind solche Behauptungen schlicht und einfach überholt.

(Beifall SSW, vereinzelt FDP und PIRA- TEN)

Für uns ist nicht erst mit dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Homo-Ehe klar, dass wir endlich eine völlige Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften brauchen. Um es ganz deutlich zu sagen: Uns geht es um das Ende der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare und nicht etwa darum, den Wertegehalt der Ehe infrage zu stellen. Ich habe in der letzten Debatte zum Thema darauf hingewiesen und wiederhole mich gern: Immer mehr Menschen gleichen Geschlechts verbinden sich zu einer festen Partnerschaft und schließen den Bund der eingetragenen Lebenspartnerschaft. Sie fordern dabei nicht nur die gleichen Rechte, sondern sie übernehmen auch die gleichen Pflichten wie zweigeschlechtliche Paare. Daraus folgt für mich der berechtigte Anspruch auf Gleichstellung in allen Lebensbereichen.

(Beifall SSW und Dr. Marret Bohn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Es freut mich ungemein, dass mit dem aktuellen Urteil aus Karlsruhe wohl nun auch die Ewiggestrigen die steuerliche Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften nicht mehr aufhalten können. Der SSW hat diese Gleichstellung im Steuerrecht seit vielen Jahren gefordert. Doch auch wenn hierdurch die Diskriminierung der in einer verbindlichen Partnerschaft lebenden Lesben und Schwulen in einem Bereich beendet wird, so hoffe ich sehr, dass es nicht nur bei diesem einen Bereich bleibt. Die Bundesregierung täte jedenfalls gut daran, wenn sie die verschiedenen verfassungsgerichtlichen Urteile zu diesem Thema endlich ernst nähme und entsprechend handelte, anstatt den Kopf weiter in den Sand zu stecken.

Ich habe die Gleichstellung im Adoptionsrecht schon angesprochen. Auch wenn es müßig ist, über die Vor- und Nachteile für Kinder durch das Aufwachsen in einer zwei- beziehungsweise gleichgeschlechtlichen Ehe zu streiten, so ist doch eins klar: Das Kindeswohl muss bei der Entscheidung darüber, wer unter welchen Bedingungen Kinder adoptieren darf, maßgeblich sein. Das Kindeswohl ist

(Torge Schmidt)

nicht davon abhängig, in welcher sexuellen Observanz die Eltern leben, sondern in welchen Verhältnissen die Kinder groß werden. Für den SSW kann ich nur sagen, dass wir nicht den leisesten Zweifel daran haben, dass homosexuelle Paare ihre Kinder ebenso fürsorglich und liebevoll erziehen wie heterosexuelle. Wir meinen, dass es auch bei diesem Thema höchste Zeit ist, die Schlechterstellung homosexueller Paare zu beenden.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Man muss kein Hellseher sein, um zu ahnen, dass es in diesem Land noch einige Zeit dauern wird, bis wirklich alle Bürger die gleichen Rechte bekommen. Dass nun zumindest das Ehegattensplitting auch für eingetragene Lebenspartnerschaften Anwendung findet, sehen wir als wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer Gleichstellung in allen Lebensbereichen. Ich will aber auf einen sehr wichtigen Punkt hinweisen: Auch wenn wir diese Entscheidung grundsätzlich begrüßen, ändert sie nichts an dem Grundproblem des Ehegattensplittings. Wir alle wissen, dass hiervon im Grunde nur mittel- und besserverdienende Paare stark profitieren. Ihr Vorteil ist umso größer, wenn einer nicht erwerbstätig oder nur geringfügig beschäftigt ist. Ob und, wenn ja, wie viele Kinder ein Paar hat, spielt dabei überhaupt keine Rolle. Dass diese steuerliche Entlastung von Eheleuten von vielen noch als familienpolitische Leistung deklariert wird, finde ich äußerst fragwürdig.

(Beifall PIRATEN)

Aus diesen Gründen hat der SSW immer die Position vertreten, dass das Ehegattensplitting familienfeindlich ist und Frauen beziehungsweise in diesem Fall auch Männer vom Arbeitsmarkt ausgrenzt. Doch solange diese steuerrechtliche Maßnahme in Kraft ist, sollen selbstverständlich auch eingetragene Lebenspartnerschaften davon profitieren können. Dann hat das Ehegattensplitting zumindest den sinnvollen Effekt, dass homosexuelle Paare gleichgestellt werden.

Ein letztes Wort: Eigentlich brauchen wir das Instrument der eingetragenen Lebenspartnerschaften nicht. Eigentlich sollte die Ehe für alle Verbindungen offenstehen. Dann hätten wir die vollständige Gleichstellung auf einen Schlag.

(Beifall SSW, FDP, PIRATEN und verein- zelt SPD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Für die Landesregierung hat die Frau Finanzministerin Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten Jahren haben Grüne, SPD und SSW schon mehrfach den Versuch gestartet, die steuerliche Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften endlich zu beenden. Die erste Initiative ist im Jahr 2001 gescheitert, weil das seinerzeit von Rot und Grün beschlossene Ergänzungsgesetz zum Lebenspartnerschaftsgesetz im Bundesrat keine Mehrheit fand. Die zweite Initiative ist im Januar dieses Jahres gescheitert, als die schwarz-gelbe Bundestagsmehrheit das Jahressteuergesetz 2013 allein deshalb verhindert hat, weil es die steuerrechtliche Gleichstellung homo- und heterosexueller Lebenspartnerschaften regelte.

Der dritte Versuch ist dann im März dieses Jahres gescheitert, als Union und FDP die auf Betreiben von Schleswig-Holstein und anderen rot-grün geführten Bundesländern gestartete Bundesratsinitiative zur Durchsetzung der Rechte Homosexueller erneut im Bundestag blockierten - und das, obwohl im schwarz-gelben Koalitionsvertrag das Ziel festgeschrieben ist, die Benachteiligung eingetragener Lebenspartnerschaften zu beseitigen.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])