Protocol of the Session on June 21, 2013

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt nun vor. Die Änderung des Einkommensteuergesetzes mit dem Zweck, einkommensteuerrechtliche Vorschriften auf die Lebenspartnerschaften auszuweiten, liegt vor.

Am 11. Juni 2012 gelangte dieser Gesetzentwurf in den Fraktionen zur Abstimmung, und am Tag darauf, am 12. Juni 2013, wurde er vom Kabinett verabschiedet. Am Freitag, dem 14. Juni 2012, fand die erste Lesung im Bundestag statt. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusehen, dass wahrscheinlich Ende Juni 2013 das entsprechende Gesetz den Bundestag passieren wird.

Damit ist die steuerliche Gleichstellung von Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften Realität

(Simone Lange)

in Deutschland. Zugegeben, wir als Union - das muss man auch einmal kritisch sehen - haben uns viel Raum für die Diskussion zu diesem Thema gegeben, auf Bundesparteitagen, auf Landesparteitagen - Herr Stegner -; wir diskutieren auf Kreisparteitagen, auf Mitgliederversammlungen, in unseren Vereinigungen, mit anderen Parteien, bei Podiumsdiskussionen, mit Freunden und Bekannten, mit Jungen und Alten, und nicht zuletzt auch in der eigenen Familie.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, jetzt muss ich einmal den Berliner Bürgermeister zitieren: Das war auch gut so! Diese Diskussion war ehrlich und im Sinne der Gleichstellung erfolgreich. In diesen Diskussionen ist es uns als Gesellschaft gelungen, miteinander ins Gespräch zu kommen und die unterschiedlichen und verschiedenen Argumente auszutauschen. Als Beispiel möchte ich nennen, dass Ende letzten Jahres noch rund 60 % der Delegierten der CDU auf dem Bundesparteitag gegen die steuerliche Gleichstellung waren. Ich glaube, das Ergebnis würde bei einer heutigen Abstimmung ein anderes sein. Die größere Zahl unserer CDU-Mitglieder würde sich heute unserer Meinung nach für die steuerliche Gleichstellung aussprechen. Das ist das Ergebnis davon, dass wir miteinander sprechen.

Die meisten Menschen brauchen Zeit und Raum, um neue Gedanken zu erfassen und Argumente aufzunehmen und auszutauschen. Das ist uns wichtig. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass nun alle komplett einer Meinung sein oder alle ihre Meinung ändern müssen. Es gibt immer noch einige Vorbehalte, vor allem in unserer Schwesterpartei, in der CSU, und auch an der Spitze der katholischen Kirche. Es ist aus unserer Sicht auch völlig in Ordnung, sich das Recht herauszunehmen, eine andere Meinung zu haben.

Mit unserem Änderungsantrag sprechen wir uns heute nach langen, manchmal zähen und intensiven Diskussionen für die steuerliche Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe aus. Die damit verbundenen Kosten zur Übertragung des ansonsten von Ihnen so stark kritisierten Ehegattensplittings belaufen sich für 2014 für 34.000 Lebenspartnerschaften auf etwa 40 Millionen € und für die rückwirkende Gleichstellung bis 2001 auf etwa 175 Millionen €. Wir wollen und werden das leisten, weil wir das Ehegattensplitting auch künftig erhalten wollen - im Gegensatz zu Sozialdemokraten, Grünen und anderen Parteien.

Zurückhaltung werden wir vorerst beim Adoptionsrecht für gleichgeschlechtlich eingetragene Lebenspartnerschaften üben, beim vollen Adoptionsrecht. Hier gibt es bei uns noch großen Diskussionsbedarf, im Übrigen nicht nur allein bei uns, sondern dem Vernehmen nach auch in Teilen der SPD und sogar bei den Liberalen. Ich verweise hier mit Verlaub auf den Gesetzentwurf der SPD. Dieser Gesetzentwurf im Bundestag beinhaltet das nämlich nicht.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rasmus Andresen?

Bitte schön, Herr Abgeordneter,

Vielen Dank, Frau Kollegin. Ich habe auch großen Respekt - ich sage das, weil das vielleicht bei dem Zwischenruf eben anders klang - davor, dass Parteien in Diskussionsprozessen ihre Meinung weiterentwickeln. Das ist ein guter Prozess in allen Parteien, nicht zuletzt auch in meiner Partei. Ich will Ihnen auch zugestehen, dass die Frage des Adoptionsrechts vielleicht noch einmal eine andere ist. Dazu könnte man sich das ist meine Anmerkung und Meinung auch als Union vielleicht inzwischen durchringen.

Aber ich finde, eine Sache ist besonders auffällig in dem Gesetzentwurf, der in der nächsten Woche im Bundestag verabschiedet werden soll: Und zwar werden bei den eingetragenen Lebenspartnerschaften die Kinderfreibeträge gleichgestellt, beim Kindergeld gilt das jedoch nicht. Deshalb würde mich interessieren, auch wenn man das direkt aus Ihrem Antrag nicht herauslesen kann, ob Sie dort als schleswig-holsteinische CDU etwas weiter sind als die Koalitionsfraktionen im Bund. Wären Sie auch bereit, beim Kindergeld gleichzustellen, oder ist das für Sie sozusagen auch noch ein Unterschied?

(Katja Rathje-Hoffmann)

Nein, ich glaube nicht. Dazu müssen wir noch einmal miteinander ins Gespräch kommen. Beim Kindergeld sollte es keine Unterschiede geben, Herr Kollege. Das sehe ich genauso wie Sie. Da müssen wir miteinander reden. Vielleicht wird es nach dem einen oder anderen Gespräch auch noch die eine oder andere Nachbesserung geben. Das hoffe ich. Gerade bei Kindern ist mir das auch wichtig. Vielen Dank für den Einwand.

Wir brauchen Zeit und Raum. Ich glaube, problematisch ist es ein wenig, dass wir jetzt etwas überhetzt ein Gesetz auf den Weg bringen müssen. Wir brauchen Zeit und Raum für Diskussionen, um uns zu beraten. Ich glaube, diese Beratungszeit sollten wir uns nehmen. Wir sollten unsere Argumente weiter austauschen, nichts übers Knie brechen und die Sache vernünftig durchbringen. Das ist uns wichtig, und deshalb stehen wir zu dem Gesetzentwurf der christlich-liberalen Koalition im Bundestag und werden das so begrüßen. Für weitere Verhandlungen sind wir offen. Der Dialog - ich benutze einmal dieses Wort - oder dieses Gespräch miteinander tut uns allen gut, Herr Stegner. Das sehe ich auch. Aber wir sollten das auch nicht strapazieren. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne 15 Mitglieder der Gewerkschaft der Polizei - Seniorinnen und Senioren -, 20 Mitglieder der Gesellschaft für Paritätische Soziale Dienste und elf Personen vom Berufsbildungszentrum Schleswig. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Frau Abgeordnete Dr. Marret Bohn das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diskriminierung abzubauen, sollte uns allen ein Anliegen sein. Dazu gibt uns das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts heute die Gelegenheit. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass eingetragene Lebenspartnerschaften im Einkommensteuerrecht mit der Ehe gleichzustellen sind. Damit bestätigt sich aus grüner Sicht eine alte Forderung: gleiche Rechte für gleiche Pflichten. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in

der Werte wie Freiheit, Toleranz und Respekt eine Rolle spielen, und zwar nicht irgendeine blasse Nebenrolle, sondern eine bunte, kräftige Hauptrolle.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Doch was macht die CDU? Sie wird zur Getriebenen der Justiz und erstarrt vor lauter Schreck.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Oh!)

Gleiche Rechte für Lesben und Schwule bei der Hinterbliebenenrente? - Die CDU sagt Nein, die Justiz sagt Ja. Gleiche Rechte bei der Erbschaftssteuer? - Die CDU sagt Nein, die Justiz sagt Ja. Gleiche Rechte beim Familienzuschlag? - Die CDU sagt Nein, die Justiz sagt Ja. Gleiche Rechte bei der Grunderwerbsteuer? - Die CDU sagt Nein, die Justiz sagt Ja. Gleiche Rechte beim Adoptionsrecht? Die CDU sagt Nein, die Justiz sagt Ja. Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, steht es - ich zähle zusammen, Frau Kollegin Franzen - 6:0 gegen Sie. 6:0 gegen die CDU beim Thema Gleichstellung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Hallo, CDU, merken Sie noch etwas? Bitte aufwachen! Beteiligen Sie sich daran, unsere Gesellschaft ein bisschen moderner und gerechter zu machen. Und nicht immer auf die Gerichte warten! Das wäre schade.

Was den Familienzuschlag angeht, freue ich mich, dass wir uns in den Koalitionsverhandlungen mit unseren Bündnispartnern einig geworden sind, dass er rückwirkend zum 1. August 2001 gezahlt wird.

(Beifall Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Damit ist Schleswig-Holstein beim Minderheitenschutz einmal mehr Vorbild, und das ist auch gut so, um das Zitat aufzugreifen, liebe Kollegin Heike Franzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit dem 1. August 2001 - Frau Kollegin Rathje-Hoffmann, das stimmt -, können gleichgeschlechtliche Paare eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Seitdem übernehmen viele Frauen und Männer in ihrer Partnerschaft Verantwortung, wenn eine oder einer arbeitslos oder krank wird. Der 1. August 2001 ist fast zwölf Jahre her. Es ist höchste Zeit, dass der Landtag heute ein einstimmiges Votum für Freiheit, Respekt und Toleranz auch für eingetragene Lebenspartnerschaften ausspricht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, vereinzelt PIRATEN und SSW)

Gleiches Recht für gleiche Pflichten - das ist das Ziel.

Zum Verhalten von CDU und FDP in Berlin kann ich leider nur sagen: Was sie machen, ist nichts Halbes und nichts Ganzes. In Trippelschritten geht es ein bisschen voran. Dabei brauchen wir einen großen Schritt, die Öffnung der Ehe, nicht mehr und nicht weniger.

Aus familienpolitischer Sicht gibt es ganz erhebliche Kritik am Ehegattensplitting. Auch die EU teilt diese Kritik. Solange es das Ehegattensplitting allerdings gibt, so lange muss es für alle Partnerschaften gelten; denn das ist fair und gerecht. Deswegen werden wir den vorliegenden Antrag der CDU ablehnen. Ich beantrage im Namen meiner Fraktion, die übrigen Anträge zu eigenständigen Anträgen zu erklären. Wir möchten heute Schluss mit der Diskriminierung von Lesben und Schwulen machen. Wir wollen Nägel mit Köpfen machen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmen Sie unseren Anträgen zu. Dann gilt auch in SchleswigHolstein: gleiche Rechte für gleiche Pflichten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die Fraktion der FDP hat der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Menschen sind unterschiedlich. Ich glaube, diese Unterschiedlichkeit macht nicht nur den Reiz dieser Gesellschaft aus, sondern von dieser Unterschiedlichkeit profitiert diese Gesellschaft auch.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Alle Unterschiedlichkeit ändert aber nichts daran, dass für alle Menschen dasselbe Recht gelten muss. Auch für jede Partnerschaft muss dasselbe Recht gelten. Es darf keine Partnerschaft erster und zweiter Klasse geben.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Kollegin Bohn, in der Tat ist es schade - aus meiner Sicht jedenfalls -, dass man im Jahr 2013 über eine solche Banalität ernsthaft diskutieren muss.

Man kann die Rede von Barack Obama vor dem Brandenburger Tor historisch einordnen, wie man möchte. Ich war beeindruckt davon, dass ein amerikanischer Präsident den folgenden Satz gesprochen hat:

„Wenn wir uns für unsere schwulen und lesbischen Brüder und Schwestern einsetzen und ihre Liebe und ihre Rechte vor dem Gesetz gleichstellen, dann verteidigen wir auch unsere Freiheit. Wir sind freier, wenn alle Menschen und alle Völker ihr eigenes Glück verfolgen können.“

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Ich finde, dass war ein starkes Signal eines ausländischen Staatsgastes im Jahr 2013 an durchaus historischer Stelle.

Meine Damen und Herren, wir haben uns in diesem Jahr bereits in zwei Tagungen mit der Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften, also für gleiche Rechte von lesbischen und schwulen Menschen eingesetzt. Wir haben uns im Januar gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen und den PIRATEN für die steuerliche Gleichbehandlung ausgesprochen. Im März haben wir uns in derselben Konstellation für die völlige Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe eingesetzt. Ich will an dieser Stelle gar nicht wiederholen, was die Kollegin Bohn hier ausgeführt hat. Kollegin Rathje-Hoffmann, dazu kann man stehen, wie man möchte. Auch ich habe Respekt vor Diskussionsprozessen, aber an der Realität führt nichts vorbei. Ich finde es schade, dass die Politik Gestaltungsspielräume nicht genutzt hat, sondern immer lediglich verfassungsrichterlichen Anordnungen hinterherläuft. Ich finde es schade, dass sie nicht selber das Heft des Handelns in die Hand nimmt, um eine moderne Gesellschaft zu gestalten.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)