Protocol of the Session on June 18, 2013

(Wolfgang Baasch [SPD]: Das tut sie auch!)

oder Sie verrennen sich weiter in die Idee der Pflegekammer,

(Wolfgang Baasch [SPD]: Das tut sie nicht!)

(Anita Klahn)

nur um Forderungen eines Teils Ihrer Partei zu befriedigen. Sie haben die Wahl. Sie haben die Entscheidung in Ihrer Hand. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Birte Pauls.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Klahn, sehr geehrte Frau Rathje-Hoffmann, wir haben in den letzten Monaten einige gemeinsame Podiumsdiskussionen hinter uns gebracht, in denen es um das Thema Pflegekammer ging. Ich bin erschrocken,

(Serpil Midyatli [SPD]: Dass Sie nichts ver- standen haben!)

dass Sie so respektlos mit den vielen Äußerungen, die dort vom Pflegepersonal gekommen sind, umgehen, dass Sie offenbar nichts von der Argumentation verstanden haben.

(Beifall SPD)

Frau Ministerin, herzlichen Dank für Ihren Bericht. Ich würde gern mit einem Zitat starten:

,,Wir, die wir als selbstständige und selbstverantwortliche Menschen dem Leben gegenüberstehen, sind selbst schuldig, wenn wir nicht die rechten Wege suchen und bahnen helfen, um fähig für unsere Lebensaufgabe zu werden… Aber wer soll uns denn für unseren Beruf aufbauen, wenn wir es nicht selbst tun.“

Diese zukunftsorientierten Sätze stammen nicht etwa von einer der vielen Veranstaltungen, die zurzeit zum Thema Pflegekammer deutschlandweit stattfinden, nein, sie stammen von der klugen Krankenschwester Agnes Karll, die Wegbereiterin für den Deutschen Berufsverband für professionelle Krankenpflege war, und zwar aus dem Jahr 1903.

(Beifall SPD)

Seitdem also fordert die Pflege bereits ihre Selbstverwaltung. Was hat sich bislang getan? England, Frankreich, Irland, Island, Italien, Malta, Polen, Slowakei, Spanien, Ungarn, Belgien, Portugal, Zypern, Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland, Slowenien, Neuseeland, Australien, Kanada, USA,

Taiwan und Südafrika; sie alle haben eine Pflegekammer.

(Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie alle haben deutlich weniger Berufsaussteiger. In all den Ländern genießt die Pflege eine wesentlich höhere gesellschaftliche Anerkennung. Und viele dieser Länder sind beliebte Ziele für frustrierte deutsche Pflegekräfte. Das sind Pflegekräfte, die wir hier dringend brauchen.

(Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind auf Platz 14 im europäischen Vergleich im Gesundheitssektor. Dafür sollten wir uns eigentlich schämen. Und was wird dagegen unternommen? Wir machen einfach weiter so und versuchen, mit unterbezahlten Hilfskräften, Minijobbern, Kollegen aus anderen Ländern ohne ausreichende Sprachkompetenz, Herabsetzung von Zulassungskriterien und mit einer immer wieder formulierten Forderung nach einer Herabsetzung der Fachkraftquote die Lücken zu schließen - frei nach Merkels Motto: Rücken waschen kann doch jeder! Mit kläglichen halbherzigen Argumenten, die wir eben auch schon wieder genießen durften, wird weiterhin versucht, die Pflege als Hilfsberuf zu dequalifizieren.

Wir haben zurzeit keine kontinuierliche Einbindung pflegerischer Fachkompetenz in gesundheitspolitische Entscheidungsprozesse. Wann und wo Pflege mit eingebunden ist, das ist eher dem Zufall überlassen. Wir haben zurzeit keine inhaltliche und einheitliche Interessenvertretung. Stattdessen ist die Pflege einer von Misstrauen geprägten Kontrollmentalität ausgesetzt. Andere Berufsgruppen diktieren der Pflege, was sie zu tun und zu lassen hat, oft genug ist das leider alles wirtschaftlich begründet.

Und dann wundern wir uns, dass die Kolleginnen und Kollegen Deutschland verlassen, um in den eben genannten Ländern so zu arbeiten, wie die fachlichen Richtlinien und ihr Berufsverständnis es ihnen vorgeben.

Was die Pflege neben starken Gewerkschaften zusätzlich braucht, ist aber eine selbstverständliche und frühe Einbindung in gesetzgeberische Verfahren. Das dürfen wir angesichts der massiven Herausforderungen, die der demografische Wandel mit sich bringt, nicht länger dem Zufall und erst recht nicht berufsfremden Gruppierungen überlassen.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

(Anita Klahn)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben circa 1,2 Millionen Pflegende in Deutschland. Genau können wir das nicht sagen, weil sie nicht registriert sind. Was wir aber wissen, ist, dass der Fachkräftebedarf in der Pflege angesichts der demografischen Entwicklung rasant steigt. Das allein ist doch schon Grund genug für die Einrichtung einer Pflegekammer, damit auf die Personalentwicklung entsprechend reagiert werden kann.

Was wir auch wissen, ist, dass die Pflege die größte Gruppe im Gesundheitssektor ist. Anstatt der Pflege den Weg zu bereiten, sie mit allen Mitteln zu stärken, damit wir uns auch morgen auf eine professionelle Pflege verlassen können, legt man der Pflege erneut Steine in den Weg.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wer denn?)

- Dazu komme ich gleich.

Die Pflichtmitgliedschaft wird als Schreckgespenst an die Wand gemalt. Das haben Sie eben auch gemacht. So wird Stimmung gegen die Kammer gemacht. Private Anbieter - ganz aktuell scheuen keine Kosten und Mühen, um hier gegen die Interessen ihrer abhängig Beschäftigten zu agieren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Dr. Heiner Garg [FDP]: Ach, Ge- werkschaften sind private Anbieter! So ein Unsinn!)

Der bpa hat gerade jetzt aktuell eine Aktion losgetreten und macht gegen die Pflegekammer mobil.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ver.di auch!)

- Aber in welcher Art und Weise und vor allem gegen ihre eigenen abhängig Beschäftigten!

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung der Frau Abgeordneten Klahn?

Vielen Dank, Frau Pauls. Weil Sie eben so vehement gesagt haben, der bpa mache Stimmung: Ist Ihnen das Papier von ver.di mit der Überschrift „Landesregierung Schleswig-Holstein plant Pflegekammer - Worum geht es eigentlich?“ bekannt? - Dieses hier? In ihm wird deutlich von ver.di Stellung bezogen, es wird sich kritisch gegenüber der Pflegekammer geäußert

und deutlich gemacht, dass die Probleme anders gelöst werden müssen. - Genauso, wie ich das eben dargestellt habe.

- Ja, das ist mir bekannt, ja.

- Wie kommen Sie dann zu der Darstellung, die Sie hier gerade formuliert haben? Können Sie mir das erklären?

- Das erkläre ich Ihnen gern noch einmal. Bpa hat ganz aktuell eine Kampagne losgetreten und diesbezüglich keine Kosten und Mühen gescheut.

(Johannes Callsen [CDU]: Wenn jemand nicht auf Ihrer Linie ist, dann ist eine Kam- pagne losgetreten worden! - Weitere Zurufe CDU und FDP)

Dass ist das, was ich an dieser Stelle kritisiere. Das ist doch eine Kampagne. Ich schicke Ihnen gern einmal den Link und das ganze Material, das sie dort anbieten. Das ist überhaupt kein Problem.

Andere Player im Gesundheitswesen haben Befürchtungen, dass diese große und gewichtige Gruppe sich organisiert. Es geht um Machtverlust, und es geht um Geld. Und all das ist sehr kurzsichtig und egoistisch gedacht.

Eine qualitativ hochwertige professionelle Pflege ist für die Versorgung von hilfebedürftigen und kranken Menschen von zentraler gesellschaftlicher Bedeutung. Und genau deshalb müssen wir die Pflege starkmachen - am besten gemeinsam. Wir stärken die Pflege, indem wir ihr endlich die Selbstverwaltung und damit die Organisation ihrer Professionalität zugestehen, das ist das oberste Ziel einer Pflegekammer. Und bitte, wer, wenn nicht die Pflegenden selber, sind wohl am besten in der Lage, ihre eigenen Belange und fachlichen Ansprüche zu organisieren! Wir alle, Gesellschaft, Träger, Politik und Gewerkschaft, haben die Pflege viel zu lange alleingelassen, vertröstet, nicht die nötigen Schritte eingeleitet. Verständlich, dass sie jetzt ihre Belange in die eigene Hand nehmen wollen.

Ich kann verstehen, dass es noch Fragen zur Pflegekammer gibt. Deshalb ist es richtig, die Pflegenden fachlich ausreichend zu informieren und sie selbstverständlich zu befragen. Die SPD begrüßt das Engagement der Sozialministerin an dieser Stelle ausdrücklich. In Niedersachsen, Bayern, RheinlandPfalz und Sachsen-Anhalt sind die Umfragen mit positivem Erfolg abgeschlossen. Ich erwarte für Schleswig-Holstein kein anderes Ergebnis.

(Birte Pauls)

Wer jetzt noch, wer heute noch versucht, die Pflege künstlich klein zu halten, der hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Marret Bohn.