Protocol of the Session on June 13, 2012

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt PIRATEN)

Wir werden unsere Biohöfe so lange stützen und die Beibehaltungshilfe wieder zahlen, wie es existenzgefährdende Wettbewerbsverzerrungen in Deutschland gibt. Alle die, die über Arbeitsplätze reden, haben wir dabei sicherlich an unserer Seite.

Meine Damen und Herren, gute Wirtschaftspolitik muss darauf abzielen, unser Land attraktiv zu machen für international immer mobilere Unterneh

men und Arbeitskräfte. Schleswig-Holstein braucht zielgerichtete Investitionen in Bildung, Forschung und moderne Infrastruktur.

Moderne Infrastruktur ist auch, aber nicht nur Asphalt und Beton. Wissen, Einfallsreichtum und Kreativität sind die wichtigsten Ressourcen unseres Landes. Wenn es uns nicht bald gelingt, die Datenautobahn mit Hochgeschwindigkeitsnetz nach Schleswig-Holstein zu legen, dann können wir so viele Straßen bauen, wie wir wollen - sie werden nur zur Durchfahrt genutzt.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt PIRATEN)

Der Wirtschaftsminister wird das Thema Glasfasernetz Schleswig-Holstein zur Chefsache machen, weil wir wissen, dass sich hier Arbeit und Zukunft entscheiden.

Nach Vorlage des Koalitionsvertrages - Ihre Einwürfe zeigen, dass auch Sie das wahrgenommen haben - gab es einige kritische Stimmen, die sich vor allem an der Verkehrspolitik festmachten.

Ich sage all denen, die sich damit ernsthaft beschäftigen wollen: Schauen Sie sich genau an, was wir vorhaben, und lassen Sie sich nicht in Phantomdebatten locken. Sie werden feststellen, dass die Grundzüge der Wirtschaftspolitik weitgehend konstant bleiben, aber viel mehr Realismus und Pragmatismus einziehen

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

genau das, was Sie von uns immer verlangen.

Zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Steuergeldern - den Sie allesamt von uns immer fordern - gehören gerade in einem Konsolidierungsland wie Schleswig-Holstein ein Kassensturz und ein realistischer Umgang mit den Fakten.

Schauen wir einmal auf die A 20, weil sie ein scheinbar so leicht verständliches Beispiel ist. Die A 20 ist in den letzten Jahren hinter allen vollmundigen Ankündigungen von Papierpolitik zurückgeblieben - hinter allen!

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es ist nicht Ausdruck guter Politik, wenn ich auf Papier schreibe, in 18 Monaten ist die Planung zu Ende, und sie braucht dann sechseinhalb Jahre. Es ist nicht Ausdruck guter Politik, Papier für Projekte zu füllen, für die es kein Geld gibt, und auch zu wissen, dass es kein Geld gibt. Angesichts des hoff

(Ministerpräsident Torsten Albig)

nungslosen unterfinanzierten Bundesverkehrswegeplans und der Tatsache, dass Schleswig-Holstein den Bau der A 20 größtenteils aus seiner Länderquote von knapp 3 % stemmen muss, kann das ernsthaft auch niemanden überraschen.

Das Neue ist: Wir sagen das jetzt. Wir schreiben das in einen Koalitionsvertrag. Wir beenden diese politische Lebenslüge, die andere vor sich hergetragen haben.

(Lachen FDP)

Wir stellen uns nüchtern und sachlich den Fakten. Wir werden auf dieser Basis Infrastruktur tatsächlich schaffen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist unglaub- lich!)

Diese Landesregierung wird die Planfeststellungsverfahren im Zuge der A 20 zügig zu Ende bringen. Sie werden eine Bestandskraft von bis zu fünfzehn Jahren haben.

(Christopher Vogt [FDP]: Sie gehen hart mit der Regierung Simonis ins Gericht!)

Wir werden in dieser Legislaturperiode das schaffen, was geschafft werden kann, nämlich den Anschluss an die A 7. Wenn wir das geschafft haben, werden wir uns in der nächsten Legislaturperiode auf den Weg machen, diese Autobahn breiter voranzubringen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Es gibt doch kein Geld, haben Sie gerade gesagt! - Christopher Vogt [FDP]: Wissen die Grünen das schon?)

Es wird uns nicht reichen, mit den Kammern schriftlich auszutauschen und zu bejammern, dass unser Papier nicht so aussieht wie das Papier derjenigen, die wir gerade abgelöst haben. Wir werden Straßen bauen; wir werden nicht nur behaupten, sie zu bauen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was für eine Kri- tik an Simonis!)

Wir werden mit dem Bund darüber ringen, dass er sich ehrlich macht und wir nicht nur zufällig aus der Zeitung erfahren, dass auch das Bundesverkehrsministerium scheinbar nicht einen Hauch einer Ahnung hat,

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Allerdings!)

wie wohl eine Elbquerung finanziert werden könnte, wie das wohl gehen könnte.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki [FDP])

Ich habe nicht den Eindruck, dass wir im Bundesverkehrsministerium bereits allzu viele Mitglieder meines Kabinetts finden. Aber die Kritik an den Plänen, die Zweifel, die dort insbesondere bezüglich der Zeitpläne gehegt werden, machen deutlich, dass das, was wir im Koalitionsvertrag geschrieben haben und was Leitlinie für mein Kabinett sein wird, dort auch so gesehen wird. Das macht uns ganz zuversichtlich, dass wir dort Gespräche führen werden, die von mehr Realismus geprägt sind als in der Vergangenheit.

Meine Damen und Herren, der Wirtschaftsminister und ich werden noch im Juni die Industrie- und Handelskammern und Verbände zu einem Gespräch einladen und erläutern, was wirklich geplant ist. Wir werden damit zur Versachlichung der Diskussion beitragen. Wir wollen und werden partnerschaftlich mit Ihnen und all jenen, die mit uns wirklich reden wollen und sich nicht nur in Pressemitteilungen erschöpfen, das Gespräch suchen und zusammenarbeiten. Ich rufe Ihnen von dieser Stelle aus zu: Wir wollen Ihren Erfolg. Er ist Voraussetzung für unseren Erfolg.

Wir werden den Kammern in diesem Gespräch auch vorschlagen, gemeinsam einen Integrierten Westküstenplan zu entwickeln. Damit werden wir auf die Sorge reagieren, die Westküste könnte von der allgemeinen Entwicklung des Landes abgehängt werden.

(Zuruf Abgeordneter Hans-Jörn Arp [CDU])

Diese Sorgen nehme ich ernst, aber ich teile sie nicht.

Denn: Wo anders als an der Westküste sollten sich zum Beispiel die erneuerbaren Energien mit all den damit verbundenen wirtschaftlichen neuen Chancen entwickeln? Die Energiewende weitet den Horizont für neue Wertschöpfung, neues Wachstum und neue Arbeitsplätze.

Ich habe aus den Debatten der letzten Monate noch gut im Ohr, dass es Menschen gibt, die irritiert sind, wenn man sagt: Ich glaube daran, dass dieses Land das sein kann, was das Ruhrgebiet zu anderen Zeiten für eine Industrienation war; ich glaube daran, dass hier, wo die Energie des nächsten Jahrhunderts erzeugt wird, die Unternehmen herkommen können - nicht nur die, die wir schon haben -, die Energie brauchen. Das war der Grund, aus dem sich das

(Ministerpräsident Torsten Albig)

Ruhrgebiet entwickelt hat - nicht, weil es besonders schön ist, sondern weil die Energie da war.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Die brauchen sie al- le!)

Die Energie unserer Zeit ist in Schleswig-Holstein. Ich habe gut im Ohr, dass manche meinten, darüber lachen zu müssen. Ich war ein wenig traurig, dass das welche waren, die glaubten, Verantwortung für unser Land zu tragen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für Realismus und Pragmatismus plädieren wir auch bei dem wichtigen Projekt Fehmarnbelt-Querung. Wir erwarten vom Bund auch hier - wie bei allen anderen Verkehrsprojekten - Realismus. Wir erwarten eine realistische Kostenschätzung, so wie es jeder gute Kaufmann machen würde, wenn er in Vertragsverhandlungen tritt.

Nicht nur wir halten die ursprünglichen Kosten, die mit 800 Millionen € für die Hinterlandanbindung angegeben wurden, nicht mehr für realistisch. Der Bundesrechnungshof geht von bis zu 1,7 Milliarden € aus. Wir brauchen endlich Klarheit, und wir brauchen die Zusicherung, dass der Bund auch dazu steht und dass dies nicht zulasten anderer Projekte wie das eben beschriebenen geht. In der Tat, jeder eine Euro wird nur einmal ausgegeben. Auch diese Debatte sollten wir ehrlich führen. Wir können nicht von Projekt zu Projekt hüpfen und so tun, als sei es das einzige Projekt. Diese Regierung wird die Projekte immer in ihrer Gesamtheit sehen und auch in ihrer Gesamtheit aufrufen, wird sie in Relation und in ihrer Umsetzungswahrscheinlichkeit zueinander setzen. Wir gehen in der Verkehrspolitik keinen dogmatischen Weg, sondern endlich einen, der Pragmatismus atmet und von Pragmatismus lebt.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich bin sicher: Wenn sich der Schlachtenlärm der ersten Tage verzogen haben wird, werden uns auch die Realisten und Pragmatiker unter Ihnen - zumindest im kleinen Kreis - zustimmen,

(Lachen Abgeordneter Wolfgang Kubicki [FDP])

dass all diese Klärungen im Interesse des Landes liegen. Klarheit und Wahrheit statt Wolkenkuckucksheim, das ist die Politik der nächsten fünf Jahre. Der eine oder andere wird sich daran noch gewöhnen müssen. Aber Sie haben viel Zeit dafür.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir werden das Gegenteil von Verkehrsblockade machen. Wir wollen und setzen auf den Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals. Wir stehen zur Elbvertiefung und dazu, dem Hamburger Hafen zu helfen, weil er der zentrale Arbeitgeber unseres Landes ist, wir wollen den Ausbau der B 5, und wir wollen den öffentlichen Nahverkehr in unserem Land voranbringen, weil wir wissen, dass Wachstumsmöglichkeiten der nächsten Jahrzehnte entscheidend davon abhängen, dass wir starke öffentliche Nahverkehrssysteme haben. Wir wissen, dass die, die glauben, dass es eine Bimmelbahn sei, die Kiel-Region mit einer Stadt-Regional-Bahn zu verbinden,