Protocol of the Session on June 13, 2012

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und PIRATEN)

Meine Regierung weiß, dass es auch richtig wäre, jetzt sofort eine Antwort auf die Frage zu geben: Wie sieht es eigentlich mit Kita-Gebühren aus? Die richtige Antwort wäre jetzt: In einer Gesellschaft, die alle Potenziale nutzen will und wird, sind KitaGebühren kein richtiger Schritt. Meine Regierung sagt ehrlich: Dies geht noch nicht. Das werden wir uns erarbeiten müssen. Es ist schmerzhaft, weil es ein Teilversagen unserer Gesellschaft beschreibt. Das ist ein Teilversagen, für das wir alle Mitverantwortung tragen.

Diese Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, das zu schaffen. Wir sind davon überzeugt, dass wir die Kraft dafür haben. Der Weg dahin wird aber ein steiniger sein, und wir werden noch viele Steine beiseite legen. Wir werden auch Steine beiseite legen, wenn wir uns den Veränderungen an unseren Schulen zuwenden. Wir wollen den Schulfrieden, meine Damen und Herren. Der Schulfrieden darf aber nicht als Friedhofsruhe missverstanden werden. Wir brauchen konstruktive Debatten mit unseren Schulen, und wir brauchen einen breiten Konsens, um den Schulen in den nächsten Jahrzehnten Planungssicherheit zu geben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW)

Ich fordere Sie alle auf - auch die Opposition -, die ausgestreckte Hand zu diesem Konsens, zu diesem Dialog anzunehmen und mit uns in einer „Bildungskonferenz Schule“ zusammenzuarbeiten, die wir nach den Sommerferien einberufen werden. Wir werden mit klaren Vorschlägen in diese Bildungskonferenz gehen. Sie kennen diese Vorschläge. Wir stehen zu dem Zwei-Wege-Konzept von Gemeinschaftsschule und Gymnasium. Wir wollen,

dass das gemeinsame Lernen an Gemeinschaftsschulen wieder bindend sein wird. Wir wollen, dass Gymnasien künftig generell in acht Jahren zum Abitur führen, Gemeinschaftsschulen in neun Jahren. Die genehmigten neuen Gymnasien werden in unserem Land Bestandsschutz haben, aber es wird keine neuen Gymnasien geben. Die Y-Gymnasien werden sich entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen. Das ist klug und sinnvoll für die Schulträger und die Familien.

Die neuen Gemeinschaftsschulen sollen Oberstufen erhalten, wenn die Schulträger und die Schulkonferenz dies beantragen und wenn die Schulentwicklungsplanung dies hergibt.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und PIRATEN )

Wir reichen den Regionalschulen die Hand, sich zu Gemeinschaftsschulen weiterzuentwickeln.

(Lachen CDU und FDP)

- Ich höre an vielen Orten unverständiges Lachen. Es wundert einen, dieses Lachen zu hören, denn offensichtlich sind diejenigen, die da lachen, lange nicht mehr dort gewesen, wo Gemeinschaftsschulen im Wettbewerb mit Regionalschulen stehen und die Eltern ihre Kinder zu Gemeinschaftsschulen anmelden, weil sie fragen: Warum soll mein Kind auf einer Schule sein, bei der im Alter von zehn Jahren entschieden wird, dass der Schulweg ein bisschen früher endet als beim Nachbarkind? Warum soll mein Kind dort hingehen? Das ist keine Frage der Qualität des Gebäudes und keine Frage der Qualität der Menschen, die dort Unterricht geben, sondern eine Frage der Begrenzung dieses Bildungswegs zu einem Zeitpunkt, an dem wir doch beim besten Willen nicht sagen können, ob das zehnjährige Kind, das vor uns steht, ein Potenzial hat, nur bis zur Hauptschule oder nur bis zur Realschule zu gehen. Woher wissen wir das? Wer gibt uns die Berechtigung, das zu entscheiden? Warum öffnen wir die Wege nicht so, dass wir sagen: Unser Ziel ist es, unsere Kinder dort hinzuführen, wo ihre Potenziale sind? Wir wollen sie dann heben, wenn wir sie entdecken. Wir sind nicht so zu vermessen zu sagen, dass wir das wüssten, wenn ein Kind zehn Jahre alt ist.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und PIRATEN)

Meine Damen und Herren, dies ist kein Angriff auf die Regionalschulen. Nein, es ist das ganze Gegenteil. Wer sich an den Begriff klammert und glaubt, dass es das erkämpfte Gut einer Schullandschaft ist,

(Ministerpräsident Torsten Albig)

Kinder unterhalb ihrer Potenziale zu halten, mit dem reden wir gern in Bildungskonferenzen. Der muss aber lange, lange nachdenken, um bessere Argumente zu haben als die, die meine Regierung bringen wird.

Zum Schulfrieden soll auch beitragen, meine Damen und Herren, dass wir die bislang geplanten Kürzungen der Lehrerstellen so nicht stehen lassen werden. Aufgrund des Schülerrückgangs werden rechnerisch - nach dem, was wir heute wissen - bis 2017 rund 2400 Lehrerinnen- und Lehrerstellen frei. Die eine Hälfte der daraus freigesetzten Mittel werden wir zur Verbesserung von Bildungsqualität einsetzen, die andere zur Haushaltskonsolidierung. Gute Politik nutzt zwei Leitplanken, um ihren Weg abzusichern: Sie macht das Land besser sowie die Menschen und die Haushalte stärker.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt PIRATEN)

Wenn man eine Leitplanke herausnimmt, kommt der Wagen vom Kurs ab.

Die 300 Stellen, die 2012 gestrichen wurden, werden deshalb schnellstmöglich an die Schulen zurückgegeben. Gute Schulen brauchen gute Lehrerinnen und Lehrer. Sie brauchen Menschen. Nicht leere Vertretungstöpfe brauchen sie, sondern echte Lehrerinnen und Lehrer. Gute Schulen brauchen auch Zeit. Gemeinsames Lernen kann nicht funktionieren, wenn wir gleichzeitig sagen, dass Differenzierungsstunden nicht gegeben werden. Deswegen werden in einem ersten Schritt zwei der drei gekürzten Differenzierungsstunden zurückgegeben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Lernen verlangt Ressourcen. Es verlangt Räume auch für die Menschen, die die verantwortungsvolle Tätigkeit auf sich genommen haben, sich um unsere Kinder zu kümmern. Glauben Sie mir, es ist ein teures Experiment zu testen, was gemeinsames Lernen bedeutet, wenn keine zusätzlichen zeitlichen Räume gegeben werden. Das zahlen die jungen Menschen, das zahlen die Lehrerinnen und Lehrer, und am Ende zahlt es unsere Gesellschaft.

Meine Damen und Herren, im Zuge einer globalisierten Welt werden Wissen und Bildung immer wichtiger. Das wissen Sie so gut wie ich. Wir verlangen von unseren Bürgerinnen und Bürgern jeden Tag mehr, eine Erweiterung auch ihrer Horizonte. Längst leben wir in einer Wissensgesellschaft, und der Strukturwandel hin zur Wissenswirtschaft läuft auch bei uns.

Ich möchte, dass Schleswig-Holstein im internationalen Maßstab wettbewerbsfähig bleibt. Wir stehen in Konkurrenz um Topwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, Studierende, Drittmittel und sehr knappe Mittel aus den Haushalten von Bund und Europäischer Union. Dazu leistet auch die Exzellenzinitiative einen wesentlichen Beitrag. In dieser Woche, am Freitag, wird es dort in der nächsten Runde abschließende Entscheidungen geben.

Ich bin stolz, dass unsere Hochschulen aus Lübeck und Kiel im Rennen sind. Wir werden sie nach Kräften unterstützen. Die Bildungsministerin, die Wissenschaftsministerin, wird dabei sein und wird mit dazu beitragen, dass wir erfolgreich aus diesem Rennen hervorgehen. Wir schauen mit Spannung am Freitag nach Bonn und drücken alle die Daumen, dass es klappt, dass unsere Hochschulen erfolgreich nach Hause kommen.

Wir sagen hier ganz deutlich, dass das, was wir im Augenblick an Landesförderung bereitgestellt haben, als Basisförderung auch für die Exzellenzcluster bereitstehen wird - egal, wie ihr zurückkommt -, weil wir euch stark haben wollen und euch stark brauchen. Ihr könnt auf euer Land setzen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt PIRATEN)

Wir brauchen unsere Hochschulen als Impulsgeber, als Kreativzentren für innovative Produkte, Verfahren und Methoden. Sie sind die Basis für den derzeitigen und - wichtiger noch - auch für den künftigen Wohlstand unseres Landes. Wir müssen so viel besser, innovativer und kreativer sein, als wir im internationalen Standortwettbewerb, vor allem bei den Arbeitskosten, teurer sind. Und Schleswig-Holstein braucht seine Universitäten auch, um den Bedarf an gut qualifizierten Arbeitskräften zu decken, insbesondere in den sogenannten MINT-Fächern.

Weil wir dieses positive Bild von Bildung und Wissenschaft haben, wird es mit meiner Regierung keine Schließung von Hochschulen geben. Das macht Haushalte nicht stärker, das macht unser Land nur dümmer und ärmer. Meine Damen und Herren, damit muss Schluss sein.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt PIRATEN)

Es ist uns bewusst, dass wir die Unterfinanzierung unserer Hochschulen nur schrittweise beseitigen können. Das, was Hochschulen von uns erwarten, dass sie nämlich gern einen Hochschulpakt hätten, können auch wir nicht sofort leisten. Aber wir wer

(Ministerpräsident Torsten Albig)

den schrittweise diese Unterfinanzierung abarbeiten. Wir werden schrittweise das, was wir, wenn wir mit unseren Haushalten erfolgreich sein werden, am Ende des Jahres haben, an die Hochschulen geben, weil wir wissen, dort wird die Zukunft unseres Landes begründet. Wir wissen, dass Tarifsteigerungen und De-facto-Kürzungen durch Inflation nicht von unseren Hochschulen getragen werden können. Wir werden das ausgleichen, wir werden damit Planungssicherheit an unseren Hochschulen schaffen. An allen Entscheidungen, die unsere Hochschulen betreffen, werden wir sie teilhaben lassen. Noch einmal: Da, wo sie das selber besser können, sollen sie das auch machen.

Ein Punkt, der mir von Herzen wichtig ist, der heute hier auch ganz deutlich ausgesprochen werden muss, ist: In dieser Legislatur, in allen Legislaturen, an denen Sozialdemokraten beteiligt sind, wird es keine Studiengebühren in unserem Land geben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Alles, was wir jetzt leisten, um die Bildung unserer Kinder voranzubringen, müssen wir nicht später zweifach und dreifach als Reparaturkosten für nicht erfolgreiche Lebensläufe zurückzahlen. Wir sind zu arm, als dass wir an den Kindern unseres Landes sparen könnten.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident, ebenso wie Bildung und Wissenschaft gehört die Kultur zu den Grundlagen unserer Gesellschaft. Bühnen, Galerien, Bibliotheken, Konzertsäle - all das sind Orte, die uns Gelegenheiten schenken, stärker zu werden als Gesellschaft. Schauspieler, Malerinnen, Autoren und Musikerinnen sind Menschen, denen wir gesellschaftlich nicht damit gerecht werden, wenn wir sie zentral nur als Teil eines Kultureinzelplans im Haushalt betrachten. Sie helfen uns, uns als Gesellschaft zu finden. Sie geben Impulse für die Weiterentwicklung. Was passiert eigentlich, nachdem wir sie alle eingespart haben? Werden wir dann als Gesellschaft erfolgreicher sein? Werden wir die Ideen entwickeln, die eine moderne europäische Gesellschaft braucht?

Die Kulturszene hat in den letzten Jahren massive Sparbeiträge geleistet, im kommunalen Bereich ich weiß, wovon ich rede - ebenso wie auf Landesebene. Wir sehen keine Möglichkeiten für weitere Einsparungen im kulturellen Bereich. Im Gegenteil! Wir müssen die kulturpolitische Debatte im Land wieder mit Leben erfüllen. Das muss im Dialog mit den Künstlerinnen und Künstlern, den Kulturschaffenden selber, im Dialog mit den Kommunen pas

sieren. Wir wollen mit ihnen Leitlinien zur Kulturpolitik des Landes entwickeln.

Ich möchte die Künstlerinnen und Künstler im Land herzlich einladen: Beteiligen Sie sich an unserem Projekt. Lassen Sie uns teilhaben an Ihren Ideen für unsere Zeit. Lassen Sie uns neue Orte und neue Ebenen des Diskurses finden. Lassen Sie uns streiten, und lassen Sie uns gemeinsam arbeiten. Meine Regierung ist neugierig auf Sie, und ich bin neugierig auf Sie. Natürlich kann ich Ihnen keine sprudelnden Finanztöpfe versprechen, aber eine überquellende Begeisterung für das, was Sie für unser Land leisten. Das versprechen wir Ihnen überall da, wo Regierung auf Sie trifft. Lassen Sie uns gemeinsam unser Land auch wieder zu einem Kulturland machen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Unser Land ist stark, weil es starke Unternehmen hat, Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe, mittelständische Unternehmen und solche der Industrie. Sie sind es, die für Ausbildung und Arbeit sorgen. Sie sind es, die das erarbeiten, was wir brauchen, um ein gerechtes auch soziales Netz zu knüpfen. Unternehmerisches selbstständiges Handeln hat für mich einen hohen, zentralen gesellschaftlichen Wert. Egal, ob es der Bäckermeister Lemmermann in Silberstedt ist, die Firmen Eschweiler, die uns großartige Instrumente zur Blutgasanalyse liefert, oder IBAK, die weltführende Kanalkameras in Kiel herstellen, Pelz, die Hygieneartikel in Wahlstedt herstellen; oder M. Jürgensen, die einzigartigen Druckguss in Sörup produzieren. Ebenso gibt es die Firma Fischer & Tausche, die sich gegen asiatische Wettbewerber im Kondensatorenmarkt behauptet, oder die Druckerei Evers in Meldorf, die eine der größten und stärksten Druckereien nicht nur in Schleswig-Holstein ist. Genauso gehören dazu Bayer in Brunsbüttel oder Dräger in Lübeck.

Diese Namen stehen nur stellvertretend für all die fleißigen Frauen und Männer, die an unserem Land arbeiten, nicht nur in ihm. Sie arbeiten vertrauensvoll mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dafür, die Grundlage für den Wohlstand zu legen, der unsere Gesellschaft finanziert. Überall treffen wir diese Unternehmerinnen und Unternehmer im besten Sinne, Menschen, die Ideen haben, die etwas wagen, die begeistert sind von unserem Land, die begeistert von dem sind, was sie tun. Diese Unternehmungen brauchen keinen Staat, der sie drangsaliert, sie mit Bürokratie überzieht oder mit Subventionen ködert. Vor allem brauchen sie gute Mitar

(Ministerpräsident Torsten Albig)

beiterinnen und Mitarbeiter. Sie brauchen Unterstützung gegen Wettbewerb, der mit Dumpinglöhnen arbeitet, sie brauchen schnelle und verlässliche Genehmigungsverfahren, und sie brauchen Infrastruktur, die nicht nur auf dem Zettel behauptet wird, sondern auch kommt.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

- Sie brauchen Infrastruktur, die nicht nur behauptet wird, sondern auch kommt.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und Abgeordneter Uli König [PIRATEN])

Sie muss verlässlich und planbar kommen. Meine Regierung wird an der Seite dieser Unternehmerinnen und Unternehmer stehen, ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ihrer Betriebsräte. Es ist uns Verpflichtung, ihnen die Möglichkeiten zu schaffen, um in unserem Land Erfolg zu haben.

Zu diesen eindrucksvollen Unternehmerinnen und Unternehmern in unserem Land gehören natürlich auch die Frauen und Männer, die auf ihren Höfen sicherstellen, dass wir hochwertige Lebensmittel erhalten. Das Wort Lebensmittel ist uns in seinem Wortsinn Verpflichtung. Wir wollen nachhaltig, qualitätsvoll und gesund produzierte Nahrung in Schleswig-Holstein. Wir werden uns dafür einsetzen, dass dies zu fairen Preisen geschieht, dass die Landwirte auch davon leben können, dass sie Produktionsarten haben, die auch unserer Verpflichtung gegenüber der Natur gerecht werden.

Wir haben starke und verantwortungsbewusste Landwirtinnen und Landwirte, die in konventioneller Weise wirtschaften. Sie werden uns gerade im schwierigen wirtschaftspolitischen Dialog in Europa an ihrer Seite haben. Wir haben aber auch sehr erfolgreiche Biohöfe, die in einem harten Wettbewerb bundesweit stehen und die Arbeit schaffen. Wir wollen nicht, dass der wachsende Markt der Ökolebensmittel bei uns mit Importware gedeckt werden muss.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt PIRATEN)