Ich glaube, Kenan Kolat würde es begrüßen, wenn wir diesen Antrag heute einstimmig verabschieden würden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich am Ende darauf hinweisen, dass wir weitergehen müssen. Unsere Mitmenschen, unsere Migrantinnen und Migranten werden langsam ungeduldig. Ich verstehe das. Ich habe selbst vor einiger Zeit mit Otto Schily verhandelt und kostbare Jahre verloren, weil wir uns im Bereich des Zuwanderungsgesetzes nicht einigen konnten. Das ist lange her.
Ich möchte, dass wir die Signale auch im Hinblick auf einen Staatsvertrag mit muslimischen Verbänden Schleswig-Holstein konsequent weitergehen. Ich freue mich, darüber im Ausschuss zu beraten. Wir werden sowohl dem Antrag der CDU zustimmen, aber natürlich auch dem eigenen.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Abgeordneten Garg, der während Ihrer Rede schon darum gebeten hatte?
Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. - Ich wollte Sie fragen, ob Sie es ernst gemeint haben, dass im schleswigholsteinischen öffentlichen Dienst Rassismus weit verbreitet ist?
- Nein, überhaupt nicht. Sie wissen: Wir haben hier im Konjunktiv den Begriff „anonyme Bewerbungen“. Das ist übrigens eine Praxis, die meine Fraktion seit einem Jahr mit Erfolg durchführt, so kann ich - glaube ich - sagen. Das ist nicht automatisch eine Unterstellung von Rassismus, sondern wir müssen Strukturen öffnen. Deshalb beinhaltet dieser Antrag der Koalitionsfraktionen und der PIRATEN die interkulturelle Kompetenz. Ich mache das einmal ganz einfach, und das hat nichts mit Rassismus zu tun. Das, was wir unseren Bundeswehrsoldaten beibringen, bevor sie in den Auslandseinsatz gehen, möchte ich auch bei uns in den Strukturen als Selbstverständlichkeit wissen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland ist ein Einwanderungsland, und als solches muss sich Deutschland darauf einstellen, dass auch die Verwaltung dieser Tatsache Rechnung tragen muss. Wenn ich von der Verwaltung spreche, dann meine ich nicht nur diejenigen, die im Kontakt mit dem Bürger bei der Antragstellung oder bei der Anmeldung helfen, sondern ich meine auch diejenigen, die sich um Wirtschaftsförderung oder EU-Anträge kümmern.
Alle diese öffentlich Beschäftigten sollten nach Möglichkeit Kompetenzen haben, die sie dazu befähigen ihr Gegenüber zu verstehen; sei es den Antragsteller vor Ort oder den Kooperationspartner im Ausland. Deshalb ist es wichtig, die Kompetenzen der Menschen mit ausländischen Wurzeln, die bei uns leben, zu nutzen.
Seit einiger Zeit hat die Bundesrepublik Deutschland wieder einen Wanderungsüberschuss zu ihren Gunsten. In den vergangenen beiden Jahren sind jeweils rund 300.000 Menschen mehr zugewandert als ausgewandert. Darunter sind die meisten Menschen mit ausländischem Pass. Es gibt weniger Rückwanderer mit deutschem Pass. Es scheint, dass die demografischen Berechnungen, die in den nächsten Jahren von einem Bevölkerungsschwund ausgehen, nicht in vollem Umfang recht behalten werden. Im Gegenteil: Wir haben viele - gerade junge Zuwanderer aus den Krisenländern Südeuropas und aus Osteuropa. Diese jungen Menschen kommen zu uns, um sich dauerhaft eine Zukunft aufzubauen, und wir brauchen diese Menschen, um unsere Sozialsysteme überhaupt in der bisherigen Form aufrechterhalten zu können.
Noch vor wenigen Jahren galt das Hauptaugenmerk in der Verwaltungswissenschaft der Schaffung klarer Kompetenzen, transparenter Strukturen und der schnellen Erledigung. Inzwischen wissen wir um die immense Bedeutung des menschlichen Faktors, also derjenigen Menschen, die diese Strukturen mit Leben erfüllen. Sie sind es, die die Attraktivität des Standortes Deutschland erhöhen. Es hat lange gedauert, bis sich diese Erkenntnis durchsetzte. Jetzt ist es an der Zeit, aus dieser Erfahrung heraus die entsprechenden Entscheidungen zu fällen, und die sind eindeutig personeller Natur. Darum fordern wir: Mehr Neu-Schleswig-Holsteiner in die Verwaltung!
Wir wollen diejenigen, die bereits mit Migrationshintergrund in der Verwaltung arbeiten, nicht überfordern. Wir wollen ihnen eben nicht alles aufbürden, was sich im Zusammenhang mit Bürgeranfragen und Bürgerangelegenheiten von SchleswigHolsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern mit Migrationshintergrund ergibt. Es ist aber wichtig, die Zahl der Verwaltungsangestellten mit Migrationshintergrund so schnell wie möglich deutlich zu erhöhen. Dass das nicht von heute auf morgen erledigt ist, wissen wir natürlich. Gerade darum sollten wir aber keine Zeit verlieren und geeignete Bewerber gezielt ansprechen.
zu tun hat, flankierende Maßnahmen umsetzen. Dazu gehören beispielsweise zweisprachige Meldebögen und andere Formulare auf Deutsch und Türkisch oder auf Deutsch und Spanisch. Das ist ein einmaliger Aufwand, aber der Ertrag ist immens und nachhaltig.
Zu diesen Forderungen kommt noch eine entscheidende Maßnahme, nämlich die Sensibilisierung der derzeit schon Beschäftigten. Da ist bereits einiges überlegt worden. Nun sollen diesen Theorien auch Taten folgen. In der Verwaltung haben wir massenhaft mit Beschäftigten zu tun, die kaum interkulturelle Kompetenzen haben. Das führt dazu, dass andere Sichtweisen oder auch Sprachen nicht wahrgenommen werden und auch nicht wahrgenommen werden können. Aus diesem Grund gibt es das anonymisierte Bewerbungsverfahren. Das ist sicherlich ein gangbarer Weg, um den Anteil der Beschäftigten und auch der Auszubildenden mit Migrationshintergrund in der Verwaltung unseres Landes zu erhöhen.
Der SSW hat bereits mehrmals darauf hingewiesen, dass durch die Anonymisierung Chancengleichheit umgesetzt wird. Mit der Anonymisierung wird verhindert, dass Menschen mit ausländischen Wurzeln gleich herausgefiltert werden, und sie bekommen die Chance, sich im Bewerbungsgespräch zu bewähren und durchzusetzen.
Um es aber klarzustellen: Es geht in dem Antrag nicht darum, dass Peter Petersen Türkisch lernt, um seiner Kundschaft in Anfänger-Türkisch das Meldewesen erklären zu können. Es geht darum, dass Peter Petersen lernt, wie die Bürgerinnen und Bürger, mit denen er täglich zu tun hat, eigentlich ticken. Es geht um die interkulturelle Schulung, die im besten Fall dazu führt, die eigenen Scheuklappen zu erkennen. So gibt es in der Türkei beispielsweise eine strikte zentralistische Verwaltung. Viele Türkinnen und Türken kommen also gar nicht auf die Idee, dass die hiesige Verwaltung anders funktionieren könnte. Ein klärendes Wort vorweg, und schon geht das Folgende leichter.
Ich würde mich freuen, wenn wir baldmöglichst konkrete Ergebnisse hätten. Dabei sehe ich vor allem die Landesverwaltung in der Pflicht. Sie muss wie schon beim Gender Mainstreaming - auch in Sachen Integration mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, welchen Gewinn Beschäftigte mit Migrationshintergrund für die gesamte Verwaltung be
deuten. Wenn sich dieses Denken durchsetzt, dass dies ein Gewinn für unsere Gesellschaft ist, dann sind wir fit für die Chancen und Herausforderungen, die ein Einwanderungsland mit sich bringt.
Vielen Dank. - Zu einem Dreiminutenbeitrag hat sich die Kollegin Frau Astrid Damerow gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.
Frau Präsidentin! Frau Kolling Beer, Ihre Formulierung hinsichtlich eines möglichen Rassismusses im öffentlichen Dienst und auch der eine oder andere Redebeitrag haben mich dazu veranlasst, mich noch einmal zu Wort zu melden. Hier wird ein bisschen der Eindruck erweckt, als sei bisher in SchleswigHolstein im Bereich der Migranten im öffentlichen Dienst noch nichts passiert.
Ich weiß nicht, ob Sie den Aktionsplan Integration überhaupt gelesen haben. Ich verweise auf die Seiten 28 ff. Dort können Sie die Handlungsfelder, die Sie eben angemahnt haben, der Reihe nach nachlesen: Interesse am öffentlichen Dienst wecken, Werbung in der Behörde für eine Tätigkeit oder Ausbildung im öffentlichen Dienst, Förderung der Berufsorientierung, Information und Unterstützung der Auswahl und Einstellung von Bewerberinnen und Bewerbern mit Migrationshintergrund, direkte Ansprache von Migrantinnen und Migranten, Sensibilisierung der Beschäftigten für interkulturelle Vielfalt und so weiter. All dies ist mit ganz konkreten Projekten unterlegt, zum Beispiel durch Trainings und Seminare im Justizvollzug, interkulturelle Trainings und Seminare der Landespolizei.
Ich gehe fest davon aus, dass die neue Landesregierung im verganenen Jahr all diese Projekte mit Inbrunst weitergeführt hat. Ich bin deshalb sehr gespannt auf den Bericht im Ausschuss. Aus genau diesem Grund wollen wir den Bericht. Es ist nicht so, dass all dies neu erfunden wird. Die spannende Frage wird sein: Wie viele von den damals beschlossenen Maßnahmen sind umgesetzt worden, und welche Schlussfolgerungen zieht man daraus?
Ich finde es nicht in Ordnung, hier den Eindruck zu erwecken, als sei in der Vergangenheit nichts passiert und als müssten wir erst jetzt alle Mitarbeiter im öffentlichen Dienst durch den Landtag ermahnen, etwas toleranter und offener zu werden. Unse
re Verwaltung arbeitet bereits an diesem Thema. All dies ist sicherlich noch nicht so weit, wie wir uns das alle wünschen, aber hier wurde schon sehr viel unternommen. Wie gesagt, ich bin gespannt auf den Bericht der Landesregierung. - Danke.
Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat sich Frau Kollegin Angelika Beer gemeldet. Sie hat nun das Wort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss sagen, ich bin sehr enttäuscht von dem letzten Beitrag, der mit dem Aufzählen dessen, was in der Vergangenheit beschlossen wurde und in der Zukunft unter der neuen Regierung fortgeführt wird, eingeleitet wurde. In der Form, wie Sie das eben heruntergelesen haben, klang das eher so, als wäre Ihnen jeder einzelne Bestandteil zu viel. Ich sage: Das ist nicht zu viel, wir wollen weitergehen.
Wir wissen sehr wohl, was bisher hier getan worden ist. Liebe Astrid Damerow, ich kann aus voller Überzeugung sagen: Wir haben hier in den letzten Monaten eine politische Kultur verändert, die in weiten Teilen, nicht nur in Deutschland, sondern auch für andere Länder, vorbildlich ist. Daraus ergeben sich Verpflichtungen. Man kann Menschen nicht nur politische Signale geben und zum Handeln sagen: Jetzt ist noch nicht die Zeit. Man muss das, was man verspricht, auch umsetzen und weitergehen.
Nein, im Moment nicht, weil es wirklich ärgerlich ist. Ich habe erstens vorhin Kenan Kolat mit einer Äußerung zitiert. Das sollten wir als Zeichen ernst nehmen. Zweitens - das dürfte auch den Kolleginnen und Kollegen hier bekannt sein -: Es gibt unterschiedlichste Studien, zum Beispiel der FriedrichEbert-Stiftung oder anderer Einrichtungen, die jährlich erscheinen, die zu dem Ergebnis gekommen sind - auch jüngst in der letzten Analyse -, dass wir einen latenten Rassismus in der Mitte unserer Gesellschaft haben
und dass leider immer mehr Menschen für diesen latenten Rassismus anfällig sind. Das ist keine Beleidigung einer Behörde oder irgendetwas anderes, das ist eine politische Herausforderung für Demokraten, und der stellen wir uns.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Genau wie meine Kollegin Astrid Damerow haben auch mich die Wortbeiträge veranlasst, noch einmal nach vorne zu kommen. Ich finde es sehr schade, wie hier Themen miteinander vermischt werden, auch von Ihnen, Kollegin Beer. Es geht hier nicht um den Asylkompromiss, es geht nicht um die Einwanderungen im Pflegebereich. Ich habe ausdrücklich davon gesprochen, dass es Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind und hier ausgebildet wurden, genauso schwer mit ihren Bewerbungen haben und sie genauso abgelehnt werden wie andere Menschen. Das hat damit zu tun, dass sie einen ausländisch klingenden Namen haben.
Ich kann Ihnen Dutzende Beweise nennen. Ich selbst wurde hier in diesem Haus von einer hoch angesehenen Persönlichkeit dieses Land auch schon einmal als Putzfrau herangerufen. Die hat sich hinterher tausendmal dafür entschuldigt. Alleine mein Auftreten im Flur hat sie dazu veranlasst, mir den Auftrag zu geben, die Fenster zu öffnen. Einer Freundin von mir ist Folgendes passiert: Sie ist Anwältin und war den ersten Tag bei Gericht. Sie kommt nach vorne, und der Richter fragt: Wo ist denn hier die Gegenseite? - Dann steht meine Freundin auf und sagt: Hier! - Darauf sagt der Richter: Oh, Entschuldigung, ich dachte, Sie seien die Putzfrau!
Ich kann Ihnen Dutzende Beispiele nennen, zum Beispiel von einem Chefarzt aus einem Krankenhaus in Neumünster. Ich kann Ihnen Tausende von Beispielen nennen, wie Menschen allein schon aufgrund ihrer äußeren Erscheinung behandelt werden. Ich kann Ihnen Dutzende Beispiele nennen. Das machen die Menschen nicht mit Absicht. Ich unterstelle das niemandem. Ich sage, dass sie das
nicht mit Absicht machen. Es sind einfach diese Bilder, die sie in den Köpfen haben. Immer wenn wir über Integration reden und in der Tagesschau ein Bild gezeigt wird, ist das ein Bild einer Frau mit Kopftuch - immer! Das ist immer so. Es sind bestimmte Bilder in unseren Köpfen. Geben Sie es zu! Ich selbst habe auch diese Bilder. Wenn hier jemand hereinkommt und sein Hemd bis unten hin aufgeknöpft hat, dazu noch eine Goldkette und dunkle lange Haare, dann habe ich doch auch ein Bild im Kopf. Das ist doch so.
Dann denke ich doch auch: Da kommt gerade ein Macho. Aber es kann ein total lieber Kerl sein, ein Sozialpädagoge oder sonst etwas.