Protocol of the Session on May 30, 2013

(Heiterkeit und Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Ich möchte ausdrücklich sagen: Ich unterstelle es niemandem. Ich sage nicht, dass man es mit Absicht macht, aber jeder hat seine Bilder im Kopf, wie er sich die andere Seite denkt.

Darum geht es hier: Menschen interkulturelle Kompetenz zu geben, damit diese Bilder vielleicht ein wenig verschwimmen. Ich würde dazu raten: Vielleicht sollten wir in diesem Landtag auch einmal ein interkulturelles Kompetenztraining machen, um einmal festzustellen, welche Bilder jeder im Kopf hat.

Kollege Kubicki, ich verwehre mich dagegen, dass Kinder, die hier geboren und aufgewachsen sind, kein Deutsch sprechen.

(Christopher Vogt [FDP]: Das hat er doch gar nicht gesagt! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie müssen hier nicht Ihre Bilder aufbauen!)

Ich verwehre mich dagegen. Sie haben von Sprachbarrieren gesprochen und gesagt, die könnten vielleicht kein richtiges Deutsch und würden deswegen nicht eingestellt. Die Kinder sprechen die Sprache ihrer Milieus.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Genau das habe ich gesagt!)

Wenn in diesen Stadtteilen die deutschen Kinder ein schlechtes Deutsch sprechen, dann lernen diese Kinder auch dieses Deutsch.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Genau das habe ich gesagt! Wie wäre es mit Zuhören? Kom- munikation besteht auch aus Zuhören!)

- Aber es ist nicht so, dass sie kein Deutsch sprächen. Sie haben gesagt: aufgrund ihrer Sprach

(Angelika Beer)

kenntnisse. Ich habe auch ausdrücklich gesagt: nach ihrer Qualifikation Bewerberinnen und Bewerber auszusuchen. Es stimmt mittlerweile nicht, dass die Migrantinnen und Migranten hier keine Qualifikation erworben hätten. Dennoch: Schauen Sie in die Statistiken. Diese Menschen werden in der Regel nicht gemäß ihrer Qualifikation eingestellt, sondern arbeiten unterhalb ihrer Qualifikation. Das müssen wir uns auch einmal eingestehen!

(Beifall SPD, Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Frau Kollegin, danke schön. - Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Zuhören kann auch einmal bilden!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin Midyatli, nichts anderes hat Wolfgang Kubicki gesagt. Sie haben so wunderschön von Bildern gesprochen.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- Ja, so weit ist es gekommen.

(Heiterkeit)

Ich werde jetzt weder mein Hemd aufknöpfen -

(Zurufe: Oh! - Christopher Vogt [FDP]: Schade!)

- Nein, Herr Stegner lässt die Hosen runter, wie wir gestern erfahren haben.

(Vereinzelter Beifall)

Ich will nur davor warnen, dass wir genau das tun, wovor Sie eigentlich auch gewarnt haben, nämlich mit bestimmten Bildern herangehen. Wir würden uns wundern, wie viele Menschen Migrationshintergrund haben, von denen wir das mitnichten, auch mit den noch so klischeehaftesten Bildern, die viele von uns haben, jemals vermuten würden. Deswegen ist - da bin ich vollkommen der Auffassung meines Fraktionsvorsitzenden die Vermittlung von Sprachkompetenz ein ganz zentraler Schlüssel. Es ist entscheidend, wo Kinder aufwachsen, und zwar unabhängig davon, ob sie Migrationshintergrund haben oder nicht, und unabhängig davon, was wir unter Migrationshintergrund verstehen.

Ich bin übrigens der Auffassung: Wer in dritter Generation hier geboren ist, bei dem fällt es mir schwer, noch von Migrationshintergrund zu sprechen. Meine Urgroßmutter kommt aus Ungarn. Ich weiß nicht, ob ich ein Mensch mit Migrationshintergrund bin.

(Anita Klahn [FDP]: Na klar!)

- Mag ja sein.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das erklärt dein Temperament! - Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Heiterkeit)

- Ich weiß nicht, wer mich auf meine südwestdeutsche Herkunft angesprochen hat. Ich glaube aber behaupten zu können, dass ich mich dem sprachlichen Milieu durchaus angepasst habe.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN - Christopher Vogt [FDP]: Das glaubst auch nur du!)

Ich habe mich gemeldet, weil ich sagen möchte, was alle hier im Haus wollen und was wir im Übrigen - ob wir es wollen oder nicht - brauchen werden: Wir sind auf diese Menschen angewiesen.

(Beifall Angelika Beer [PIRATEN] und Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Wir sind darauf angewiesen, das Potenzial, das hier schon ist, zu nutzen und diesen Menschen zu ermöglichen, dass sie im öffentlichen Dienst, aber im Übrigen auch auf anderen Arbeitsmärkten eine Chance haben. Das gilt auch für Menschen, die aus dem Ausland zu uns kommen sollen. Das sind zwei Paar Schuhe. Das weiß ich. Das eine - nämlich Menschen aus dem Ausland hierher zu bewegen mag schwerer sein als das andere. Sie haben das am Anfang gesagt: Wir sind ein Auswanderungsland geworden. Das ist richtig. Auch dafür gibt es unter anderem eine Begründung - nicht eine alleinige -, dass in der Tat in Deutschland die Sprachbarriere durch die deutsche Sprache für viele Menschen, die aus Indien, China oder sonstigen BRICS-Staaten kommen, unglaublich viel höher ist als in vielen englischsprachigen Staaten. Die Menschen gehen dorthin, weil es für sie wesentlich einfacher ist, weil sie in vielen Ländern Englisch quasi schon als zweite Muttersprache vermittelt bekommen haben.

Frau Kollegin Beer, ich würde doch vor dem Hintergrund appellieren, hier nicht mit Unterstellungen zu arbeiten. Die Kollegin Damerow hat nichts anderes getan, als darauf hinzuweisen, dass es auch schon vor dem Einzug der PIRATEN auch zwischen anderen Fraktionen dieses Hauses eine Ver

(Serpil Midyatli)

ständigung auf eine moderne, weltoffene Migrationspolitik gab, die auch dazu dienen sollte, Menschen mit Migrationshintergrund für den öffentlichen Dienst zu begeistern, Barrieren abzubauen. Nichts anderes hat die Kollegin Damerow Ihnen hier vorgetragen.

(Beifall FDP und CDU)

Für die Landesregierung erteilte ich Herrn Ministerpräsidenten Torsten Albig das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 13 % der Menschen in unserem Land haben einen Migrationshintergrund, 5 % der Menschen in unserem Land sind Ausländerinnen und Ausländer. Unbestritten ist: Es ist uns nicht einmal annähernd gelungen, in gleichen Anteilen Menschen mit diesen Hintergründen in unserer öffentlichen Verwaltung - völlig egal, ob es die Kommunalverwaltung, die Landesverwaltung oder die Bundesverwaltung ist - zu Teilen zu machen, gar nicht so sehr zu integrieren, sondern dafür Sorge zu tragen, dass sie uns stärken, dass sie uns unterstützen, dass sie ihre zusätzlichen Fähigkeiten einbringen. Denn wir können den Begriff Migrationshintergrund vielleicht auch etwas moderner übersetzen mit: Sie haben einen internationalen Hintergrund, sie haben einen sprachlich vielfältigeren Hintergrund. Genau das brauchen wir in dieser Zeit.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Das ist uns nicht gelungen. Wir können es nicht genau beziffern, weil wir mangels entsprechender Daten in den Personalakten auf allen Ebenen - Kommunen, Länder und Bund - nicht wissen, wer einen Migrationshintergrund hat. Wir haben aber alle ein Gefühl, wenn wir in unsere Verwaltungen schauen, dass das nicht 13 % oder in unseren Städten 18 oder 19 % sind - auf allen Ebenen erkennbar nicht.

Dies war einer der Gründe dafür, dass sich im Nationalen Aktionsplan Integration, der nach dem fünften Integrationsgipfel bei der Bundeskanzlerin im letzten Jahr vorgestellt wurde, alle Länder, der Bund und fast alle Kommunen auf den Weg gemacht haben, einen solchen Nationalen Aktionsplan umzusetzen, der als ein der Schwerpunktmodule überall in Deutschland enthält, daran zu arbeiten, dass es uns gelingt, Menschen mit internationalem Hintergrund stärker in unsere Verwaltungen zu

bringen. Das ist hier von allen Vorrednern zu Recht angesprochen worden. Dies ist wahrscheinlich sogar eine Überlebensaufgabe für die Leistungsfähigkeit unserer Verwaltung. Deswegen müssen wir uns daran machen, und deswegen werden sich alle Verwaltungen daran messen lassen müssen, ob uns das gelingt. Wenn uns das nicht gelingt, werden wir das in der Leistungsfähigkeit unserer Verwaltungen erleben.

Wenn wir heute fragen, was eigentlich der Grund dafür ist, dass es so schwer ist, dann steht - das hat Frau Beer zitiert, das hat letzte Woche Montag auf dem letzten Integrationsgipfel der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland wiederholt der Vorwurf des strukturellen Rassismus in unseren öffentlichen Verwaltungen im Raum. Dieser Vorwurf muss zurückgewiesen werden. Wir haben keinen strukturellen Rassismus. Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass wir partiellen Rassismus haben. Solche Beispiele, wie sie genannt wurden, gibt es in unserem Alltag; das wissen wir alle. Aber die Behauptung, wir hätten rassistische Verwaltungen, weise ich auch für unsere Landesverwaltung kategorisch zurück.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Als Mehrheitsgesellschaft, die in der Verwaltung überwiegt, müssen wir gegenüber den Menschen, die noch nicht in unserer Verwaltung sind, deutlich machen, dass wir sie dort haben möchten, dass wir nach ihnen suchen und dass wir wirklich um sie werben. Das ist uns erkennbar noch nicht gelungen.

Wenn man mit Menschen aus türkischen, arabischen oder russischen Gemeinden spricht, spürt man, dass dort noch nicht angekommen ist, dass es tatsächlich eine reale Chance gibt, in eine Verwaltung zu gehen. Es wird im Kopf noch die Schere gedacht: Dieser Ort ist nicht der Ort, an dem wir sein sollten. Es gibt signifikant weniger Bewerbungen aus diesem Teil der Gesellschaft. Wir müssen uns von beiden Seiten aufeinander zubewegen.

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Kollegen Dr. Breyer?

Sehr gern.

Herr Breyer, bitte.

(Dr. Heiner Garg)