Protocol of the Session on March 20, 2013

Ein weiterer Punkt, den ich noch kurz ansprechen möchte, betrifft die Haftpflichtversicherung. Denn die Haftpflichtversicherung ist nach wie vor nicht gesichert. Die letzten Fälle haben erneut deutlich gemacht, dass Landwirte und Verarbeiter bei den letzten Futtermittel- und Lebensmittelskandalen auf ihren Kosten sitzengeblieben sind, wie es bisher aussieht.

Ihre Redezeit wäre jetzt abgelaufen, aber Sie haben noch die Möglichkeit, eine Frage zu beantworten oder sich eine Anmerkung anzuhören. - Bitte schön, Herr Abgeordneter Rickers.

Vielen Dank. Herr Voß, es ist Ihnen ja bekannt, dass nach Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch der § 40 - ich habe es angesprochen - heute möglich macht - es ist eine Muss-Vorschrift -, dass Verstöße im Bereich des Lebensmittelund Futtermittelrechts auch als öffentliche Information irgendwo verfügbar sind. Es wird in Nordrhein-Westfalen und in Bayern in der Praxis so gehandhabt, anscheinend mit gutem Erfolg. Da wundere ich mich schon, dass Sie hier darüber berichten, dann aber uns in irgendeiner Form unterstellen, wir würden, weil es keine Rechtsklarheit gibt, das hier im Lande verhindern wollen. Es gibt

Vorschriften: 14 Tage Karenzzeit und die Möglichkeit für die Unternehmen, Stellung zu nehmen, auch schriftlich, sie müssen auch schriftlich darauf hingewiesen werden, dass Verstöße vorgelegen haben. Da jemanden zu denunzieren, ist gar nicht so ganz einfach. Insofern ist das genau der erste Schritt, den Sie immer gefordert haben. Warum würden Sie das nicht auch passend finden für SchleswigHolstein?

Natürlich soll das in Schleswig-Holstein umgesetzt werden, was Sie vor 14 Tagen im Bundestag als Änderung beim Lebensmittel- und Futtermittelgesetz einzubringen versucht haben. Das ist überhaupt gar kein Thema, aber rechtlich sauber. Es ist aber so noch nicht im Gesetz, es muss erst einmal durch den Bundesrat durch. Das haben Gesetze nun einmal so an sich. Da werden wir insbesondere nachsteuern, dass kein Denunzieren möglich ist, sondern dass eine verbindliche, klare Nennung von Ross und Reiter möglich ist und auch so erfolgt. Das, was in Nordrhein-Westfalen und Bayern umgesetzt wird, deckt nur einen Bruchteil der möglichen Fälle ab.

(Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Gestatten Sie noch eine weitere Frage?

Ich habe eine weitere Frage: Es liegen mir andere Informationen vor, nach denen am 1. Dezember 2012 diese Änderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs auf Bundesebene in Kraft getreten sind. Nun weiß ich nicht, woher Sie Ihre Informationen haben. Vielleicht könnten Sie diese Frage noch einmal beantworten.

Vorletzte Woche lag im Bundestag das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch in letzter Lesung vor.

(Zuruf Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Es ist in diesem Punkt reformiert worden, aber nach unserer Meinung überhaupt nicht befriedigend und überhaupt nicht ausreichend reformiert worden. Die Änderung berücksichtigt überhaupt nicht die Situation der Unternehmen. Da nutzen wir nicht den po

(Bernd Voß)

pulistischen Effekt, sondern haben auch die Situation der Unternehmen im Blick.

Wenn ich noch eins zu den Reformen im Bereich der Lebensmittel-, Futtermittel- und Arzneimittelgesetzgebung sagen darf, die auch vor 14 Tagen durch den Bundestag gegangen sind: Sie haben das Arzneimittelgesetz in vielen Punkten angepasst Meldung der Arzneimittel und so weiter. Einen entscheidenden Punkt haben Sie aber vergessen, und das ist die Dosis, die verabreicht wird. Das ist einer der Bereiche zusätzlich zu dem Melde- und Auswertungsverfahren, der erheblich nachgebessert werden sollte.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe keine weiteren Fragen, die Zeit ist rum. Dann können wir, glaube ich, auch abstimmen, oder geht es in den Ausschuss?

(Heiterkeit und Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter, für Ihre Vorschläge, aber wir gehen in der Tagesordnung zunächst weiter, da haben wir uns noch einiges anzuhören. Als Nächstes folgt ein Dreiminutenbeitrag vom Abgeordneten der Piratenfraktion, Herrn Abgeordneten Dr. Patrick Breyer.

(Hartmut Hamerich [CDU]: Dann stimmen wir ab! - Weitere Zurufe)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Herr Kollege Voß, ich hoffe, Sie gestatten es auch anderen, noch zu reden, bevor wir dann zur Abstimmung kommen.

(Vereinzelter Beifall)

Wir diskutieren und fabulieren hier langatmig über Änderungen, die auf Bundesebene gemacht werden könnten oder die die Landesregierung in Angriff nehmen könnte, sprechen aber sehr wenig über das, was wir hier im Land selbst machen könnten. Es ist so - das ist schon angesprochen worden -, dass im Herbst vergangenen Jahres eine Regelung in Kraft getreten ist, dass Lebensmittel- oder Futtermittelverstöße, die bei Kontrollen festgestellt worden sind, wenn sie eine erhebliche Gefahr nach sich ziehen, auch veröffentlicht werden müssen.

Wie wird diese Regelung seit Herbst letzten Jahres tatsächlich angewandt? - In Bayern sind zum Bei

spiel über 100 Verstöße, die festgestellt worden sind, veröffentlicht worden und im Internet nachlesbar. In Schleswig-Holstein ist erstens die Veröffentlichung auf die Seiten der einzelnen Kreise verstreut, sodass man sie überhaupt nicht auffinden kann, und zweitens ist bis heute kein einziger Verstoß bei uns veröffentlicht worden.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt CDU)

Jetzt denke ich mir natürlich: Entweder die Kontrolleure schlampen massiv, und es werden überhaupt keine wirksamen Kontrollen durchgeführt, oder die Veröffentlichung funktioniert nicht. Ich finde, an dem Punkt, für den wirklich schon eine Rechtsgrundlage vorhanden ist, müssen wir ansetzen und erstens eine ordentliche Internetplattform zur Veröffentlichung dieser Ergebnisse der Kontrollen organisieren, die landeseinheitlich ist, und zweitens dafür sorgen, dass auf der Informationsplattform auch etwas steht, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher informiert werden, wenn wirklich gesundheitsgefährdende Lebensmittelverstöße festgestellt werden. - Danke.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt CDU)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann hat jetzt für die Landesregierung der Minister für Energiewende, Umwelt, Landwirtschaft und ländliche Räume, Herr Dr. Robert Habeck, das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident, dass ich noch kurz erläutern darf, wie die Landesregierung auf die Themen schaut, bevor Sie abstimmen. Zwei Prinzipien machen uns das Leben schwer - uns heißt: der Bevölkerung und Ihnen genauso wie mir -: Das Erste ist die Verflochtenheit des globalen Lebensmittelmarktes. Deswegen müssen wir immer wieder die Systeme nachjustieren. Herr Kumbartzky, Sie haben einerseits recht: Die Skandale, über die wir geredet haben, sind durch Kontrollen entdeckt worden. Andererseits heißt das nicht, dass wir keinen Handlungsbedarf sehen, denn sie sind sehr spät entdeckt worden. Das Pferd war in der Lasagne, die falsch deklarierten Eier sind nur entdeckt worden, weil die Lieferlisten nicht stimmten, also nicht durch Lebensmittelkontrolleure. Beim Aflatoxin war es besonders grenzwertig, weil nur die Milchprobe das Vorhandensein von Aflatoxin aufgedeckt hat, nicht die Futtermittelbeprobung. Wir haben also erst am Ende der Pipeline greifende Kontrollen

(Bernd Voß)

gehabt. Deswegen muss man das System auch immer wieder kontrollieren. So wurde es auch nach Dioxin gemacht.

Man kann darüber streiten, ob der Aigner-ZehnPunkte-Plan ein großer Wurf war und wie viel davon umgesetzt wurde. Aber etwas wurde umgesetzt: Zwei Stellen wurden im Landeslabor in Schleswig-Holstein zusätzlich geschaffen. Es gibt eine Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Andere Punkte sind allerdings noch offen.

Nur werden wir es immer wieder mit dem Prinzip zu tun haben, dass wir durch Skandale getrieben werden, und immer wieder müssen wir die Kontrollsysteme nachschärfen, und ich befürchte, das wird nicht meine letzte Rede in dieser Legislaturperiode sein, die ich zu einem Lebensmittelskandal halte. Deswegen hat Frau von Kalben recht, dass das Prinzip der Produktion uns immer wieder zu diesen nachlaufenden Debatten treibt. Deswegen muss man das Grundprinzip, wie wir eigentlich Lebensmittel produzieren und konsumieren, auch in dieser Debatte mit besprechen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens leiden wir darunter, dass wir glauben, „billig“ habe keinen Preis. „Billig“ kann einen hohen Preis haben, und die Frage ist im Grunde nur, wie wir diese Kosten verteilen. Wir haben ein Prinzip, von dem ich nicht lassen will, das darin besteht, dass die Wirtschaft selbst in der Verantwortung steht, sichere und vor allem korrekt deklarierte Lebensmittel auszuliefern. Aus diesem Prinzip - das ist das Prinzip der Eigenkontrollen - will und kann ich die Wirtschaft nicht entlassen, weil wir sonst ein Räuber-und-Gendarm-Spiel aufziehen und wir immer die Letzten sein werden, die hinterherlaufen, während wir Freibriefe ausstellen. Das kann nicht sein. Insofern muss über das Prinzip der Eigenkontrollen und die Verschärfung der Eigenkontrollen nachgedacht werden. Gleichwohl aber das sehen wir ja - sind die Eigenkontrollen nicht ausreichend. Das System ist anfällig für Betrug, das System ist anfällig für Schlamperei. Deswegen muss die amtliche Lebensmittel- und Futtermittelkontrolle nachziehen und schärfer und konkreter kontrollieren.

Wir sind dabei auf das Zusammenspiel mit den anderen Ländern angewiesen. Was macht man in diesem Fall? - Na klar, man gründet eine Arbeitsgruppe. Die ist auch sofort gegründet worden. Es gibt Vorschriften und verschiedene Überlegungen, wie man die Eigenkontrollen schärfer fasst. Dass wir es im Zeitalter von Smartphones und Web 2.0 teilwei

se mit handgeschriebenen Lieferzetteln zu tun haben, ist schlicht nicht mehr zeitgemäß und auch nicht akzeptabel. Wenn wir eine schnelle und lückenlose Kontrolle der Lebensmittel- und Futtermittelketten haben wollen, dann ist es relativ trivial, das schnell zu ändern. Weitere wären zu nennen.

Drittens haben wir im Land - um ein paar konkrete Maßnahmen zu nennen - die Lehre aus diesem verflochtenen Markt gezogen und interdisziplinäre Kontrollteams geschaffen. Wir sind dabei relativ weit, unser Konzept liegt vor. Wir sind aber auch angewiesen auf die Kreise, und wir werden dieses Konzept jetzt mit den Kreisen beraten. Aber es läuft darauf hinaus, dass man die verschiedenen Bereiche der Wirtschaftlichkeit und des Wissens um Gesundheit und Lebensmittel zu Kontrollteams zusammenfasst. So werden wir auch in Zukunft agieren.

Viertens ist es zentral wichtig, dass die Lebensmittelbehörden adäquat ausgestattet werden. Das ist der Punkt, über den heute schon verschiedentlich gesprochen wurde. Im Moment haben wir nur Kontrollgebühren bei anlassbezogenen Kontrollen. Etwa ein Drittel der Kosten des Landeslabors wird über Gebühren eingesammelt. Wir sind der Meinung, dass wir erst die Voraussetzung für weitere Kontrollen schaffen müssen, das heißt, dass wir auch Regelkontrollen gebührenpflichtig machen.

In der Tat wären wir damit das erste Land, das das täte. Wir drehen den Spieß aber um und wollen nicht warten, bis die anderen Länder losziehen, sondern wir werden jetzt so agieren - das ist ein politischer Beschluss - und die Regelkontrollen gebührenpflichtig machen. Wir hoffen, dass sich andere Länder anschließen, gehen offensiv auf die Länder zu und schaffen damit die Voraussetzung dafür ich erinnere an die Debatte heute Morgen über den Landeshaushalt-, dass wir weitere und schärfere Kontrollen vornehmen können.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Viertens. Das fällt in die Rubrik: Wir lernen aus jedem Skandal neu. Wir werden uns den Allgemeinverfügungen anschließen, die andere Länder, Nordrhein-Westfalen und Hamburg, erlassen haben. Wir werden in dieser Woche Allgemeinverfügungen für die Häfen in Schleswig-Holstein erlassen, dass Mais, der angelandet wird, nicht einfach weiterverteilt werden kann, sondern eine Unbedenklichkeitserklärung braucht. Man muss dazu wissen, dass Futtermittel in schleswig-holsteinische Häfen im Moment im Grunde gar nicht angelandet werden. Aber es wäre natürlich absurd, dass bestimmte Län

(Minister Dr. Robert Habeck)

der, Hamburg und Niedersachsen, jetzt Allgemeinverfügungen erlassen, wir ein Schlupfloch darstellen und dann Lieferungen, die vielleicht im Verdacht stehen, nicht sauber geprüft worden zu sein, alle nach Schleswig-Holstein kommen. Wir werden entsprechend handeln und dann - erfreulicherweise von der CDU angemahnt - durch Verschärfung des Ordnungsrechts dort keine Regellücken schaffen.

Abschließend: Jeder Skandal wird uns neue Hinweise geben, was wir verbessern müssen. Wir sind sozusagen immer in der Hinterhand. Um dies ein Stück weit zu ändern, um ein Stück weit in die Vorhand zu kommen, sind andere Maßnahmen zur nachhaltigeren Produktion von Lebensmitteln notwendig. - Vielen Dank.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Heiner Rickers?

Selbstverständlich, Herr Rickers.

Herr Minister Habeck, nicht nur mir, sondern auch dem Abgeordneten Dr. Breyer sind Sie die Antwort schuldig geblieben, wie Sie mit § 40 des Lebensmittelund Futtermittelgesetzbuches umgehen.

(Beifall PIRATEN)

- Ja, das ist richtig. Es ist so, dass die Veröffentlichung dieser Daten häufig Sache der Kommunen ist. Wir sind dabei, eine Landesplattform zu schaffen.

(Beifall PIRATEN)