Es ist doch gerade dieses Prinzip des längeren gemeinsamen Lernens an Gemeinschaftsschulen, das von unglaublich vielen Schülerinnen und Schülern sowie Eltern ausdrücklich gewünscht wird. Vor diesem ganz konkreten Bedürfnis der Betroffenen sollte auch die Opposition nicht länger die Augen verschließen. Indem wir abschlussbezogene Klassenverbände verhindern und die von Schwarz-Gelb gestrichenen Differenzierungsstunden zurückgeben, können Gemeinschaftsschulen endlich wieder ihrer Kernaufgabe nachgehen.
Diese deutliche Stärkung des gemeinsamen Lernens mag von CDU und FDP zwar aus ideologischen Gründen nicht gewollt sein, bildungspolitisch sind wir damit aber auf dem absolut richtigen Weg. Wo genau wir hier vom Elternwillen abweichen sollen, bleibt mir ein völliges Rätsel.
Noch einmal: Wir stehen zum Zwei-Säulen-Modell aus Gemeinschaftsschulen und Gymnasien. Die jungen Menschen, die hier in Schleswig-Holstein ihr Abitur machen, sollen die Wahl haben können: die Wahl zwischen dem achtjährigen Bildungsgang am Gymnasium und dem neunjährigen
an Gemeinschaftsschule oder Beruflichem Gymnasium. Mit dem die Gymnasien betreffenden Punkt unseres Entwurfs wollen wir auch in diesem Bereich Sonderwege verhindern und Unsicherheiten vermeiden.
Das heißt im Klartext: Bestehende G-8-Gymnasien sollen keinen neunjährigen Bildungsgang einführen und G-9-Gymnasien nicht zu Y-Modellen wechseln dürfen; denn für uns steht fest, dass nicht nur bei den Gemeinschaftsschulen, sondern eben auch bei den Gymnasien zu viele Sonderwege ermöglicht wurden. So stand zwar überall Gymnasium drauf, aber es war eben nicht überall dasselbe drin. Diese Entwicklung und die damit verbundene Unsicherheit wollen wir begrenzen, bis wir gemeinsam mit den Betroffenen eine endgültige Entscheidung gefunden haben - nicht mehr und nicht weniger.
Ein wichtiger Punkt im Vorschaltgesetz betrifft die Einrichtung von Oberstufen an Gemeinschaftsschulen. Hier sage ich eins ganz deutlich: Wenn man diese Schulform will, was nicht nur der Wunsch dieser Koalition, sondern vor allem vieler Schüler und Eltern ist, dann muss sie sich auch entwickeln können. Es ist aber allen hier bekannt, dass eine Weiterentwicklung dieser Schulform auf der Grundlage des schwarz-gelben Schulgesetzes nicht möglich war. Weil wir aber heute an einem Punkt sind, an dem die ersten Gemeinschaftsschulen ihren Oberstufenbetrieb starten könnten, sehen wir hier dringenden Handlungsbedarf.
Wir meinen, dass die Schulträger hier ein völlig berechtigtes Interesse haben zu wissen, woran sie sind. Sie brauchen endlich Planungssicherheit.
Wir wollen den Gemeinschaftsschulen die Möglichkeit geben, sich zukunftsfähig aufzustellen. Dafür ist die Einrichtung neuer Oberstufen nun einmal zwingend notwendig. Um es ganz deutlich zu sagen: Es geht hier nicht um die Schwächung des Gymnasiums oder das Ausspielen der einen Schulart gegen die andere. Es geht mit diesem Schritt einzig und allein darum, die logische Konsequenz aus der Einführung der Schulform Gemeinschaftsschule zu ziehen. Sowohl Gymnasien als auch Gemeinschaftsschulen brauchen die Chance auf eine gesunde Entwicklung. Mit unserer Regelung haben wir ihnen genau diese Möglichkeit gegeben.
Mit Blick auf den etwas unglücklichen Ablauf bei dieser Gesetzesänderung möchte ich gern noch einmal betonen, dass ich den Groll der Opposition über den plötzlichen Änderungsantrag nachvollziehen kann. Dies war so nicht beabsichtigt und soll auch so nicht wieder vorkommen.
Trotz aller Kontroversen in der Schulpolitik hoffe ich aber, dass wir das gemeinsame Ziel haben, mehr jungen Menschen zu einem höheren Bildungsabschluss zu verhelfen. Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir Gymnasien und Gemeinschaftsschulen gleichermaßen. Wir brauchen Sicherheit für unsere Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrer und Schulträger. Ich bin davon überzeugt: Moratorium und Bildungsdialog werden dazu führen, dass wir am Ende ein gutes Schulgesetz im Sinne der Betroffenen haben werden.
Ich kann gut verstehen, dass die CDU nichts von unserem Bildungsdialog hält, wenn ich mir die alten Pressemitteilungen und Reden durchlese. Da hat die bildungspolitische Sprecherin Heike Franzen etwas gesagt, was ich zitieren darf: Der Bildungsdialog, der Runde Tisch, das sei der Bildungsausschuss des Landtags. - Wir sind mit unserer Koalition rausgegangen und machen einen Bildungsdialog, zu dem alle Betroffenen eingeladen werden, und zwar nicht nur hier im Landtag.
Bevor wir zu den Dreiminutenbeiträgen kommen, begrüßen Sie bitte mit mir die Landesschülervertretung der Gymnasien in Schleswig-Holstein, den Landesschülersprecher Lukas Johnsen aus Glückstadt und den stellvertretenden Landesschülersprecher Florian Lienau aus Bokholt-Hanredder. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Jetzt kommen wir zu den Dreiminutenbeiträgen. Als Erstes hat Herr Abgeordneter Martin Habersaat von der SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten im vergangenen Jahr eine Landtagswahl, und zu dieser Landtagswahl sind die unterschiedlichen Par
teien in Schleswig-Holstein mit unterschiedlichen bildungspolitischen Konzepten angetreten. Drei dieser Parteien haben gemeinsam eine Mehrheit errungen, und die drei Fraktionen haben sich in einem Koalitionsvertrag auf ihre bildungspolitischen Ziele verständigt.
Jetzt kommt etwas Neues: Diese drei Koalitionsfraktionen haben nicht sofort angefangen, das umzusetzen, was sie für richtig halten und wofür sie in den Wahlkampf gezogen sind, sondern haben gesagt: Wir starten einen Dialogprozess, und wir reden mit vielen Menschen über Bildungspolitik. Allerdings haben wir dieses Vorschaltgesetz davor gesetzt, um diesen Dialog zu ermöglichen. Sie nennen das Arroganz, ich nenne es Arroganz, überhaupt niemals den Dialog gesucht zu haben.
Wir sagen, dass es schlicht und ergreifend Verlässlichkeit auch unseren Wählerinnen und Wählern gegenüber ist, ein Jahr lang, bevor wir mit diesem Dialog fertig sind, Schritte in eine Richtung zu verhindern, gegen die wir nun einmal in den Landtagswahlkampf gezogen sind.
(Beifall SPD, SSW und Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Wortmel- dung Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])
Danke, Herr Kollege. Sie haben eben gesagt, das Vorschaltgesetz ermögliche den Bildungsdialog. Verstehe ich das richtig, dass der Bildungsdialog ohne Vorschaltgesetz nicht möglich wäre?
Im Prinzip verstehen Sie das genau richtig, Herr Breyer, weil Sie verstehen müssen, dass die SPD eine Partei ist, die ein Programm zu ziemlich allen Punkten hat, die in der Gesellschaft relevant sind. Unsere Mitglieder und unsere Wähler haben an uns den Anspruch, dass wir dieses Programm, wenn wir gewählt werden, umsetzen. Zumindest haben sie
einen Anspruch darauf, dass nicht Schritte in eine Richtung unternommen werden, für die wir nicht gewählt worden sind. Deshalb: Ja, dieses Vorschaltgesetz ist nötig, damit wir ein Jahr lang in Ruhe in diesen Dialogprozess gehen können.
Die Zustimmung zu diesem Moratorium ist auch größer, als zumindest die Kollegin Klahn das hier dargestellt hat. Ich bin sehr dankbar, dass Frau Klahn nicht auch die Namen aller FDP-Mitglieder verlesen hat, dann hätte es noch beeindruckender geklungen.
Die Zustimmung zu den beiden ersten Punkten ist riesig groß. Frau Klahn, ich entschuldige mich dafür, dass ich Ihnen ausgerechnet an der Stelle, als Sie über G 8 und G 9 geredet haben, die Stellungnahme des Landeselternbeirats Gymnasium zur Frage G 8 und G 9 vorgelesen habe.
Der kritisierte Punkt, der in der Anhörung öfter zur Sprache kam, Herr Kubicki, betrifft die Einrichtung neuer Oberstufen. Auch dazu wurde mehrfach gesagt, dass sich die Kritik mehrheitlich mitnichten dagegen richte, dass wir neue Oberstufen einrichten, sondern sie richtet sich gegen den Zeitplan.
Weil Sie das aufgerufen haben - sonst hätte ich es nicht gemacht -, möchte ich Sie auf Folgendes ansprechen. Sie haben dargestellt, ich hätte Umdruck 18/723 nur selektiv gelesen, nämlich die erste Seite, auf der es heißt:
„Grundsätzlich begrüßt der Landeselternbeirat der Gymnasien die Möglichkeit der Einrichtung neuer Oberstufen an Gemeinschaftsschulen …“
Ich weise Sie darauf hin und bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass auf der Rückseite der letzte Satz lautet:
„Daher wird der Änderungsvorschlag zur Einrichtung von Oberstufen an Gemeinschaftsschulen abgelehnt.
Frau Klahn, ich habe Sie mitnichten in dem Punkt angegriffen, den Sie mir gerade unterstellt haben. Ich war auch so fair, den zweiten Halbsatz vorzulesen, in dem es gerade hieß: Oberstufen im Prinzip ja, aber nach einem anderen System.