Protocol of the Session on December 14, 2012

(Vereinzelter Beifall CDU)

Eine Pflegekammer würde zusätzliche Bürokratisierung bedeuten und der Erwartung an eine moderne Politik widersprechen.

Die spannende Frage bleibt: Wollen wir das wirklich? In Bayern und in Mecklenburg-Vorpommern überwiegt parteiübergreifend die Skepsis zu einer Pflegekammer, ganz zu schweigen von der großen Skepsis der betroffenen Gewerkschaften. Darüber müsste man sich einmal Gedanken machen.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung der Frau Abgeordneten Dr. Bohn?

Nein. Ich fühle mich ein bisschen angeschlagen. Jetzt gerade einmal nicht.

Auch wir in Schleswig-Holstein sollten lieber vorher intensiv über diese für alle in der Pflege Tätigen künftig geltende Zwangsmitgliedschaft noch einmal gründlich nachdenken.

Ich beantrage für meine Fraktion, über die Punkte 1 bis 7 des Antrags Drucksache 18/321 einzeln abzustimmen, weil einiges hiervon durchaus in unserem Sinne ist und sich auch in unserem Antrag wiederfindet. Deswegen bitten wir darum. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Ich habe schon gestern mitbekommen, dass der Weg zum Rednerpult offenbar sehr rutschig ist. Frau Kollegin Rathje-Hoffmann, ich hoffe, dass es Ihnen gleich wieder gut geht. Ich bitte Sie deshalb, vorsichtig zu sein.

(Wolfgang Kubicki [FDP] führt Katja Rath- je-Hoffmann [CDU] zu ihrem Platz - Zuruf CDU: Der weiße Ritter!)

Wir versuchen, das möglicherweise mit einer Matte zu lösen. Andernfalls bitte ich Sie, den anderen Weg zu nehmen. Dieser scheint sicherer zu sein.

Wir setzen die Beratung fort. Ich erteile das Wort der Kollegin Birte Pauls von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen; denn ich glaube, das ist ein wirklich guter Morgen. Was wir heute auf den Weg bringen, ist vielleicht ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein riesiger Schritt für die Pflege. Wir bringen heute die erste Pflegekammer in Deutschland auf den Weg. Wer diesbezüglich noch Informationsbedarf hat das habe ich dem Beitrag der Kollegin Klahn entnommen -, dem empfehle ich die Lektüre der Umdrucke 17/3533 fortfolgende. Darin finden Sie die Stellungnahmen aus der Anhörung zur Pflegekammer. Diese Umdrucke sind gerade einmal ein Jahr alt. Das war für uns die Begründung, warum wir das gemacht haben.

Unter dem Motto „versprochen und gehalten“ machen wir Schluss mit Lippenbekenntnissen in Form von wohlgemeinten Grußworten und teuren pressewirksamen Imagekampagnen. Jetzt wird endlich gehandelt. Das ist auch notwendig;

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

denn bis zum Jahre 2030 brauchen wir 20.0000 zusätzliche Pflegekräfte in Schleswig-Holstein.

Die Pflege leistet viel. Die Pflege leistet sogar sehr viel. Wer am vergangenen Freitag die Verleihung des Altenpflegepreises mitverfolgt hat, der weiß, wie viel Engagement und Kreativität und vor allem Professionalität beim Pflegepersonal in den Einrichtungen vorhanden ist. Es ist genau diese Professionalität, die wir mit der Pflegekammer stärken wollen.

Wir wollen, dass die Pflege in der Gesellschaft mehr anerkannt wird, die Pflegenden sich gut vertreten fühlen und ihren Beruf wieder so ausüben können, wie sie es selbst aufgrund ihrer fachlich hochqualifizierten Ausbildung für richtig halten.

(Beifall SPD)

Wer, wenn nicht die Pflegenden selbst, können das am besten organisieren? Wir wollen Schluss machen mit einer Misstrauenskultur gegenüber der Pflege. Wir wollen eine berufspolitische Eigenverantwortung im Rahmen einer legitimierten Selbstverwaltung organisieren, damit die Pflege ihre Interessen fachlich, gesellschaftlich, politisch und vor allen Dingen demokratisch legitimiert besser vertreten kann. Hierfür eignet sich die Pflegekammer. Das ist bei vielen anderen Berufen gang und gäbe. Ich spare mir die Auflistung der Kammern, die in unserem Land vertreten sind.

(Katja Rathje-Hoffmann)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie in allen Politikfeldern gibt es natürlich auch an dieser Stelle Kritik. Wir haben vorhin schon gehört, dass eine Zwangsmitgliedschaft nicht mit Menschenrechten vereinbar sei, dass Kammern undemokratisch seien, und alles sei doch bestens organisiert. Diese Argumente sind vorgeschoben.

So beschreibt zum Beispiel Herr Professor Dr. Igl in seinem Gutachten aus dem Jahr 2009, dass kein juristischer Grund gegen die Einrichtung einer Pflegekammer spreche. Wir alle, als Gesellschaft, unabhängig davon, in welcher Position und Funktion wir uns befinden, sollten daran interessiert sein, dass der Pflegeberuf gestärkt wird.

(Beifall SPD)

Alles andere ist kurzsichtig und fahrlässig. Ich möchte sehr herzlich an alle Beteiligten appellieren, Einzelinteressen an dieser Stelle hintanzustellen. Hier müssen wir gemeinsam für die Pflege eintreten.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Die Kammer allein reicht natürlich nicht. Es müssen auch andere Rahmenbedingungen geändert werden. Dazu gehört unter anderem auch die Ausbildung. Eine kostenfreie, in Modulen organisierte gemeinsame Ausbildung von Alten-, Gesundheitsund Krankenpflege mit einer kontinuierlich angepassten Anzahl an Ausbildungsplätzen ist unser Ziel.

Deshalb machen wir auch an dieser Stelle einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, indem wir zweimal 200 zusätzliche Ausbildungsplätze in der Altenpflege finanzieren werden. Ich möchte nur noch einmal daran erinnern: CDU und FDP hatten 30 zusätzliche Plätze eingerichtet und waren darauf schon mächtig stolz. Das sei alternativlos, hieß es damals. Nein, Ihre Form der Haushaltskonsolidierung war auch an dieser Stelle verantwortungslos.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Dummes Ge- schwätz!)

Im Rahmen eines modernen Pflegeberufgesetzes müssen wir die Pflegeausbildung durchlässig organisieren. Wir wollen auch Menschen ansprechen, die vielleicht einen geringeren Schulabschluss haben oder über unzureichende deutsche Sprachkompetenzen verfügen, aber sehr wohl in der Pflege sehr viel leisten können; denn sie alle brauchen wir in der Pflege.

(Beifall SPD)

Sie müssen wir zusammen mit den Akteuren der Arbeitsvermittlung, Schulen und Einrichtungen bewerben und das organisieren. Wir wollen die Möglichkeit zu weiteren Qualifizierungen hin zu einem Pflegestudium ausbauen. Hier haben wir eine Lücke vor allen Dingen in den Pflegewissenschaften. Eine Akademisierung im komplexen Aufgabenbereich der Pflege hat auch der Wissenschaftsrat der Bundesregierung in seiner Expertise im Sommer ausdrücklich empfohlen. All das stärkt die Attraktivität des Berufes, hebt das Ansehen in der Gesellschaft und bietet der Pflege Gestaltungsräume.

Der Handlungsbedarf wurde jetzt auch auf Bundesebene endlich erkannt. Gestern wurde die Vereinbarung zur „Ausbildungsqualifizierungsoffensive Altenpflege“ unterzeichnet. Sämtliche Zielvereinbarungen sind identisch mit dem, was in unserem Antrag steht. Ich freue mich sehr, dass unser Koalitionsvertrag selbst für die CDU anscheinend so überzeugend ist, dass Sie unsere Formulierungen jetzt in Ihre Anträge kopieren. Das schafft breite Mehrheiten, und das kann für die Pflege auch an dieser Stelle nur gut sein. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Herr Kollege Garg, die Disqualifizierung der Äußerungen der Kollegin Pauls, die Sie gerade vorgenommen haben, werde ich hiermit rügen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Darüber reden wir dann noch einmal!)

- Wenn Sie da noch Aufklärungsbedarf haben, Herr Kubicki, gibt es sicherlich genügend Gelegenheit, darüber zu reden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Unglaublich, was hier passiert!)

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Wolfgang Dudda von der Fraktion der PIRATEN.

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Die heute zur Diskussion stehenden Anträge zeigen nicht nur in ihrer Vielfalt, sondern auch in ihrem Inhalt, dass uns allen, die wir uns im Ausschuss mit der Situation der Pflege beschäftigt haben, sehr wohl bewusst ist, wie schwierig die Lage der Pflegeausbildung und vor allen Dingen der drohende Pflegenotstand für uns alle ist. Pflege ist

(Birte Pauls)

ein Thema, das uns alle politisch angeht. Es ist aber auch ein Thema, das uns menschlich berüht; denn um Menschen geht es hier erstrangig - um die, die der Pflege bedürfen, und um die, denen wir uns heute in dieser Debatte widmen.

Wir haben es uns in den Ausschussberatungen wahrlich nicht leicht gemacht, haben das Thema ernst genommen und mit den Beratungen auch politisch dennoch nur einen ersten Schritt getan. Es verbleibt vieles, was kontinuierlich zu begleiten ist. Darum kann sich jeder, der sich mit dem Thema und den Anträgen befasst, nur sehr differenziert äußern. Darum unterstütze ich den Wunsch, die Anträge in ihren einzelnen Punkten modular abzustimmen, besonders.

Wir sind uns in vielen Punkten einig. Das Recht auf menschenwürdige Pflege ist verfassungsrechtlich verbrieft. Es entspricht unserem Menschenbild, unserem Verständnis von einem sozialen und solidarischen Schleswig-Holstein, Pflege unabhängig davon durchzuführen, ob sie in der Familie oder in einer Einrichtung geschieht, ob sie professionell oder durch Unterstützung im Rahmen eines Ehrenamtes vorgenommen wird. Sie ist ein unverzichtbarer Wert in unserer Gesellschaft.

Wir werden allerdings zunehmend Probleme bekommen, dem wachsenden Bedarf gerecht zu werden. Schleswig-Holstein ist vom bundesweiten Trend und der Gefahr nicht ausgenommen, in einen Pflegenotstand zu geraten. 2.000 junge Menschen bereiten sich auf ihren Dienst in der Pflege vor. Perspektivisch brauchen wir viel mehr Pflegekräfte; denn bis zum Ende des Jahrzehnts werden wir 4.000 Fachkräfte mehr benötigen.

Die Landesregierung plant, in einer Offensive zweimal 200 zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen. Das ist ein guter Ansatz. Im Grunde wissen wir aber alle: Das wird nicht genügen. Darum unterstütze ich ausdrücklich die Forderung nach einer ehrlichen und vollständigen Bestandsaufnahme, damit wir wissen, worüber wir eigentlich reden.

Das Thema wird uns langfristig begleiten. Wenn wir dafür Sorge tragen wollen, dass der Bedarf annähernd gedeckt wird, müssen wir diesen auch kennen. Da wir jetzt schon wissen, dass dieser Bedarf erheblich sein wird, dürfen wir uns auf die gemeinsame Basis einlassen, dass wir nicht nur jedem, der eine entsprechende Ausbildung wünscht, einen Platz anbieten, vielmehr wollen wir vor allem, dass diese Ausbildung nicht nur absolviert wird, weil es nichts anderes gibt, sondern weil es wirklich von

demjenigen gewollt wird, der die Ausbildung anstrebt.

Die Forderung, gemeinsam mit allen beteiligten Akteuren in der Altenpflege eine Ausbildungskampagne zur Stärkung des Berufsbildes und zur Werbung von jungen Leute für die Altenpflege zu starten, sollte daher eine fraktionsübergreifende Forderung sein. Darum bitte ich heute Morgen auch.

(Beifall PIRATEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)