Protocol of the Session on March 22, 2017

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Letztendlich haben uns die Wählerinnen und Wähler damit den Auftrag gegeben, in unserem Land das Besondere zur Normalität zu machen, zu zeigen, dass in diesem Land, in unserem SchleswigHolstein alle dazu gehören, dass alle aufgerufen sind, dieses Land mitzugestalten.

Als wir das im Jahr 2012 auf den Weg gebracht haben, war es uns noch gar nicht bewusst, wie bedeutend diese Haltung in dieser Wahlperiode werden würde, weil sich dieses Europa, weil sich diese Welt in dieser Wahlperiode wahrlich nicht in die Richtung verändert hat, mehr auf Minderheiten, mehr auf diejenigen zu achten, die an den Rand gedrängt werden, sondern dass wir eher eine Welt erleben, die wieder trennt und spaltet. Wir waren uns nicht bewusst, wie sehr der Vorbildcharakter, den wir alle gemeinsam in unserem Land für Europa sehen, noch von Bedeutung werden sollte.

Wir können sagen: Ja, Schleswig-Holstein kann nicht nur Vorbild für ein modernes, ein friedliches Europa sein. Jetzt, fünf Jahre später, auch mit dieser Regierung, können wir sagen: Schleswig-Holstein ist ein Vorbild für Europa, gerade in dieser Zeit, für ein modernes, für ein humanes, für ein zusammenstehendes Europa, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Miteinander in unserem Land und mit unseren Nachbarn ist vorbildlich. Wir pflegen die Beziehungen zu unseren dänischen Freunden ganz intensiv vom ersten Tag dieser Legislatur. Erst gestern habe ich eine neue Vereinbarung zur Partnerschaft mit der Region Süddänemark unterzeichnet. Mit der Region Seeland haben wir vor Kurzem erstmals eine Partnerschaftsvereinbarung geschlossen.

Herr Generalkonsul Christensen, Sie werden im Laufe dieses Jahres aus Ihrem Amt ausscheiden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dann haben Sie etwas gemeinsam!)

Vom Herzen gedankt für die gute Zusammenarbeit, vom Herzen gedankt für die ausgestreckte Hand, mit der es uns beiden wieder gelungen ist, an einem Tisch schleswig-holsteinische und dänische Interessen zusammenzubringen und den Graben, der in den Jahren zuvor entstanden war, wieder zuzuschütten. - Von Herzen gedankt.

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir haben die Minderheit der deutschen Sinti und Roma unter den Schutz der Landesverfassung gestellt, als erstes Land der Bundesrepublik. Ich denke, wir sind alle gemeinsam stolz darauf.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Wir haben den Handlungsplan Sprachenpolitik aufgelegt, auch und gerade um Regional- und Minderheitensprachen in Schleswig-Holstein besser zu fördern. Ja, wir haben die Kürzungen bei den Schulen der dänischen Minderheit zurückgenommen und erreicht, dass seit 2013 wieder 100 % der Schulkostensätze, so wie es sich aus Anstand gehört, gezahlt werden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir garantieren Transparenz und Verlässlichkeit. Dazu gehört auch finanzielle Sicherheit für Aktivitäten und Einrichtungen, um die kulturelle Identität der Minderheiten zu festigen. Ja, bei uns können heute Bürgerinnen und Bürger in Niederdeutsch oder einer Minderheitensprache mit Behörden kommunizieren, übrigens eine zentrale Forderung der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen.

Meine Damen und Herren, das weltoffene Europa schaut heute wieder auf uns, auf Schleswig-Holstein, weil es bei uns zur Normalität geworden ist, dass Minderheiten nicht Last einer Gesellschaft sind, sondern die Gesellschaft bereichern. Bei uns ist es zur Normalität geworden, dass unterschiedliche Sprachen ihren Platz auch in den Schulen haben. Wir verdrängen sie nicht, was an vielen Stellen Europas übrigens Ausgangspunkt von oft dann auch kriegerischen Konflikten ist. Wenn man versucht, die Sprache von Minderheiten wegzudrücken, beginnt der Konflikt zu schwelen und sich - siehe in der Ukraine - in tragischer Weise zu entwickeln. Wir gehen hier respektvoll miteinander um.

Wir freuen uns, dass das Ministerkomitee des Europarates unsere Erfolge in seinen Stellungsnahmen würdigt. Wir freuen uns, dass das Eastern-Partnership-Programm des dänischen Außenministeriums auf unsere Erfahrungen aus der deutsch-dänischen Grenzregion zurückgreift. Wir sehen mit Freude, dass die OSZE Schleswig-Holstein mehrfach als gutes Beispiel anerkannt hat und unsere Minderheitenbeauftragte regelmäßig zu Konferenzen einlädt.

An dieser Stelle sei dir, liebe Renate Schnack, für deine Arbeit in dieser Legislaturperiode von Herzen gedankt. Du warst eine gute, eine wunderbare Minderheitenbeauftragte.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU und PIRATEN)

Und natürlich vielen Dank an alle diejenigen, die dort oben sitzen, an die Vertreterinnen und Vertreter der Minderheiten, der Volksgruppen und der Institutionen. Ohne Sie wäre all dieser Erfolg nicht möglich geworden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU und PIRATEN)

Sie helfen mit, dass Schleswig-Holsteins Minderheitenpolitik auch über unser Land hinaus positiv wahrgenommen wird. Ich glaube, gerade in dieser Zeit brauchen wir solche Positiv-Beispiele, Beispiele für ein friedliches Miteinander. Es ist eine Zeit, in der wir am Ende nichts anderes erleben, als dass in Europa neue Minderheiten ankommen, neue Minderheiten, um die wir uns zu kümmern haben, auf die wir einzugehen haben und für die wir Antworten zu finden haben. Das, was heute als Flucht beginnt und als Integration weitergeht, wird irgendwann in eine moderne Minderheitenpolitik münden.

Wenn es irgendwo klappen wird - davon bin ich sehr überzeugt -, wenn man es irgendwo hinbekommt, eine Antwort auf die Herausforderungen zu geben, dann hier bei uns in Schleswig-Holstein, wo es für uns normal geworden ist und zu unserer DNA gehört, dass wir in diesem Land anständig miteinander umgehen. Dass es gelungen ist, bald 50.000 Menschen bei uns aufzunehmen, ohne dass es zu Konflikten gekommen ist, hat, glaube ich, auch damit zu tun, dass wir in Schleswig-Holstein über alle politischen Gruppierungen hinweg eine gewachsene Kultur kluger Minderheitenpolitik haben, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir sehen mit Sorge und Schrecken auf das, was in der Türkei passiert. Wir sehen mit Sorge und Schrecken auf das, was in der Ukraine passiert. Wir sehen, dass dort Misstrauen und Vorurteile gerade zwischen Mehrheit und Minderheiten die Lage bestimmen. Auch deshalb, ohne irgendwie überheblich zu sein, wollen wir in Schleswig-Holstein weiter mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass im friedlichen Zusammenleben von Minderheiten und Mehrheiten eine große Chance für zukunftsfähige Gesellschaften, gerade eine große Chance für

(Ministerpräsident Torsten Albig)

eine zukunftsfähige europäische Gesellschaft liegt. Dass wir in einem Westbalkan-Projekt unsere Erfahrungen einbringen können, hilft vielleicht schon jetzt den Minderheiten dort, hilft vielleicht schon jetzt bei der Schaffung von Frieden mit unseren bescheidenen Maßnahmen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns weitermachen. Lassen Sie uns weiter Vorbild sein und zeigen, dass wir im Miteinander Stärke finden. Wir können stolz darauf sein, wie weit wir in Schleswig-Holstein gekommen sind. Der Minderheitenbericht, den ich Ihnen heute vorlegen darf, legt darüber beredtes Zeugnis ab. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, der Herr Ministerpräsident hat die vereinbarte Redezeit um 4 Minuten überzogen. Dies steht allen Fraktionen zu. Aber die Abgeordneten des SSW haben eine vom Ältestenrat genehmigte Redezeit von 10 Minuten. Herr Abgeordneter Lars Harms, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Fug und Recht kann man sagen, dass sich in der Minderheitenpolitik noch in keiner Wahlperiode so viel zum Positiven verändert hat wie in dieser Wahlperiode. Wir haben die grundlegenden Rechtsgrundlagen angepasst, und wir haben Regelungen für Dinge geschaffen, die über Jahrzehnte für Konfliktpotenzial gesorgt haben.

Die bedeutsamste Änderung war sicherlich die Reform der Landesverfassung. Die Reform war in vielerlei Hinsicht bedeutsam, aber eben auch für die Minderheiten. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sind die Sinti und Roma als hier heimische Minderheit in eine Landesverfassung aufgenommen worden. Aus meiner Sicht war das schon ein historischer Schritt, dem hoffentlich noch das eine oder andere Bundesland folgen wird.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt CDU und PIRATEN)

Berichtet man im Ausland von diesem Schritt, insbesondere in Osteuropa, dann erntet man oft ungläubiges Staunen, dass diese überall immer noch diskriminierte Minderheit gerade in einem deutschen Bundesland mit allen denkbaren Rechten

ausgestattet wurde. Es kann einen schon ein bisschen stolz machen, bei diesem wichtigen Schritt dabei gewesen zu sein und auch die Hand dafür gehoben zu haben.

Men ændringen af landsforfatningen har ikke kun haft en stor betydning for sinti/roma-mindretallet, men også for det danske mindretal. Gennem ændringen af landsforfatningen har vi løst et problem, der var meget betydningsfuld for generationer af mindretalsmennesker: nemlig de danske skolers ligestilling.

(Beifall SSW)

Über Generationen wurde die mal stärker und mal weniger stärker ausgeprägte Ungleichbehandlung der dänischen Schulen kritisiert. Über Jahrzehnte war es nicht möglich, hierfür eine für alle zufriedenstellende Lösung zu finden. Erst die Küstenkoalition hat eine solche Lösung mit den Schulen erarbeitet, und diese Lösung gilt in den Grundprinzipien auch für alle anderen Schulen in freier Trägerschaft. Wir haben diese Grundprinzipien im Schulgesetz festgeschrieben und diese schleswig-holsteinische Besonderheit auch in der Landesverfassung verfassungsrechtlich abgesichert. Damit ist klar, die dänischen Schulen werden auf die gleiche Art und Weise und in gleicher Höhe gefördert wie öffentliche Schulen. Dies ist ein riesiger Erfolg unserer Küstenkoalition, die endlich ein dauerhaftes Problem gelöst hat.

Ein dritter Punkt in der Landesverfassung war, dass wir auch den Friesischunterricht in einer Zielbestimmung mit aufgenommen haben. Bisher war nur der Schulunterricht für die dänische Minderheit in der Verfassung erwähnt. Nun haben wir explizit auch die Verpflichtung des Landes für die Erteilung von Friesischunterricht in die Verfassung aufgenommen. Hieraus entwickelt sich nun im Rahmen der Sprachenpolitik des Landes auch eine besondere Art der Förderung der friesischen Sprache an den Schulen. Bisher ist der Unterricht in friesischer Sprache freiwillig und ein zusätzliches Angebot, ohne immer richtig im Schulleben verankert zu sein. Jetzt sollen an den Grundschulen die Angebote ausgeweitet und dann in den weiterführenden Schulen verstetigt werden.

Hierfür werden die Schulen zusammengebracht, und auch der Status des Friesischen soll Stück für Stück aufgewertet werden. In dieser Wahlperiode haben die ersten Schülerinnen und Schüler auf Föhr ihr Abitur auch auf Friesisch abgelegt. Man sieht also: Da geht durchaus noch was.

(Ministerpräsident Torsten Albig)

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt auch für die ganz Kleinen. Mit viel Engagement haben viele Träger von Kitas die Minderheitensprachen in ihr Programm aufgenommen. Als Belohnung gab es aber meist nur ein Schulterklopfen. Das ist jetzt anders. Seit diesem Jahr werden Angebote in den Regional- und Minderheitensprachen in Kitas gefördert. Pro Gruppe gibt es bis zu 2.000 €. Der Gesamttopf hierfür beträgt 500.000 € jährlich. Damit können im Norden des Landes Kitas mit einem zusätzlichen dänischsprachigen oder friesischsprachigen Angebot gefördert werden. Wir wollen dabei nicht nur die bestehenden Angebote fördern, sondern, liebe Freunde, wir wollen, dass in den Kindergärten noch viel mehr Angebote in den Regional- und Minderheitensprachen gemacht werden.

Wir wollen auch, dass die Benutzung unserer Minderheitensprachen immer mehr zum Alltag unseres Landes dazugehört. Dabei geht man natürlich selbst mit gutem Beispiel voran. Wenn Kellner in unserem Land ihre Kunden in perfektem Dänisch bewirten können, warum sollten dann nicht auch Verwaltungen dänischsprachige Beschäftigte haben? Das macht Sinn für Kunden aus Dänemark - zum Beispiel Firmen, die sich hier ansiedeln wollen -, aber es macht eben auch Sinn, einheimische Menschen in ihrer eigenen Sprache zu bedienen. Das gilt natürlich auch für das Friesische oder für das Plattdeutsche.

Deshalb haben wir jetzt die gesetzlichen Grundlagen geschaffen, dass man dänisch- und friesischsprachiges Personal einstellen kann und dass die Sprachen auch in Verwaltungen offiziell genutzt werden können. Wir hoffen, dass möglichst viele Verwaltungen davon Gebrauch machen und so eine besondere Nähe zu ihren Kunden zeigen.

Am e spräke nuch mör tu wisen, hääwe we uk et friisk-gesäts änerd. Bloots wan en spräke oueråål brükd wårt än wan e spräke uk oueråål tu schüns as, koon e spräke lääwenti bliwe. Wan e spräke ingränsd wårt, as et jüstsü slam, as wan huum e spräke diräkt ferbiidje wörd. Deeram wan we sü maning möölikhäide, as et mån jeeft, brüke, am e spräke önj e öfentlikhäid tu brängen.

Mit der Anpassung des Friesisch-Gesetzes haben wir die Grundlagen dafür geschaffen, dass die friesische Sprache in Gerichten und Verwaltungen genutzt werden kann, dass die Sprache als Einstellungskriterium angewandt werden kann und dass

friesischsprachige Bedienstete im öffentlichen Dienst im Sprachgebiet eingesetzt werden können.

Herausragend sind aber zwei weitere Dinge, die wir in das Friesisch-Gesetz mit aufgenommen haben. Zum einen haben wir die Verpflichtung des Landes, die wegweisende Beschilderung in Nordfriesland zweisprachig auszuführen, aufgenommen. Das erste Schild ist vor Kurzem medienwirksam enthüllt worden, und weitere Schilder, die abgängige Schilder ersetzen sollen, sind in Auftrag gegeben. Wir haben für diese Maßnahme Geld im Haushalt bereitgestellt. Es ist damit zu rechnen, dass wir in naher Zukunft die gesamte wegweisende Beschilderung auf Zweisprachigkeit umgestellt haben werden. Das ist ein Meilenstein in der Minderheitenpolitik in unserem Land.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)