Ja, man kann die Industrie in Schleswig-Holstein unterstützen. Nein, man kann als Land nicht dafür sorgen, dass ein Unternehmen einen bestimmten Weg geht.
Warum ist das der falsche Weg? - Ein Beispiel aus Bayern: Als Frau Schickedanz und der Quelle-Konzern in Bedrängnis gerieten, hat die bayerische Staatsregierung 50 Millionen € Steuergelder in die Hand genommen, um noch einmal einen QuelleKatalog drucken zu können. Nur zu diesem Zeit
punkt - das war im Jahr 2009 - hat kein Mensch mehr Ware aus gedruckten Katalogen, sondern zu 95 % aus dem Internet bestellt. Von vornherein war klar, dass diese Investition das perfekte Beispiel für das Verbrennen von Steuergeldern war.
Was will ich damit sagen? - Der Staat ist gut beraten, wenn er Unternehmen keine unternehmerischen Entscheidungen abnimmt.
Die Einzigen, die sich heute noch über den QuelleKatalog freuen, sind die Recycling-Unternehmer, die bemängeln, dass zu wenig Quelle-Kataloge in den Papiertonnen landen, weil die Papierdichte zu gering ist, und zu viele Amazon-Kartons, die zu viel Papierdichte haben. Das war im wahrsten Sinne des Wortes Förderung für die Tonne.
Wir PIRATEN freuen uns, wenn Senvion in Husum weiter besteht und dort ein Reparatur- und Servicezentrum entwickelt. Dieses Zentrum muss sich aus unternehmersicher Perspektive von allein tragen. Leider ist der momentane Wahlkampf kein guter Berater. Jetzt hat der Überbietungswettbewerb angefangen, der darin münden wird, wer den Husumern die schönsten und prachtvollsten Blaues-vomHimmel-Sachen verspricht.
Die Frage ist jedoch: Wie nachhaltig ist das, hilft das den Senvion-Arbeitern auch noch am 8. und 9. Mai, wenn sich der Wahlsieger in seinem Erfolg wälzt? - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wird Sie sicherlich nicht verwundern, dass ich als Husumer Abgeordneter selbstverständlich gerade auch auf die Thematik Senvion besonders eingehen und darauf natürlich auch meinen Schwerpunkt legen werde. Allerdings möchte ich vorausgeschickt noch einmal deutlich machen, um einmal bei diesem Wirtschaftszweig Windenergie und erneuerbare Energien zu bleiben: Wenn man sich die Zahlen anguckt, stellt man fest, dass in unserer Re
gierungszeit die Zahl der Beschäftigten von 14.000 auf 18.000 hochgeschnellt sind. Das ist immerhin schon eine prozentual wirklich hohe Anzahl an Mitarbeitern, die wir dort mehr in unserer Regierungszeit haben schaffen können,
nicht nur wir allein, vornehmlich die Unternehmen. Das sage ich auch. Das ist auch gar keine Frage. Aber nur, um einmal die Bedeutung deutlich zu machen: In Nordfriesland sind es 6.000 Mitarbeiter, die dort in diesem Bereich beschäftigt sind. Das ist der größte Industriearbeitgeber, den wir in der Region haben. Ich glaube - weil immer vorgeworfen wird, die Infrastruktur würde nicht stimmen -, man muss sich auch einmal genau anschauen, was wir dort vor Ort alles haben und was dort alles gemacht wird.
Erstens. Wir haben gerade jetzt am vergangenen Wochenende die New Energy gehabt, die Messe in Husum - ein Riesenerfolg, ein dauerhafter Erfolg schon über Jahre. Wir haben eine nationale deutsche Windmesse, die regelmäßig alle zwei Jahre dort im Wechsel mit der internationalen Messe stattfindet. Ich kann mit Stolz sagen: Von den beiden Messen ist das die Messe, die besser läuft. Das ist die Messe, die ausgebucht ist. Das ist die Messe, die von den Herstellern frequentiert wird. Das ist die Messe, die wirklich erfolgreich ist. Vor dem Hintergrund können wir also auch dort gut sagen, dass es überhaupt kein Problem war, tatsächlich eine Zusammenarbeit mit den Hamburgern zu wagen und uns gegenseitig eben bei den Messeauftritten entsprechend zu unterstützen. Ich glaube auch: Wir in Husum werden von dieser Zusammenarbeit auch positive Effekte haben. Wir merken das jetzt schon an der Auslastung der Messe. Auch das kann nicht das große Problem sein.
Dann wird immer gesagt, es liege irgendwie an der verkehrsmäßigen Anbindung. - Wer jetzt nach Husum fährt, wird sehen können, dass die komplette Schienenanbindung des Ortes komplett neu gemacht wird. Dort ist DB Netz gerade dabei, sämtliche Schienen und Schienenwege auszutauschen und alles zu erneuern, damit es diesem Standort gutgeht. Wir haben am Anfang der Legislaturperiode Geld zur Verfügung gestellt und in Husum den Außenhafen, also den Hafen, wo eben auch die Firma Senvion liegt, ausgebaggert. Auch das ist geschehen. Da haben wir über 4 Millionen € hineingesteckt. Wir werden jetzt die B-5-Anbindung von Süden in Angriff nehmen, das heißt, das Stück zwischen Tönning und Rothenspieker soll in Kürze begonnen werden. Zwischen Rothenspieker und Husum, also
im Prinzip das Teilstück von der Eider bis nach Husum, soll planfestgestellt werden, sodass wir dort auch Perspektiven haben, dass das Ganze auch straßenmäßig besser angebunden wird.
- Ja, das wird auch Zeit, in der Tat, das wird Zeit! Aber die Firma weiß es, lieber Kollege Koch, das ist ganz wichtig. Die wissen: Sie kriegen eine ordentliche verkehrsmäßige Anbindung. Sie haben eine hafenmäßige Anbindung, die perfekt ist, und ich sage noch darüber hinaus: Auch flugplatzmäßig läuft es wunderbar. Wir haben in Husum-Schwesing einen Offshore-Flughafen, um eben auch im Offshore-Bereich Windmühlen entsprechend betreuen zu können. Wir haben das Gleiche in Sankt Peter-Ording. Das vergisst man immer gerne. Beide Standorte sind übrigens auch für die Luftrettung ausgerüstet, sodass wir da auch auf der sicheren Seite sind. Bei allem, was Luft-, Wasser- und Landanbindung angeht, haben wir nahezu perfekte Zustände. Daran kann es also auch nicht liegen.
Schauen wir uns einmal die Breitbandsituation an. Als Husumer kann ich sagen: absolut perfekt, funktioniert wunderbar. Auch die Firma hat nie darüber geklagt, brauchte sie auch gar nicht. Die Anbindung ist wirklich hervorragend.
Auch das Ausbildungsniveau ist absolut klasse. Wir haben super Techniker, die perfekt in der Lage sind, dort die Arbeiten, die notwendig sind, auch zu verrichten. Die sind hochqualifiziert, bestens ausgebildet, im Übrigen im dualen Ausbildungssystem. Das funktioniert also auch. Die machen auch nicht alle Abitur und sind trotzdem gut. Auch daran kann es nicht liegen.
Woran liegt es dann? - Der Kollege Tietze hat es gerade eben schon einmal gesagt: Die kriegen einfach den Hals nicht voll. Wir schreiben dort bei Senvion mit dem Werk schwarze Zahlen, und das reicht diesem Konzern nicht. Deswegen zieht er die Mitarbeiter dort ab. Deswegen verfrachtet er alles nach Portugal, weil er dort noch mehr Gewinn machen kann, weil dort die Lohnkosten geringer sind. Das ist der Grund, warum das eben geschehen ist,
und nicht die Infrastruktur, nicht die Politik der Landesregierung, sondern es ist die Politik des Unternehmens Senvion, die dazu geführt hat, dass die Leute dort ihren Arbeitsplatz verlieren sollen.
(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist es! - Christopher Vogt [FDP]: Dann muss man die Nachteile ausgleichen! - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Löhne runter, das ist Ihr Vorschlag! - Christopher Vogt [FDP]: Nein, eben nicht! - Weitere Zurufe)
Das ist der Kern, meine Damen und Herren. Das ist der Kern. Nun können wir hier lange lamentieren, ob diese Entscheidung des Unternehmens klug oder nicht so klug ist. Das ist anscheinend Teil der Globalisierung. Das habe ich zu akzeptieren. Ich kann es nicht ändern. Das weiß ich, weil ich nicht in dieses Unternehmen nicht eingreifen kann.
Das Einzige, was wir machen können - das tut der Wirtschaftsminister -, ist, dass man versucht zu retten, was zu retten ist, indem man einfach einmal die Beteiligten an einen Tisch holt, indem man Gespräche führt, indem man vermittelt, indem man versucht, den Leuten klarzumachen, dass dieser Standort trotzdem eine Zukunft haben kann, auch wenn man möglicherweise keine 2-MW-Anlagen mehr baut, aber indem man beispielsweise ein Reparatur-, Wartungs- und Servicezentrum dort weiterbetreibt, indem man dort durch diese Maßnahmen eben auch versucht, diesen Standort zu erhalten. Das ist die Aufgabe der Landesregierung, und dieser Aufgabe ist man sofort am ersten Tag nach Bekanntwerden dieser Entscheidung von Senvion nachgegangen. Ich finde, es ist wichtig, dass man das noch einmal sagt.
Meine Damen und Herren, natürlich reden wir über die Industriepolitik. Natürlich gibt es auch andere Bereiche der Industriepolitik, die eine Rolle spielen. Wir haben beispielsweise bei uns an der Westküste Brunsbüttel sehr stark ausgebaut, im Übrigen auch vor dem Hintergrund der Windenergie, aber auch vor dem Hintergrund der Chemiepolitik. Wir haben eine enge Hafenzusammenarbeit mit Hamburg etabliert - zum ersten Mal. Das hat ewig lang gedauert, bis man das hinbekommen hat.
Man hat jetzt natürlich auch vonseiten der Regierung angefangen zu schauen: Kann man auch dort alle Kräfte zusammenbinden? Es ist doch nicht die Regierung selbst, die die Leute in der Industrie einstellt, sondern es ist die Regierung, die moderiert, die Leute an einen Tisch bringt, Gewerkschaften, Unternehmerverbände. Genau das ist getan worden. Man hat in Arbeitsgruppen 29 Handlungsempfeh
lungen ausgearbeitet. Jetzt kommt die Zusage: Ja, wir wollen diese Dinge Schritt für Schritt mit euch zusammen umsetzen. Besser kann man es eigentlich gar nicht machen.
Nun noch einmal nach Husum zurück: Ich glaube, es ist weiterhin wichtig, dass wir da im Gespräch bleiben. Ich glaube, es ist auch wichtig zu schauen, ob man versucht, die 100 Beschäftigten, deren Arbeitsplatz möglicherweise wirklich massiv bedroht ist, wenn keine anderen Lösungen gefunden werden, in irgendeiner Art und Weise weiter unterzubringen. Auch das ist im Übrigen eine Aufgabe des Konzerns, es ist eine Aufgabe von Senvion. Auch darauf muss man sie hinweisen, dass es hier gesetzliche Regelungen gibt, die einzuhalten sind. Da spielt dann auch der Sozialplan eine Rolle, da spielen Kündigungsfristen eine Rolle, da spielen Abfindungen eine Rolle. Ich glaube, da ist noch viel zu tun. Auch da muss man den Leuten von Senvion vielleicht einmal klarmachen, worum es hier eigentlich geht.
Aber egal, was am Ende dabei herauskommt: Ich finde, die Beschäftigten, die dort eine super Arbeit geleistet haben, haben es verdient, dass wir sie unterstützen. Das muss eigentlich die Botschaft sein, die heute rausgeht.
Ich will noch einmal vorlesen, was die Beschäftigten uns allen per E-Mail geschrieben haben. Ich will nicht den ganzen Text lesen. Den haben Sie ja gelesen. Ich finde, viel wichtiger ist das, was am Ende des Textes steht. Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Botschaft. Dort haben uns die Betriebsräte uns geschrieben: Wir danken Ihnen auch ganz herzlich dafür, dass Sie sich fraktionsübergreifend für uns einsetzen und keinen Wahlkampf auf unseren Rücken austragen. Ihre Einigkeit macht uns stärker, denn die nächsten Wochen werden schwer für uns und unsere Familien. - Genauso ist es. Wir müssen einig hinter den Beschäftigten stehen. Die Landesregierung tut das, diese Koalition tut das, und ich hoffe, auch die Kolleginnen und Kollegen von der Opposition tun das, damit wir den Leuten helfen können. Darum geht es, und es geht nicht um Wahlkampf. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich knüpfe an das an, was der Kollege Harms am Ende sagte: Selbstverständlich stehen wir alle hinter den Mitarbeitern der Firma Senvion.
- Von mir aus auch davor! Uns allen ist auch bewusst, in welch schwieriger Situation sie sind. Die örtlichen Politiker haben sich alle auch mit den Mitarbeitern unterhalten. Es ist unsere Verantwortung, ihnen zu helfen.
Selbstverständlich hat auch die Landesregierung das Gespräch mit der Firma Senvion gesucht, um nach Lösungen zu suchen. Mit Verlaub: Das ist die Aufgabe der Landesregierung, das ist ihr Job! Dem ist sie nachgekommen. Nichtsdestotrotz reden wir heute über Industriepolitik, und wir reden nicht allein über Senvion. Deshalb mache ich hier einen Schnitt.