Protocol of the Session on March 22, 2017

Selbstverständlich hat auch die Landesregierung das Gespräch mit der Firma Senvion gesucht, um nach Lösungen zu suchen. Mit Verlaub: Das ist die Aufgabe der Landesregierung, das ist ihr Job! Dem ist sie nachgekommen. Nichtsdestotrotz reden wir heute über Industriepolitik, und wir reden nicht allein über Senvion. Deshalb mache ich hier einen Schnitt.

(Peter Eichstädt [SPD]: Interessant!)

Natürlich dürfen wir Senvion nicht für Wahlkampf missbrauchen, aber Herr Kollege Hölck, Ihre Aussage war für mich der Anlass, mich noch einmal zu melden. Wenn wir einen Schritt weitergehen - der Kollege Harms hat es eben angesprochen -, müssen wir dafür sorgen, dass Mitarbeiter der Firma Senvion, die keine Anschlussverwendung in einem weiteren Betrieb finden, woanders Arbeit bekommen. Dafür brauchen wir Firmen an der Westküste, die diese Arbeitsplätze auch bereitstellen können. Diese Firmen wiederum sind ganz wesentlich von der Verkehrsinfrastruktur der Region abhängig.

(Beifall CDU)

So wunderbar, wie Kollege Harms gerade das Bild für Husum gemalt hat - dahinter mache ich ein Fragezeichen -, ist das beileibe nicht an der ganzen Westküste. Vor dem Hintergrund, Herr Kollege Hölck, finde ich es regelrecht zynisch zu sagen, Verkehrsinfrastruktur ist nun auch nicht das Maß aller Dinge. Für uns an der Westküste ist das so. Vielleicht sollten Sie sich dort einmal mit Unternehmerinnen und Unternehmern unterhalten, mit Firmeninhabern, die zum Teil wirklich allein aus regionaler Verbundenheit ihre Firmen noch in Nordfriesland haben und nicht aus wirtschaftlichen Überlegungen. Aber das ist auch keine Garantie für

(Lars Harms)

die Zukunft. Das heißt: Wir brauchen dringend eine funktionstüchtige Verkehrsinfrastruktur. Deshalb, mit Verlaub, ist das für uns sehr wohl das Maß aller Dinge.

Dass Minister Meyer nach nunmehr fünf Jahren letzte Woche zu dem Schluss kommt: Wir müssen Planungsverfahren beschleunigen - ja, willkommen im Club. Das hätten wir Ihnen schon vor fünf Jahren sagen können. Es wäre für uns an der Westküste ausgesprochen hilfreich gewesen, wenn Sie diese Erkenntnis vor fünf Jahren schon begonnen hätten umzusetzen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Bernd Heinemann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zeiten, in denen Arbeiterführer aufgehängt wurden, sind ja zum Glück vorbei. Deswegen ist es lediglich ein Bild, das an den Laternen hängt.

Aber ich möchte noch einmal etwas zum Inhalt sagen. Hier geht es um Wohnungsbaupolitik in der Kommune. Dort, wo die Sozialdemokraten gemeinsam mit den Grünen und dem SSW Wohnungsbaupolitik gestalten, kehrt man wieder zurück zum kommunalen Wohnungsbau, zur eigenen kommunalen Wohnungsbaugesellschaft. Es werden jährlich 800 Wohnungen in Kiel gebaut. Diese neuen Entschlüsse, die in dieser Wahlperiode im Rathaus beschlossen worden sind, machen es einem auch leichter, an einer Laterne zu hängen und zu sagen:

(Zuruf CDU)

Wir treten ein für soziale Gerechtigkeit und für kommunalen Wohnungsbau. Das werden wir auch in Zukunft weiterhin gemeinsam mit Rot, Grün und Blau in Kiel tun. Deswegen, glaube ich, brauchen wir uns nicht zu verstecken, sondern können uns gerne an die Laterne hängen und sagen: Wir sind für soziale Gerechtigkeit!

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

Das möchte ich gern zur Korrektur des Vortrages eines gewissen Herrn König hier sagen. - Danke schön!

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen der Abgeordneten sehe ich nicht. Dann hat das Wort für die Landesregierung der Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie Reinhard Meyer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Harms hat das Schreiben des Betriebsrats von Senvion zitiert, das Ihnen allen zugestellt worden ist. Ich kann ihnen nur beipflichten. Wenn die Mitglieder von Senvion diese Debatte verfolgt hätten, hätten sie sich gefragt: Was ist da eigentlich gesprochen worden in unserem Interesse? Nämlich zu vermeiden, dass man auf ihrem Rücken tatsächlich Wahlkampf macht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Frau Damerow, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das geradegerückt haben. Was Ihr Fraktionsvorsitzender hier erzählt hatte, war eine Wahlkampfrede. Sie hatte im Übrigen auch wenig mit Industriepolitik zu tun.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Ihre ei- genen Leute!)

Wir haben eine Situation bei Senvion, die wir, und das habe ich in der Öffentlichkeit immer wieder gesagt, schwer beeinflussen können und die ein harter Schlag ist für die Region. Das stellt niemand infrage. Aber es ist vor allen Dingen ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die über Jahre gute und harte Arbeit in Husum bei Senvion geleistet haben. Insofern kommt es jetzt darauf an, natürlich mit diesen Betroffenen, mit den Beschäftigten, mit dem Betriebsrat die Gespräche zu führen und das Beste aus der Situation herauszuholen. Genau das tun wir, meine Damen und Herren.

Wir haben sofort am letzten Donnerstag das Gespräch mit den Betroffenen gesucht. Ich war gestern erneut im Husumer Rathaus und habe mit den Betroffenen gemeinsam beraten, wie wir damit umgehen. Ich war gestern Abend persönlich bei Herrn Geißinger in Hamburg, um auch über die Situation zu sprechen und insbesondere dafür zu werben, dass wir es schaffen, dass Husum - wenn es nicht ein Produktionsstandort bleiben kann - zumindest ein Service- und Reparaturstandort bleibt mit dem Label „Senvion in Husum“. Das muss un

(Astrid Damerow)

ser Ziel sein in dieser Situation, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir werden übrigens am 27. März 2017, am kommenden Montag, zusammen mit der IG Metall, mit allen Standorten einen Runden Tisch in Hamburg haben, zu dem auch die Brandenburger und die Bremerhavener dazukommen, um gemeinsam zu beraten, wie wir weitermachen.

Ich will im Übrigen daran erinnern, dass Senvion noch mehr Standorte in Schleswig-Holstein hat, über 1.000 Arbeitsplätze, insbesondere in Osterrönfeld. Gestern Abend gab es die klare Zusage von Herrn Geißinger, dass Osterrönfeld, wo Entwicklung stattfindet, als Standort auch für die nächsten Jahre sicher ist. Das nützt in Husum nichts, aber das ist wichtig, weil Senvion in Schleswig-Holstein bleiben wird. Insofern müssen wir erreichen, dass es in Husum weitergeht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Übrigens, bei all diesen Gesprächen, meine Damen und Herren, gab es ein Wort, das niemand in den Mund genommen hat, nämlich dass die B 5 irgendetwas damit zu tun hätte. Ich habe vom Bundestagsabgeordneten Liebing gehört, dass Senvion deswegen aus Husum weggeht. Was für ein Blödsinn, mit Verlaub, meine Damen und Herren.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Natürlich ist die Infrastruktur wichtig für den Standort Schleswig-Holstein; keine Frage. Aber wir werden auch bei der B 5 vorankommen. Ich werde auch Anfang April wieder in der Region sein und darüber informieren, wie wir das machen. Herr Arp, bevor Sie darauf antworten: Da werden wir natürlich auch über die Geschichte der Planung der B 5 reden. Da haben wir alle gemeinsam Verantwortung.

(Zuruf SPD: Genau!)

Sie tun immer so, als wäre es diese Landesregierung. Ich fühle mich manchmal als Reparaturbetrieb für die CDU und was in den letzten Jahren alles verbockt worden ist.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Sie kriegen ja auch nichts gebacken!)

Meine Damen und Herren, wenn wir über Industriepolitik reden, dann könnte man sagen: Der Fall Senvion führt dazu, dass es mit der Windenergie schwierig ist in Schleswig-Holstein. Ich sage es sehr deutlich: Jetzt erst recht!

Wir müssen, und das übrigens gemeinsam mit der Landesregierung, mit dem Kollegen Robert Habeck, die Chancen der Energiewende nutzen, nicht nur, um wie ein Entwicklungsland den Rohstoff sauberen Strom abzutransportieren, sondern um Wertschöpfung, um Arbeitsplätze zu schaffen. Geht man zur New Energy in Husum - sie wurde schon erwähnt -, sieht man all die Möglichkeiten für die Zukunft eines industrie- und energiepolitischen Standortes Schleswig-Holsteins, der ganz weit oben sein kann, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vor allen Dingen ist das nachhaltige Wertschöpfung. Wir ergänzen das durch Innovationsförderung, durch Stärkung des Mittelstandes, durch Verbesserung des Technologietransfers, durch die Neuausrichtung der Cluster-Politik mit den Schwerpunkten Ernährungswirtschaft, maritime Wirtschaft, erneuerbare Energien, Life-Sciences, digitale Wirtschaft.

Meine Damen und Herren, natürlich war Schleswig-Holstein in einem industriepolitischen Tiefschlaf. Das kann man gern beklagen. Aber wir, diese Landesregierung, haben diesen Tiefschlaf beendet, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD und SSW)

Wir haben die Eckpunkte einer neuen industriepolitischen Strategie verabschiedet. Wir haben sie vorgelegt. Wir haben gemeinsam mit starken Partnern das „Bündnis für Industrie“ gegründet. - Das hätten Sie alles tun können.

Wir haben die zwei großen industriepolitischen Kongresse in Büdelsdorf und jetzt vor Kurzem in Kiel veranstaltet. Wir haben die Aufgaben für Industriepolitik in einem Referat im Wirtschaftsministerium gebündelt. Ja, und wir haben 29 konkrete Handlungsempfehlungen im „Bündnis für Industrie“ verabschiedet, die wir in den nächsten Jahren da können Sie sicher sein - auch umsetzen werden.

(Vereinzelter Beifall SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, Sie haben mich auf konkretes Handeln angesprochen. Ich möchte Ihnen ein paar Punkte nennen, wo die Landesregierung in den letzten Jahren konkret gehandelt und wie das

(Minister Reinhard Meyer)

funktioniert hat. Wir haben bei der Flensburger Schiffbaugesellschaft einen strategischen Investor gefunden, der den Standort gesichert hat, der den Werftenstandort Flensburg auch in der Zukunft weiter voranbringen wird. Dazu haben wir auch persönlich Gespräche - der Ministerpräsident und ich - in Oslo mit den Investoren geführt. So machen wir Industriepolitik, meine Damen und Herren. Sie können das heute in Flensburg besichtigen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir reden über Investitionen am Standort Brunsbüttel: LANXESS hat gerade bekannt gegeben, 15 Millionen € investieren zu wollen. Von Covestro war schon die Rede. Aber wer war vor drei oder vier Jahren genau an den Standorten dieser Unternehmen, in Leverkusen und Köln? - Das waren der Ministerpräsident und ich. So macht man Industriepolitik.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)