Protocol of the Session on March 22, 2017

Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Vorgänge um die Schließung des Standortes Husum des Windenergieunternehmens Senvion machen fassungslos. Dabei geht es nicht nur um das Was, sondern auch um das Wie. Es geht darum, wie mit dieser Krise umgegangen wird.

Ist es das Ergebnis von Globalisierung? - Ja. Ich frage mich: Ist es der Ausverkauf eines traditionellen Windanlagenherstellers? Droht der Windenergiebranche das gleiche Schicksal wie der Solarbranche? Stehen wir erst am Anfang? - Ich gebe zu, ich war vielleicht etwas naiv. Ich habe immer gedacht, die Unternehmen der Windkraftbranche sind eigentlich die Guten.

(Thomas Hölck)

(Christopher Vogt [FDP]: Das war in der Tat Quatsch!)

Aber nach den Vorgängen gerade um Husum stelle ich fest: Dem ist nicht so.

Das ist bitter für den Standort; denn er ist ideal am Hafen gelegen. - Ich komme gleich noch auf die Infrastruktur zu sprechen. Es ist bitter für die Belegschaft; denn sie hat hervorragende Arbeit geleistet. - Ich war selbst am Montag zwei Stunden bei der Betriebsversammlung und habe viel mit den Leuten gesprochen. Dies sind engagierte, sehr kompetente Menschen. - Es ist bitter für die Wirtschaft. Was mich richtig wütend macht, ist die Respektlosigkeit der Unternehmensführung gegenüber den Menschen. Das konnte man überall in der Belegschaft hören. Es ist geradezu feige und charakterlos, wenn man als Unternehmensleitung, als Management, nicht einmal zur Betriebsversammlung kommt und es den Menschen erklärt. Niemand war da; 150 Leute waren wütend.

Ich will auch sagen: Die Unternehmensvertreter konnten beim Treffen am Vortag der New Energy, am Donnerstag, dem Minister und dem Bürgermeister auf Nachfrage nicht einmal sagen, wie viele Menschen am Standort Husum arbeiten. Das wussten die Delegierten der Geschäftsleitung nicht. Das ist eine Schande, finde ich. Dies ist eine organisierte Verantwortungslosigkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich möchte auch noch einmal über das Prinzip der Hedgefonds sprechen. Herr Kubicki, bei den Hedgefonds sind Sie ja Spezialist.

(Christopher Vogt [FDP]: Was soll das denn heißen?)

Keine Investition, keine Innovation! Unternehmen werden wie eine Zitrone ausgequetscht, Kapital wird aus dem Unternehmen herausgenommen. Das ist eine Art von Wirtschaft, die Menschen und Unternehmen kaputtmacht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Was hat Herr Kubicki damit zu tun?)

Ich will Ihnen auch noch einmal etwas zu Ihnen, Herr Kollege Günther, sagen. Sie haben an diesem Pult eine billige Vorstellung gegeben. Das war Dampfplauderei, lieber Herr Günther, und zwar par excellence.

(Lebhafter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Sie werfen der Regierung vor, sie kümmere sich nicht. Tatsächlich ist es aber so: Wenn man am Vorabend dieser Krise im Maschinenraum steckt, sich die Hände schmutzig macht, mit Leuten redet und versucht, etwas für die Belegschaft herauszuholen, dann hat man vielleicht keine Zeit, wohlfeile Regierungserklärungen zu schreiben. Da ist man nämlich bei der Problemlösung.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Ach, hör doch auf! - Zurufe CDU)

Lieber Herr Kollege Günther, diese erschreckende Unkenntnis der Infrastruktur! Mir haben die Mitarbeiter auf Ihre Presseerklärung hin und auch in Bezug auf UV Nord gesagt, es sei im Grunde genommen nicht die Infrastruktur.

Erstens. Gerade als die Rader Hochbrücke nicht funktionierte, war Husum der Standort mit Hafenanschluss, wo diese Großkomponenten, 37 t schwere Gondeln, über den Wasserweg nach Brake abgefahren wurden. Das war die einzige Infrastrukturchance, diese Komponenten überhaupt zu transferieren. Die Belegschaft sagt, dies sei ein idealer Standort für das Unternehmen.

Zweitens. Schauen wir uns doch einmal die Verlagerung nach Portugal, nach Oliveira de Frades an. Ich habe es mir angeschaut. Es liegt in der Mitte von Portugal, 200 km von Porto entfernt, hat keinen Wasseranschluss und übrigens auch eine schlechte Infrastruktur.

Nein, es ist keine Logistikentscheidung gewesen. Es geht einzig und allein um Lohnkosten.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

33 € in Husum, 13 € in Portugal. Das ist der Grund, warum sich das Unternehmen entscheidet, nach Portugal zu gehen. Es geht nicht darum, ob die Infrastruktur gut ausgebaut ist.

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

Selbstverständlich bin ich der Auffassung, dass man die B 5 ausbauen muss. Ja, richtig: Man muss sie schnell ausbauen, man muss sie gut ausbauen. Das ist doch gar keine Frage. Wir in diesem Hause stehen einstimmig dahinter.

Lieber Herr Kollege Günther, Sie drücken sich. Sie sind nicht bei den Menschen gewesen, Sie haben nicht den Kontakt zu den Menschen gesucht. Sie stellen sich hier hin, und das, was Sie sagen, klingt in den Ohren der Familien, die jetzt vor einer Kündigung stehen, wirklich wie Hohn.

(Dr. Andreas Tietze)

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aber das ist noch nicht das Schlimmste. Wenn Sie sich hier hinstellen und über den Ministerpräsidenten so despektierlich reden, wie Sie das getan haben, dann sollten Sie sich einmal fragen, welche Charaktereigenschaften man braucht, um Ministerpräsident zu sein. Sicherlich muss man empathiefähig sein, und sicherlich muss man in einer solchen Situation ein bisschen Mitgefühl für die Menschen vor Ort haben.

(Lebhafter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW)

Am Vorabend der Wahl würde man sagen: 6, Setzen!

(Zurufe CDU und FDP)

Was ist also zu tun? Genau das, was Herr Meyer macht. Er moderiert, er versucht, die Unternehmen zusammenzubringen, herauszuholen, was geht, und er unterstützt vor allen Dingen die Konzepte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der engagierten Leute vor Ort. Er stärkt sie und sagt: Ich stehe auf eurer Seite, und wir kämpfen gemeinsam für das, was am Standort geht.

Unterstützung ist hier angesagt, und es gilt natürlich auch, den Servicestandort zu erhalten. Es erschließt sich doch nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn jetzt hundert Leute von Husum nach Schleswig fahren sollen, während die gesamten Anlagen an der Westküste liegen. Das ergibt doch keinen Sinn. Unternehmensvertreter konnten auf diese einfache Frage keine Antwort geben. Das zeigt doch, dass man sich nicht wirklich interessiert, dass man nicht wirklich an Problemlösungen interessiert ist.

Man muss jetzt sehen, dass man die Unternehmerschaft unterstützt, dass man den Infrastrukturstandort Husum stärkt, dass das Thema Service auf der Agenda steht und dass wir große Vorteile an der Westküste haben. Wir reden überall im Land über den Fachkräftemangel. Man muss einfach sehen, dass wir hier diese Fachkräfte, die Mechatroniker, haben.

Lassen Sie mich noch eines sagen. Es war besonders wichtig, dass die Ausbildung der jungen Mechatronikerinnen und Mechatroniker nicht beendet wird. Es muss ein wichtiger Punkt bleiben, dass sie ihre Ausbildung beenden können. Das hat zum Beispiel Herr Minister Meyer, aber auch Bürgermeister Schmitz gesagt. Es muss darum gehen, diesen jungen Menschen eine Perspektive zu bieten.

Was ist das für eine Art, wenn wir ihnen jetzt sagen: Ihr müsst eure Ausbildung abbrechen, weil wir einen Standort schließen? - Soweit darf es nicht kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns nicht im Zuschauerraum bewegen, dass wir vor Ort sind, dass wir das unterstützen, was möglich ist.

Ich möchte mich ausdrücklich bei Herrn Minister Meyer bedanken. Wenn man vor Ort mit den Mitarbeiterinnern und Mitarbeitern spricht, so setzen die Menschen auch eine Hoffnung auf Sie, Herr Minister. Ich habe auch mit Bürgermeister Schmitz darüber gesprochen, lieber Herr Minister Meyer: Es darf jetzt nicht auch noch darum gehen, dass man das Gelände schnell verschachert und Kasse macht.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Man muss auch ordnungspolitisch gegenhalten und sagen: Wir werden planungsrechtliche Schritte einleiten, damit das Unternehmen jetzt nicht auch noch die Immobilien verschachert. Nein, hier muss ein Interessenausgleich stattfinden, und dieser Interessenausgleich muss von uns in der Politik solidarisch unterstützt werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will noch etwas zur Zeitplanung sagen. Auch sie macht fassungslos. Da kommt ein Unternehmensvertreter daher und sagt der Belegschaft: Zwischen dem 15. und 19. Mai ist hier Schluss! - Sie müssen sich einmal vorstellen: eine Unternehmensführung, die das Betriebsverfassungsgesetz nicht kennt, die Recht und Gesetz in Deutschland nicht kennt und nicht weiß, dass das gar nicht geht!

Es muss ein Sozialplan verhandelt werden. Es geht um tarifrechtlich gesicherte Arbeitnehmerrechte. Ich bin stolz darauf, dass wir als Koalition Arbeitnehmerrechte in Deutschland gestärkt und nicht geschwächt haben. Dass so etwas möglich ist, habe ich mir nicht vorstellen können. Dass man einer ganzen Belegschaft 70 Tage gibt, um sie abzuwickeln, das ist respektlos, das ist unfair und eine unmögliche Art.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Lieber Herr Kollege Günther, verzeihen Sie mir, dass ich das doch noch einmal sage. Die Belegschaft hat gesagt: keine billige Parteipolitik.

(Dr. Andreas Tietze)

(Christopher Vogt [FDP]: Ja, genau!)

Ich habe hier keine billige Parteipolitik gemacht.

(Widerspruch)

- Ich lasse mich mit diesem Vorwurf nicht konfrontieren! Herr Kubicki, sprechen Sie einmal mit den Leuten, setzen Sie sich einmal in Bewegung, und erklären Sie nicht nur wohlfeil von dieser Stelle immer allen, wie die Welt funktioniert! Kommen Sie einmal nach Husum, reden Sie mit der Belegschaft, erklären Sie das einmal den Menschen! Das wäre einmal etwas.