Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Günther, Herr Kollege Vogt: „Wollen reicht nicht. Man muss es auch können.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Erstes möchte ich dem Betriebsrat von Senvion, dem Bürgermeister der Stadt Husum und dem Wirtschaftsminister Reinhard Meyer dafür danken, dass sie sich sofort um die Arbeitsplätze in Husum bemüht haben. Es ist entscheidend, dass man sich direkt vor Ort kümmert, statt hier im Hause Polemik zu betreiben.
Die Firma Senvion hat bisher 2-MW-Windkraftanlagen produziert. Dieser Markt ist in Deutschland zum Erliegen gekommen. Das ist nachvollziehbar, wenn man weiß, dass in den letzten sieben Jahren nur 300 Windkraftanlagen an Land dazugekommen sind. Kleinere Anlagen wurden durch größere, leistungsstärkere ersetzt, und die Produktion der 2-MW-Anlagen wird im Ausland fortgesetzt. Daraus nun abzuleiten, dass die Industriepolitik der Landesregierung daran schuld sei, ist abstrus, meine Damen und Herren.
Sie betreiben hier Polemik auf dem Rücken der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und das ist unerträglich.
Der Betriebsrat hat an uns alle appelliert, fraktionsübergreifend den Menschen dort zu helfen und keinen Wahlkampf auf dem Rücken der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu betreiben.
Senvion wurde 2015 von einem Hedgefonds gekauft, von Centerbridge Partners übernommen. Dieser Fonds ist bekannt dafür, Tochtergesellschaften rüde zu behandeln. So war es auch: Da ist jemand mit dem Hubschrauber eingeflogen, hat eine PowerPoint-Präsentation gezeigt, und plötzlich standen 150 Menschen vor der Arbeitslosigkeit. Das ist eine Entscheidung der sozialen Kälte, ohne Verantwortung für die Menschen, und das ist zu verurteilen.
(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Das ist natürlich unheimlich hilfreich!)
dann wüssten Sie, wie viel in Schleswig-Holstein gerade im Bereich der Industriepolitik geht. Gucken Sie einmal nach Brunsbüttel, in das Industriegebiet Brunsbüttel. Da kandidiert ja der Kollege Kumbartzky, der auf sein Auto schreibt, er sei der Beste für Dithmarschen. Das kann man bezweifeln.
(Christopher Vogt [FDP]: Kommt bei Ihnen außer Polemik noch etwas anderes? Immer- hin können Sie Plakate lesen!)
Die Firma Covestro baut die Schaumstoff-Komponente MDI aus. Das ist eine Investition im Umfang eines dreistelligen Millionenbetrages. Gucken Sie sich einmal die Industrieinvestitionen je Beschäftigten an. Da gibt es eine wunderbare Statistik. Das Internet vergisst ja nichts. Die Investitionen pro Beschäftigten lagen in Schleswig-Holstein im Jahr 2014 bei 7.192 €; im Jahr 2010 waren es 6.759 €.
Es gab auch schon einmal ein Jahr, 2008, da waren die Investitionen höher als 2014. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass die Verkehrswege nicht so entscheidend sind, wie Sie es uns vormachen wollen.
Schauen Sie sich einmal den Anstieg der Zahl der Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien an: 2013 16.000 Arbeitsplätze, 2015 18.400 Arbeitsplätze. Ist das nichts?
In den letzten Jahren wurden über 80.000 neue Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein geschaffen. Ist das nichts?
(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW). Beim Breitbandausbau sind wir Spitzenreiter. Ist das nichts? (Thomas Hölck)
Gucken Sie sich die Bevölkerungsprognose für Schleswig-Holstein an: Bis 2020 wird es 50.000 Menschen mehr in diesem Land geben. Bis 2030 werden über 150.000 neue Wohnungen gebraucht. Hier geht was in diesem Land. Ist das nichts?
(Christopher Vogt [FDP]: Ich hoffe, dass die Mitarbeiter von Senvion das sehen! - Zuruf: Hören! - Christopher Vogt [FDP]: Sehen reicht schon!)
Was muss getan werden? Es muss eine Entwicklung dafür in Gang gesetzt werden, dass Husum ein zentraler Standort für die Reparatur und Wartung von Windenergieanlagen werden kann. Ein Servicezentrum muss dort entstehen.
Man kann auch darüber nachdenken, dort ein Recycling von Windkraftanlagen vorzunehmen. Ferner muss es eine Entwicklungsstrategie geben, um 3-MW-Anlagen produzieren zu können. Repowering und Neuinstallationen in Schleswig-Holstein schreien regelrecht danach, diese Anlagen dort zu produzieren.
Aber man braucht auch Planungssicherheit. Ein Investor in Amerika, verantwortlich für einen Hedgefonds, will wissen, ob die Windenergie in Schleswig-Holstein in Zukunft ausgebaut wird. Deshalb fordere ich die CDU auf, ihren Schlingerkurs in diesem Bereich einzustellen; denn dieser führt zur Planungsunsicherheit.
(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Christopher Vogt [FDP]: Wir sind nicht auf einem Gewerkschaftskongress!)
Ich will zum Schluss noch eines sagen. Ich habe früher einmal sechs Monate in einer Firma gearbeitet, die insolvent war.
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dann haben Sie in Ihrem Leben schon einmal gearbeitet, Herr Kollege Hölck?)
(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das unterscheidet ihn von anderen! - Weitere Zurufe SPD - Wolfgang Kubicki [FDP]: Außerhalb des Parlaments würden Sie doch gar keine Be- schäftigung finden, Herr Stegner!)
Aber darüber zu lachen, wenn Menschen aus ihrer Erfahrung berichten, wie es ist, in einer insolventen Firma zu arbeiten, ist polemisch, das gehört eigentlich nicht in diese Debatte. Es ist ein mieses Gefühl, wenn man denken muss, man könnte am nächsten Tag arbeitslos sein. Das ist schwer zu ertragen. Ich kann nachvollziehen, wie sich die Menschen dort oben in Husum fühlen.
Deshalb appelliere ich an die Verantwortlichen in Amerika: Lassen Sie die Menschen in Husum nicht allein. Geben Sie ihnen eine Chance. Die haben sie verdient. Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern will ich sagen: Wir sind an Ihrer Seite, die Landesregierung auch. - Herzlichen Dank.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Vorgänge um die Schließung des Standortes Husum des Windenergieunternehmens Senvion machen fassungslos. Dabei geht es nicht nur um das Was, sondern auch um das Wie. Es geht darum, wie mit dieser Krise umgegangen wird.