Protocol of the Session on January 26, 2017

Wir lernen das Motto: Wenn Ihnen das Projekt politisch nicht passt, dann gibt es rechtliche Bedenken, wenn es Ihnen in den Kram passt, dann ist das alles nicht mehr so wichtig.

(Christopher Vogt)

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal was zur Elektrifi- zierung! Null!)

Meine Damen und Herren, dass es beim Ausbau und der Modernisierung des Streckennetzes des SPNV noch sehr viel Luft nach oben gibt, ist unstrittig.

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dreckschleudern!)

Ich wundere mich aber sehr darüber, dass regierungstragende Fraktionen - Herr Dr. Tietze, genau genommen Ihre Fraktion - über S-Bahn-Verbindungen von Lübeck und Kiel nach Eutin fantasieren, während Sie die bisherigen S-Bahn-Projekte nicht energisch vorantreiben.

(Vereinzelter Beifall CDU, PIRATEN und Beifall Anita Klahn [FDP])

Gerade bei der Planung der S 21 mit Hamburg - das mag vor allem an Hamburg liegen; aber da regiert ja, wenn ich es richtig weiß, auch Rot-Grün - geht es nur im Schneckentempo voran.

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Postfaktisch!)

Und da wird auch noch eine grottenschlechte Informationspolitik betrieben, was die betroffenen Anwohner angeht. Da werden die Gärten weggenommen, weil das nächste Gleis hinzukommt, und mit den Anwohnern wird nicht vernünftig gesprochen.

(Anita Klahn [FDP]: Deswegen geht es nicht weiter!)

Ehrlich gesagt finde ich das sehr fragwürdig und auch nicht besonders geschickt.

Unabhängig von dem mangelnden Ehrgeiz bei der S 21 versprechen die Grünen den Bürgern gleich mehrere neue S-Bahnen, wobei, Herr Dr. Tietze, Sie offenbar nur einen bestimmten Takt meinen und gar nicht wirklich S-Bahnen, wie man sie eigentlich versteht.

(Zuruf Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Insofern ist es auch eine Mogelpackung, die Sie im Landtagswahlkampf versprechen. Sie haben Ihr Konzept vorgelegt, was im Wesentlichen nicht neu, sondern abgeschrieben ist. Sie versprechen S-Bahnen, wo gar keine geplant sind.

Unser Bundesland ist vergleichsweise ländlich geprägt. Der ländliche Raum ist auf einen funktionierenden ÖPNV angewiesen. Aber einen wirklich flä

chendeckenden öffentlichen Nahverkehr sicherzustellen, ist nahezu unmöglich.

Nur am Rande erwähnt: Der ÖPNV arbeitet fast im gesamten Landesgebiet nicht kostendeckend, sodass massive Zuschüsse nötig sind, um das bisherige Angebot aufrechterhalten zu können. Die im Antrag versprochenen Bürgerbusse sollten aus meiner Sicht auch keine etablierten und bestehenden Linien ersetzen - ich hoffe, da sind wir uns einig -, sondern müssen stets eine sinnvolle Ergänzung zum bestehenden öffentlichen Nahverkehr darstellen. Sie sollten sich an den bestehenden Verbindungen orientieren und gute Umsteigemöglichkeiten zu bestehenden Bus- und Bahnlinien bieten. Wo bisher keine Bahnlinien sind - da gibt es doch einige Lücken im Schienennetz unseres Landes - und wo Bedarf vorhanden ist, sollte meines Erachtens auch zukünftig verstärkt auf Schnellbusse gesetzt werden. Das wird jetzt zwischen Brunsbüttel und Itzehoe gemacht. Ich hoffe, Herr Kollege Kumbartzky, dass das auch angenommen wird und ein paar Brunsbütteler mit dem Bus fahren.

(Beifall Oliver Kumbartzky [FDP])

Aber, Herr Dr. Tietze, ich glaube, wir dürfen auch nicht nur über neue Bahnstrecken und Reaktivierungen sprechen, sondern wir müssen auch schauen, wo man sinnvollerweise Schnellbusse einsetzen kann. Das ist - so glaube ich - eine pragmatische Lösung.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und SSW)

Es wurde mehrfach angesprochen: Es gibt einen einstimmigen Landtagsbeschluss zum Nordtarif. Da waren Sie ein bisschen überrascht, dass wir dem zugestimmt haben. Ich muss ganz ehrlich sagen - es ist schon ein paar Monate her -: Ich habe immer noch nicht genau gehört, was der Nordtarif eigentlich sein soll. Die Idee fanden wir sympathisch, wir haben gesagt: Das finden wir gut, dem stimmen wir zu. Jetzt macht mal!

Herr Dr. Tietze, ich habe weder von Ihnen noch vom Kollegen Vogel und schon gar nicht vom Verkehrsminister gehört, was der Nordtarif eigentlich genau sein soll, wie das eigentlich genau aussehen soll. Deswegen freue ich mich auf die Rede des Ministers und erwarte, dass er uns endlich einmal erklärt, wie der Nordtarif denn genau aussehen soll

(Beifall FDP, CDU und Uli König [PIRA- TEN])

und wie Sie Hamburg dazu bringen wollen, das mitzumachen. Auch Niedersachsen muss dabei sein, sonst macht es wenig Sinn. Herr Meyer, ich

(Christopher Vogt)

freue mich wirklich darauf, wie Sie uns gleich erklären, wie das laufen soll.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Machen wir uns nichts vor: Das ist wirklich eine fette Nebelkerze für den Wahlkampf, weil Sie ein Problem besonders im Kreis Steinburg haben, weil dort alle mittlerweile in den HVV-Bereich wechseln wollen, was ich gut verstehen kann und was wir auch unterstützen. Herr Dr. Tietze, man muss sagen: Die eigenen Leute gehen Ihnen da auch von der Fahne. Gerade für die Sozialdemokratie ist das in Steinburg natürlich ein Problem. Nun hat die SPD-Kreistagsfraktion - die sind auch findig - vorgeschlagen -

(Zuruf Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

- Herr Dr. Tietze, der Kreispolitiker von uns beiden sind ja Sie. Sie sind der Kreispolitiker.

(Zurufe Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Wolfgang Kubicki [FDP])

Ich habe auch überhaupt nichts gegen die Kreispolitik in Steinburg, aber die SPD in Steinburg ist so verzweifelt, dass sie als Kreistagsfraktion jetzt vorgeschlagen hat, dass der Kreis komplett den HVVBeitritt bezahlen soll, damit das Land da rausgehalten wird. Sie erzählen hier, wie viele Millionen Euro Sie über das Land verteilen wollen. Für Steinburg bleibt nichts übrig, sodass die so verzweifelt sind, dass sie schon die Landesaufgabe übernehmen wollen. Also wirklich!

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Wie können Sie Ihren Steinburger Kollegen das antun, meine Damen und Herren?

Es ist wirklich sehr erfreulich, dass wir über deutlich mehr Regionalisierungsmittel verfügen können - wie jedes andere Bundesland auch. Das eröffnet große finanzpolitische Spielräume. Wir wollen wie gesagt - vor allem Qualitätsverbesserungen.

Lassen Sie mich abschließend noch sagen: Das Semesterticket finden wir ganz toll, das unterstützen wir auch ausdrücklich.

Aber ich finde es erstaunlich, dass wir heute in 10 Minuten Redezeit pro Fraktion über den Nahverkehr sprechen und Sie - auch nicht Sie, Herr Dr. Tietze, als Sylter - keine Silbe darüber verloren haben, was für Probleme wir in der Realität und in der Praxis haben und wie der Nahverkehr im Land aussieht und funktioniert. Sie wissen doch genau,

was auf Sylt zurzeit los ist: 4.500 Pendler müssen dort mit uralten, grottigen Zügen auskommen. Um diese Probleme sollte sich der Minister kümmern und nicht irgendein Wolkenkuckucksheim aufbauen, das nach dem Wahlkampf nicht aufrechterhalten werden kann.

(Beifall FDP und CDU)

Für die Piratenfraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Uli König das Wort.

(Zuruf Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Tietze, Herr Vogel, ich finde es total super, dass Sie hier vollmundig den Nordtarif angekündigt haben. Wenn Sie meine Zwischenfrage zugelassen hätten, hätte ich Sie an dieser Stelle gefragt: Wann kommt er denn, wann können wir denn mit dem Nordtarif hier fahren?

(Beifall PIRATEN und vereinzelt CDU - Zu- ruf Sandra Redmann [SPD])

Ich wäre da sehr neugierig. Das wäre auch vielleicht für die Bürgerinnen und Bürger für die Wahlentscheidung eine interessante Aussage: Ist es nächstes Jahr der Fall? Ist es in zehn Jahren der Fall? Ist es in hundert Jahren der Fall? Im Moment scheint mir das mit den hundert Jahren noch am realistischsten zu sein.

Meine Damen und Herren, fast jeder zehnte Zug in Schleswig-Holstein war 2016 deutlich zu spät. Besonders schlimm traf es die Strecken Kiel-Hamburg, Flensburg-Hamburg, die Marschbahn nach Sylt und Kiel-Eckernförde mit nur 66 % Pünktlichkeit. Diese Fakten zum Schienenpersonennahverkehr in Schleswig-Holstein stammen von NAH.SH. Insofern muss man eigentlich nicht mehr wissen, um zu sehen, dass die Landesregierung hier nicht ordentlich gearbeitet hat.

Über die Qualität haben wir da noch gar nicht gesprochen, aber wir alle haben ja den Brief der Sylter Bürgermeister und Pendler gelesen, in dem viel über die Qualität im SPNV in Schleswig-Holstein drin steht.

Dann lese ich Ihnen noch die Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage des Abgeordneten Thomas Rother aus dem Jahr 2002 zur Strecke Lübeck-Kiel vor. Da heißt es in der Antwort der Lan

(Christopher Vogt)

desregierung, die damals ebenfalls aus SPD und Grünen bestand: „Im Rahmen des … Nahverkehrsplans ist vorgesehen, die Reisezeit der Verbindung Kiel-Lübeck von 73 Minuten auf unter eine Stunde zu reduzieren …“

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Damit der Baasch endlich mal nach Kiel kommt!)