Protocol of the Session on January 26, 2017

(Christopher Vogt [FDP] begibt sich zu ei- nem Saalmikrofon)

- Herr Vogt, Sie haben gleich genug Gelegenheit, auf meine Rede zu antworten. Setzen Sie sich; Ihre Einlassungen zur Mobilität interessieren mich jetzt hier nicht.

Noch einmal: Wenn man das Konzept wirklich umsetzt, dann ist es ein Konzept, mit dem die Kommunen endlich die Möglichkeit bekommen, diese flexiblen Bedienformen vor Ort zu finanzieren. Wenn wir den Kommunen jetzt jährlich im Zuge der Dynamisierung 5 Millionen € geben, dann bedeutet das auch, dass sie selber entscheiden können. Wir wollen den Kommunen gar nicht vorschreiben, wie sie Innovationen in die Fläche bringen. Das sollen sie selber entscheiden. Sie sind da klug genug. Ich denke an Nordfriesland und andere Kreise. Wir haben sehr innovative Nahverkehrskonzepte im Land. Da müssen wir denen von oben nicht vorschreiben, wie Klimaschutz geht. Das wissen sie viel besser, meine Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Jetzt kommt ich zum letzten Punkt: der gordische Knoten der Tarife. Herr Kubicki, Sie sind ja immer so schlau. Wissen Sie eigentlich, wie viele verschiedene Fahrkarten es im Land gibt? Wissen Sie das?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein, das interes- siert mich auch nicht!)

- Das sollte Sie aber interessieren. Es gibt 1.312 verschiedene Fahrkarten. 1.312 verschiedene Fahrkarten! Ich sage Ihnen, da blickt keine Sau mehr durch. 1.312 verschiedene Fahrkarten heißt am Ende, dass das System der Tarife unübersichtlich und im Übrigen auch ungerecht geworden ist. Deshalb wollen wir das ändern. „Ein Norden, ein Tarif“ ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Konzeptes. Kein eingefleischter Autofahrer, lieber Herr Kollege Arp, steigt auf die Bahn um, wenn er spürt und sieht, dass man ihm bei den Tarifen kein verbindliches und besseres Angebot macht. Wir haben Übergangstarife, Netzsonderkarten, das HVV-Tarifgebiet. Sie haben das ja angesprochen. Wir haben eine so breite Landschaft des Tarifes, dass da keiner mehr durchblickt. Mir persönlich wird da schwindelig.

(Dr. Andreas Tietze)

Herr Abgeordneter, es gibt weitere Fragen.

Nein. - Die beste Fahrkarte zu kaufen, wird in Schleswig-Holstein zur Sisyphos-Aufgabe. Das, meine Damen und Herren, ist wirklich nicht Sinn und Zweck eines modernen Nahverkehrs. In Zeiten von Smartphones und von Digitalisierung ist dieses System dringend zu reformieren.

(Unruhe - Glocke Präsident)

Ich will auch noch einmal etwas zu der Grundannahme sagen, dass man eine Karte separat kauft und eine Bahncard haben muss. Da gibt es zum Beispiel so Blüten, dass manche Pendler sich eine Einzelfahrkarte kaufen, um die Gültigkeit ihrer Monatskarte zu erlangen. Ich habe mir das einmal angeguckt. Dieses System trägt nicht dazu bei, meine Damen und Herren, dass der öffentliche Nahverkehr attraktiv ist. Ich sage Ihnen: Es gibt Beispiele in anderen Bundesländern, in denen das besser gelöst ist. Wir haben einen Tarifdschungel. Das System ist intransparent. Es ist teuer, und es schreckt ab.

(Volker Dornquast [CDU]: Das hättest du fünf Jahre lang ändern können!)

- Ja, wir sind ja jetzt dabei, das zu ändern.

(Lachen und Beifall CDU und FDP)

- Entschuldigung! Sie wissen genauso wie ich, dass die finanziellen Spielräume in der Vergangenheit vieles nicht möglich gemacht haben. Eines will ich Ihnen sagen: Dass wir den jungen Menschen, den Studentinnen und Studenten, in Schleswig-Holstein jetzt 365 Tage 24 Stunden lang eine Karte anbieten, mit der sie von Flensburg bis Hamburg fahren können, ist ein Riesenerfolg. Das zeigt, dass wir wirklich den Nahverkehr für unsere jungen Leute innovativ im Blick haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Volker Dornquast [CDU]: Fünf Jahre lang nichts getan!)

40 % der Fahrten in Schleswig-Holstein sind Freizeitverkehre. Bei 31 % der Verkehre geht es um Besorgungen. Das heißt, wenn wir nach 9 Uhr Menschen auf die Bahn bekommen wollen - ich rede jetzt einmal über ein landesweites 9-Uhr-Ticket -, dann müssen wir entsprechende Ticketangebote schaffen und solche Tickets vielleicht zu einem Bürgerticket weiterentwickeln.

Wir müssen den Nahverkehr als Innovationsfaktor für unser Land sehen; denn nur dann, wenn er attraktiv ist, wenn jeder an seiner Haltestelle erkennt, dass er eine sinnvolle Einrichtung ist, werden die Leute ihn nutzen. Deshalb ist die Vision eines fahrscheinlosen Nahverkehrs für uns keine Utopie, mitnichten; wir arbeiten daran. Touristen fahren heute schon auf Kurkarten, Angestellte auf Jobtickets.

Meine Damen und Herren, wenn man einen Beitrag zur Abwendung der Klimakrise leisten will, dann ist der ÖPNV eine konstruktive Möglichkeit dazu. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Christopher Vogt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, es hat sich wirklich bewährt, dass wir eine Landtagssitzung direkt vor Listenparteitagen machen.

(Heiterkeit und Beifall FDP und CDU)

Herr Dr. Tietze, ich finde es wirklich schade, dass Sie erst auf Platz 10 kandidieren. Ich glaube, Sie sollten deutlich früher ansetzen. Aber das Problem ist, dass Sie jetzt schon Ihre Rede verballert haben. Ich glaube, Sie haben heute Morgen Ihre Reden verwechselt. Das war die für den Parteitag.

(Beifall FDP und CDU)

Sie passte nicht so richtig zu den Vorlagen, die wir heute diskutieren. Aber es war ja trotzdem ganz interessant. Toll fand ich: Sie waren so in Fahrt, dass Sie aus vier CDU-Verkehrsministern gleich sechs gemacht haben. Das ist erstaunlich.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Gefühlte sechs!)

Ich will jetzt keinen Faktencheck machen; dafür würden zehn Minuten nicht reichen.

Ich möchte vorweg sagen: Ich finde es als Verkehrspolitiker natürlich sympathisch, dass für den Bereich der Mobilität mehr Geld aufgebracht werden soll. Das passiert ja viel zu selten. Aber, Herr Dr. Tietze, Ihr großartiger Gesetzentwurf, den Sie uns kurz vor der Landtagswahl vorlegen und mit dem Sie ein Sondervermögen mit den wirklich bemerkenswerten Namen MOIN.SH auflegen wollen, ist in mehrerlei Hinsicht fragwürdig. Zum einen ist

mir, ehrlich gesagt, nicht so ganz klar, wer eigentlich die Sondervermögen kontrollieren soll. Offenbar wollen Sie dem Verkehrsministerium kurz vor der Wahl einen Blankoscheck ausstellen. Wir beraten den Gesetzentwurf ja noch im Ausschuss. Aber ich meine, es wäre das Mindeste, dass der Finanzausschuss die einzelnen Maßnahmen dann freigeben muss. Dass wir hier kurz vor der Wahl einen Blankoscheck ausstellen, ist, glaube ich, nicht angemessen.

Zum anderen frage ich mich auch, warum Sie eigentlich ein Sondervermögen nach dem anderen auflegen.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Ich stehe dem Instrument, ehrlich gesagt, sehr skeptisch gegenüber; denn Sondervermögen sind nichts anderes als Schattenhaushalte, die dazu dienen, die Schuldenbremse ein Stück weit zu umgehen. Insofern ist das ein fragwürdiges Instrument. Das hat mit Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit nichts zu tun. Daher sollten wir uns kritisch damit auseinandersetzen.

Gestern - ich erinnere Sie noch einmal daran - hat Herr Dr. Stegner gesagt, zum Thema CETA könne sich die Landesregierung vor der Wahl nicht mehr positionieren. Das wäre demokratisch unredlich. Dass Sie jetzt, vier Monate vor der Landtagswahl, ein Sondervermögen auflegen wollen, halte ich für ebenso fragwürdig. Deswegen sollten Sie das lassen. Das ist wirklich abenteuerlich.

Ich möchte gern auf die einzelnen Punkte Ihres begleitenden Antrages eingehen, den Sie uns vorgelegt haben. Das ist doch eher so eine Art schlecht gemachter Wahlkampfflyer, den Sie hier präsentiert haben. Wenn Sie uns nach knapp fünf Jahren eine Liste mit vollmundigen Ankündigungen vorlegen, ist das ja auch ein interessanter Arbeitsnachweis, Herr Dr. Tietze; das muss man auch einmal feststellen.

(Beifall FDP und CDU)

Herr Dr. Tietze, jetzt kommt der kleine persönliche Teil meiner Rede. Die FDP-Fraktion unterstützt das Anliegen, den Nahverkehr durch Innovationen attraktiver zu machen. Wir wollen auch, das künftig in allen Nahverkehrszügen in Schleswig-Holstein WLAN verfügbar ist, selbstverständlich. Ebenso halten wir es für richtig, dass mobile Ticketlösungen gefunden werden, die den Menschen den Zugang zum Nahverkehr deutlich erleichtern. Es ist in der Tat so eine Sache, wie das bisher läuft. Wir unterstützen auch die Forderung zum Ausbau der Bar

rierefreiheit. Das zusätzliche Geld vom Bund, das in der Tat sehr erfreulich ist, sollte auf jeden Fall für deutliche Qualitätsverbesserungen verwendet werden.

Allerdings - jetzt kommt es - muss man sich schon die Frage stellen, was denn da eigentlich genau die Aufgabe des Landes ist. Das ist ja durchaus eine Frage, mit der man sich auseinandersetzen sollte.

(Zuruf Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

- Darf ich vielleicht erst einmal weiterreden, Herr Dr. Tietze? - Sie müssen sich schon die Frage stellen, was eigentlich Aufgabe der Kommunen und was Aufgabe des Bundes ist. Ich möchte Sie an dieser Stelle an die Diskussion erinnern, die wir im Zusammenhang mit der Streichung der Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 60 Millionen € für den Ausbau der Hinterlandanbindung bei der festen Fehmarnbelt-Querung hatten. Die Koalition hat dieses Geld gleich zu Beginn der Wahlperiode ersatzlos gestrichen.

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fernverkehr!)

Es sollte ja vor allem die Kommunen unterstützen mit der Begründung

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beim Fernverkehr!)

- ja -, das sei rechtlich gar nicht möglich, das müsse weg.

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beim Fernverkehr!)

- Ja, beim Fernverkehr, Herr Dr. Tietze. Trotzdem müssen Sie schauen: Was machen Sie jetzt bei den Bahnhöfen, bei den Kommunen? Wofür geben Sie das Geld aus?

(Zuruf Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

- Ja, Herr Dr. Tietze, ich habe den Unterschied verstanden. Trotzdem werden Sie das rechtliche Problem haben, und Ihre Reaktion zeigt ja auch, dass Sie wissen, dass Sie da ein kleines Problem haben. Da werden wir ganz genau draufschauen. Noch einmal: Die parlamentarische Kontrolle bei diesen vielen Millionen €, die Sie Herrn Meyer jetzt bewilligen wollen, muss gegeben sein.

Wir lernen das Motto: Wenn Ihnen das Projekt politisch nicht passt, dann gibt es rechtliche Bedenken, wenn es Ihnen in den Kram passt, dann ist das alles nicht mehr so wichtig.