Protocol of the Session on January 25, 2017

(Beifall)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Burkhard Peters.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich vorneweg bei der antragstellenden Fraktion der PIRATEN bedanken. Einen schöneren Berichtsantrag hätten wir uns selbst nicht schreiben können.

(Dr. Ralf Stegner)

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Ich freue mich, Teil der Küstenkoalition zu sein und bedanke mich bei unserem Innenminister Stefan Studt, nicht nur für seinen Bericht, sondern auch für seine, unsere Flüchtlingspolitik. - Eine Politik, auf die wir in diesem Land stolz sein können, meine Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Und natürlich, liebe PIRATEN: Afghanistan ist kein sicheres Land. Das sagen wir schon lange, da müssen Sie uns auch nicht katholisch reden. Die Sicherheitslage ist in den letzten Wochen und Monaten sogar noch viel schlechter geworden. Es gibt keine Möglichkeit zur Rückkehr in Sicherheit und Würde. Das haben hier viele schon gesagt, und das kann man nur immer wieder wiederholen. Der UNHCR-Bericht vom Dezember 2016 ist in diesem Punkt so eindeutig wie nur irgendwas. Herr Günther, das ist nicht nur eine NGO, wie Sie irgendwo einmal gesagt haben, sondern das ist eine völkerrechtliche Institution, die für ihre hervorragende Flüchtlingsarbeit den Friedensnobelpreis bekommen hat.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Dabei wiederholt der UNHCR nur, was er und zahlreiche NGO schon lange sagen und was auch das Auswärtige Amt klammheimlich denkt, aber nicht durchzusetzen vermag.

(Wolfgang Kubicki [FDP] Warum das denn nicht?)

- Herr Kollege Kubicki, ein Blick in die Reisewarnungen zu Afghanistan auf der Homepage des Auswärtigen Amtes sagt uns alles über Afghanistan!

Das Auswärtige Amt muss Druck auf das Innenministerium in Berlin ausüben, nicht länger nach Afghanistan abzuschieben! Der Bund muss endlich seine Haltung zu Afghanistan revidieren! Die Haltung des Bundes und vor allen Dingen die des Herrn Bundesinnenministers ist zynisch. Sie dient nur dem populistischen Stammtisch und hat eine Logik, dass einem schwindlig wird.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Weil deutsche Soldatinnen und Soldaten vor Ort sind, können auch afghanische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger dorthin zurückkehren, so sagt es Herr de Maizière. Umgekehrt wird doch ein Schuh daraus: Sie können nicht dorthin zurück, gerade weil deutsche Soldatinnen und Soldaten da sind.

(Wolfgang Kubicki [FDP] Das ist schön! Dann nehmen wir sie wieder zurück!)

Die sind nämlich da, weil es dort gefährlich ist, weil dort Krieg herrscht. Dem Bericht zufolge ist das ,,gesamte Staatsgebiet Afghanistans von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt betroffen“, es gibt dort keine ,,sicheren Gebiete“. Der UNHCR warnt ausdrücklich davor, dass sich die Sicherheitslage außerdem stets ändern kann.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wohin dann?)

Stattdessen schwadroniert de Maizière von Zielgrößen und ergeht sich in der Vorstellung von medientauglich inszenierten Abschiebungen in Sammelfliegern.

Herr Günther, Sie haben vorhin erwähnt, dass wir einen Eritreer nach Eisenhüttenstadt gebracht haben. Vorgestern ist ein Flieger mit 26 afghanischen Staatsbürgern nach Afghanistan geflogen. Er wurde von 118 Bundespolizisten und einem Arzt begleitet. Dann wurde in Afghanistan, in Kabul, festgestellt, dass einer von den Abzuschiebenden so krank ist, dass er wieder zurückgeflogen werden muss. Kommen Sie also nicht mit dem Beispiel eines Eritreers aus Rendsburg/Eckernförde!

Wir haben ein gutes Abkommen mit Eisenhüttenstadt, dem Land Brandenburg. Dort stehen 108 Plätze praktisch ständig leer. Warum wir hier in Schleswig-Holstein für sehr viel Geld eine neue Abschiebehafteinrichtung einrichten sollten, müssen Sie mir auch einmal haushälterisch erklären.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

De Maizière ist sich auch nicht zu schade, das Attentat vom Breitscheidplatz in direkten Zusammenhang mit Abschiebungen nach Afghanistan zu stellen. Das hat er in einem Schreiben vom 9. Januar 2017 an die Innenminister der Länder getan. - Das ist Populismus.

Der Bundesinnenminister muss die tatsächliche Situation vor Ort endlich berücksichtigen und sein politisches Spiel beenden. Der UNHCR drückt es noch diplomatisch aus: Der UNHCR ist über die niedrige Schutzquote in der Bundesrepublik überrascht. - Ich möchte da noch einen Schritt weiter gehen: Das ist eine Schande!

Der Bund muss die Sicherheitslage in Afghanistan neu bewerten und Abschiebungen in das Land stoppen. Die Menschen aus Afghanistan brauchen nicht nur eine klare Bleibeperspektive, sondern eine echte Integrationsalternative.

(Burkhard Peters)

Soweit das möglich ist, macht das Land dies bereits vor. Unsere Sprachkurse und unsere Integrationsangebote stehen Menschen aus Afghanistan offen. Hier gilt es anzusetzen und das Angebot zu verstetigen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Noch ein öffentliches Wort an den Flüchtlingsrat und den Flüchtlingsbeauftragten: Sie begleiten unsere Arbeit kritisch, und das ist auch gut und richtig so. Seien Sie versichert, wir Grüne haben unsere Meinung zu Afghanistan nicht geändert. Wir delegieren unsere Verantwortung auch nicht auf den Bund.

Wenn wir den Bund auffordern zu handeln, dann, weil er in der Pflicht ist, seine Haltung zu revidieren. Unsere landesgesetzlichen Regelungen, Frau Kollegin Beer, unsere landesrechtlichen Möglichkeiten, sind gesetzlich extrem beschnitten. Ein Blick in das Aufenthaltsgesetz würde Ihnen die Augen öffnen, wenn Sie dies verstünden.

Angela Merkel muss von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und de Maizière zur Einsicht bringen. Die Situation in Afghanistan ist so fürchterlich, dass die Menschen dort unsere Hilfe brauchen. Sie haben ein Recht auf Schutz.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist grausam!)

- Ja, es ist grausam in Afghanistan! In der Tat, Herr Kubicki, das ist grausam!

(Unruhe)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Peters.

Wir brauchen eine Wiederaufnahme der Verfahren derjenigen, die schon lange hier sind und keinen positiven Bescheid erhalten haben, und wir brauchen einen Abschiebestopp.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Holen Sie Herrn Kretschmann zurück!)

Natürlich unterstützen ich und meine Fraktion sowie unser gesamter Landesverband die Haltung von Stefan Studt zu einem Abschiebestopp. Da kann „SPIEGEL ONLINE“ titeln, wie es ihm gefällt. Wir haben dazu eine ganz klare Haltung: Der Abschiebestopp muss kommen, auf jeden Fall der für drei Monate, noch besser ein bundesweiter Abschiebestopp.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Aber selbst, wenn der nicht kommen kann - wir Länder haben einen Spielraum, und den werden wir nutzen. Bislang kann uns die Bundesregierung nicht sicher zusagen, wie die angeblich sichere inländische Fluchtalternative von Kabul aus in die angeblich sicheren Regionen überhaupt erreicht werden soll. Die Wege dort sind alle massiv von Taliban und anderen bedroht.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Vielleicht in Ka- bul!)

- Nein, eben nicht! Die Straßen in diese angeblich sicheren Gegenden! Kabul ist von Binnenflüchtlingen so unglaublich überlaufen -

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie können in Kabul bleiben, oder nicht?)

- Sie können in Kabul bleiben? Dann schauen sie einmal, wie es in Kabul derzeit aussieht. Dort sind 102 Millionen Binnenflüchtlinge. Iran und Pakistan schicken zurzeit massiv Hundertausende Flüchtlinge zurück nach Afghanistan. Dieses Land ächzt extrem unter der Flüchtlingsnot. Da wollen Sie auch noch unsere wenigen Flüchtlinge hinschicken, die dort in eine völlig ungewisse Zukunft schauen?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Unsere wenigen Flüchtlinge! - Unruhe)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Peters.

Liebe CDU, lesen Sie diese Berichte eigentlich nicht? Sind Ihnen die Einschätzungen der Kirchen an dieser Stelle egal?

Selbst die Konrad-Adenauer-Stiftung äußert sich in einer Presseklärung vom 1. Juli 2016 mehr als deutlich und verweist auf die „mit nicht gekannter Heftigkeit“ entbrannten Konflikte in Afghanistan.

Die Lage vor Ort ist nicht sicher. Solange schieben wir nicht nach Afghanistan ab. Punkt.

Die FDP hat ihre einst edle liberale Rolle in der Flüchtlingspolitik längst aufgegeben. Ihr Antrag allerdings hält sich die Waage: Licht und Schatten. Die von Ihnen geforderte zentrale Abschiebebehörde gibt es doch längst. Herr Studt hat das hier deutlich gemacht. Faktisch werden Abschiebungen in Schleswig-Holstein bereits vom Landesamt für Ausländerangelegenheiten zentral koordiniert. Na

(Burkhard Peters)