Protocol of the Session on January 25, 2017

(Burkhard Peters)

türlich stimmen wir Ihrem Punkt „freiwillige Ausreise“ zu. Darüber hinaus haben wir im Aufenthaltsgesetz eine Rechtsgrundlage für eine Inhaftierung von Gefährderinnen und Gefährdern, nämlich über § 58 a Aufenthaltsgesetz. Was möchten Sie denn noch?

Noch zwei letzte Worte! Einer Wiedereröffnung der Abschiebehafteinrichtung in Rendsburg werden wir nicht zustimmen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wir haben eine gute Kooperation mit Brandenburg. Das ist für die wenigen Fälle, die wir hier im Land haben, völlig ausreichend. Sie müssen einfach zur Kenntnis nehmen: Die Anstalt in Rendsburg - ich war im Anstaltsbeirat - hatte 2014 nur noch zwei Personen, die dort einsaßen. Die Rechtsprechung des EuGH und des Bundesgerichtshofes haben dazu geführt, dass faktisch im Grunde genommen von den Ausländerbehörden keine erfolgreichen Anträge mehr gestellt werden konnten. Aus diesem Grund ist es ein Irrwitz, für die wenigen Menschen hier eine Abschiebehafteinrichtung einzurichten. Das ist wiederum reiner Stammtisch und Populismus.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wir werden der Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten nicht zustimmen. Auch hier suggerieren Sie, dass damit die Verfahren beschleunigt werden. Das stimmt nicht. Liegen Reisepapiere nicht vor, können Sie sich auf den Kopf stellen. Wir können das Land dann zehnmal zum sicheren Herkunftsland erklären. Es wird nicht schneller gehen. Seien Sie doch so ehrlich, und sagen Sie das den Leuten.

Als im Asyl- und Ausländerrecht ein wenig unterwegs seiender Rechtsanwalt kann ich sagen: Das Regime im Rechtsmittelbereich zwischen offensichtlich unbegründeten Asylanträgen, Dublin-Anträgen und Anträgen bezüglich Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern ist genau gleich. Es wird Sofortvollzug angeordnet. Man kann innerhalb einer Woche einen Antrag nach § 80 Absatz 5 VwGO stellen, wenn Sofortvollzug angeordnet ist. Das wird in aller Regel von den Gerichten abgelehnt.

Selbst wenn man die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt, wird keine Beschleunigung eintreten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dann macht es ja nichts aus!)

- Dann ist es aber nur symbolisch! Das ist genau das, was wir nicht wollen. Blödsinnige Symbolpolitik zugunsten des Stammtisches machen wir als Küstenkoalition nicht mit. - Danke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Afghanistan ist etwa so groß wie Deutschland und Polen zusammen. Mit fast 33 Millionen Einwohnern ist es vergleichsweise dünn besiedelt. Mehr als 70 % der Bevölkerung leben in ländlichen Gebieten. Fast drei Viertel der Oberfläche Afghanistans sind von jeglicher Nutzung ausgeschlossen. Das bringt wirtschaftliche und versorgungstechnische Probleme mit sich. Zudem ist die öffentliche Sicherheit seit Generationen nicht mehr vorhanden, und zwar nirgendwo in Afghanistan. Die Lebensbedingungen sind - vorsichtig gesagt - so schon schwierig. Dazu kommen der Krieg und der Terror.

Das Land Schleswig-Holstein wird keine Menschen in Länder zurückschicken, in denen Krieg und Terror herrschen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist daher für uns als SSW schlichtweg nicht nachvollziehbar, warum es sich der Bundesinnenminister derzeit anscheinend sehr einfach macht und sich auf ganze zwei kleine, angeblich als sicher geltende Regionen in Afghanistan bezieht. In Bamiyan und Panjshir werden keine größeren bewaffneten Konflikte ausgetragen - das ist richtig. Die Bedrohung von Leben ist allerdings auch dort gegeben. Auch der UNHCR geht davon aus, dass eine interne Schutzalternative, also Orte irgendwo im Land, an denen die Leute bleiben können, in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten - unabhängig davon, von wem die Verfolgung ausgeht, denn es gibt dort mehrere, die morden - nicht gegeben ist. Weiter sagt der UNHCR - das ist wichtig -, dass sich der Konflikt in den letzten Jahren zunehmend auf weitere Gebiete ausgeweitet hat.

(Burkhard Peters)

Das hängt auch mit dem Abzug von Militär zusammen. Das hängt auch mit dem Abzug von Bundeswehrsoldaten zusammen. Sie sorgen dort für Sicherheit. Ich sage ganz ehrlich: Wir unterstützen aus unserer Sicht die Soldaten dabei, dass sie dort für Sicherheit sorgen. Das gilt auch für die 1.000 Soldaten, die noch dort sind. Sie schaffen zumindest eine Grundlage dafür, dass es vielleicht irgendwann einmal besser werden kann.

Der UNHCR sagt dazu aber auch: Es ist nicht auszuschließen, dass auch die letzten zwei kleinen vermeintlich sichereren Gebiete irgendwann stärker von Krieg und Terror betroffen sein werden. Sie sind schon jetzt betroffen, aber sie werden dann noch stärker betroffen sein. In eine solche Region jetzt pauschal massenhaft Afghanen abzuschieben, ist unserer Auffassung nach völlig unverantwortlich.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, es ist richtig, es gibt vollziehbar ausreisepflichtige Menschen aus Afghanistan, wie es sie auch aus vielen anderen Gegenden gibt, Kollege Günther. Aber bevor diese Menschen tatsächlich abgeschoben werden, wird geprüft, ob dies für die Menschen in Sicherheit geschehen kann. Hier gibt es einzelne Probleme, es gibt gesundheitliche Probleme. Es gibt aber auch die Frage, ob das Land an sich sicher ist. Gilt dies nicht, dann ist es nicht nur ein Akt der Menschlichkeit, dass wir diese Menschen nicht zurückschicken, sondern es ist unsere verdammte Pflicht, diese Menschen zu schützen. Das gilt auch in der aktuellen Rechtsetzung, was ganz wichtig ist. Genau nach dieser handelt unser Innenminister.

Wir als SSW zweifeln im Übrigen auch nicht daran, dass Ausreisepflichtige grundsätzlich zurückgeführt werden müssen. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal deutlich machen. Jedoch entsteht derzeit vonseiten Berlins der Eindruck, als wolle man Abschiebungen um jeden Preis. Wer sich vor Augen hält, dass die Abschiebungen nach Afghanistan auf einmal - politisch bedingt - sprunghaft ansteigen, der fragt sich schon, warum das so ist. Es ist eine politische Haltung in Berlin, insbesondere die eines der dortigen Koalitionspartner, unbedingt abschieben zu wollen, um in irgendeiner Art und Weise ein Bild nach außen zu tragen. Ich glaube aber nicht, dass das das Bild sein muss, das wir gerade als Bundesrepublik Deutschland von uns geben sollten.

Meine Damen und Herren, Abschiebungen um jeden Preis müssen wir verhindern. Es sollten, und das ist - glaube ich - wichtig, mindestens vernünftige Rückführungsvereinbarungen mit den Herkunftsländern gelten. Wir haben derzeit zwar Vereinbarungen auf EU-Ebene, aber es macht sicherlich Sinn, sich gerade auch mit den Maghreb-Staaten darüber zu unterhalten, wie man die Leute in Sicherheit und Würde zurückschicken und ihnen vor Ort Perspektiven bieten kann.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Am besten mit ei- ner „TUI“-Pauschalreise!)

- Lieber Kollege Kubicki, dieses Ziel scheint beim Außen- und Innenministerium auf halber Strecke verloren gegangen zu sein. Es ist aber das eigentliche Hauptproblem. Es nützt nichts, populistisch zu sagen: „Sie sollen alle raus!“, wenn ich am Ende nicht in der Lage bin, sie entsprechend abschieben oder rückführen zu können. Das muss im Rahmen einer gemeinsamen Strategie der jeweils beteiligten Länder geschehen.

Die Bundesrepublik Deutschland stolpert in Bezug auf die Abschiebehemmnisse über ihre eigenen Füße. Dabei brauchen wir nicht mehr oder gar schärfere Gesetze. Abschiebehindernisse sind die eigentliche Krux. Sie sollten eigentlich im Zentrum der politischen Debatte stehen. Dabei will ich gar nicht bestreiten, dass es sich hierbei um ein hoch komplexes und auch problematisches Themenfeld handelt. Wenn man jedoch zurückschaut und einmal guckt, was in den letzten zwei Jahren alles vorangebracht wurde, dann bin ich zuversichtlich, dass auch die Abschiebehindernisse mit den einzelnen Staaten angegangen werden können. Von daher wäre es sicherlich förderlich, dieses Thema ganz oben auf die bundespolitische Tagesordnung zu setzen.

Humane Flüchtlingspolitik und Abschiebehaft passen aus unserer Sicht absolut nicht zusammen. Der Freiheitsentzug ist eine Strafe für Straftäter und nicht für Menschen, die Schutz vor Krieg und Terror suchen. Deswegen lehnen wir eine Abschiebehaft ab.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sieht nun die ehemalige Rechtsstaatspartei FDP anscheinend nicht so. Eine Abschiebehaftanstalt soll jetzt die Lösung sein, und sogenannte Gefährder sollen als Erste in Abschiebehaft kommen. Aber, meine Damen und Herren, wenn jemand ausreisepflichtig ist, dann ist er ausreisepflichtig, egal ob er Gefährder ist oder nicht. Es gelten dann schon

(Lars Harms)

alle asylrechtlichen Vorschriften. Eine Sonderregelung für Gefährder hätte also null Wirkung.

Lieber Kollege Kubicki, ich sage auch ganz klar an die FDP gerichtet: Das Asylrecht zu missbrauchen, um nicht verurteilte Menschen nur aufgrund eines Verdachts ins Gefängnis zu werfen, ist nicht zu akzeptieren.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- Dann gucken Sie in Ihren Antrag rein. Dort fordern Sie, das Asylrecht entsprechend anzupassen, sodass man Gefährder einknasten kann, ohne dass man in irgendeiner Weise nachweisen muss, dass sie etwas getan haben. Das ist nicht der Rechtsstaat, den wir hier vertreten. Das ist vielleicht Ihr neuer Rechtsstaat, aber es ist eben nicht unserer.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Straftäter, die Straftaten begangen haben oder in kriminellen Organisationen tätig sind, unterliegen dem Strafrecht und nicht dem Asylrecht, lieber Kollege Kubicki.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- Lieber Kollege Kubicki, es ist ein Grundsatz unseres Staates, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und dass man das Gesetz nicht so anpasst, dass nur eine bestimmte Gruppe in irgendeiner Art und Weise darunter zu leiden hat. Das ist mit uns nicht zu machen, lieber Kollege. Da haben wir einen Unterschied.

Meine Damen und Herren, zu Recht hat das Land eine zentrale Einrichtung geschaffen, die die Angelegenheiten einer humanen Rückführung bündelt, und eben keinen Abschiebeknast. Die Einrichtung in Boostedt stellt vor allem eine Entlastung für die Kommunen dar und letztlich auch für das Land. Die Entlastung wird geschaffen, indem man Asylbewerber mit geringen Bleibechancen erst gar nicht auf die Kommunen verteilt und indem man diejenigen, die ausreisepflichtig sind, dort unterbringt und ihnen Hilfe zukommen lässt. Somit bekommen wir es hin, dass diese Menschen in Ruhe darauf vorbereitet werden können, dass sie wieder nach Hause gehen müssen. Man kann in Ruhe gucken, ob es irgendetwas gibt, was man ihnen noch an Hilfe geben kann. Das kann manchmal eine Alphabetisierung in der eigenen Sprache sein, das können auch Möglichkeiten sein, ein Handwerk zumindest teilweise in der Zeit, in der man dort ist, zu erlernen. Es kann aber auch sein, dass Kinder einfach eine Betreuung bekommen. Auch das ist wichtig, und wir wollen versuchen, das dort zu gewährleisten. Deswegen

glaube ich, dass die Vorgehensweise des Herrn Innenministers genau richtig ist.

Herr Abgeordneter Harms, gestatten Sie eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

Selbstverständlich gern.

Lieber Herr Kollege Harms, da der Herr Alterspräsident hier bei Ihrer Rede und bei diesem Thema so hyperventiliert, möchte ich gern den Punkt darstellen, um den es hier eigentlich ging. Ich stimme Ihnen nämlich in der Sache ausdrücklich zu. Wir haben im Augenblick im Aufenthaltsrecht die Möglichkeit, Abschiebehaft für 18 Monate zu verhängen. Gefährder, denen zum Teil durchaus etwas vorgeworfen wurde, zum Beispiel, dass sie sich als Selbstmordattentäter gemeldet haben, sich in Waffenlagern haben ausbilden lassen oder andere Dinge verletzt haben, konnten deshalb nicht in Abschiebehaft bleiben, weil Richter gesagt haben: Wenn die Betreffenden in den nächsten drei Wochen nicht abgeschoben werden können, weil Papiere fehlen, dann müssen wir diese Personen auf freien Fuß setzen.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Herr Abgeordneter Kubicki!

- Sie merken, das Hyperventilieren hält an.

(Zurufe Wolfgang Kubicki [FDP])

Herr Abgeordneter Kubicki, lassen Sie doch bitte Herrn Abgeordneten Dr. Stegner etwas sagen. Anschließend können Sie sich gern zu Wort melden, wenn Sie mögen.

- Kollege Kubicki kann es so schwer ertragen, wenn man hier Fakten richtig darstellt. Also, Herr Kollege Harms, ich stimme Ihnen zu, dass die eigentlich ohnehin schon vorgesehenen Fälle so präzisiert werden müssen, dass solche Menschen nicht untertauchen können und dass die Bevölkerung vor ihnen geschützt wird. Das hat aber überhaupt nichts mit Veränderungen im Asylrecht generell zu tun. Da bin ich vollständig bei Ihrer Auffassung.

(Lars Harms)