Verehrte Kolleginnen und Kollegen, seit Monaten ist seitens der Hilfsorganisationen wie PRO ASYL, dem UNHCR, aber auch dem Flüchtlingsrat bei uns in Schleswig-Holstein dokumentiert, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan drastisch verschlechtert hat. Würde ich die Anzahl der Anschläge in Afghanistan aufzählen, wäre meine Redezeit nicht ausreichend. Deswegen zitiere ich an dieser Stelle nur Margot Käßmann, die vor einigen Jahren gesagt hat: „Nichts ist gut in Afghanistan.“ Dieser Satz trifft heute leider mehr denn je zu.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, am 13. Dezember letzten Jahres hat meine Fraktion den Berichtsantrag zur heutigen Debatte gestellt, weil die unklare Haltung unserer Landesregierung auf der einen Seite und der Wahlkampf der CDU und der FDP auf dem Rücken der Betroffenen auf der anderen Seite nicht akzeptiert werden können.
Wir haben unseren Berichtsantrag am 13. Dezember 2016 gestellt, weil wir wussten, dass am 14. Dezember 2016 die ersten Sammelabschiebungen aus Deutschland nach Afghanistan erfolgen sollten, so wie gestern auch. Dafür tragen die beteiligten Bundesländer und die Bundesregierung die Verantwortung.
Herr Studt, glauben Sie denn wirklich, dass Sie mit Interviews und darin geäußerten Unklarheiten die Sorgen und Ängste der Flüchtlinge, aber auch die ihrer Betreuer beseitigen können? Nein, das ist ignorant beziehungsweise arrogant, und beides zusammen ist inhuman und hat mit Würde gar nichts zu tun.
Deshalb stellen wir heute unseren Antrag für einen sofortigen Abschiebestopp zur Abstimmung. Die Betroffenen und die Betreuer brauchen einen Abschiebestopp nicht irgendwann, nicht, wenn sich andere Bundesländer oder der Bundesinnenminister neu positioniert haben, sondern jetzt.
Sie schreiben Briefe, die der Öffentlichkeit nicht bekannt sind. Sie sagen, Sie erwägen einen temporären Abschiebestopp für drei Monate, wenn bis Ende Januar 2017 keine Unterstützung der Bundesländer erfolgt. Aber was machen Sie nach dem April 2017? Schieben Sie dann wieder ab? Wo sind die Antworten auf die Unsicherheiten der Menschen, die jetzt vermehrt zu uns kommen und um Rat fragen?
Ich kann Ihnen nur eines sagen: Sorgen Sie dafür, dass Ihr Außenminister in spe - Herr Gabriel hat ja angekündigt, er wolle in der letzten Zeit der Koalition reisen - erst einmal nach Afghanistan fährt. Wobei ich sagen muss: Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes unter Verantwortung von Steinmeier mit deutlichen Reisewarnungen, Warnungen, dieses Land auch nur zu betreten, zeigt, dass das Auswärtige Amt wahrscheinlich nicht unser Hauptproblem ist, sondern de Maizière, der als Hardliner in der Asylpolitik bekannt ist.
Liebe Kollegen, in Anbetracht der Sicherheitslage in Afghanistan ist es auch unverantwortlich, dass 289 Jugendliche und Kinder aus Afghanistan, davon alleine 173, die jünger als 16 Jahre sind, nach geltender Rechtsregelung ausreisepflichtig und nicht von der derzeitigen Abschiebepolitik ausgenommen sind. Werte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, wenn Sie die Bedenken teilen, die Ihr Innenminister Studt hinsichtlich der Sicherheitslage in Afghanistan hat - das scheint ja so zu sein -, dann können und dürfen Sie nicht länger abwarten. Es ist doch schizophren, die dramatische Situation in Afghanistan zu beschreiben und zu sagen: Wir warten jetzt einfach einmal ab, bis etwas passiert, und sonst ziehen wir uns drei Monate heraus, ohne eine politische Konfrontation mit der Bundesregierung einzugehen.
Ich gebe dem Kollegen Stegner recht, der gesagt hat, Humanität sollte nicht Bestandteil eines Wahlkampfs sein. Deswegen fordern wir Sie auf, unserem Antrag heute zuzustimmen.
Die jetzige Debatte zeigt - das bedauere ich zutiefst -, dass humanitäre Anträge zum Schutz von Menschen, denen eine Abschiebung in ein Kriegsgebiet droht, wobei das ganze Land ein Kriegsgebiet ist, mit einer CDU-FDP-Debatte vermischt wird, die viel mehr mit Gefährdern, Terrorismus und anderem zu tun hat. Sie wollen diese Debatte mit Ihren absurden Forderungen nach der Errichtung eines Abschiebeknasts vermischen. Das zeigt, dass Sie nicht einmal am heutigen Tag bereit sind, Ihrem christlichen Auftrag nachzukommen.
- Es ist eben inhuman, Herr Kubicki, und leider auch wahltaktisch, dies in der heutigen Debatte zu vermischen. Die Situation in Afghanistan hat überhaupt nichts mit den Maghreb-Staaten und mit der Debatte über sicheren und unsicheren Staaten zu tun. Ich verstehe ja, dass Sie, als Sie den Antrag gestellt haben, einen Spaltpilz in die Koalition tragen wollten, weil auf Bundesratsebene nicht klar war, ob die Grünen umkippen oder nicht. Ihr Antrag, Herr Kubicki, ist nun obsolet. Die Grünen sind umgekippt; sie werden zustimmen. Das Einzige, was Sie jetzt noch machen können, ist, zu versuchen, im rechtspopulistischen Becken der AfD Wählerstimmen zu rekrutieren.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir heute über die Bedeutung der Begriffe „sicheres Land“ oder „sicheres Gebiet“ reden, so beziehe ich mich ausdrücklich auf Afghanistan und auf die Aussage des EU-Botschafters Franz-Michael Mellbin, der gegenüber dpa gesagt hat: „Hier herrscht Krieg“. Diese Ansicht wird durch die Liste der Anschläge, die allein in der „sicheren“ Hauptstadt Kabul verübt wurden, bestätigt.
Herr Innenminister, Sie haben sich auf die Berichte von UNAMA bezogen. Das begrüßen wir durchaus; denn das bedeutet, dass Sie zumindest mehr Realitätssinn haben als Herr Bundesinnenminister de Maizière. Aber dann, Herr Studt, erlassen Sie den Abschiebestopp jetzt. Wenn Sie wirklich diese Realität als Argument heranziehen, können Sie die
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, aber auch der FDP, ich erwarte mir durch diese Debatte eine Antwort auf die Frage, wie Sie Ihre heutige Haltung mit den Grundwerten oder mit der Charta der Menschenrechte vereinbaren können. Ich sage Ihnen: Damit Wahlkampf zu betreiben, ist Wahlkampf auf unterstem Niveau, und wir bedauern dies zutiefst.
Sie instrumentalisieren die Situation schutzbedürftiger Menschen, die vor Terroranschlägen, Mord und Vertreibung geflohen sind und auch heute noch fliehen.
Da frage ich mich auch, wo eigentlich die Glaubwürdigkeit der Grünen liegt. Ich zitiere: „Ja zu Abschiebungen nach Afghanistan“ - so äußerte sich der grüne Lokalpopulist Boris Palmer am 13. Januar 2017 auf Facebook. Für ihn ist es eine gute Nachricht, dass zehn von elf grünen Koalitionsparteien in den Landesregierungen den Vollzug von Abschiebungen nach Afghanistan bejahen.
Leider - da sind wir schon wieder bei Wahltaktik -, denn wer der Überzeugung ist, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, der sollte nicht CDU und CSU nach dem Mund reden und auch nicht der AfD,
Denn das ist dieser Artikel, auf den sich das BAMF bezieht und der Grundlage für die Inhumanität der Bundespolitik und zum Teil auch der Länder ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Grundgesetz ist seit 1993 sukzessiv auch unter Rot-Grün immer weiter ausgehöhlt worden. Schluss damit! Wir müssen wieder zur ursprünglichen Fassung - das heißt: Die Würde des Menschen ist unantastbar - zurückkommen.
die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklären und somit die Grünen als zuverlässigen Koalitionspartner der CDU in den Bundestagswahlkampf führen will, oder ob Flüchtlings- und Asylpolitik weiter ein Grundprinzip zumindest ihrer Landespartei in Schleswig-Holstein bleibt.
Die Situation in den Maghreb-Staaten ist vollkommen anders als das, was wir über Afghanistan besprechen. Es geht hier um politische und religiöse Überzeugung, Verfolgung aufgrund der sexuellen Identität oder der beruflichen Tätigkeit. Dort wird bedroht und verfolgt, und jeder hat hier bei uns das Recht zu einer Einzelfallprüfung, wenn er unsere Hilfe anfordert.
Ich glaube, dass es vollkommen überflüssig ist, wenn die FDP jetzt - durch die Vermischung einer wichtigen Debatte über humanitäre Abschiebepolitik und einem Stopp nach Afghanistan mit anderen Dingen hier versucht, sich als Law-and-Order-Partei zu profilieren. Das sollten Sie anderen überlassen.
Stefan Studt - das möchte ich zum Schluss zitieren sagt in einem Gastbeitrag, dass eine gute integrationsorientierte Aufnahme von Flüchtlingen und die Wahrung der öffentlichen Sicherheit kein Gegensatz seien. Liebe Kollegen, jetzt liegt es an uns, statt voreilig Menschen in das Kriegsgebiet Afghanistan abzuschieben, diese Flüchtlinge in unserem Land zu integrieren und, Herr Studt, eine Zukunft in Frieden, Freiheit und Sicherheit zu bieten. - Danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Frage, ob rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan abgeschoben werden können und dürfen, ist die Beurteilung der Lage in diesem Land - darüber werden wir hoffentlich noch Einigkeit erzielen - von ausschlaggebender Bedeutung. Herr Stegner hat gestern in den „Kieler Nachrichten“ seine Antwort auf diese Frage gegeben: Afghanistan zähle nicht zu diesen Ländern.
Eine andere Einschätzung, Herr Kollege Stegner, gab vor fünf Wochen - das ist nicht lange her - der SPD-Abgeordnete Niels Annen, als der Deutsche Bundestag am 15. Dezember 2016 über die Verlängerung des Afghanistan-Mandats für bis zu 980 Bundeswehrsoldaten beriet und dann abstimmte. Herr Annen, der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, erklärte laut Plenarprotokoll des Bundestages, Seite 20.950: