Für die Gedenkstättenarbeit haben wir in den vergangenen Jahren viel getan, besonders wenn man bedenkt, von welcher Basis wir ausgegangen sind.
Wir haben ein Landesgedenkstättenkonzept erarbeitet, das erstmals eine landesweite Verständigung auf inhaltliche und strukturelle Entwicklungen einer Erinnerungskultur gestattet und so auch zur Weiterentwicklung der Gedenkstättenarbeit beiträgt. Wir verstehen dieses Konzept als Zwischenschritt, nicht als Endpunkt. Denn die Gedenkstätten und historischen Lernorte sollen gerade - und das bewirken sie auch - Gespräche initiieren, sie bewirken Fragen und Assoziationen sowie Auseinandersetzungen. Sie sollen das selbstständige Denken und Urteilen fördern. Gerade heute brauchen wir das Wissen, und wir brauchen die Vermittlung, wir brauchen zeitgemäße Vermittlungsformen. Auch das alles ist Teil unseres Gedenkstättenkonzeptes, meine Damen und Herren.
Die im Auftrag des Landtages erstellte Studie zu der Kontinuität nach 1945 und auch die von mir vorhin erwähnte Einzelfallstudie zur SchlussstrichPraxis in NS-Verfahren der 1960er-Jahre stehen in diesem Zusammenhang gewissermaßen als notwendige wissenschaftliche Ergänzung. Das Gedenkstättenkonzept mit seinem breit angelegten Bildungsansatz fungiert also als Grundlage für die Forschung und rückt mit den so erzielten Ergebnissen unsere politische und gesellschaftliche Verantwortung immer wieder ins heutige Bewusstsein.
An dieser Stelle möchte ich auch gern in Erinnerung rufen, dass es schon in den 1980er- und 1990er-Jahren Forschung zur NS-Kontinuität in Schleswig-Holstein gegeben hat. So hat sich zum Beispiel Dr. Klaus-Detlev Godau-Schüttke, seinerzeit Richter am Landgericht Itzehoe, mit der Frage der Landesjustiz in der Nazizeit und den Folgen nach 1945 eingehend befasst. Sein Werk „Ich habe nur dem Recht gedient“ von 1993 ist mittlerweile ein Standardwerk. Er hat damals seine Arbeit trotz großer Widerstände begonnen. Auch das gehört dazu: 1988 wurden die politischen Weichen mit dem neuen Justizminister Klaus Klingner neu gestellt. Mit ihm bekam Herr Godau-Schüttke die politische Unterstützung, aber in der Justizverwaltung dauerte es noch, bis diese Unterstützung auch dort klar und deutlich formuliert wurde.
Maßgeblich ist aus meiner Sicht zum Beispiel die Errichtung des Mahnmals vor dem OLG-Gebäude in Schleswig, das Mahnmal des Gehängten. Es ist 1993 entstanden, weil sich dort eine Arbeitsgruppe aus der Justiz kommend mit dem Zustandekommen dieses Mahnmals befasste. Das war das
erste Mal, dass die Justiz selbst die Befassung gewollt hat, und sie hat dann dieses Mahnmal aufgestellt.
Wir haben also couragierte Menschen gehabt, die diesen Weg der Aufklärung gegangen sind. Was wir heute mit dem Landesgedenkstättenkonzept und auch mit der Studie des Landtages haben, ist der politische Aufschlag; die politische Verantwortung wird dadurch deutlicher. Die Gedenkstättenarbeit und diese Aufklärungsarbeit werden zurück in den politischen Raum geholt. Wir alle wissen, dass es nur so gehen kann.
Meine Damen und Herren, ein Letztes: Wir haben unsere Gedenkstättenarbeit in den letzten Jahren auch kontinuierlich finanziell gestärkt: von 2012 mit 40.000 € jetzt auf 300.000 € erhöht. Ich kann es der CDU-Fraktion nicht ersparen, dass ich sage: Für mich ist es wirklich deprimierend, dass in den Haushaltsberatungen von Ihnen der Vorschlag kam: Wir reduzieren diese Mittel wieder auf 230.000 €. Das ist bitter, das ist ein schlechtes Signal.
Meine Damen und Herren, Information und Aufklärung sind nach wie vor die besten Mittel, um geschichtsreflektiert und gegenwartssensibel wach und wehrhaft gegenüber radikalen und unmenschlichen gesellschaftlichen Entwicklungen zu bleiben. Wir müssen also die Errungenschaften unserer Demokratie gegen ideologische Angriffe, verbale wie nonverbale, stets aufs Neue verteidigen. Gerade mit Blick auf den Bürgerkrieg in Syrien, auf internationale Krisen, in Zeiten von Reichsbürgern oder auch verfolgten türkischen Journalisten, darf Rassismus und Fremdenfeindlichkeit kein Vorschub geleistet werden. Hier - meine Damen und Herren, und dafür stehen wir alle - kann es nur Nulltoleranz heißen, damit wir mit unserer „Nie-wieder!-Forderung“ auch glaubhaft bleiben. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Es ist beantragt worden, den Bericht in der Drucksache 18/4464 dem Innen- und Rechtsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig. Danke schön.
Dringlichkeitsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, PIRATEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/4978 (neu)
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gern aus einer Rede von mir zitieren - mit Ihrer Genehmigung.
- Ja, ich zitiere mich selbst. Wir haben schon so oft über dieses Thema gesprochen, dass ich mir wirklich überlegen musste, wie ich den Einstieg in meine Rede gestalte. Da habe ich gedacht: Ich gucke einfach mal, was ich dazu in diesem Haus schon gesagt habe. Hören Sie einfach einmal zu. Vielleicht merken Sie dann, worum es mir geht.
„Woran kann man in Deutschland erkennen, dass bald wieder Bundestagswahlen ins Haus stehen? - Ganz einfach: Die CDU greift wieder in die Mottenkiste. Dieses Mal hat die CDU auf Bundesebene aber nicht nur mit den Noch-Oppositionsfraktionen SPD und Grünen, sondern auch mit dem eigenen Koalitionspartner Stress. Denn neben der Landes-FDP ist nun auch die Bundes-FDP für die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft, und das ist auch gut so.“
(Beifall SPD - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Und es ist immer noch richtig! - Zuruf: Und es sind bald wieder Bundestagswahlen!)
Ich möchte alle Fraktionen bitten, sich hier nach hinten zu lehnen. Meine Ansprache gilt nur der CDU, die sind nämlich die Einzigen, die dieses Thema in Deutschland immer wieder aufs Tapet bringen. Soll ich Ihnen einmal etwas sagen? Es steht uns Türkischstämmigen bis hier!
Wir haben wirklich die Schnauze gestrichen voll. Hören Sie endlich auf. Ihnen fällt an inhaltlichen Themen nichts weiter ein, als immer wieder auf dem Rücken der Türken und der türkischstämmigen Menschen in Deutschland Politik zu machen. Hören Sie vor allem auf, damit Wahlkampf zu machen!
(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW - Tobias Koch [CDU]: Mäßi- gen Sie sich mal etwas! - Weitere Zurufe)
Mich hat bisher kein einziges Ihrer Argumente überzeugt. Ich selbst habe hier schon mehrfach viele Argumente vorgetragen. Sie tun so, als gehe es in diesem Land nur um die Türkischstämmigen.
Liebe Astrid Damerow, ich habe dir 54 Argumente genannt, und zwar 54 Länder. Ich sage das auch als Information an die Journalistinnen und Journalisten: Es sind mitnichten nur die EU-Bürgerinnen und -Bürger, die Anspruch auf eine doppelte Staatsbürgerschaft haben. Es sind auch die Bürger vieler anderer Länder, wie zum Beispiel Costa Rica, Dominikanische Republik, Ecuador, Eritrea, Guatemala, Honduras, Irak, Iran, Kuba, Libanon, Marokko, Mexiko, Nicaragua, Nigeria, Panama, Sierra Leone, Sri Lanka, Syrien.
- Hören Sie zu, bevor Sie auf die Idee kommen, den syrischen Menschen, die sich irgendwann einbürgern lassen wollen, die doppelte Staatsbürgerschaft zu verweigern. Die syrischen Bürgerinnen und Bürger haben jetzt schon den Anspruch auf eine doppelte Staatsbürgerschaft.
Sie fragen sich immer, wie es sein kann, dass Menschen die doppelte Staatsbürgerschaft haben, insbesondere wenn es um die Türkischstämmigen geht. Man müsse sich entscheiden. Zu Ihrer Information: Ich habe die doppelte Staatsbürgerschaft.
Ich möchte von Ihnen gern wissen, was Sie zu einem besseren Deutschen macht als mich. Sie unterstellen uns, die wir die doppelte Staatsbürgerschaft haben, wir wären nicht loyal, könnten uns nicht entscheiden und hätten sonst irgendein Problem mit Deutschland.
Deutschland ist mein Land. Mehr als 3 Millionen Türkischstämmige leben in diesem Land. Finden Sie sich endlich mit dieser Realität ab. Wir werden dieses Land nicht verlassen, wir werden es gestalten, wir werden hier leben. Wir werden hier alt werden, sterben und begraben. Es ist auch unser Land. Wir werden alles dafür tun, dass Sie endlich aufhören, jedes Mal auf dem Rücken dieser Menschen Wahlkampf zu betreiben.
Kommen Sie bloß nicht wieder auf die Idee, im Bundestagswahlkampf Unterschriften gegen die Türkischstämmigen zu sammeln.
(Martin Habersaat [SPD]: Das hat schon ein- mal geklappt! - Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wissen Sie, warum ich 2000 in die SPD eingetreten bin? - Gerade deswegen. Das war mein persönlicher Grund, mich politisch aktiv einzubringen.