Protocol of the Session on November 18, 2016

(Lachen Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Wir sind sehr gespannt auf Ihre Ausführungen zu diesem Punkt. Ich komme gleich zu dem, was Ihre Landesregierung zu diesem Thema vorgetragen hat. Ob Sie dann noch lachen? - Ich könnte es verstehen.

Zu den beiden jetzt vorliegenden Anträgen von der FDP und den PIRATEN: Ich stimme dem Kollegen Christopher Vogt ausdrücklich zu: Es ist nicht so ganz einfach, dem Thema aus Oppositionssicht gerecht zu werden. Wir haben eine Große Anfrage zum Thema Digitalisierung in Schleswig-Holstein gestellt und selbst die Erfahrung gemacht, dass es nicht ganz einfach ist, dem Thema in einem Gesamtpaket gerecht zu werden. Deswegen erlauben Sie mir den Hinweis: Ich finde, die Anträge zur digitalen Agenda, die jetzt von der FDP und den PIRATEN vorliegen, sind ein bisschen wie ein Sammelsurium von guten Ideen, die man zu diesem Thema zusammentragen kann. Ob sie aber die digitale Agenda für Schleswig-Holstein sein können, wage ich zu bezweifeln.

Dies gilt insbesondere, wenn ich mir den Antrag der PIRATEN anschaue. Ich greife als Beispiel den Punkt 8 heraus, in dem es heißt: Abbruchquoten, Durchfallquoten, Studiendauer und Notenspektrum an Universitäten Schleswig-Holsteins werden erfasst und öffentlich zur Verfügung gestellt. Eine Weiterverarbeitung der Daten wird durch die Einhaltung von Open-Data-Kriterien ermöglicht. Angehenden Studenten soll so die Hochschulwahl erleichtert werden. - Super! Ganz ehrlich, wenn das einer von 28 Punkten für die digitale Agenda in Schleswig-Holstein ist, dann habe ich das Thema bisher überschätzt. Das muss ich ehrlich sagen.

Das ändert aber nichts daran, dass die Landesregierung an dieser Stelle weit hinter dem Stand liegt, auf dem wir sein müssen. Wir wissen doch nun seit längerer Zeit, dass der digitale Wandel alle Lebensbereiche umfasst. Die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft in einer Form, die vielleicht nur mit der Industrialisierung vergleichbar ist. Schätzungen zufolge werden 2020, bis dahin sind es gerade einmal vier Jahre, über 30 Milliarden Objekte im Internet miteinander verbunden sein, und schon jetzt ist der Einfluss der Digitalisierung auf unser Privat- und Arbeitsleben fast unbegrenzt. Er reicht von der Energieversorgung über die Kommunikation, die Telemedizin bis in den Bildungsbe

reich. Die Digitalisierung wird in allen Feldern unseres Lebens und in allen Wirtschaftsfeldern für Veränderungen und Impulse sorgen, und ich teile die Einschätzung: Sie wird überwiegend für positive Veränderungen sorgen.

Vorhin wurde darauf hingewiesen, dass der Beitrag der Landesregierung, wenn wir über die Grundlage der Digitalisierung, also über ein vernünftiges Netz, sprechen, in der wegweisenden Entscheidung bestanden hat, sich für ein Infrastrukturziel auszusprechen, nämlich die Glasfaser. Das ist sicherlich eine richtige Entscheidung, die wir immer mitgetragen haben. Ich frage mich nur: Wenn man gedanklich vor einigen Jahren schon so weit war, wie kann es dann sein, dass in diesem Jahr ein Grünbuch veröffentlicht wird, in dem einige Leitfragen gestellt werden?

Ich nenne einige Beispiele: Leitfragen im Grünbuch der Landesregierung sind: Wie können wir einen zügigeren Breitbandausbau bewerkstelligen? Welche Instrumente und Maßnahmen brauchen wir dafür? Welche Mittel müssen wir zur Verfügung stellen? Welche organisatorischen und bürokratischen Hindernisse müssen wir beseitigen? Wie können wir öffentliche und private Investitionsmittel sowie die Kooperation verschiedener Akteure klug miteinander kombinieren, um die gesetzten Ziele zu erreichen? - Das sind prima Fragen, aber sie sollten eigentlich seit fünf Jahren beantwortet sein.

(Beifall CDU und Christopher Vogt [FDP])

Schauen wir uns an, auf welchen Prozess wir gucken. Wird ein Grünbuch erstellt und in eine umfangreiche Diskussion gegeben, aus der irgendwann einmal ein Weißbuch werden soll?

(Zuruf Martin Habersaat [SPD])

- Von der linken Seite höre ich schon wieder Waldorf und Statler! - Sie haben einen Prozess gestartet, der nach Ihren eigenen Angaben das Ziel haben soll, dass Sie 2030 eine Vollversorgung mit Breitband-Internetanschlüssen haben wollen. Das ist schlicht zu langsam.

(Beifall CDU)

Deshalb ist dieser Prozess einfach nicht geeignet, um die Ziele, die wir haben müssen, zu erfüllen und um unsere Chancen als Flächenbundesland im Zuge der Digitalisierung auch wirklich ergreifen zu können. Von einer digitalen Agenda reden wir an dieser Stelle übrigens noch gar nicht, sondern das sind Ihre Leitlinien für die Landesentwicklungsstrategie.

(Dr. Axel Bernstein)

Ich freue mich insofern auf die Beratungen im Ausschuss, und wir sollten zusehen, dass wir hier zu einem guten Ergebnis und zu einem guten Papier kommen. Die Landesregierung liefert es offensichtlich nicht. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Kirsten Eickhoff-Weber das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der FDP, eingeteilt in neun Kapitel mit sage und schreibe 33 Einzelpunkten, wäre vor zehn Jahren anspruchsvoll und vielleicht sogar wegweisend gewesen. Heute ist dies aber nichts anderes als eine Aufzählung von Dingen, die wir sowieso schon wissen. Es ist eine Wiederholung von Fragen, die wir uns sowieso schon stellen, vor allen Dingen aber von Fragen, auf die wir hier an vielen Stellen Antworten haben, bei denen wir schon in der Umsetzung sind und bei denen wir in intensiven Diskussionsprozessen sind.

(Beifall SPD)

Ich frage mich manchmal, wie es sein kann, dass das alles an Ihnen vorbeigeht.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Er beschäftigt sich mit anderen Sachen!)

- Das muss so sein! - Da versucht die FDP im Wahlkampfmodus, den harten Kern der PIRATEN anzuknabbern, und prompt reagieren die PIRATEN mit einem Änderungsantrag, der noch einmal 28 Maßnahmen vorsieht und auch keine wirklichen Antworten gibt. Ein bunter Strauß von Einzelforderungen oder Maßnahmen, die zudem noch nebeneinander stehen, ist bei Weitem nicht die Antwort auf die große gesellschaftliche Herausforderung der digitalen Transformation.

(Beifall SPD - Wortmeldung Christopher Vogt [FDP])

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Christopher Vogt?

(Christopher Vogt [FDP]: Das hätte ich auch nicht gemacht!)

- Ja, sehen Sie!

(Heiterkeit SPD)

Neue Aspekte waren nicht dabei, und das ist schade. Die Landesentwicklungsstrategie 2030 identifiziert die Digitalisierung als einen der gesellschaftlichen Entwicklungsbereiche: Digitalisierung - zielgerichtet den digitalen Wandel in Schleswig-Holstein vorantreiben. Das Grünbuch liegt vor, das wissen Sie. Der Kollege Bernstein hat dieses Grünbuch offensichtlich nicht verstanden, denn Sie zitieren einen Abschnitt, in dem Fragen formuliert werden. Das sind die Fragen, die sich Bürgerinnen und Bürger in diesem Land stellen. Das sind die Fragen, mit denen wir in die Dialoge gegangen sind. Den gesamten Text, der davor steht und der viele Inhalte erklärt, den haben Sie vorzulesen vergessen. Diese Art der selektiven Wahrnehmung hilft uns nicht weiter.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Natürlich hat die Landesregierung einen klaren Kurs. Ganz ehrlich, die Große Anfrage der CDU im letzten Jahr war eine wunderbare Gelegenheit, den Stand des Ausbaus für Schleswig-Holstein vorzuführen, und Sie ahnen gar nicht, wie oft man im ländlichen Raum darauf angesprochen wird und wie froh die Leute über das sind, was hier auf den Weg gebracht worden ist.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Wir wissen, dass im Bildungsausschuss mehrfach über unterschiedlichste Aspekte des digitalen Lernens gesprochen wurde. Diese wurden in Veranstaltungen erörtert. Wir wissen auch, dass eines der Schwerpunktthemen unserer Ministerin für Schule und berufliche Bildung die digitale Bildung ist. Hier passiert eine ganze Menge. Wenn ich nach Neumünster sehe, dann weiß ich, dass hier viel läuft.

(Beifall Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Wir wissen auch, dass die digitale Agenda für die Bereiche Verwaltung und Wirtschaft in weiten Teilen in der Umsetzung ist. Die Hinweise, die Sie in Bezug auf die Anforderungen an die Gesetzgeber im Land, im Bund und in Europa geben, zeigen, dass es eine Vielzahl an gesetzlichen Vorschriften gibt, die Klötze sind, die noch auf dem Weg zur Digitalisierung liegen. Hier bin ich bei Ihnen.

(Unruhe - Glocke Präsident)

(Dr. Axel Bernstein)

Auf allen Ebenen wird aber dazu debattiert, und auch das ist Ihnen bekannt.

Das setzt natürlich eine neue soziale Dynamik voraus. Das Recht auf einen Computer und auf einen funktionierenden Internetzugang muss - ähnlich wie das Recht auf ein Dach über dem Kopf - als ein soziales Grundrecht definiert werden, wenn wir nicht akzeptieren wollen und können, dass die Gesellschaft an der Schnittstelle derer zerfällt, die digital unterwegs sind.

Das können wir nicht. Davon haben wir bei Ihnen nichts gelesen und nichts gehört.

Zurzeit - das wissen wir von der neuesten Erhebung - sind auf der einen Seite 80 % aller Deutschen mindestens einmal wöchentlich online. Das heißt also, dass mindestens 20 %, also rund 16 Millionen, bei uns überhaupt nicht online sind. Das ist ein nicht zu bestimmender Prozentsatz, der nur im Ausnahmefall von einem Internetzugang Gebrauch macht.

Auf der anderen Seite stehen die Menschen, die in allen Lebenssituationen immer mit dem Blick auf dem Smartphone sind. Deshalb: Die digitale Bildungsrevolution muss alle Altersgruppen der Gesellschaft umfassen und nicht nur Schule und Hochschule;

(Beifall SPD)

denn um die Voraussetzung, um Telemedizin gerade im ländlichen Raum in Anspruch nehmen zu können, ist doch, dass man auch die Fähigkeit hat, damit umzugehen. Dies sicherzustellen, ist unsere Aufgabe.

Es gibt die digitale Agenda der Landesregierung. Sie wissen alle, dass es sie gibt; sie ist in zahlreichen Gesprächen vorgestellt und diskutiert worden. So machen wir das. Wir reden mit den Leuten, bevor wir die Dinge auf den Weg bringen.

(Zuruf: Die gibt es nicht!)

Auf dieser Ebene werden die Dinge diskutiert. Was Sie hier machen, ist Klein-Klein und ohne Gesamtzusammenhänge. Das ist genau das, was die Menschen in die Irre führt. Die digitale Agenda ist ein Langzeitprogramm, und das Kabinett wird zeitnah beschließen.

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss.

Was wir noch brauchen, sind breit angelegte Bürgerdialoge. Denn es gilt auch, die Sorgen und Nöte der Bürger ernst zu nehmen und insbesondere die Fragen von Ethik und Digitalisierung zu bewegen.

Ich freue mich, wenn wir über alle diese Anträge und Fragen im Ausschuss diskutieren und dann Gelegenheit haben, en detail darzustellen, was hier in Schleswig-Holstein in den letzten Jahren in unterschiedlichen Bereichen alles schon passiert ist und was wir mit einem ganz klaren Fahrplan noch vorhaben. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.