Im Grunde genommen hat das Gericht klargemacht, dass Gemeinden bei der Auswahl von Flächen für die Windenergienutzung durch Gemeindebeschlüsse oder Bürgerentscheide nicht pauschal mitentscheiden dürfen. Soll heißen: Eine einfache gemeindliche Willensbekundung pro oder contra zur weiteren Nutzung der Windenergie auf gemeindlichem Gebiet ist unzulässig. Es sind somit von den Gemeinden inhaltlich stichhaltige Begründungen nötig.
„Bei der Aufstellung der Raumordnungspläne sind die öffentlichen und privaten Belange, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar und von Bedeutung sind, gegeneinander und untereinander abzuwägen.“
Das gilt natürlich auch für die Windenergieplanung. Damit ist klar, dass künftig nur sachlich begründete Entscheidungen ausschlaggebend sind für oder gegen die Nutzung der Windenergie.
Gleichwohl ist es für uns als SSW nur schwer zu ertragen - das gilt wahrscheinlich auch für alle anderen hier im Haus -, dass der Wille vor Ort bei solchen planerischen Entscheidungen nicht in jedem Fall bestimmend sein darf. Natürlich ist der Bürger
wille oder die Entscheidung eines gewählten Gemeinderates manchmal anders zu bewerten als ein regelrechter sachlicher Grund. Trotzdem muss man sagen, dass in einer Demokratie der Bürgerwille oder die Entscheidung einer gewählten Kommunalvertretung eigentlich ein noch höheres Gut sein müsste als die Abwägung von rein sachbezogenen Ausschlusskriterien.
Der Bürgerwille und die Entscheidung der Kommunalvertretung sollten eigentlich immer einen gewissen Vorrang haben und so auch dazu führen können, dass jenseits von reinen Abwägungsparametern auch eine politische Entscheidung, legitimiert durch die Bürgerinnen und Bürger, erfolgen kann. Aber so ist die Rechtslage nun einmal nicht. Das müssen wir akzeptieren und entsprechend handeln.
Nachdem das Urteil also feststand, hat die Landesregierung das Heft in die Hand genommen und entsprechend gehandelt. Die Situation wurde mit den Betroffenen erörtert, und das Vorgehen wurde kommuniziert und mit den Bürgerinnen und Bürgern abgestimmt. Dies hat die Landesregierung getan, und das war auch gut und richtig; denn niemand bei uns im Land kann ein Interesse daran haben, dass die Windenergienutzung für unbestimmte Zeit unkontrolliert abläuft. Die notwendigen Schritte wurden eingeleitet, und die rechtlichen Grundlagen dafür wurden geschaffen. So wurden beispielsweise das Landesplanungsgesetz und der Planungserlass geändert.
Wir haben hier im Landtag und in den Ausschüssen bereits einige Anträge und Gesetzentwürfe behandelt und debattiert. Denn natürlich ist es der Wunsch vonseiten der Politik, dem kommunalen Willen auch in Zukunft Rechnung tragen zu wollen, ohne allerdings dem Urteil zuwiderzuhandeln. Das ist auch ganz klar der Wunsch der Landesregierung. Jedoch kann und darf der juristische Aspekt nicht außer Acht gelassen werden. Und das macht die Sache so kompliziert.
Trotzdem möchte ich kurz auf das Beispiel Nordfriesland hinweisen, wo es der kommunalen Ebene in Abstimmung mit der Landesplanung gelungen ist, bestimmte Bereiche künftig von Windenergieanlagen freizuhalten. Es handelt sich dabei um vier charakteristische Landschaftsräume, die erstmals in 2002 freigehalten wurden, um das traditionelle Erscheinungsbild zu schützen. Damit wird deutlich, dass die kommunale Ebene durchaus die Möglichkeit hat, Flächen freizuhalten, sofern dieses sachliche Begründungen hergeben.
Wir behandeln den vorliegenden Gesetzentwurf heute in erster Lesung. Und natürlich wird er ein ordentliches parlamentarisches Verfahren durchlaufen. Aber ich sage Ihnen bereits heute: Dieser Gesetzentwurf ist reine Symbolpolitik und wird uns in der Sache nicht weiterbringen. Er suggeriert zwar, dass dem Gemeindewillen damit stärker Rechnung getragen wird, aber rechtlich ändert er nichts, sondern er schreibt nur auf, was ohnehin jetzt schon geschieht. Gut gemeint ist also nicht immer gut gemacht.
Ich glaube, man sollte die Landesregierung hier in Ruhe weiter arbeiten lassen. Dann wird am Ende auch eine Rechtslage herauskommen, die tragfähig ist und die auch den Interessen der Bürgerinnen und Bürger sowohl pro als auch contra Windenergie entsprechend Rechnung trägt. - Danke.
Nach den Fünfminutenbeiträgen der Fraktionen kommen wir jetzt zu den persönlichen Dreiminutenbeiträgen. Den ersten Beitrag hat der Herr Abgeordnete Detlef Matthiessen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Nachdem sich die CDU ein bisschen gelobt hat, dass sie immerhin in ihrem Gesetzentwurf geschrieben hat, es seien zusammen mit dem Gemeindevotum sachliche Gründe zu bewerten, sodass man sich damit auch in Richtung abwägungsfähige Belange bewege, möchte ich doch noch einmal auf den Gutachter, den Sie mit diesem Gesetzentwurf beauftragt haben, zu sprechen kommen und dazu, wie dieser sich äußert. Er sagt: Nein, die Gemeinde muss berücksichtigt werden, sogar nach dem Raumordnungsgesetz. Dann bezieht er sich aber auf Planungen der Gemeinde. Wenn wir verfestigte Planvorhaben in den Gemeinden haben, dann wird das selbstverständlich berücksichtigt. Das ist, meine Damen und Herren, aber auch ein städtebaufachlicher Belang.
Wir werden um eines nicht umhin können: Entweder wir folgen den PIRATEN - dann können wir die Landesplanung lassen -, oder wir gehen im gesamten Land, Herr Breyer, nach gleichen Kriterien vor. Denn nur das ist gerecht. Womöglich setzt sich nachher die Gemeinde durch, in der die virulentesten Schreihälse wohnen, die sich dafür oder dage
gen aussprechen. Es gibt ja auch auf der anderen Seite die Situation, dass sehr heftig vorgegangen wird.
Insofern möchte ich doch noch einmal zitieren, was Professor Ewer zu dem CDU-Gesetzentwurf gesagt hat. Er hat nämlich gesagt, der Entwurf regele keine zusätzliche Bindungswirkung des Plangebers im Abwägungsvorgang, sondern wiederhole, wozu der Plangeber nach den Bestimmungen des Raumordnungsgesetzes ohnehin verpflichtet sei. Damit bleibe der Entwurf noch hinter dem zurück, was der Erlass der Landesregierung schon jetzt für die Planaufstellung fordere.
Das ist immerhin das Ergebnis eines Verwaltungsrechtlers, der zu diesem Fachgespräch geladen worden ist.
Ich möchte auch noch einmal darauf hinweisen, dass die Landesregierung schon auf dem Erlasswege die Landesplanung beauftragt hat. Wenn ein gemeindliches Votum dafür oder dagegen vorhanden ist, dann gibt dieses Anlass zu einer vertieften Prüfung der Gründe, die sich dahinter verbergen mögen. Mehr kann man nach meiner Auffassung nach dem, was die Experten gesagt haben, auch nicht tun.
Wenn wir dem CDU-Entwurf so folgen wollen und das Landesplanungsgesetz diesbezüglich so ändern wollten, dann würde es dies lediglich verrechtlichen. Der Erlass der Landesregierung ist bindend für das Verwaltungsvorgehen. Wir würden dann sagen: Okay, das Gleiche will dann der Landesgesetzgeber per Gesetz noch einmal verordnen.
Insofern ist der Gesetzentwurf der CDU weiße Salbe, denn das, was er erreichen will, geschieht ohnehin schon durch das Verwaltungshandeln. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Detlef Matthiessen, das ist ja richtig. Die Gemeinden sind schon jetzt im Beteiligungsverfahren dazu verpflichtet, entsprechend anzuhören. Unser Ansatz für die Gemeinden im Beteiligungsverfahren ist aber: Es geht um die mitgeteilten sachlich begründeten Argumente der kommunalen Gebietskörperschaften. Das ist der Unterschied: sachlich begründet. Damit ist dieses Kriterium kein Tabukriterium mehr. Es wird zu einem Abwägungskriterium. Damit ist es aus unserer Sicht rechtskonform.
Frau Eickhoff-Weber, damit präsentieren wir eine Lösung. Wir verlassen nicht den Weg, was Sie mir eben vorgeworfen haben. Es mag sein, dass die Veranstaltung hochkarätig war. Sie war hochkarätig besetzt, aber sie hat keine Lösung gebracht.
Lieber Kollege Detlef Matthiessen, zu Ihrer Anmerkung, dies sei heute eine Pseudoveranstaltung: Ich habe dies nicht auf die heutige Veranstaltung bezogen, ich habe es auf die Veranstaltung vom 8. September 2016 bezogen, und dazu stehe ich.
Vielleicht noch zur FDP und der Aussage, der Antrag von uns komme zur Unzeit. Nein, er kommt nicht zur Unzeit: Er kann jetzt noch rechtzeitig ins Verfahren mit eingepflegt werden. - Herzlichen Dank.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. - Jetzt kommt die Landesregierung zu Wort. Das Wort hat Ministerpräsident Torsten Albig.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke, dass ich die Gelegenheit habe, dies noch einmal persönlich mit Ihnen auszutauschen. Ich bitte um Nachsicht, dass mein Büro übersehen hat, anzumelden, dass ich auf dem 35. Deutschen Seeschifffahrtstag die Grußworte der
Landesregierung für das Land ausgesprochen habe. Dies ist eine zum dritten Mal in hundert Jahren in Schleswig-Holstein stattfindende Veranstaltung, die für unser Land und für die maritime Industrie bedeutend ist. Mir fehlte zugegebenermaßen die Fantasie, dass dies nicht auch die Wertschätzung der Opposition findet, aber ich nehme das zur Kenntnis. Ich freue mich, dass wir Gelegenheit finden, uns auch zu diesem wichtigen Thema hier an dieser Stelle noch einmal auszutauschen.
Ja, das, was eben gesagt wurde, ist völlig richtig. Herr Kumbartzky, wir haben uns nach dem OVGUrteil gemeinsam auf den Weg gemacht und gefragt: Wie können wir das möglichst nah am Bürgerwillen hinbekommen? Ja, lieber Herr Breyer, es ist richtig. Mein Wunsch ist es politisch gewesen, mutig auszutesten, wie es irgendwie geht. Aber: Nein, zu keiner Zeit ist es Gegenstand von Politik gewesen, dass wir eine Politik wie Pippi Langstrumpf nach dem Motto „ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“, machen. Wir treten vielmehr in einen ganz intensiven Dialog mit all den Sachverständigen ein, die wir kennen. Ich habe Ihren Gutachter eingeladen, ich habe andere Gutachter eingeladen, die wir kennen. Ich habe den Gutachter eingeladen, der in vielen Verfahren nicht nur für meine Regierung, sondern auch für Vorgängerregierungen in Deutschland arbeitet. Ich habe Professor Dr. Ewer gebeten, Dinge kritisch zu hinterfragen und uns Rat zu geben.
Jetzt tut Politik das, jetzt holt sie sich Rat. Dann ist der Rat nicht so, wie wir ihn erwarten. Die Antwort ist dann: Das ist eine Alibiveranstaltung, weil der Rat falsch ist. Wir hätten gern einen Rat, der so ist, wie Pippi Langstrumpf sich die Welt vorstellt. - So geht das aber nicht, meine Damen und Herren. Natürlich könnte ich ein Gesetz schreiben, von dem wir beide glauben, dass es immanent verfassungswidrig ist. Das will ich aber nicht.
Ich fand den Beitrag Ihres Gutachters, der den Entwurf der PIRATEN verfasst hat, ausgesprochen hilfreich. Ich habe das zum Anlass genommen, ihn zu fragen: Heißt denn das, dass der Antrag von den PIRATEN eine absolute Wirkung für den Bürgerwillen produziert? - Er sagte: Nein, natürlich nicht, Herr Albig. Das wäre evident verfassungswidrig, wenn ich das hineinschriebe. Es heißt am Ende, dass die Abwägungen, die hinter dem Ja oder dem Nein eines Bürgerwillens vor Ort stehen, natürlich Ihre Aufgabe sind. Sie haben die Aufgabe, das aufzudröseln und so, wie Sie es in Ihrem Runderlass IV Nummer 7 beschrieben haben, möglicherweise auf Gesetzesebene noch einmal zu normieren
und es dann miteinander als Politik mit der Exekutive auf den Weg zu bringen. Mehr aber können Sie gar nicht tun.
Das sagt Ihr eigener Sachverständiger. Wir können dann doch nicht miteinander so tun, als sei es dummes Zeug, wenn wir Leute fragen, die uns Rat geben. Wir finden gerade niemanden, der sagt: Das kriegst du sauber hin. Es gibt immer wieder das Dilemma: Ich mache Raumplanung überörtlich, und ich finde nur örtliche Aussagen lokaler Bürgerbescheide. Wir suchen wirklich breit danach. Aber diesen Widerspruch kriegen Sie an keiner Stelle aufgelöst.
Lieber Herr Breyer, ich glaube, wir haben uns darüber lange ausgetauscht. Wir liegen nicht weit auseinander.
Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Breyer?
Danke, Herr Ministerpräsident. Ihrer Eingangsbemerkung stimme ich zu. Ich stimme aber nicht dem zu, was Sie zu Herrn Professor Pautsch gesagt haben.
Ich habe ihn dezidiert gefragt. Er hat gesagt: Das, was da drin steht, ist nicht das, was die PIRATEN in ihrer Pressemitteilung schreiben, sondern es ist das Aufdröseln von Ja und Nein in die tausend JaGründe und in die tausend Nein-Gründe, und diese müssen Sie berücksichtigen, wie es in Nummer 7 des Runderlasses steht.