Für den SSW steht fest, dass wir diesem Gesetz nur zustimmen können, wenn kein Betroffener schlechtergestellt wird. Das ist die Grundvoraussetzung. Doch ich bleibe zuversichtlich: Wenn wirklich alle Kräfte gebündelt werden, dann können wir vielleicht doch noch ein Teilhabegesetz bekommen, das unsere Anforderungen erfüllt und damit im Sinne der Menschen mit Behinderung ist. Ich denke, gerade diese zentrale sozialpolitische Reform hat alle Sorgfalt verdient, damit das, was dabei heraus
Das Wort für die Landesregierung hat die Ministerin für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung, Frau Kristin Alheit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Reform der Eingliederungshilfe wird von Politik und Verbänden seit Jahren gefordert und hat nun - ich möchte sagen endlich - die Phase intensiver parlamentarischer Beratungen erreicht. Derzeit ist geplant, das Bundesteilhabegesetz ab Januar 2017 schrittweise in Kraft zu setzen. Andere Redner haben bereits darauf hingewiesen, ab 2020 soll die Eingliederungshilfe keine Leistung der Sozialhilfe mehr sein. Das Recht auf Teilhabe und Rehabilitation wird als eigenständiges Leistungsrecht in einem Kapitel des Neunten Sozialgesetzbuches geregelt.
Es ist richtig, der Gesetzentwurf ist in den vergangenen Monaten intensiv diskutiert und auch in vielen Punkten kritisiert worden. Viele haben es mitbekommen, heute Morgen ist ein Teil dieser Diskussion und der Kritik vor dem Landtag artikuliert und uns in Form von Kröten mitgegeben worden. Die Landesregierung nimmt diese Kritik sehr ernst. Sie nimmt auch das Anliegen der betroffenen Menschen sehr ernst. Wir teilen diese Kritik in verschiedenen Punkten. Wir haben uns deshalb im gesamten Verfahren und in einer ganzen Reihe von Punkten für Verbesserungen starkgemacht, und es wurden auch Verbesserungen erreicht.
Es war ausgesprochen gut, dass sich dieser Landtag im vergangenen Jahr zu den Anforderungen an ein Bundesteilhabegesetz positioniert hat. Ich meine, nicht alle, aber doch wesentliche Teile dieser Anforderungen werden schon im jetzt vorliegenden Entwurf erfüllt, und es ist gut, dass die Fraktionen weiterhin Punkte formulieren, für die sie noch Verbesserungsbedarf sehen. Viele dieser Punkte kann ich unterschreiben. Weiteren Verbesserungsbedarf sehe nämlich auch ich. Bund und Länder werden bis zuletzt weitere Verbesserungen einfordern und gemeinsam nach der besten Lösung suchen.
Ich will aber auch sagen: Bei allen noch offenen Punkten und bei aller Kritik, die ich zum Teil sehr gut nachvollziehen kann, hielte ich es für fatal, das Bundesteilhabegesetz scheitern zu lassen, denn das hieße, um es ganz deutlich zu sagen, dass völlig offen wäre, ob und wann in Zukunft ein anderer Entwurf mehrheitsfähig wäre. Das müssen wir uns alle klarmachen. Das hieße eben: keine Verbesserungen. Vielmehr bleibt alles aus, was jetzt schon erreicht worden ist. Davon sind übrigens nach meinem Eindruck die meisten, die das in Kauf nehmen, persönlich gar nicht betroffen.
Dass es diese Verbesserungen gibt, räumen auch viele Kritiker dieses Entwurfes ein. Der defizitorientierte Behinderungsbegriff wird abgelöst. Die Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger wird verbessert. Kern des Gesetzes ist die personenzentrierte und an individueller Selbstbestimmung orientierte Eingliederungshilfe. Sie wird aus dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe herausgelöst.
Entgegen mancher Befürchtung und mancher nicht zutreffender Kritik wird das Wunsch- und Wahlrecht sogar verbessert. Das alles sind ganz eindeutig wichtige und von vielen geforderte Verbesserungen.
Dabei will ich nicht verhehlen: Eingliederungshilfe bleibt als steuerfinanzierte Leistung auch künftig unter Angemessenheitsgesichtspunkten begrenzt. Wer das negiert, weckt bei den Betroffenen falsche und nicht erfüllbare Erwartungen.
Wichtig ist mir aber auch, dass auf Druck der Länder zum Beispiel die Frage der Einkommens- und Vermögensanrechnung von Ehegatten und Lebenspartnern ab 2020 vollständig freigestellt ist und dass künftig das Vermögen der Familien nicht mehr herangezogen wird. Das ist wiederum eine reale Verbesserung. Wie gesagt sehe auch ich Verbesserungsbedarf und -möglichkeiten. Denn das Bundesteilhabegesetz greift jetzt noch zu kurz, da die Verantwortung der anderen Rehabilitationsträger und Pflegekassen weniger in den Blick genommen wird.
Selbstverständlich müssen wir dafür sorgen, dass Menschen mit Behinderung keine Angst vor Leistungsbeschränkungen haben müssen. Der neue Behinderungsbegriff und die Neuregelung der Leistungsvoraussetzungen der Eingliederungshilfe müssen daher begleitend und ganz streng evaluiert werden. Auch die Auswirkungen müssen sofort untersucht werden.
Es gibt auch Schnittstellen zwischen Eingliederungshilfe und Pflege. Die beiden großen sozialen Reformen, die am 1. Januar 2017 in Kraft treten,
dürfen nicht dazu führen, dass pflegedürftige Menschen mit Behinderung zwischen Pflege und Eingliederungshilfe hin- und hergeschoben werden. Hierbei müssen eindeutige gesetzliche Regelungen hergestellt werden, sodass die Menschen, die Unterstützung brauchen, diese auch erhalten.
Die Länder werden sich jeder Verschlechterung der bestehenden Situation gerade für die pflegebedürftigen Menschen mit Behinderung widersetzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin weit von einem unkritischem Abnicken des Bundesteilhabegesetzes entfernt. Ich sage aber noch einmal: Den Gesetzentwurf scheitern zu lassen, bedeutet, dass wichtige Schritte der Veränderungen und Verbesserungen auf unabsehbare Zeit nicht gegangen werden können. Das kann doch ernsthaft niemand wollen. - Danke schön.
Beantragt wurde, den Antrag Drucksache 18/4404 sowie die Änderungsanträge Drucksachen 18/4661 und 18/4659 dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Dann ist das einstimmig so beschlossen.
Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/4343
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zehn Jahre ist es alt. Es ist noch immer ein Meilenstein. Seit Inkrafttreten des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes 2006 hat jede und jeder Einzelne ein Recht auf Gleichbehandlung im Arbeitsleben und bei Alltagsgeschäften.
Da wird einem jungen Mann mit osteuropäisch klingendem Namen die Aufnahme ins Fitnessstudio verweigert, der schwangeren Mitarbeiterin eines Unternehmens wird die Fortbildung verwehrt, eine Bewerberin aus Thüringen bekommt den Job nicht, weil sie aus dem Osten stammt oder einer 13-jährigen dunkelhäutigen Schülerin wird der Kauf einer Schülermonatskarte verwehrt und das Erwachsenenticket mit den Worten angerechnet: „Neger müssen eben mehr bezahlen“. - Das sind nur einige Fälle, die die Antidiskriminierungsstelle bearbeitet hat.
Jedem kann es passieren, dass er diskriminiert wird. Dem Ergebnis einer aktuellen Umfrage im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle zufolge erlebt dies jede dritte in Deutschland befragte Person - nur bezogen auf die vergangenen zwei Jahre.
Häufig genannt wurden demnach Benachteiligungen wegen des Alters, wegen des Geschlechts. Oft erlebt werden Diskriminierungen am Arbeitsplatz, bei Ämtern und Behörden, im Internet, auf dem Wohnungsmarkt und bei Freizeitaktivitäten.
Das AGG schützt vor Diskriminierungen aus rassistischen oder ethnischen Gründen, wegen des Geschlechts, der Religion und Weltanschauung, wegen Behinderung oder chronischer Krankheit, wegen des Alters oder der sexuellen Orientierung. Der Schwerpunkt des Gesetzes liegt auf Beschäftigung und Beruf.
Nach Antritt der rot-grün-blauen Landesregierung war es deshalb eine der ersten Haushaltsentscheidungen, auch in Schleswig-Holstein eine Antidiskriminierungsstelle einzurichten, die seitdem für die Menschen in Schleswig-Holstein als Ansprech-, Beratungs- und Aufklärungsstelle dient. Sie ist angesiedelt bei der Bürgerbeauftragten. Ich bedanke mich an dieser Stelle ganz besonders bei Samiah El Samadoni und ihrem Mitarbeiter Herrn Bunge für ihren sehr engagierten Einsatz gegen Diskriminierungen in unserem Land.
In ihrem ersten Bericht legen Sie, liebe Samiah El Samadoni, nicht nur offen, dass auch in Schleswig-Holstein Diskriminierungen vorkommen, sondern Sie regen auch ganz konkrete Maßnahmen an, die wir heute sehr gern unterstützen und für die wir
So greift unser Antrag heute auf, den Entschädigungsanspruch anzuheben, die Anzeigefristen zu verlängern, das Maßregelverbot auszuweiten, auch den Gewerkschaften das Recht einzuräumen, sich für die Verwirklichung der Gesetzesziele einzusetzen, das Verbandsklagerecht einzuführen und die Sonderregelung zur Ungleichbehandlung des § 9 AGG auf den verkündungsnahen Bereich der Kirchen einzuschränken. Es ist wirklich nicht nachvollziehbar, weshalb kirchliche Einrichtungen Andersgläubige bei Stellenbesetzungen benachteiligen dürfen.
Wir meinen, dass eine Einschränkung auf den sogenannten verkündungsnahen Bereich, zum Beispiel auf Pastoren- oder Erzieherstellen, vorgenommen werden soll. Stellenausschreibungen allerdings für hauswirtschaftliche Hilfskräfte, Reinigungskräfte oder Gärtner sollen auch Anders- und Nichtgläubigen zugänglich sein.
Nun hört man allenthalben immer noch von der CDU: Gleichbehandlung und Gleichberechtigung erreiche man nicht mit Bürokratie und Klagewellen, sondern mit Bildung und Sprache. - So lassen Sie mich, liebe Samiah, heute Ihren Antidiskriminierungsbericht in „Bildungsbericht“ umbenennen, den jede und jeder mindestens einmal gelesen haben sollte. Durch diesen Bericht kann man unheimlich viel lernen, und es ist ausdrücklich erlaubt, viel darüber zu sprechen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 2006 ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in Deutschland in Kraft getreten, das AGG, um damit den Schutz vor Diskriminierungen nach Artikel 3 Grundgesetz zu verbessern. Damit wurde eine EU-Richtlinie umgesetzt; das war auch gefordert.
Auch auf der Unternehmerseite hat sich durch das AGG das Bewusstsein für Diskriminierung weiterentwickelt. Man kann heute mit Stolz sagen: Dank des AGG wurden und werden Diskriminierungen erfolgreich beseitigt oder verringert. Dennoch muss auch zehn Jahre nach Einführung darüber nachgedacht werden, wie Diskriminierung im Alltag noch wirksamer bekämpft werden kann. In Schleswig-Holstein wurde die Antidiskriminierungsstelle 2013 eingerichtet, und der erste Tätigkeitsbericht das haben wir eben auch gehört - liegt natürlich schon vor. Der Bericht hat sicherlich deutlich gemacht, dass es in Sachen AGG noch einiges zu tun gibt.
Vielfach mangelt es bei Betroffenen vor allem an Informationen über ihre Rechte. Es muss den Menschen daher die Möglichkeit gegeben werden, sich noch besser über ihre Rechte zu informieren und auf Missstände aufmerksam zu machen. Dafür haben wir nun die Antidiskriminierungsstelle. Im Ausschuss haben wir bereits eine schriftliche Anhörung zu den von Frau El Samadoni eingereichten Änderungsvorschlägen zum AGG durchgeführt. Auch wenn Sie das nicht gerne hören, sage ich trotzdem: Dort gab es überwiegend kritische und ablehnende Haltungen zu den von Ihnen eingebrachten Änderungsvorschlägen.