Es gibt einfach deutlich mehr Postboten, Krankenschwestern und ganz normale Facharbeiter im Land als Superreiche. Für sie machen 100 € pro Kind und Monat nun einmal einen echten Unterschied. Gerade diese Menschen haben wir mit dem Krippengeld im Blick.
Einen anderen Kritikpunkt, der laut geworden ist und auch im vorliegenden Antrag der CDU durchscheint, halte ich dagegen für völlig unangemessen. Das ist der Vorwurf, wir würden die Kommunen im Regen stehen lassen. Das ist für mich schlicht und einfach unwahr. Weder beim Thema Kita noch beim Thema Finanzen insgesamt kann hiervon die Rede sein. Ganz im Gegenteil, in der rot-grün-blauen Regierungszeit haben wir nicht nur den Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich zurückgenommen und im Rahmen von verschiedenen Programmen zusätzliche Millionen investiert, wir haben auch bei der frühkindlichen Bildungsinfrastruktur viel Geld in die Hand genommen. Außerdem haben auch die Kommunen in den vergangenen Jahren gleichermaßen von Steuermehreinnahmen profitiert. Wer sich die Zahlen genauer anguckt, wird deshalb feststellen, dass wir die Kommunen in keiner Weise im Regen stehen lassen.
Wenn aus Sicht der CDU nun trotzdem der „KitaKollaps“ droht und wenn wir offenbar den „fiesen“ Plan verfolgen, die Kommunen auf diesem Weg auszubluten, um den Zusammenschluss zu größeren Einheiten zu erzwingen, dann kann ich vor dem Hintergrund unserer Finanzhilfen und der Gesamtsituation der kommunalen Familie nur sagen: Diese Vorwürfe sind wirklich abenteuerlich.
Eines muss in diesem Zusammenhang offenbar noch einmal deutlich gesagt werden: Allein bei den Kita-Betriebskosten lag die Gesamtförderung 2012 bei rund 107 Millionen €. Heute sind es über 200 Millionen €. Die Investitionsmittel sind im gleichen Zeitraum von 134 Millionen € auf 236 Millionen € gestiegen.
Wir leisten hier also einen ganz erheblichen Beitrag. Gerade weil wir wissen, dass es bei der Frage der Betriebskosten kneift, werden wir doch mal sehen, ob wir hier nicht noch kurzfristig ein bisschen nachbessern können. Wer hier also über zu wenig Einsatz vonseiten des Landes klagt, sollte fairerweise auch diese Fakten berücksichtigen.
Aus Sicht des SSW ist das Horrorszenario KitaKollaps wirklich deutlich überzogen. Trotzdem sehen wir ganz klar die Probleme vor Ort. Uns ist bewusst, dass Eltern trotz Krippengeld mitunter Hunderte von Euro für ihren Betreuungsplatz zahlen. Wir sehen, dass die Betreuungszeiten noch lange nicht immer und überall dem Lebensalltag der Menschen entsprechen. Auch darüber, dass wir weiter intensiv an der Verbesserung der Qualität arbeiten müssen, brauchen wir uns hier gar nicht zu streiten. Aber wir sind genau an diesen Themen dran und arbeiten daran.
Ein großes Problem habe ich gerade schon kurz angeschnitten: Je nach Angebot und Betreuungszeit zahlen Eltern pro Jahr zwischen 514 € und 5.688 €. Da können wir ganz klar sehen: Diese Zahlen stehen in ganz klarem Widerspruch zu unserem Ziel, Bildung kostenlos zu machen. Sie zeigen auch, wie extrem die regionalen Unterschiede bei uns im Land sein können. Für uns ist klar, dass wir hier unbedingt etwas ändern müssen. Bei der grundsätzlichen Forderung, die Kita-Finanzierung neu zu ordnen, liegen wir also gar nicht so weit auseinander.
Wir alle wissen aber auch, dass das Finanzierungssystem in diesem Bereich sehr kompliziert ist. Wir zahlen an Kreise und kreisfreie Städte und diese wiederum an die Gemeinden oder Kita-Träger. Doch nicht nur diese Zweistufigkeit macht das System unübersichtlich, sondern die vielen Akteure insgesamt. Denn neben uns und den Kreisen und Gemeinden sind eben auch noch die Träger, Einrichtungen und Eltern beteiligt. Hier müssen wir ganz ohne Frage zu mehr Transparenz kommen. Natürlich müssen hier Qualitätsaspekte im Vordergrund stehen.
Aber die Ministerin ist in ständigem Dialog auch mit den kommunalen Landesverbänden. Hieran wird gearbeitet. Ziel muss doch sein, dass wir zu einem nachhaltigen Finanzierungssystem kommen, sodass wir nicht jedes Jahr wieder hier stehen und diese Sachen diskutieren müssen.
Nun hat Daniel Günther vorhin ein Stichwort gegeben, nämlich das Betreuungsgeld. Bei diesem Stichwort muss ich an die Debatten denken, die wir damals auch in diesem Haus haben führen müssen. Selten ist mir bei einer Debatte so klar geworden, wie unterschiedlich unsere Ziele, wie unterschiedlich unsere Vorstellungen sein können, wenn es um die frühkindliche Bildung geht. Deshalb will ich für den SSW noch einmal ganz klar sagen: Es gibt für uns keine Alternative zum Ausbau der frühkindlichen Bildung und zur stetigen Verbesserung der Qualität.
Aus meiner Sicht setzt unser Gesetzentwurf konkrete Anreize dafür, sein Kind in eine frühkindliche Bildungseinrichtung zu geben. Genau dieser Anreiz ist für uns wichtig, denn seit Langem ist klar, dass hier extrem wichtige Weichen für das ganze Leben gestellt werden. Schon in der Kita entscheidet sich, wer später Bildungserfolg hat. Deshalb werden wir unser Ziel auch auf gar keinen Fall aus den Augen verlieren und weiter daran arbeiten, möglichst allen Kindern die bestmöglichen Chancen zu geben. - Jo tak!
Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich nun der Frau Kollegin Katja Rathje-Hoffmann von der CDU-Fraktion.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss auch noch ein bisschen was dazu sagen. Zum einen hätte ich mir gewünscht, dass Sie einmal die Stellungnahmen der Anhörung gelesen hätten, denn die waren ja eindeutig. Die einmal zu studieren, das hätte dieser ganzen Diskussion gutgetan. Sie reden von einem ersten Schritt. - Ja, ein erster Schritt ist das, aber in die falsche Richtung, ein Fehltritt würde ich sagen; denn diese 100 € werden den Eltern nicht viel nützen. Die Gemeinden sind wirklich am Limit. Wenn Sie vorhin gesagt haben, es seien kleine Gemeinden, dann sage ich: Ja, es sind kleine Gemeinden. Die eine hat sogar eine sozialdemokratische Mehrheit, und selbst die haben erhöht. Das tun
Sozialdemokraten nicht gern, aber die sagen sich: Wir kommen nicht weiter, wir sind am Limit, wir brauchen Geld, dieses System ist für die Kommunen unterfinanziert. Sie müssen sich an die Eltern wenden, weil sie woanders kein Geld herbekommen. Das muss zur Kenntnis genommen werden.
- Das werden wir Ihnen erzählen, wir werden es ja beraten. Sie haben ja gehört, was wir vorhaben. Wir werden den Fachkraft-Kind-Schlüssel erhöhen, der Deckel muss angehoben werden, und natürlich muss da auch eine Art von Dynamisierung hinein.
Die Drittelfinanzierung gab es einmal. Ich glaube, dass sollte unser aller Ziel sein, um nicht irgendeinen Akteur in diesem Spiel über Gebühr zu belasten.
Ich glaube, Sie müssen wirklich zur Kenntnis nehmen, wie es den Kommunen geht. Sie haben gar keine Ahnung. Sie haben die ganzen Stellungnahmen nicht gelesen. Vielleicht haben Sie auch die der Gemeinden nicht gelesen. Herr Bülow schreibt
- das befürchte ich auch manchmal -: „Kinderbetreuung nachhaltig finanzieren“. Da können Sie genau sehen, woran es in diesem System krankt. Das System ist undurchsichtig, und das wird auch nicht durchsichtiger, Frau Erdmann,
wenn man diese Ganztagsfinanzierung ab der siebten Stunde - die mussten Sie auch noch einmal lesen, so kompliziert ist die - nur für einige Teile der Kindertagesstätten und einige Gruppen zur Verfügung stellt.
Das halten wir für vollkommen falsch, denn wir wollen, dass von der ersten Stunde überall die gleichen Verhältnisse herrschen, und dass nicht eine
Gruppe bevorzugt wird und die andere nicht. Wenn wir den Fachkraft-Kind-Schlüssel erhöhen, dann für alle Kinder in den Kitas.
Wenn Ihnen das alles nicht gefällt oder wenn Sie das alles ignorieren, warum gehen Sie dann nicht einmal auf diesen Brandbrief ein? Herr Günther hat es das Aktionsbündnis „Unsere Kinder - unsere Zukunft“ schon erwähnt. Da ist die AWO dabei, der Paritätische Wohlfahrtsverband, die Landeselternvertretung, die sich ein bisschen ambivalent in der Anhörung geäußert hat, das gebe ich ja zu.
- Aber warum unterschreiben sie denn diesen Brief, meine Damen und Herren? - Nehmen Sie diesen Brief zur Kenntnis. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass das Kita-System hochgradig einsturzgefährdet ist. Wir müssen dringend etwas dagegen tun und die Eltern nicht mit 100 € betäuben. - Danke schön.
Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat jetzt der Abgeordnete Dr. Ralf Stegner von der Fraktion der SPD das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drei Anmerkungen noch zu der Debatte: Es ist hier von Vertretern der Opposition vorgetragen worden, warum die Transferempfänger von dem KitaGeld nicht profitierten. Das ist die gleiche Logik wie beim Betreuungsgeld, durch das man Menschen Geld geben will dafür, dass sie ihre Kinder nicht in eine Kindertagesstätte schicken. - Wer keine Gebühren bezahlt, bekommt auch keine Entlastung von den Gebühren. - Ich finde, das ist eine sehr verquere Logik, die wir in diesem Hause noch nie hatten.
Zweitens wurde das Argument von Frau Klahn und anderen vorgetragen: Die brauchen das gar nicht. Ich will Sie mal ehrlich fragen: Was haben Sie eigentlich für ein Bild von der Gesellschaft, von hart arbeitenden Menschen, dass Sie sagen: Die brauchen das gar nicht?
Das ist die größte Entlastung der letzten Jahrzehnte, die dabei herauskommt, wenn wir mehrere hundert Euro zahlen.
Zu sagen, die brauchen das gar nicht, mag für Sie zutreffen, aber für viele Familien im Land trifft das überhaupt nicht zu, zu sagen, die brauchen das gar nicht.
Schließlich will ich auch noch etwas sagen, weil hier aus den Stellungnahmen zitiert worden ist. Frau Johns ist sogar in Anspruch genommen worden, verehrter Herr Kollege direkt gegenüber. Frau Johns hat gesagt:
„Die rechtliche Grundlage für die Einführung des Kita-Geldes ist aus Sicht des Kinderschutzbundes ein guter Einstieg zur beitragsfreien und besseren Bildung und damit zu mehr Chancengerechtigkeit für Kinder.“