Protocol of the Session on September 22, 2016

Alle haben gesagt, dass dieser Gesetzentwurf vielfältige neue Probleme schaffen werde. Selbst der Landesrechnungshof hat den Gesetzentwurf kritisiert,

(Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Selbst der Landesrechnungshof? Ge- rade der Landesrechnungshof!)

weil er zum Beispiel vorgestellt hat, dass die angedachte finanzielle Entlastung in keinem Verhältnis zum entstehenden Verwaltungsaufwand steht. Die im Gesetz angeführten Verwaltungskosten sind zudem auch noch viel zu niedrig angesetzt. Der Landesrechnungshof weist darauf hin, dass der Verwaltungsaufwand für die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Erstattung einer Prämie vorliegen, überhaupt nicht berücksichtigt worden seien. Wie diese Prüfung erfolgen soll, ist auch nicht geklärt. Die Kreise weisen darauf hin, dass sie keine Kapazitäten haben, um den Abgleich zu gewährleisten.

Also: Wir können nicht prüfen, ob die Krippengeldempfänger gleichzeitig von der Sozialstaffel profitieren.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Was? - Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Es gibt auch keine Prüfung, ob es eine Änderung der persönlichen Verhältnisse gab oder ob andere Anspruchsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen. Wahrscheinlich könnte ich sogar meine eigenen Kinder anmelden, und das würde keiner merken.

(Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Also: Dieser Gesetzentwurf öffnet Missbrauch Tür und Tor.

Dass Sie die Krippenprämie einkommensunabhängig und völlig unabhängig vom Betreuungsumfang gewähren wollen, ist die nächste Kuriosität bei diesem Gesetzentwurf. Mein Kollege bat mich ausdrücklich, Ihnen dafür zu danken, dass er eine Entlastung erfährt.

Aber ganz ehrlich: Eine echte Entlastung erfahren die Eltern nicht. Allein durch die Ankündigung der Krippenprämie haben Sie Beitragserhöhungen in den Kommunen ausgelöst.

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die kommunalen Landesverbände haben in der Anhörung etwas anderes gesagt!)

Bei den meisten Eltern werden dadurch die Mehrkosten nicht einmal aufgefangen. Letztlich sind durch die Erhöhung alle Eltern betroffen. Sie müssen es bezahlen. Sie haben eine Entlastung - das sage ich in aller Deutlichkeit - für die Eltern geschaffen, die ihre Kinder zwei Jahre in der Krippe haben, länger nicht. Alles darüber hinaus wird nicht entlastet.

(Martin Habersaat [SPD]: Noch nicht!)

Das ist doch kein Ansatz; das ist doch fatal.

(Anita Klahn)

(Heiterkeit SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Was ist denn an Ihrem Satz logisch? Nichts! - Weitere Zurufe)

Sie haben in Ihrer gesamten Regierungszeit keine einzige Sparanstrengung unternommen. Sie haben die Kommunen drangsaliert, verteilen jetzt großzügige Geschenke und sagen den Gemeindevertretern: Ihr könnt das alles nicht; wir machen das jetzt. Wir kümmern uns endlich um die Eltern.

(Simone Lange [SPD]: Hä?)

Sie vergessen dabei völlig das, was versucht wird, mit einer heißen Nadel zu korrigieren, nämlich Ihre verfahrene Politik aus der Vergangenheit.

(Lachen SPD)

Ich habe meine Kinder 1997 in die Kita gegeben. Wir haben bereits damals über diese Themen diskutiert.

(Zuruf SPD: Das ist ja schön!)

Wir haben darüber gesprochen, dass der FachkraftKind-Schlüssel verschlechtert wurde, dass die Beiträge erhöht wurden, dass das Land die Mittel gedeckelt hat et cetera.

(Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, Politik für Familien und für Kinder würde möglicherweise anders aussehen.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Früher war alles besser?)

Ich möchte noch einige Worte in Richtung der CDU sagen. Auch Ihr Ansatz bietet für uns keine wirkliche Lösung. Mit Ihrer Forderung, einfach das Geld an die Kommunen zu geben, ignorieren Sie die Kostendynamik, die jetzt Rot-Grün-Blau ausgelöst hat, und Sie machen es sich ziemlich einfach an dieser Stelle. Kita-Politik scheint in unserem Land immer noch auf Pepita-Niveau durchgeführt zu werden.

(Lebhafte Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir brauchen andere Lösungen. Wir brauchen den Mut, das gesamte System aufzubrechen und eine Reform, die verfehlt war, wieder zu beseitigen,

(Zuruf SPD: Jetzt reicht es aber!)

die heute wohl noch beschlossen werden wird. Wir würden uns wünschen, dass es in der nächsten Legislaturperiode einen Kita-Gipfel mit den Kommu

nen gibt, auf dem wir zwei Themen klären könnten: Wie gelingt es uns, nach dem quantitativen Ausbau der Betreuungsplätze eine qualitative Verbesserung der Bereuung sicherzustellen? Und wie stellen wir das Finanzierungssystem neu auf, sodass keiner der Partner - gemeint sind insbesondere Eltern und Gemeinden - über Gebühr belastet wird?

Denn klar ist: Natürlich müssen wir den Kostenaspekt für die Eltern berücksichtigen. Wir können uns lange über Qualität und frühkindliche Bildung unterhalten, wenn die Kostenseite so erdrückend wird, dass sich die Eltern - ich meine damit die hart arbeitende Mittelschicht, die vielleicht alleinerziehende Krankenschwester, den Facharbeiter in einem kleinen oder mittelständischen Unternehmen, der vielleicht auch noch die Abendschule besucht, um sich fortzubilden - die Betreuung nicht mehr leisten können. Dann können wir uns die Qualitätsdebatte sparen. Andere Ansätze sind denkbar.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Dann fangen Sie mal an zu denken!)

Wir sollten darüber sprechen, wie es gelingen kann, die Elternbeiträge im ersten Schritt zu deckeln und landesweit eine Höchstgrenze einzuziehen. Schauen Sie in andere Bundesländer, die das seit Jahren machen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Rheinland-Pfalz! Hamburg!)

In diesem Zusammenhang könnte auch die Sozialstaffelregelung vereinheitlicht werden, oder man prüft, ob das Hamburger Gutscheinmodell ein Weg ist.

(Zurufe SPD)

Auch müssten weitere Reformschritte erfolgen, wenn wir das Finanzierungssystem neu ordnen. Eltern müssten gestärkt werden.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Fangen Sie mal mit der Qualität Ihrer Reden an!)

Die Umstellung von der Objekt- auf eine Subjektförderung muss Thema werden. Das schafft auch mehr Wettbewerb, was zu mehr Qualität führen wird.

Schließlich sind klare Qualitätsanforderungen in Bezug auf Öffnungszeiten, Aspekte der frühkindlichen Bildung, Vorgaben bei Personal und Ausstattung im Gesetz zu definieren

Frau Abgeordnete!

(Anita Klahn)

- und die öffentliche Förderung an diese Standards zu binden.

Achten Sie auf die Redezeit, Frau Kollegin?

Ja, ich bin fertig. - Sie haben sich für den einfachsten Weg entschieden, das Füllhorn des Geldes auszuschütten. - Vielen Dank.

(Beifall FDP - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das war wirklich eine desaströse Rede!)

Für die Fraktion der PIRATEN hat nun der Kollege Wolfgang Dudda das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wir gerade heute Morgen merken, sind Wahlkampfzeiten schlechte Zeiten für sachliche Debatten.

(Zurufe SPD: Oh!)