Protocol of the Session on September 21, 2016

(Beifall CDU, FDP und Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn wir uns anschauen, wie beispielsweise in Paris, aber auch in anderen Situationen die Täter agiert haben, kommt der Chance, sie räumlich einzudämmen, eine ganz besondere Bedeutung zu. Sie sind so lange durch die Polizeikräfte vor Ort einzudämmen, bis Spezialkräfte eingetroffen sind. Auch aufgrund dieses Punktes halte ich es für wichtig, dass wir sowohl bei der Schutzausrüstung als auch bei der Bewaffnung nachlegen.

Da ist es in der Tat - der Kollege Klug hat es angesprochen - bemerkenswert, wenn auf der einen Seite all diese Notwendigkeiten anerkannt werden und in die Öffentlichkeit kommuniziert wird, hierbei werde man jetzt tätig werden, aber wenn wir auf der anderen Seite am Ende feststellen: Die Handlungsfähigkeit dieser Landesregierung mit ihrer Ein-Stimmen-Mehrheit ist wieder einmal auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert. Wenn eine Fraktion oder vielleicht auch nur einige Mitglieder einer Fraktion eine abweichende Meinung haben, muss der Innenminister seine Ankündigungen wieder einsammeln und kann nicht so tätig werden, wie er es zumindest in der Presse angekündigt hat.

Ich kann Ihnen auch nicht ersparen, lieber Herr Kollege Peters, namentlich auf Sie einzugehen, wie es der Kollege Klug auch schon getan hat. Denn die Äußerung, die Sie im Zusammenhang mit dieser Debatte getan haben, finde ich per se schon grenzwertig genug. Aber es ging in der Berichterstattung des „Schleswig-Holstein Magazins“ konkret um die Frage der Ausrüstung und Bewaffnung. Dann zu sagen: „Diese drei Terrorverdächtigen haben in Schleswig-Holstein anscheinend nur Unterschlupf gesucht, hier wären sie wahrscheinlich gar nicht aktiv geworden“, und damit den Eindruck zu erwecken, wir sollten jetzt einmal nicht so eine Welle schlagen, wahrscheinlich werde die Schleswig-Holsteinische Landespolizei in der Frage gar nicht zum Einsatz kommen, sondern das würden andere regeln müssen, finde ich unanständig und verantwortungslos.

(Beifall CDU und FDP)

Deshalb möchte ich die heutige Debatte zusammenfassend nutzen, um dafür zu werben, dass wir immer wieder überprüfen, ob unsere Sicherheitsorgane mit den Befugnissen ausgestattet sind, die sie in der aktuellen Situation brauchen. Da ist viel in den letzten Monaten geschafft worden. Aber ich glaube, es gibt immer noch Instrumente, die in der Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit sehr genau daraufhin angeguckt werden müssen, ob sie unseren Sicherheitsbehörden nicht zusätzlich zur Verfügung gestellt werden müssen. Was das Thema Ausstattung angeht, so haben wir hier im Land noch Hausaufgaben zu machen.

Ich kann Sie als die verantwortlichen Abgeordneten in der Regierungskoalition nur auffordern: Machen Sie es nicht wie in der vergangenen Woche, als der Innenminister ankündigte, es gebe Handlungsbedarf, und ein paar Minuten später lehnten Sie den Antrag der CDU dazu im Ausschuss ab. Wenn Sie den CDU-Antrag ablehnen wollen, dann stellen Sie

(Dr. Axel Bernstein)

einen eigenen daneben. Wir würden ihm zustimmen, wenn Ihnen noch die entscheidende Stimme dafür fehlt. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat deren Fraktionsvorsitzender, der Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

(Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP])

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst die Gelegenheit nutzen, der schleswig-holsteinischen Landespolizei, dem Innenminister, den beteiligten Kolleginnen und Kollegen von der Bundespolizei, vom Bundeskriminalamt, von der Generalbundesanwaltschaft, all denen, die dazu beigetragen haben, dass in der vergangenen Woche drei Terrorverdächtige festgenommen werden konnten, zu gratulieren. Das ist ein Teil gut funktionierender Zusammenarbeit der Polizei in Deutschland.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich kann das gut nachvollziehen, lieber Herr Innenminister. Es ist praktisch genau zehn Jahre her - ich war selbst Innenminister -, als die Kofferbombenattentäter in Kiel festgenommen worden sind: Da war ich in einer ähnlichen Situation. Ich weiß, wie nervös man ist, wenn man die Dinge im Vorwege kennt, wenn man weiß, was da alles schiefgehen kann, wie schwierig Rund-um-die-Uhr-Bewachungen sind, wie kompliziert all das ist. Dass das gut gegangen ist, ist etwas, was uns, glaube ich, mit großer Zufriedenheit erfüllen kann. Es zeigt, dass die polizeiliche Zusammenarbeit in Deutschland gut funktioniert und dass die Landespolizei sehr gut aufgestellt ist.

Lassen Sie mich als Zweites aber auch sagen: Die terroristische Bedrohung, die wir in Deutschland in der Tat haben - übrigens eine sehr unterschiedliche: ein Rechtsextremist in München, jemand mit einer Axt dort, jemand mit einem Messer da, IS-Anhänger an dritter Stelle -, verlangt, dass wir unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte schützen. Das tun wir. Ich stehe ausdrücklich zu dem, was Frau Kollegin Lange hier vor ein paar Monaten gesagt hat. Wir haben in der Vergangenheit immer darauf geachtet, dass unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die ihren Kopf hinhalten müssen, die ihre Gesundheit und ihr Leben für uns riskieren, so

gut wie möglich ausgestattet werden. Daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben. Dafür steht auch diese Koalition.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es gibt einen Teil, den man unmittelbar regeln kann, nämlich zum Beispiel, dass man entsprechende Westen, Helme und Brillen für die Beamtinnen und Beamten in den Polizeiwagen hat, die in einem Flächenland möglicherweise als Erste zu einem solchen Tatort kommen. Wir werden dafür sorgen, dass das so geregelt ist, dass sie den optimalen Schutz bekommen. Da geht es auch nicht um Haushalt und um Verzögern und Ausschreiben, sondern das wird so schnell wie möglich erledigt.

Was nun die Frage der Bewaffnung angeht, so haben wir sehr sachkundige Vorträge zu Waffentypen gehört. Herr Kollege Klug, ist empfehle Ihnen dann doch eher den Säbeltanz von Chatschaturjan. Das ist ein Kulturerlebnis. Davon verstehen Sie erkennbar mehr als von Waffenarten, über die Sie hier geredet haben. Ich will Ihnen ehrlich sagen: Das Thema ist zu ernst, als dass wir so tun sollten, als ob jemand, der ein paar Kriminalromane gelesen hat, öffentlich über Waffenarten sinnieren könnte.

(Beifall SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Ich muss Ihnen ehrlich sagen, die Frage, was die richtige Bewaffnung für die Beamtinnen und Beamten in den Polizeifahrzeugen ist, wird in den Gruppen der Innenministerkonferenz erörtert. Da stellen wir fest: Wir haben in Deutschland eine große Vielfalt. Wir werden da das Richtige zu tun, was vielleicht für die nächsten zehn Jahre richtig ist; das wird zeitnah geschehen. Dann wird hier auch vernünftig entschieden, aber nicht in der Weise, dass per Zuruf oder Pressemitteilung kundgetan wird, welchen Waffentyp man nun für richtig befindet, Herr Kollege Klug. Das halte ich für eine sehr befremdliche Form, das politische Profil zu suchen.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Das waren Sie doch!)

Es geht bei den Beratungen in der Innenministerkonferenz darum, herauszufinden, ob in den Flächenländern der hessische Weg gegangen werden soll, nämlich die Maschinenpistolen aufzurüsten, wie man es dort macht, oder ob man den Gewehrtyp wählt, den wir momentan bei den Sondereinsatzkommandos haben, oder was auch immer es sein wird. Das werden wir in aller Ruhe prüfen und

(Dr. Axel Bernstein)

werden das, wie es sich gehört, in den Ausschüssen diskutieren. Dann wird von dieser Koalition und der Landesregierung auch entschieden; verlassen Sie sich darauf; denn an unserer Unterstützung für die Polizei besteht kein Zweifel.

Ich habe mich schon sehr geärgert, dass ausgerechnet die Opposition, Kollege Günther, sich gestern in die Brust geworfen und gesagt hat, wir müssten endlich einmal etwas für unsere Polizei tun. Das sagt der Mann einer Partei, bei der das Einzige, was sie in der letzten Legislaturperiode für die Polizei getan hat, die Verlängerung der Lebensarbeitszeit war. Das ist das Einzige, was Sie für die Polizei getan haben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir haben die Zahl der Stellen erhöht. Wir haben die Eingangsbesoldung erhöht. Wir haben den Überstundenausgleich verbessert. Wir haben den Fonds für verletzte Polizeibeamte eingerichtet. All das hat diese Koalition getan. So viel ist für die Polizei in den letzten 20 Jahren nicht getan worden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir stehen an der Seite der Polizei.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dann will ich Ihnen ehrlich sagen, Herr Kollege Günther - auch das kann ich Ihnen nicht ersparen -: Die Debatte über Sicherheit ist eine sehr ernsthafte. In der Berliner Erklärung, die nicht nur Herr Henkel in Berlin und Herr Papier in Mecklenburg-Vorpommern formuliert haben, sondern die die CDU in Schleswig-Holstein ausdrücklich begrüßt hat, reden sie über innere Sicherheit und sagen: Die innere Sicherheit in Deutschland wird verbessert, wenn wir zum Beispiel den Doppelpass abschaffen. - Na wunderbar, kann ich nur sagen. Wenn wir jungen Türken, die in Deutschland geboren sind, den Doppelpass wegnehmen, dann fordern wir sie geradezu auf, sich Herrn Erdogan anzuschließen. Das ist ein Beitrag zur Radikalisierung und nicht zur inneren Sicherheit, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Und auch andere Dinge sind es nicht. Täglich lesen wir Symbolvorschläge zum Thema innere Sicherheit, so etwa, welche Kleidungsstücke wir allgemein verbieten sollten. Das geht bis hin zu bewaffneten Parkwächtern. Das ist das Neueste, was Herr - wie heißt er? - Liebing sich ausgedacht hat. Na

großartig! Wenn das Ihre Kompetenz im Bereich innere Sicherheit ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann sieht es ziemlich finster aus. Es nützt im Übrigen ausschließlich den Rechtspopulisten, wie wir in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin gesehen haben, wenn man so auftritt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Kollege Bernstein, auch wenn Sie hier sehr ruhig gesprochen haben, will ich Ihnen schon noch sagen: Ich finde es infam, wenn man in Nachfragen im Innen- und Rechtsausschuss den Eindruck erweckt, die humanitäre Flüchtlingspolitik in Schleswig-Holstein führe dazu, dass Menschen, die vom Bundesamt verteilt werden und hierherkommen, sich als terrorverdächtig erweisen. Erstens finde ich diese pauschale Unterstellung gegenüber Flüchtlingen, die genau vor solchen Terroristen fliehen, wirklich total daneben. Das sollten die Rechtspopulisten erzählen und nicht eine konservative Partei. Zweitens wissen Sie sehr genau, dass sie durch das Bundesamt verteilt werden und dass das nichts mit der Frage zu tun hat, welche Politik wir machen. Ich füge drittens hinzu, Herr Bernstein: An der humanitären Flüchtlingspolitik wird diese Koalition nichts ändern. Das hat nämlich mit Sicherheitsfragen gar nichts zu tun, sondern das ist eine Frage von Humanität.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deswegen sollten wir uns davor hüten, Sicherheitsdebatten, die von Fachleuten geführt werden sollten, mit populistischen Äußerungen zu verknüpfen, von denen man glaubt, dass sie in der Öffentlichkeit Zustimmung finden, die aber unserer Polizei überhaupt nichts nützen. Unsere Polizei bedankt sich für solche Ratschläge wie den, die Bundeswehr solle ihre Arbeit machen, oder einen ähnlichen Unfug, den wir natürlich nicht beschließen werden.

Machen Sie hier ruhig eine Politik, wie es in der Berliner Erklärung steht. Sie werden sehen, was dabei herauskommt. Seriös ist das jedenfalls nicht. Wer von Polizeiarbeit etwas versteht, weiß, dass das nicht geht. Ich rate uns davon ab, Pauschalisierungen vorzunehmen. Es ist ganz schlimm, wenn Menschen sich radikalisieren. Wir müssen uns um Integration kümmern. Das ist ein wichtiger Punkt. Aber pauschal Bevölkerungsgruppen sozusagen unter Verdacht zu stellen, das ist, finde ich, total daneben. In München war es ein Rechtsextremist. Dort war es irgendein verwirrter Einzeltäter. Da sind es

(Dr. Ralf Stegner)

vom Islamismus beeinflusste junge Leute, um die wir uns kümmern müssen. Das kann man nicht über einen Kamm scheren. Das sollte man bitte auch nicht tun, auch nicht durch die Vorschläge, die man dazu macht.

Insofern glaube ich, dass das Thema der Aktuellen Stunde richtig ist, um der Polizei für ihre gute Arbeit zu danken. Aber es ist falsch, um parteipolitisches Profil zu schärfen und sich da als besonders schneidiger Hardliner zu präsentieren. Ich sage Ihnen eines: Ich glaube, Besonnenheit und Seriosität sind angebracht, wenn wir über Innenpolitik und Sicherheit reden. Ich habe dieser Tage Gelegenheit gehabt, mir das Tondokument von Franklin Roosevelt anzuhören, der in seiner ersten Inaugurationsansprache gesagt hat:

„The only thing we have to fear, it’s fear itself. “

Deswegen sage ich: Wir sollten nicht den Menschen Angst machen, sondern mit Besonnenheit und Klugheit das tun, was notwendig ist. Das ist der richtige Ansatz, um mit solchen Fragen umzugehen. Diese Koalition in Schleswig-Holstein wird das tun. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat deren Fraktionsvorsitzende, die Frau Abgeordnete Eka von Kalben.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wurde, als ich hereinkam, gefragt, ob uns von der Opposition eine Sicherheitsdebatte aufgezwungen würde. Ich kann nur sagen: Ich freue mich darüber, dass wir hier eine Sicherheitsdebatte führen. Das ist überhaupt nichts, was man uns aufzwingen müsste oder was wir nicht ernst nehmen würden. Ich finde es gut, dass wir an dieser Stelle einmal deutlich machen können, was unsere Fraktionsmeinung dazu ist. Das ist eine einheitliche Fraktionsmeinung, und zwar jenseits dessen, wer wie wann wo in der Presse zitiert wurde. Insofern danke ich Ihnen für die Gelegenheit, das hier in der Aktuellen Stunde noch einmal darstellen zu können.

Meine Damen und Herren, natürlich sind Menschen in Sorge, und viele Menschen haben auch Angst vor den verschiedensten Dingen, die in diesem Jahr an Terrorakten passiert sind. Angst haben aber zum

Beispiel auch die Menschen, die schon vor Jahren zu uns gekommen sind, weil Flüchtlingsheime brennen und und und. Es gibt eine Angst in der Bevölkerung. Das ist überhaupt nicht wegzuargumentieren.

Trotzdem muss uns der Spagat gelingen, auf der einen Seite diese Sorge ernst zu nehmen, sie auf der anderen Seite aber nicht noch weiter zu schüren. Das passiert aber eben auch. Sie werfen uns oder auch Herrn Peters vor, wir seien Traumtänzer. Wir werfen Ihnen vor, Sie würden Säbel rasseln. Eventuell sollten wir alle gemeinsam dahin zurückkommen zu sagen, dass wir die Ängste ernst nehmen, sie aber auch nicht weiter befeuern wollen. Wir wollen auch nicht weiter Sorge und Unruhe in die Bevölkerung bringen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)