Protocol of the Session on July 21, 2016

(Heiner Rickers [CDU]: So ist es!)

Letztes Mal habe ich betont, dass wir der Klimakrise nur mit einer ernst gemeinten Energiewende entgegentreten können und dass diese Wende nur mit dem Rückhalt der Gesellschaft gelingen kann. Es gibt Teile in unserer Gesellschaft, in denen wir diesen Rückhalt nicht haben. Für die Ablehnung von Windkraft kann es alle möglichen Gründe geben, vom Wert der Grundstücke über die Sorge um die Gesundheit bis hin auch zur Ästhetik der Landschaft oder den Naturschutz.

Zu Beginn unseres Kampfes gegen die Atomkraft haben uns die Leute belächelt, wenn wir gesagt haben, es könnte gesundheitliche Konsequenzen aus der Kernkraft geben. Es ist wichtig, diesen Sorgen auch in Fragen der Windkraft seriös und wissenschaftlich nachzugehen. Nur auf diesem Weg können für alle Beteiligten vertretbare Wege gefunden werden.

Der wissenschaftliche Beleg für diese gesundheitlichen Schäden bleibt bislang allerdings aus. Unsere Landesregierung ist an der Stelle dem Bund wieder einmal voraus. Es ist gut, dass Herr Habeck jetzt schon tätig wurde und eigene Messungen durchfüh

(Thomas Hölck)

ren wird, noch bevor sich das Umweltbundesamt 2017 damit beschäftigen wird.

Die Küstenkoalition ist mit den Menschen und ihren Sorgen in den Dialog getreten. Es gibt wirklich zahlreiche regionale Veranstaltungen. Es gab Veranstaltungen hier im Landeshaus, bei denen alle Gruppierungen und Menschen, die Bedenken und Sorgen im Hinblick auf die Windkraft haben, sehr offen zu Wort gekommen sind und wo mit ihnen sehr ausführlich diskutiert wurde - auch durch den Minister persönlich.

Auf der einen Seite gibt es diejenigen, die sich beeinträchtigt fühlen oder gar gesundheitliche Folgen fürchten oder bemerken, auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die auf die Notwendigkeit der Energiewende hinweisen und die Gefahren, die sich aus dem Klimawandel und der Atomkraft ergeben. Und das, meine Damen und Herren, müssen wir auch immer wieder deutlich machen: Was ist denn die Alternative, wenn wir die Energiewende ausbremsen?

(Christopher Vogt [FDP]: Das miteinander in Einklang zu bringen!)

Dazu höre ich von Ihnen ehrlich gesagt nicht viel.

(Christopher Vogt [FDP]: Doch!)

Ich höre von Ihnen nur, dass wir Abstände vergrößern sollen, dass wir die Grenzwerte bei Infraschall erhöhen sollen, und ich höre von Ihnen nicht, wie Sie, wenn wir die Abstände vergrößern und dadurch weniger Windkraft ausbauen, dann die Klimaziele, die wir gerade vor einer halben Stunde hier miteinander besprochen haben - wo Sie alle gesagt haben: Ja, wir sind ja alle unglaublich dafür, die Klimaziele zu erreichen! -, erreichen wollen. Jetzt, einen Tagesordnungspunkt später, erzählen Sie uns, wir müssten die Energiewende ein bisschen ausbremsen. Das passt nicht zusammen, meine Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Für uns Grüne gehört die Energiewende immer in Bürgerhand. Das ist auch eine tief demokratische Auffassung von Energiepolitik, von einer Energiepolitik, die wir dringend brauchen. Und zu dieser Energiewende gehört der Ausbau der Erneuerbaren. Gerade Windkraft und der Netzausbau gehören dazu, aber auch - auch das haben wir schon erwähnt; das ist wichtig, und das wird oft verschwiegen - Effizienz und Einsparung. Wir müssen - das war ja eben auch der Punkt bei der Verkehrswende; es war gut, dass Sie noch einmal darauf hingewiesen ha

ben -, wenn wir uns darüber Gedanken machen wollen, wie wir die Klimaziele erreichen, unter Umständen auch das eine oder andere Thema ansprechen, das vielleicht nicht so angenehm ist wie billiger Strom aus der Steckdose, denn dann müssen wir auch darüber nachdenken, wie wir weniger Strom verbrauchen können. Ich glaube, das ist ein noch viel, viel schwierigeres Thema als die Windkraft vor der Tür.

Meine Damen und Herren, ich wiederhole es immer wieder: Es geht um etwas, es geht um etwas wirkliches Wichtiges: Die Konsequenzen der Klimakrise sind uns allen bewusst. Dennoch nehmen Artensterben, die Verwüstung von Lebensräumen, Überschwemmungen und Dürren massiv zu - noch vor Kurzem nicht vorstellbar, aber mindestens für unsere Kinder und Enkel wirkliche Szenarien, vor denen es uns gruselt.

Noch einmal zur Windenergie zurück. Abgeschmolzene Eisberge und produzierter Atommüll können nicht einfach zurückgenommen werden. Windräder können, wenn es sich als eine Entwicklung herausstellt, die man ersetzen kann, abgebaut werden. Das ist eine Technik, die reversibel ist. Atomkraftwerke - das erleben wir ja gerade - sind äußerst schwierig zurückzubauen. Den Atommüll will im Zweifel dann auch keiner haben.

Meine Damen und Herren, die Opposition sagt, was alles nicht geht und nicht gemacht werden soll, nennt uns aber keine Lösungsvorschläge, wie es gehen soll, wenn wir das Klimaziel erreichen wollen.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Wir wollen in Schleswig-Holstein Teil einer starken Energiewende sein. Dazu gehört auch eine starke Windenergie. - Herzlichen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat der Fraktionsvorsitzende, der Abgeordnete Dr. Patrick Breyer.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es gab Zeiten in unserem Land, da wurde die Windkraft weitgehend im Konsens mit den Bürgern ausgebaut. Da wurden Gemeinderatsbeschlüsse und Bürgerentscheide gegen einen Ausbau im Gemeindegebiet respektiert. Seit den Urteilen des Oberver

(Eka von Kalben)

waltungsgerichts, nach denen das jetzt geltende Recht die Berücksichtigung des Bürgerwillens nicht mehr ermöglichen soll, ist dieser Konsens zerbrochen.

Unser Gesetzentwurf zum Schutz der Akzeptanz der Windenergie wäre die Chance des Landtags gewesen, gemeinsam mit den Experten vertretbare Wege zu finden, um eine Umsetzung des Bürgerwillens wieder zu ermöglichen. Dieser Gesetzentwurf hätte in den weiteren Beratungen verbessert werden können. Trotz der Bedenken des Wissenschaftlichen Dienstes gab es eine Reihe von Juristen, die Möglichkeiten gesehen haben, den Bürgerwillen zu berücksichtigen. Dazu gehörten zum Beispiel Professor Pausch, Herr Dr. Mecklenburg und Herr Dr. Thiele. Da brechen Sie plötzlich die Anhörung ab. Sie wollen keine mündliche Anhörung, Sie wollen nicht die Veranstaltung abwarten, die die Staatskanzlei zu dem Thema angeboten hat.

Dieser Ausstieg aus der Diskussion zeigt doch, dass Sie gar nicht wollen, den Bürgerwillen überhaupt zu berücksichtigen und umzusetzen, nur um willkürlich gesetzte Ziele wie zum Beispiel ein 300-%-Ziel durchdrücken zu können.

(Beifall PIRATEN)

Damit fallen Sie nicht nur Ihrem eigenen Ministerpräsidenten in den Rücken, der da sehr viel offener ist. Sie konterkarieren auch alles, was an Dialog von der Landesregierung versucht wird. Sie schüren den Protest der Bürger, indem Sie sich gar nicht mit den Fragen auseinandersetzen, die sich hier stellen. Exemplarisch ist sicherlich der Abgeordnete Detlef Matthiessen schon angesprochen worden, selbst mit wirtschaftlichen Interessen in der Windenergie, der den Protest beschimpft als „Hanseln vor Ort“.

Ich kann nur sagen: Wer Wind sät, wird Proteststürme ernten. Die Kritiker sagen doch zu Recht, dass zentrale Probleme Ihrer schönen Pläne bis heute noch ungelöst sind.

Sie begründen - Eka von Kalben hat das gerade wieder getan - den schnellen Ersatz von Kohlekraftwerken durch Windenergieanlagen mit dem Klimaschutzziel. Fakt ist, dass die CO2-Emissionen zuletzt sogar angestiegen sind und dass Ihr eigener Energiewendeminister auf meine Frage einräumen musste, dass nach dem jetzigen Emissionshandelssystem eine schnelle Energiewende überhaupt nicht zur CO2-Emissionsminderung beiträgt,

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

weil die Emissionen einfach anderweitig verfeuert werden. Ein weiteres Problem, das Sie nicht gelöst haben, ist die Grundlast, die in windarmen Zeiten nicht gesichert ist, und die Tatsache, dass in windreichen Zeiten die Anlagen immer häufiger abgesichert werden. Sie haben das Problem des Lärmschutzes nicht gelöst. Sie erstellen bis heute Lärmprognosen für hohe Windkraftanlagen wissentlich mit einem Verfahren, das den Lärm nicht mehr richtig abbildet, und lehnen die Umstellung dieses Verfahrens ab, was sehr wohl auf Landesebene möglich wäre, anders als Sie in Ihrem Antrag schreiben.

Wenn Sie solche Anlagen zuerst bauen lassen und dann aufgrund neuer Messwerte Nachbesserungen möglich sind, entwerten Sie Investitionen. Ist Ihnen eigentlich klar, dass es überhaupt keinen Sinn macht, so etwas auf später zu verschieben, jetzt, wo die Anlagen gebaut werden? Deswegen lehnen wir Ihren Antrag, den Sie jetzt kurzfristig noch eingebracht haben, ab.

Thema Strahlenschutz beim Bau von Starkstromleitungen: Das Bundesamt für Strahlenschutz rät unter anderem wegen der höheren Leukämiezahlen davon ab, Kinder dauerhaft einer erhöhten Strahlenbelastung auszusetzen. Doch bis heute ist der in Deutschland geltende Grenzwert 100-mal höher als der in der Schweiz. Und Sie wollen daran nichts ändern.

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bis heute erfahren die Bürger nicht, wenn Windparks in ihrer Nähe geplant werden. 70 % der Genehmigungen werden ohne Öffentlichkeitsbeteiligung erteilt, und Sie lehnen mehr Transparenz ab. Sie lehnen überhaupt alles in Bausch und Bogen ab, was wir in unseren Anträgen schreiben oder beantragen. Wir können schreiben, was wir wollen. Dass das Klima zu schützen ist, schreiben wir zum Beispiel. Sie lehnen es ab.

Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen?

Im Anschluss an meine Ausführungen zu diesem Punkt gern.

Dass wir uns zum Atomausstieg bekennen, Frau von Kalben, schreiben wir in unseren Antrag. Sie

(Dr. Patrick Breyer)

wollen es ablehnen. Der Bürger erfährt also heute: Die Grünen bekennen sich nicht zu den Weltklimazielen und zum Atomausstieg. Sie wollen auch keine Lösung zur Gewährleistung der Grundlast finden.

(Zurufe Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und SPD)

Das ist das Ergebnis, wenn Sie unseren Antrag ablehnen. Ich kann nur sagen: Wenn Sie den Bau von Windmühlen zur Religion erheben, dann werden Sie Glaubenskriege entfachen. - Bitte schön!

Herr Kollege Breyer, Sie sprachen die 26. BImSchV an, Strahlenschutz. Sie wissen, dass wir in der Genehmigungspraxis den Grenzwert von 100 Mikrotesla haben und den um das 100-fache unterschreiten und praktisch die Grenzwerte, die die Schweiz vorschreibt, damit erreichen. Oder ist Ihnen das nicht bekannt?

- Richtig ist, Herr Kollege Matthiessen, dass die Genehmigungsbehörden bemüht sind, diesen Grenzwert einzuhalten, aber nicht dass das als hartes Kriterium umgesetzt wird und ansonsten Erdleitungen gebaut werden. Ein solches hartes Kriterium gibt es nicht. Das heißt, dass einzelne Wohnbebauungen auch einer deutlich höheren Strahlenbelastung ausgesetzt sein werden, mit den entsprechenden Risiken. Die Empfehlungen des BfS werden an der Stelle nicht umgesetzt.

Gestatten sie eine weitere Bemerkung des Abgeordneten Matthiessen?

Das wäre dann vielleicht eine Bemerkung, Herr Breyer. Ähnlich wie bei der TA Lärm handelt es sich hier um untergesetzliches Regelwerk zum Bundes-Immissionsschutzgesetz. Damit gibt es keine Landeskompetenz in der Gesetzgebung. Wir können auch einem Antragsteller sozusagen nicht im Genehmigungsverfahren strengere Werte aufdrücken. Er kann sich auf geltendes Recht berufen, um seine Genehmigung zu bekommen.

- Sie wissen, Herr Kollege Matthiessen, dass es in dem Bereich Bau von Erdleitungen einen gewissen Spielraum gibt und dass man sich da einsetzen kann, unter anderem mit dieser Begründung in dicht besiedelten Gebieten, und dass diese Möglichkeiten zu nutzen natürlich voraussetzt, dass man sagt: Wir wollen diesen niedrigeren Grenzwert stringent einhalten. Und eben das geschieht nicht.

(Zuruf Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])