„Wohl aber weiß ich, dass es uns Deutschen dauerhaft nicht gut gehen kann, wenn es anderen europäischen Nationen wesentlich schlechter geht.“
Aber genau das ist der Fall. Wir haben Staaten wie Griechenland, Portugal oder Spanien, die kurz vor dem Kollaps stehen, und die bis heute keine richtige Perspektive - außer Rentenkürzung für die ganz Armen - bekommen haben. Betrachtet man die Jugendarbeitslosigkeit in Süd- und Osteuropas, kann man nur von einem Skandal sprechen. Für die gemeinsame Agrarpolitik wird immer noch mehr als 35 % des Budgets der EU verwandt, aber Maßnahmen zur Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit scheinen immer noch nicht möglich zu sein.
Hier muss sich die EU selbst neu aufstellen. Was wir brauchen, ist ein soziales Europa, das Freizügigkeit garantiert und endlich dafür sorgt, dass Südund Osteuropa wirtschaftlich gestärkt werden. Nur dann hält die EU. Wir brauchen keinen Superstaat und keine europäische Zentralregierung, wir brauchen Demokratie, Rechtsstaat, Dezentralisierung, Bürgernähe und wirtschaftliches Wachstum sowie soziale Verantwortung.
Hier gibt es viel zu tun. Zentralstaatsfantasien sind gegen die Menschen gerichtet und helfen bei der europäischen Zusammenarbeit überhaupt nicht. Das ist auch eine Lehre aus dem Brexit, aus der Entscheidung der Bevölkerung.
In der Tat, der Ministerpräsident hat recht, Europa ist die größte Idee, die es je gegeben hat. Sie ist auch eine Erfolgsgeschichte. Nur: Sie war vor allem immer dann eine Erfolgsgeschichte, wenn es darum ging, dass ein Ausgleich zwischen den Staaten geschaffen wird. Wenn es jetzt dahin geht, als Effekt oder Schlussfolgerung aus dem Brexit, zu sagen, wenn die Briten aussteigen, wenn dass das Volk will, dann müssen wir für alle anderen Völker in Europa eben eine zentrale Regierung schaffen, die den Völkern erklärt, was sie zu denken haben, dann bekommen wir richtig Probleme mit rechtspopulistischen Parteien.
Genau das wollen wir als SSW nicht. Also: Wir brauchen Spielräume für die Kulturen und für die Identitäten. Wir wollen ein vielfältiges Europa erhalten. Das geht nur in einem Europa, in dem Staaten miteinander zusammenarbeiten. Das schließt im Übrigen auch nicht aus, dass das Europäische Parlament gegenüber der Kommission gestärkt wird. Wir wollen auch, dass sie Antragsrechte bekom
Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Besuchertribüne den Vorsitzenden des DGB Nord, Uwe Polkaehn, im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Meine Damen und Herren, die sommerlichen Temperaturen haben hier im Präsidium schon Wirkung gezeigt, die zusätzliche Redezeit beträgt nicht 2, sondern 7 Minuten. Wir haben jetzt die Kühlung wieder eingeschaltet.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich gefragt, warum die regierungstragenden Fraktionen einen Berichtsantrag zu diesem Thema, bei dem wir ja gar nicht so wahnsinnig viel zu entscheiden haben, gestellt haben. Ich dachte, das Mindeste, wenn wir uns hier im Schleswig-Holsteinischen Parlament versammeln und über Europa diskutieren, wäre, dass wir positive Stimmung verbreiten.
Ich weiß nicht, wie Sie das empfunden haben auch von Ihnen haben nicht so wahnsinnig viele bei den Reden geklatscht. Aber in beiden Reden, die ich bisher gehört habe, ging es nur um Probleme und Fragen. Unsere Aufgabe ist doch jetzt aber, dass wir wieder Begeisterung für Europa verbreiten, weil wir doch überzeugte Europäer sind. Das muss doch die Aufgabe des Schleswig-Holsteinischen Landtages sein.
Deswegen müssen wir doch versuchen, Europa auf das herunterzubrechen, was die Menschen hier in Schleswig-Holstein bewegt. Was bedeuten die Entscheidungen auf europäischer Ebene für jeden einzelnen von uns? Vielleicht haben wir in der Ver
Dass sich die Briten falsch entschieden haben, ich glaube, darüber sind wir uns alle einig. Spätestens in den Wochen danach ist jedem klar geworden, dass dort eine Fehlentscheidung getroffen wurde. Aber es sind doch nicht die jungen Menschen, Herr Ministerpräsident, an die wir jetzt im Moment appellieren müssen. Denn selbst in Großbritannien hat sich doch gezeigt, dass die jungen Menschen von Europa überzeugt sind. Wir müssen uns um die Alten kümmern, um die älteren Menschen, um ihnen klarzumachen, was das für uns bedeutet.
Gerade Sie, Herr Ministerpräsident, hätten heute doch hier mit Begeisterung dafür werben können. Denn Sie haben doch kürzlich eine Delegation nach China angeführt. Sie haben sich China angeguckt, ein Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern, das unverhohlen sagt: Wir wollen die größte Wirtschaftsmacht der Welt werden! Dann, als Sie wieder von der Reise zurück waren, mussten Sie erleben, dass in Europa mit 500 Millionen Einwohnern ein Land wie Großbritannien mit 65 Millionen Einwohnern allen Ernstes glaubt, bei den Auseinandersetzungen, bei dem Wettbewerb, den wir haben, sei es klug, etwas auf eigene Faust zu machen. Vor dem Hintergrund hätte ich mir von Ihnen ein Werben für einen gemeinsamen Wirtschaftsraum und für die Europäische Union gewünscht.
Aber ich glaube, wir könnten es den Menschen auch leichter machen - das will ich durchaus auch für mich selbst sagen -, wenn wir für ein Friedensprojekt Europa werben und sagen, wir wollen wieder Begeisterung entfachen. Ich glaube, für viele Menschen in unserem Land ist es wenig verständlich, wenn sie auf der einen Seite sehen, dass ein Land wie Großbritannien - was uns so nahesteht, auch in unseren Wertvorstellungen, die älteste Demokratie - die Europäische Union verlässt, und dass wir auf der anderen Seite allen Ernstes immer noch Beitrittsverhandlungen mit der Türkei führen. Ich glaube, das können wir den Menschen wirklich schwer erklären.
Man sieht, was dort alles in den letzten Wochen passiert: Die Pressefreiheit wird rauf und runter diskutiert, 30.000 Menschen werden willkürlich aus dem Staatsdienst entlassen. Dort wird eine Stim
mung erzeugt, um sich selbst dazu zu zwingen, die Todesstrafe wieder einzuführen. Und das soll ein Land sein, mit dem wir gemeinsam an einem Friedensprojekt Europäische Union arbeiten? Ich glaube, das sind eher Punkte, bei denen wir uns anders aufstellen müssen, damit wir wirklich mehr Menschen wieder für Europa begeistern können, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Weil wir in mehreren Debatten heute Morgen auch die große Welt bewegen, würde ich mir zum Beispiel wünschen, wenn wir uns nachher über CETA und TTIP unterhalten, dass wir, wenn wir an die Entscheidung der Briten denken und sie ja gemeinsam für falsch halten, uns auch einmal Gedanken darüber machen, ob wir hier nicht auch einmal ein positives Signal setzen sollten.
Bei aller Kleinkariertheit und bei aller Diskussion, die es über Einzelheiten in einem solchen Abkommen gibt, aber mit der gleichen Begründung, warum wir dafür werben, dass Großbritannien in der Europäischen Union bleibt, muss es doch auch unser gemeinsamer Anspruch sein, dass wir unseren Wohlstand auch dadurch vermehren, dass wir als Europäische Union mit befreundeten Ländern wie den USA und Kanada doch in der Lage müssen, ein gemeinsames Handelsabkommen abzuschließen.
Ich halte es vor dem Hintergrund auch für wenig hilfreich, dass SPD und Gewerkschaften jetzt in Europa rumlaufen und sagen: Das Heil der Europäischen Union muss darin liegen, endlich wieder mehr Geld auszugeben, mehr Geld umzuverteilen. Auch in Europa muss es doch erst darum gehen, dass man sich den Wohlstand durch solche Abkommen erst erarbeitet. Danach kann auch verteilt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Es gibt so viel Positives, was wir von der Europäischen Union haben. Das müssen wir übrigens den Deutschen nicht erklären. Das wundert mich bei den Reden, die ich hier gehört habe. In Deutschland haben wir doch eine breite Unterstützung für die Europäische Union. Hier wird so diskutiert, als
stehe sozusagen der Untergang, die Auflösung der Europäischen Union bevor. Nein, in Deutschland hat doch die weit überwiegende Mehrheit klare Vorstellungen davon, dass die Europäische Union richtig für Deutschland ist und uns allen gemeinsam hilft, meine sehr geehrten Damen und Herren.
58 % unserer Exporte gehen auf Handel mit Staaten der Europäischen Union zurück. Wir haben mehr Arbeitsplätze durch mehr Arbeitnehmerfreizügigkeit, mehr Wettbewerb, damit günstigere Preise durch den europäischen Binnenmarkt, mehr Verbraucherschutz durch die Europäische Union, mehr Reisefreiheit, auch mehr Sicherheit, mehr Umweltschutz durch die Europäische Union und eben auch mehr Gehör in der Welt. Und darüber sollten wir reden. Wir sollten im Übrigen nicht immer die Europäische Union dann, wenn es passt, für eigene Fehler verantwortlich machen.
Wir sind klasse darin, in Schleswig-Holstein jedes EU-Recht auf Landesrecht noch deutlich komplizierter herunterzubrechen, als es vorher beschlossen wurde. Ich finde, gerade wir Schleswig-Holsteiner können bundesweit doch dafür werben, dass man das im Rahmen des EU-Rechts auch unterschiedlich in nationales Recht umsetzen kann. Wer, wenn nicht wir, kann das anhand der FehmarnbeltQuerung erleben?
Schauen Sie sich den deutschen Teil des Planungsrechts an! Es dauert auf unserer Seite alles viel länger, und die Menschen sind in Dänemark sogar noch glücklicher und zufriedener, wenn ein solches Projekt gemacht wird. Da müssen wir uns doch fragen, ob wir nicht manches der Europäischen Union in Deutschland falsch umsetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
An solchen Beispielen sollten wir lernen. Sie haben noch ein paar weitere Redner in Ihren Reihen. Vielleicht zeigen Sie auch gemeinsam mit uns dem Ministerpräsidenten, dass es hier wirklich eine Begeisterung für Europa gibt, dass wir aus Fehlern, die wir vielleicht gemacht haben, gelernt haben, aber dass wir alle der Auffassung sind: Europa steht nicht für Bürokratie, sondern Europa steht für Freiheit, Wohlstand und Frieden. Und das sollten wir hier heute deutlich machen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über den Brexit. Ich muss ehrlich sagen, ich war an dem Tag über das Ergebnis überrascht. Ich hatte gedacht, dass spätestens das schreckliche Attentat auf die junge Labour-Abgeordnete Menschen vielleicht hätte zur Besinnung bringen können, und war mit anderen, ehrlich gesagt, über dieses Ergebnis auch ein wenig deprimiert. Es war ein trauriger Tag für das vereinte Europa. Es war, glaube ich, ein rabenschwarzer Tag für das Vereinigte Königreich.
Ich hatte Gelegenheit, nach der Abstimmung in London zu sein, und hatte das Gefühl, egal, mit wem man sprach: Da ist ein Land voller Desorientierung und - viele ahnen erst, was die Folge davon sein wird - auch ein tief gespaltenes Land: Die Mehrheit der jungen Menschen hat sich für Europa entschieden, die Schotten übrigens auch und die Nordiren auch. Am Ende hat die ältere Generation der jüngeren ein Stück von der Zukunft weggenommen. Das ist das, was man beklagen muss.