Protocol of the Session on June 9, 2016

Ohne Zweifel wird unsere Lebens- und Arbeitswelt zunehmend von Informationstechnologie geprägt. Selbstverständlich kommt unseren Schulen eine enorm wichtige Rolle zu, wenn es darum geht, Kinder und Jugendliche auf diese Anforderungen vorzubereiten. Natürlich müssen wir die nachfolgende Generation in die Lage versetzen, umfassend an der digitalen Gesellschaft teilhaben zu können, das ist gar keine Frage. Aber müssen wir deshalb aus allen Kindern Informatiker machen?

(Zuruf Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Müssen alle nicht nur Programmieren, sondern zum Beispiel auch formale Sprachen oder Informatiksysteme beherrschen? Ich denke, das ist vielleicht für manchen wünschenswert, aber für alle doch etwas unrealistisch.

Man kann uns kaum ernsthaft vorwerfen, beim Thema digitales Lernen zu schlafen. Nicht zuletzt in der Debatte zur Umsetzung des digitalen Lernens wurde sehr deutlich, wie viel sich hier bewegt hat.

Egal, ob Breitbandanschluss, technische Ausstattung oder schulinterne Kommunikation: Überall liegt natürlich noch viel Arbeit vor uns. Unser Bildungssystem technisch fit zu machen und ins digitale Zeitalter zu begleiten, ist eine Daueraufgabe. Aber Rot-Grün-Blau stellt sich dieser Herausforderung.

Umso wichtiger ist es, dass wir an diesem Punkt nicht die grundlegenden Ziele aus den Augen verlieren. Zum Beispiel brauchen wir eine moderne technische Grundausstattung. Wir brauchen eine schnellere Internetanbindung für unsere Schulen, und wir müssen digitale Kommunikation zwischen Lehrkräften, Schülern und Eltern sicherstellen.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich will nicht so weit gehen und behaupten, dass dieser Antrag reines Wünsch-dir-was wäre. Dafür ist das Thema alleine schon viel zu wichtig.

Aber die PIRATEN wollen offenbar den dritten Schritt vor dem ersten Schritt gehen. Sie werfen dabei ganz nebenbei eine Reihe von Fragen auf, auf die sie gar keine Antworten haben: Wie wirkt sich dieses neue Pflichtfach denn auf die Stundentafel aus? Ist es ein Zusatzangebot, oder soll im Gegenzug ein anderes Fach nicht mehr unterrichtet werden? Wie viele zusätzliche Lehrkräfte wären nötig? Was soll dieser Ansatz also in etwa kosten? Wo soll im Gegenzug eingespart werden?

Wenn perspektivisch ausschließlich von Lehrkräften mit entsprechender Befähigung unterrichtet werden soll: Wo waren die PIRATEN, als wir uns umfassend mit der Neuordnung der Lehrerbildung befasst haben?

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Wir waren hier! - Heiterkeit)

Eines ist klar: Wir stehen gerade beim Thema Digitalisierung vor großen Veränderungen. Entsprechend wichtig ist neben der Infrastrukturfrage auch die Frage nach der Vermittlung von Grundlagen. Ich denke da an die Medienkompetenz oder den selbstverständlichen Umgang mit Computern und dem Internet. Wir müssen und werden hier unseren Einsatz ab der ersten und nicht erst ab der vierten Klasse weiter verstärken. Hier müssen wir ansetzen und Schritt für Schritt zu Verbesserungen kommen, statt uns über ungelegte Eier zu unterhalten.

(Uli König [PIRATEN]: Ungelegte Eier? - Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir kommen zu den Dreiminutenbeiträgen. Zunächst hat der Kollege Sven Krumbeck von der Piratenfraktion das Wort.

Wo fange ich an? - Ich glaube, ich fange einmal damit an, die total unverdächtige, megapopulistische Freibeuterfraktion im Bundestag zu zitieren, nämlich die SPD-Fraktion, die am 2. September 2015 gefordert hat, Informatikunterricht als Pflichtfach für alle einzuführen.

(Beifall PIRATEN - Zurufe SPD)

Vielleicht sollte sich mein Kollege Habersaat einmal mit denen unterhalten. Tatsächlich ist das ein

(Jette Waldinger-Thiering)

Thema, das bundesweit diskutiert wird. Sind das alles Populisten?

(Peter Eichstädt [SPD]: Das können die aber nur bei der Bundeswehrschule machen, sonst haben die keine Zuständigkeit! - Beifall PI- RATEN)

Wenn mein Kollege Habersaat sich zum Beispiel mal die Informatikanforderungen aus dem Lehrplan angeguckt hätte, anstatt auf Twitter gegen meinen Fraktionsvorsitzenden Patrick Breyer zu stänkern, dann wüsste er, dass das fast deckungsgleich ist mit den Forderungen, die in unserem Antrag stehen. Er sollte sich vielleicht einmal angucken, wie inhaltsleer und einfallslos sein eigener Lehrplan ist.

(Martin Habersaat [SPD]: Mein Lehrplan? - Beifall PIRATEN)

Ich habe den großen Fehler gemacht, dass ich das hier als eine Einladung zum Dialog gesehen habe. Ich habe es so gesehen, dass wir im Ausschuss noch einmal darüber diskutieren können und uns auf gemeinsame Forderungen, auf gemeinsame Ziele, auf gemeinsame Änderungen am Lehrplan, wie es auch die Kollegin Franzen angedeutet hat, einigen können. Aber das ist ein großer Fehler. Ich sehe: Ein Dialog ist hier nicht mehr gewollt.

(Beate Raudies [SPD]: Ja, so ist das!)

- Das ist ganz schön hart.

Den Unterschied zwischen dem Lernen mit digitalen Medien und dem Lernen über digitale Medien muss ich Ihnen wohl auch noch einmal erklären. Ich habe die Frau Bildungsministerin Ernst immer unterstützt, wenn es um Veranstaltungen mit Schulen und Kreisen ging. Es ist aber ein Unterschied, ob man mit einem Tablet lernt und lernt, von einem Tablet abzulesen und Aufgaben auf einem Tablet zu machen, oder ob man lernt, wie ein Tablet funktioniert und was die unterschiedlichen Methoden sind, mit denen man Programme auf ein Tablet bekommt.

(Beifall PIRATEN, Anke Erdmann [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist ein großer Unterschied, deswegen ist dieser Wettbewerb nur ein Anfang. Er reicht nicht aus, er muss die Grundlage sein für weitere Aktionen. Genau das hatten wir mit unserem Antrag erhofft.

Ich kann nur an die Regierungsfraktionen appellieren: Lassen Sie uns den Antrag im Ausschuss beraten, lassen Sie uns ein Fazit ziehen! Sie können den Antrag im Ausschuss immer noch ablehnen, wenn

wir dort nicht zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen. Aber lassen Sie uns beraten!

Lassen Sie uns die Expertenverbände dazu anhören! Sprechen Sie noch einmal mit den großen Industrieverbänden, zum Beispiel mit der Bitkom, die das auch schon seit Ewigkeiten fordert! Es ist ja nicht nur eine Forderung von der kleinen, verrückten Piratenfraktion im Kieler Landtag, sondern es spielt sich in ganz Deutschland gerade eine gesamtgesellschaftliche Debatte ab. Die kann man nicht einfach abkanzeln, indem man über den Fraktionsvorsitzenden der PIRATEN im Landtag herzieht. Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN - Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Dann hat jetzt das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag die Frau Abgeordnete Heike Franzen von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin über die Debatte, die wir hier geführt haben, ein wenig überrascht, weil ich es bisher im Bildungsausschuss so wahrgenommen habe, dass wir uns über die Fraktionsgrenzen hinweg ziemlich einig darüber waren, dass die Frage des digitalen Lernens definitiv ein wichtiges Thema ist.

Wie gehe ich mit einem solchen Medium um? Wie funktioniert das tatsächlich? Wie funktionieren die Systeme dahinter? Was passiert, wenn ich etwas eingebe? Wie funktioniert zum Beispiel das System hinter Facebook? Uns war im Ausschuss gemeinsam wichtig, dass solche Dinge tatsächlich hinterfragt werden.

Hier ist doch jetzt ein Ziel definiert worden. Ich halte es für über das Ziel hinausgeschossen zu unterstellen, wir wollten, indem man das als Teil der Stundentafel als Pflichtfach einführt, jeden Schüler zum Informatiker machen.

(Beifall PIRATEN - Uli König [PIRATEN]: Genau!)

Wir haben Sport als Unterrichtsfach. Es sind nicht alles Spitzensportler, die aus unseren Schulen herauskommen. Wir müssen wirklich darüber nachdenken, wie wir dieses Wissen in die Gesellschaft hineinbekommen, damit wir mit den Medien kritisch umgehen können.

(Sven Krumbeck)

Ich finde es schade, dass die Diskussion hier so pauschaliert gelaufen ist. Das ist keine gute Tendenz, die wir hier haben.

(Beifall Karsten Jasper [CDU])

Was für ein Bild tragen wir nach außen? Wir sagen: Digitale Medien sind wichtig, aber wie sie funktionieren, wollen wir leider keinem beibringen. Sie ziehen sich dann darauf zurück, dass wir wenige Lehrkräfte in diesem Fach haben. Ja, das haben wir. Das stimmt. Das hat die Kleine Anfrage der PIRATEN hervorgebracht. Das ist in der Tat so. Aber wollen wir das denn akzeptieren? Ist das denn die Grundlage, dass wir sagen: „Wir haben leider keine, und wir können nicht“?

(Beifall PIRATEN und Karsten Jasper [CDU])

Die Situation muss doch die sein, dass wir fragen: Wie können wir uns dahin entwickeln, dass wir entsprechendes Lehrpersonal haben? Deswegen finde ich den Vorwurf nicht gerechtfertigt und halte den Ansatz der PIRATEN richtig zu sagen: Lasst uns gemeinsam darüber diskutieren.

Ich glaube, dass es auch Sven Krumbeck und Uli König so gegangen ist, dass sie es ähnlich wie ich empfunden haben, nämlich dass es einen gemeinsamen Weg in diesem Parlament geben müsste, und sie deshalb den Antrag so offen formuliert haben, wie ich das auch richtig finde.

Zu der Frage, wie man das in der Kontingentstundentafel unterbringt, ob man andere Bereiche abspecken muss! Genau das ist es doch, was wir innerhalb eines solchen Konzepts diskutieren müssen:

(Vereinzelter Beifall CDU)

Wie wollen wir es gemeinsam implementieren? Natürlich kann man sagen: Man will es soundso machen. Der andere kann sagen: Das ist viel zu viel, das bekommen wir nicht untermauert. - Genau das war doch das Diskussionsangebot.

Ich möchte noch eines sagen, was ich ganz schrecklich fand. Sven Krumbeck ist auch schon einmal darauf eingegangen. Die Themenbereiche, die die Fraktion der PIRATEN in ihren Antrag aufgenommen haben, sind nichts Neues. Es sind Themenbereiche, die bereits jetzt im Lehrplan stehen. Der Lehrplan weist aus: Informatik, Mensch und Gesellschaft - findet sich im Antrag -, Information und Daten - findet sich im Antrag -, Algorithmen - findet sich im Antrag -, Kommunikation, Informatiksysteme, Modellieren und Strukturieren, Implementieren, insbesondere Programmieren - alles Be

standteile, die im Antrag sind. Wir sind diejenigen, die gesagt haben, das müssten wir einmal evaluieren und schauen, wie alt der Lehrplan ist, ob das überhaupt noch mit den heutigen Anforderungen übereinstimmt.

Ich finde es schade, dass die Diskussion an dieser Stelle so gelaufen ist. Wollen wir einmal ehrlich sein: Wenn wir wirklich Lehrkräfte gewinnen wollen, müssten wir Informatik eigentlich als Mangelfach einstufen.