Protocol of the Session on June 9, 2016

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende, Frau Abgeordnete Eka von Kalben.

(Dr. Ralf Stegner)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Günther, was bitte schön hat Sie nun schon wieder geritten? Wenn Sie sich lächerlich machen wollen und Ihre Fraktion lächerlich machen wollen: okay. Aber Sie nehmen uns hier mit in Sippenhaft, wenn wir zu dieser Uhrzeit dieses Thema auf der Tagesordnung haben - als gesetzten Punkt, das muss man sich einmal überlegen!

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das wollten Sie! - Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Warum meinen Sie, mit völlig überflüssigen Anträgen Stimmung im Land machen zu müssen? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn! Das Einzige, mit dem man es sich erklären kann, und das ist vielleicht auch das einzig Ernsthafte an Ihren Gesetzentwurf, ist, dass Sie damit suggerieren, dass unsere Ministerinnen und Minister nicht ausreichend für Schleswig-Holstein engagiert sind,

(Beifall Daniel Günther [CDU])

weil sie ihren Wohnsitz nicht in Schleswig-Holstein haben. Das ist purer Populismus. Damit bedienen Sie eine Klientel, die Sie am Ende sowieso nicht wählt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie schüren Vorurteile gegen Politiker und Politikerinnen. Am Ende wählen die Leute aber das Original. Insofern wird es Ihnen überhaupt nichts nutzen, sondern es wird uns allen gemeinsam schaden, solche - Entschuldigung, rügen Sie mich ruhig! - dämlichen Anträge zu stellen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Warum meinen Sie denn, dass Minister und Ministerinnen besser regieren, wenn sie in SchleswigHolstein leben? Weil sie dann mehr vom Land sehen?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wegen der Luft! - Heiterkeit)

Meines Erachtens bekommt ein Minister, der in Hamburg lebt, manchmal mehr von der Situation der Menschen in der Metropolregion mit als Minister aus Kiel und Flensburg.

(Beate Raudies [SPD]: Genau!)

Unter anderem pendeln sie jeden Tag durch diese Region. Minister Meyer kann dann - genau wie ich - jeden Morgen sehen, an welchen Stellen unsere

Straßen saniert werden und dass man durch diesen Straßensanierungswahn eigentlich kaum noch irgendwohin kommen kann.

(Heiterkeit und Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Liebe CDU: Welches Familienbild haben Sie eigentlich, wenn Sie meinen, dass Minister und Ministerinnen mit Familie und Partner für einen Job den Wohnort wechseln müssen, der durchaus in diesem Land auch einmal weniger als fünf Jahre währen kann?

Dafür sollen die Ministerinnen und Minister samt Familie ihren Wohnort wechseln müssen - mit Schulwechsel, unter Umständen mit Patchworkfamilie, wo man sich gegenseitig die Familienbetreuung abnimmt? Und einen Pseudoumzug mit Meldeadresse meinen Sie ja vermutlich hoffentlich nicht. Das wäre noch schäbiger.

Und dann frage ich mich aber, wenn Sie es ernst meinen: Wie wollen Sie denn eigentlich die Präsenz überprüfen? Wie wird das denn bewertet, wenn hier der Wohnsitz genommen wird und man dann am Wochenende mit seinem Partner oder seiner Partnerin vielleicht in einer anderen Stadt lebt? Wollen wir dann kontrollieren, wie oft der Mensch an seinem Wohnort gelebt hat? Und wollen Sie dem Ehepaar Scholz-Ernst zum Beispiel ein Haus auf die Landesgrenze stellen - mit getrennten Schlafzimmern?

(Heiterkeit - Beifall Dr. Heiner Garg [FDP] - Wortmeldung Tobias Koch [CDU])

- Nein, ich lasse keine Zwischenfragen zu. Liebe CDU, glauben Sie wirklich, dass Ihr Sylter Spitzenkandidat mehr vom Leben in Schleswig-Holstein kennt als unser Kabinett? - Das glaube ich nicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wenn Sie glauben, dass die Bürgerinnen und Bürger die Residenzpflicht der Ministerinnen und Minister entscheidend und wichtig finden, dann glaube ich, dass Sie mal darüber nachdenken müssen, ob Sie mit Ihrem Wohnsitz in Schleswig-Holstein genügend Bürgernähe haben. - Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Frau Abgeordnete, Sie haben den von Ihnen benutzten Begriff ja selbst als unparlamentarisch empfunden. Ich teile Ihre Auffassung.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Wolfgang Kubicki, der Fraktionsvorsitzende der FDP.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Garg, aber ich lebe länger in Schleswig-Holstein als Daniel Günther alt ist, um das mal freundlich zu formulieren.

(Heiterkeit)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sollten zum Ernst der Debatte zurückkehren. Ich bin es ja gewohnt, mich auch an die Seite der CDU zu stellen, selbst wenn es mir inhaltlich schwerfällt, aber diesmal geht es wirklich nicht.

(Beifall FDP)

Das Beamtenrecht kennt eine abgeschwächte Form einer Residenzverpflichtung. So finden wir in § 72 Bundesbeamtengesetz folgende Passage:

„Beamtinnen und Beamte haben ihre Wohnung so zu nehmen, dass die ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer Dienstgeschäfte nicht beeinträchtigt wird.“

Die uneingeschränkte Wahrnehmungsmöglichkeit der Dienstgeschäfte durch die Minister Alheit, Ernst und Meyer ist in diesem Fall, den die CDU jedenfalls in ihrer öffentlichen Stellungnahme - moniert, aber unstrittig, denn Hamburg liegt näher am Dienstort der Minister als andere Orte in Schleswig-Holstein, zum Beispiel Sylt.

(Beifall Lars Winter [SPD] und Detlef Mat- thiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf CDU)

Von einem möglichen Ministerpräsidenten Liebing würde die CDU aber nie fordern, dass er seinen Wohnort verlässt und näher an die Landeshauptstadt zieht, um seine Dienstgeschäfte besser wahrnehmen zu können.

(Zuruf CDU)

- Frau Damerow, ich kenne auch einige in der Fraktion, die sich wünschen würden, er würde auf Sylt bleiben,

(Heiterkeit - Vereinzelter Beifall FDP - Lars Harms [SSW]: Oder woanders hingehen!)

insofern kann man das nicht vergleichen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist so zu verstehen, dass es aus Sicht der Union den in Hamburg lebenden Ministern angeblich an Verständnis für schleswigholsteinische Themen mangelt. In der Pressemittei

lung des Fraktionsvorsitzenden Daniel Günther vom 27. Mai 2016 lesen wir - ich zitiere in indirekter Rede -, bei den Ministern Alheit, Ernst und Meyer sei auch zu spüren, dass ihnen bei vielen schleswig-holsteinischen Themen das Herzblut fehle.

(Zuruf Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ist Herzblut vom Wohnort abhängig, Kollege Daniel Günther? Haben Minister, die beispielsweise in Schleswig-Holstein geboren wurden und viele Jahre dort gelebt haben, deshalb weniger Herzblut und Verständnis für die Probleme der Menschen im Land, wenn sie irgendwann nach Hamburg umgezogen sind? Kann man Herzblut und Identifikation mit dem Land per Gesetz verordnen?

Vor dem Hintergrund der bisherigen Aktivitäten der CDU auf diesem Gebiet ist das im höchsten Maße inkonsistent, und es entsteht der Verdacht, dass es der CDU nicht um die konkrete Sache geht, sondern um eine parteipolitische Instrumentalisierung einer Verfassungsänderung.

(Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Hier sei nur gesagt, Kollege Günter: Mit Verfassungsrecht spielt man nicht.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Denn wie viel Herzblut hatte Werner Marnette, der sich als Hamburger und schleswig-holsteinischer Landesminister in der gleichen Situation befunden hat? Es ist schon angesprochen worden? Wie viel Heimatliebe zu Schleswig-Holstein konnte Volker Rühe vorweisen, der als Hamburger Direktkandidat im Bundestag schleswig-holsteinischer Ministerpräsident werden wollte? Ich habe mit ihm persönlich noch gesprochen, Hans-Jörn Arp, auf dem Schweinehof, und ich habe festgestellt, dass er von Schleswig-Holstein, als er MP werden wollte, so viel verstand wie manche Leute, die Schleswig-Holstein schon zu Dänemark rechnen.

(Zurufe SSW)

- Nichts gegen Dänemark. Wir waren alle mal dänisch. Lars Harms, ich weiß, dass ihr bedauert, dass das nicht mehr so ist, aber es ist schon lange her.