Protocol of the Session on March 9, 2016

Auch wenn man bei einer Öffnung sehr behutsam vorgehen muss, ist aus Sicht des SSW eines völlig klar: Wir sollten diese mitunter sehr persönlichen Entscheidungen nicht unnötig einschränken oder blockieren, nur weil wir an einem alten Regelwerk festhalten wollen, sondern wir sollten versuchen, dieses Regelwerk zu modernisieren.

Übergeordnet betrachtet gehen die vorgelegten Änderungen also erst einmal in die richtige Richtung, denn sie erweitern ganz grundsätzlich die Möglichkeiten der Betroffenen. Im Detail stellen sich aber doch sehr schnell Fragen, die gründlich abgewogen werden müssen.

Die Ausweisung von dauerhaften Flächen außerhalb von Friedhöfen durch die Gemeinde ist in meinen Augen unproblematisch. Da sind sogar gemeinsame Flächen von Gemeinde und Kirche denkbar. Sympathisch hört sich natürlich auch die Forderung nach einer kostenfreien Nutzung dieser Flächen an. Wie ist aber zum Beispiel die Öffnung für Ausnahmen außerhalb dieser Flächen in der Praxis zu handhaben, ohne dass sich beispielsweise auch Nachbarn gestört fühlen? Die Gemeinde soll einvernehmlich über solche Ausnahmen oder Sonderwünsche entscheiden. Da liegt doch zumindest die Gefahr nahe, dass diese Einzelfälle nicht wirklich überparteilich sind und möglicherweise nicht anhand objektiver Kriterien überprüft werden könnten.

Auch bei der konkreten Handhabung der ZweiJahres-Frist für die Aufbewahrung der Urne im eigenen Zuhause sehe ich Probleme. Die örtlich zuständige Gemeinde kann den Hinterbliebenen laut Gesetzentwurf hierfür die Genehmigung erteilen. Eine Bestattung im Anschluss soll sichergestellt sein. Wer überprüft aber die Einhaltung? Wie funktioniert es eigentlich, wenn derjenige, der seinerzeit den Antrag gestellt hat, dann selbst nicht mehr lebt und kein Mensch mehr weiß, wo sich diese Urne aktuell befindet?

Das ist also etwas schwierig, meine Damen und Herren. Deshalb müssen wir genau schauen, wie so etwas in der Praxis aussehen soll, um es dann bewerten zu können.

Ich denke, in vielen Punkten wird eine intensive und ergebnisoffene Debatte notwendig sein. Wir müssen auf der einen Seite sehr genau zwischen öffentlicher und individueller Trauer unterscheiden.

Kommen Sie bitte zum Ende.

Ich komme zum Ende. - Auf der anderen Seite ist abzuwägen zwischen erstens dem letzten Willen des Verstorbenen, zweitens den Interessen der Hinterbliebenen sowie drittens - und das wird oft vergessen - dem Pietätsempfinden der Allgemeinheit.

(Lars Harms)

Wenn wir das hinbekommen, bekommen wir auch eine ordentliche Gesetzesänderung hin. - Danke.

(Vereinzelter Beifall SSW, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir kommen jetzt zu den Dreiminutenbeiträgen. Zunächst hat der Herr Abgeordnete Dr. Patrick Breyer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich versuchen, auf einige der in der Debatte aufgeworfenen Fragen zu unserem Gesetzentwurf zu antworten.

Zunächst einmal ist unser grundlegender Ansatz, dass immer weniger Menschen Verständnis dafür haben, dass wir noch über unseren Tod hinaus vom Staat bevormundet werden sollen, was unsere letzte Ruhe angeht. Was gibt es Höchstpersönlicheres als die Entscheidung, was mit uns nach unserem Tod geschieht? Das ist wirklich etwas, das jeder für sich selbst entscheiden sollte.

(Zurufe SPD)

Deswegen geht es auch nicht darum, Frau Kollegin Klahn, wie viele Menschen eine bestimmte Bestattungsform wünschen, sondern jeder muss die Möglichkeit haben, selbst darüber zu entscheiden.

(Beifall PIRATEN)

Auch zu der Frage, was mit der Asche passiert, wenn man sie mit nach Hause nimmt, trifft unser Gesetzentwurf klare Regelungen. Die Beisetzung muss gesichert sein, um eine Genehmigung dafür zu erhalten. Zudem kontrolliert die zuständige Gemeinde, dass dies auch so erfolgt.

Im Grunde genommen muss jeder durch schriftliche Verfügung selbst die Entscheidung treffen, wem und ob er Angehörigen seine Asche anvertrauen will. Wenn ich meinen Angehörigen vertraue, dann sollte das auch respektiert und unterstellt werden, dass diese damit verantwortungsvoll umgehen.

Im Übrigen ist es über den Umweg über das Ausland schon heute möglich, Urnen mit nach Hause zu nehmen. Diesem Bestattungstourismus sollten wir aber keinen Vorschub leisten.

Herr Kollege Baasch, Sie haben sich Sorgen gemacht um die Fälle der Sozialbestattung. Das haben auch wir getan. Deswegen ist im Gesetzentwurf ganz klar festgelegt: Ohne die schriftliche Verfü

gung des Betroffenen, dass er ein Verstreuen seiner Asche möchte, soll es nicht möglich sein, dies aus Kostengründen anzuordnen oder vorzunehmen. Das heißt, es entscheidet immer der Betroffene selbst.

Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Matthiessen?

Bitte schön.

Herr Abgeordneter Matthiessen, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Breyer, Sie sagten gerade, es sollte jedermanns Recht sein, über seinen Tod zu bestimmen. Jeder sollte auch darüber entscheiden können, seine Asche auf dem privaten Grundstück verstreuen zu können. In Ihrem Gesetzentwurf heißt es dazu jedoch, hierzu müsse bei der Kommune ein Antrag gestellt werden. Damit stellen Sie die Antwort auf diese Frage in das Belieben der kommunalen Selbstverantwortung. Die Kommune ist nach Ihrem Gesetz nicht verpflichtet, dem nachzukommen. Das habe ich in dem Gesetzentwurf zumindest nicht finden können.

In diesem Zusammenhang sind außerdem noch Konnexitätsfragen zu diskutieren.

Vielen Dank, Herr Kollege, für die Frage, weil mir so Gelegenheit gegeben ist, Missverständnisse auszuräumen. Darauf wollte ich ohnehin noch hinweisen.

In unserem Gesetzentwurf ist nicht nur klar definiert, unter welchen Bedingungen eine solche Genehmigung zu erteilen ist, sondern es ist auch festgelegt, dass die Genehmigung zu erteilen ist, wenn die Bedingungen erfüllt sind. Das heißt, die Gemeinde hat keinen Ermessensspielraum. Sie kann das also nicht einfach generell ablehnen und das nicht machen. Wenn der Verstorbene dies gewünscht hat, wenn die Einwilligung des Grundstückseigentümers vorliegt und wenn die sonstigen Bedingungen erfüllt sind, dann muss auch diese

(Lars Harms)

Genehmigung von der Kommune erteilt werden. Die Prüfpunkte sind genau festgelegt.

Noch einmal zur Sozialbestattung. Herr Kollege Baasch, es ist tatsächlich so, dass nicht die Angehörigen entscheiden können, sondern nur mit schriftlicher Zustimmung des Verstorbenen ein Verstreuen der Asche zugelassen werden soll.

Herr Matthiessen, wichtig ist auch, dass die Frage des Zugangs der Angehörigen zur letzten Ruhestätte nicht etwa in die Hand der Angehörigen, sondern in die Hand des Verstorbenen gelegt wird. Dieser soll entscheiden, ob er eine Grabstätte auf einem Friedhof möchte, die für alle zugänglich ist, oder ob er auf einem Privatgrundstück verstreut werden will, das nicht für alle zugänglich ist.

Eine anonyme Urnenbestattung kann er schon heute wählen. Er kann sich auch für eine Seebestattung entscheiden, sodass kein Zugang mehr möglich ist. Insofern sehen wir darin keine grundsätzliche Neuerung.

Zusammenfassend kann ich nur sagen: Für uns PIRATEN gilt das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen auch über den Tod hinaus und verdient unseren Respekt. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat der Herr Abgeordnete Lars Winter das Wort.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich gemeldet, weil ich nicht schnell genug auf den Beitrag der Kollegin Klahn reagieren und ans Mikrofon hechten konnte, weil ihre Redezeit zu Ende war.

(Zuruf SPD: Hechten?)

- Der Kollege Habersaat hechtet ja immer so.

Es geht mir um das, was auch der Kollege Breyer vorhin gesagt hat. In die Diskussion über die Öffentlichkeit der Grabstelle bitte ich einzubeziehen, dass es dem Verstorbenen überlassen bleiben muss, wie er es gerne hätte.

Wir haben in der Familie einmal spaßeshalber nach unserem Familiennamen gegoogelt und dabei festgestellt, dass ein Grabstein eines verstorbenen Familienmitglieds im Internet steht. Irgendjemand, der nichts mit uns zu tun hat, hat diesen Grabstein fotografiert und ins Internet gestellt.

Da hört die Öffentlichkeit auf. Wenn man feststellt, dass so etwas passiert ist, muss man auch die Möglichkeit haben, von einem nicht öffentlichen Grab abzusehen. Das bitte ich in die Diskussion aufzunehmen. Die Welt ist schräg und wird immer schräger. Darauf muss man auch in einer solchen Debatte reagieren. Das bitte ich mit in die Überlegungen einzubeziehen. - Danke.

(Beifall Lars Harms [SSW])

Als Nächstes hat der Abgeordnete Uli König das Wort.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Manifest der Frei- heit heute hier!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, Herr Garg, ein Manifest der Freiheit hätte ich mir auch von der FDP gewünscht. Aber leider müssen wir darauf wohl noch warten.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Beschäftigen Sie sich einmal mit den Lebendigen!)

Lustigerweise geht es hier ja auch um die Lebendigen; denn die Lebendigen müssen überlegen, was mit ihnen geschehen soll, wenn sie tot sind.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Nein!)

An die Kollegin von der CDU habe ich noch eine kleine Korrektur: Unser Gesetzentwurf sieht nicht vor, dass eine Urne oder möglicherweise ein Sarg irgendwo privat in einem Garten vergraben werden kann. Uns geht es bei Privatgrundstücken wirklich nur um das Verstreuen der Asche. Das will ich gern klarstellen, weil das ein häufiges Missverständnis bei dem Entwurf ist. Das haben Sie nämlich vorhin gesagt.