Protocol of the Session on March 9, 2016

Nordkirche an uns herangetragen wurde, nämlich dass ein Aufsuchen der letzten Ruhestätte wichtig sei für die Hinterbliebenen, verfängt nicht. Dies ist bei der anonymen Bestattung, bei der Seebestattung oder auch bei vielen anderen Möglichkeiten der Aschausbringung auch heute schon nicht möglich.

(Beifall PIRATEN)

Nach einer bundesweiten Emnid-Umfrage benötigen Menschen nicht zwingend einen Ort der Erinnerung und Besinnung für ihre Trauerarbeit. Dass die Nutzung von Friedhöfen weiter zurückgeht und die Friedhofsgebühren dadurch steigen können, rechtfertigt keine Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts der Verstorbenen.

(Beifall PIRATEN)

Voraussetzung der Erteilung einer entsprechenden Genehmigung, Totenasche zu verstreuen, ist zunächst eine Zulassung durch den Eigentümer des Ausbringungsortes. Die Anknüpfung an den letzten Hauptwohnsitz oder den Lebensmittelpunkt in Schleswig-Holstein schränkt den Kreis der Verstorbenen ein, deren Asche verstreut werden darf.

Zwingende Voraussetzung ist zudem die schriftliche Zustimmung des Verstorbenen zu dieser Beisetzungsform. Dadurch wird verhindert, dass bei einer Sozialbestattung aus Kostengründen auf ein von dem Verstorbenen nicht gewünschtes Verstreuen der Asche verwiesen wird.

(Beifall PIRATEN)

Ein weiterer Punkt betrifft die Bestattungsfrist. Das Bestattungsgesetz schreibt hier vor, dass Leichen frühestens 48 Stunden nach Eintritt des Todes bestattet werden dürfen. Diese Wartefrist ist historisch durch Unsicherheiten bei der nichtärztlichen Leichenschau und die Furcht bedingt, Scheintote zu bestatten. Dies ist unnötig, weil durch verbindliche ärztliche Leichenschau ein Scheintod zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann. Künftig soll die Vorgabe einer Mindestzeit entfallen und die Erdbestattung ab der erfolgten ärztlichen Leichenschau möglich sein.

Dies dient insbesondere der Integration von Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die Religionen angehören, die eine Bestattung möglichst noch am Todestag vorsehen. Ob eine Bestattung allerdings innerhalb von 24 Stunden erfolgen kann, wie es beispielsweise der jüdische und der muslimische Glaube vorschreiben, ist manchmal fraglich. Das hängt aber nicht am Gesetz, sondern an organisatorischen Fragen. Was im Übrigen Bestattungen nach muslimischer Tradition angeht, so steht das Bestat

tungsgesetz weder einer Waschung noch einer Tuchbestattung oder einer Ausrichtung nach Mekka entgegen. Wir wissen, dass in Schleswig-Holstein bereits heute - seit gut zehn Jahren - auch muslimische Bestattungen durchgeführt werden können. Auch eine Garantie für die dauerhafte Totenruhe kann von den Friedhofsträgern bereits nach geltendem Recht eingeräumt werden.

Herr Abgeordneter -

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.

Das ist sehr gut.

Unser Gesetzentwurf ist ein kleiner Schritt für dieses Land, aber ein großer Wurf für die Freiheit des Einzelnen über den Tod hinaus. Er wird sowohl von der Verbraucherzentrale als auch vom Verband unabhängiger Bestatter unterstützt. Unser Gesetzentwurf ist vor allem ein Beitrag zu mehr Rechtssicherheit, der dem Bestattungstourismus ins Ausland ein Stück weit die Grundlage entzieht.

Herr Abgeordneter, Ihre Zeit, Ihre Redezeit, ist nun wirklich abgelaufen.

(Lachen CDU)

Es war noch ein Satz.

Na gut.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Heiterkeit - Beifall PIRATEN)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat die Frau Abgeordnete Petra Nicolaisen.

(Uli König)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren hier heute über die Änderung des Bestattungsgesetzes. Ich gebe zu, das ist ein schwieriges Thema, ein emotionales Thema, das jeder von uns im familiären Umfeld und im Freundeskreis mit Sicherheit bereits miterlebt hat.

Ich persönlich brauche keinen bestimmten Ort, um zu trauern oder um den Verstorbenen zu gedenken. Das kann für mich die Grabstätte auf dem Friedhof sein, aber auch der Strand oder die Blutbuche auf meinem Grundstück.

Jeder sollte sich Gedanken über seine Beisetzung machen. Bereits jetzt sind schon Erdbestattungen, Urnenbestattungen, Bestattungen in festgesetzten Bereichen, auf See, in Friedwäldern oder Ruheforsten genehmigt.

Ich gestehe ein, dass es ein verändertes Verhalten in Bezug auf die Bestattungsart gibt. Das hat der Kollege ausgeführt. Es gibt schon jetzt 70 % Urnenbestattungen.

Der Gesetzentwurf der Piratenfraktion beinhaltet eine Liberalisierung des Bestattungsgesetzes in erheblichem Umfang. Der Verstorbene kann vor seinem Tod schriftlich festlegen, dass seine Asche auf zugelassenen Friedhöfen oder auf ausgewiesenen Aschefeldern verstreut wird. Religiöse Traditionen sollen hierbei berücksichtigt werden. Außerdem ist es zulässig, die sterblichen Überreste eingeäscherter Verwandter für eine bestimmte Zeit, zwei Jahre, mit nach Hause zu nehmen und auf dem Kaminsims aufzubewahren.

Ich brauche die Gewissheit, dass man mit den sterblichen Überresten pietät- und würdevoll umgeht, auch über den Tod hinaus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer garantiert mir, dass die Urne nach zwei Jahren auch wirklich freigesetzt wird? Ehepartner streiten sich bei einer Scheidung um das Sorgerecht der Kinder. Wer kümmert sich dann aber um die Urne auf dem Kaminsims? Was passiert mit Verwandten und Freunden, die um den Verstorbenen trauern wollen, aber mit Sohn, Tochter oder Ehemann kein allzu gutes Verhältnis haben? Müssen sie sich jetzt auf juristischem Weg Zutritt zur Urne verschaffen? Was passiert bei einem Umzug von A nach B? Nehmen sie die Urne mit? Wird sie ausgebuddelt? Ist sie überhaupt noch vorhanden? Oder ist sie bereits dem Hausmüll zugeführt worden? Verkommt unsere Asche zur Verfügungsmasse?

Wer stellt fest, was der Würde des Menschen entspricht? Wie soll die Kontrolle erfolgen, ob der würdevolle Umgang mit den sterblichen Überresten gewährleistet ist? Wie geht der Gesetzgeber mit der geschützten Totenruhe um? Wer übernimmt die Kontrollinstanz?

Es gibt noch viele Fragen, Kollege König, die wir im Ausschuss miteinander beraten sollten.

(Wortmeldung Uli König [PIRATEN])

- Ich lasse jetzt keine Zwischenfragen zu.

Für mich ist die Urne auf dem Kaminsims keine Alternative.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir verschließen uns als CDU-Fraktion keiner weiteren Diskussion im Ausschuss. Aber für mich und meine Fraktion ist klar: Die menschliche Würde endet für uns nicht mit dem Tod. Deshalb ist das für uns ein sensibles Thema. Mit diesem Thema haben wir sensibel und im christlichen Grundverständnis miteinander umzugehen. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und Anita Klahn [FDP])

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Wolfgang Baasch.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ein Bestattungsgesetz muss sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren. Seit 2005 gilt in Schleswig-Holstein ein umfassendes und modernes Bestattungsgesetz, ein Bestattungsgesetz, das die Anliegen der Verstorbenen und deren Würde vorrangig berücksichtigt. Menschen sollen entsprechend ihrer weltanschaulichen und religiösen Überzeugungen und Wünsche über die Art ihrer Bestattung entscheiden.

Es ist aber auch sinnvoll, nach über zehn Jahren zu überprüfen, ob einzelne Bestimmungen des Bestattungsgesetzes mit der gesellschaftlichen Realität noch übereinstimmen. Das Anliegen der Fraktion der PIRATEN, das schleswig-holsteinische Bestattungsgesetz zu ändern, würde ich dabei als eine generelle Überprüfung des schleswig-holsteinischen Bestattungsgesetzes einordnen. Denn Veränderungen in der Bestattungskultur betreffen nicht nur den Einzelnen, sondern sie prägen auch den Umgang einer ganzen Gesellschaft mit dem Thema Tod. Das Recht auf ein würdiges Begräbnis gilt für alle Men

schen. Das gebietet uns der Respekt gegenüber den Verstorbenen und gegenüber ihren Angehörigen.

Daher sollten wir den Gesetzentwurf der Fraktion der PIRATEN gründlich im Ausschuss beraten, um offene Fragen zu klären, Fragen zum Beispiel wie diese:

Wie wird die unterschiedliche Form der Trauer von Hinterbliebenen gewürdigt?

Wie werden unterschiedliche Formen von Trauer gewürdigt, wenn es tatsächlich solche eben schon beschriebenen Konfliktsituationen gibt und eben nicht schriftlich eindeutig geklärt ist, was mit den Hinterbliebenen beziehungsweise mit der Asche des Einzelnen geschieht?

Eine zweite Frage, die auch ganz wichtig ist und die wir hier im Landtag auch schon einmal im Jahre 2007 diskutiert haben, ist: Welche Auswirkungen hat dieses auf die Form von Sozialbestattungen? Kann es plötzlich darum gehen, die billigste Variante der Bestattung zu nehmen - entsprechend dem Nachrangigkeitsprinzip der Sozialhilfe?

Die Diskussion über alle diese Fragen müssen wir sehr ernsthaft und sehr grundsätzlich führen; denn der Grundsatz eines würde- und achtungsvollen Umgangs mit Leichen und der Asche Verstorbener gilt auch für Sozialbestattungen.

Zusammengefasst: Das Recht auf ein würdiges Begräbnis gilt für alle Menschen. Deswegen möchte ich abschließend mit einem Zitat der Dichterin Mascha Kaléko enden:

„Den eigenen Tod stirbt man nur, doch mit dem Tod anderer muss man leben.“

- Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Herr Abgeordnete Detlef Matthiessen.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe in den vergangenen Tagen erfahren, dass das Thema Bestattung die Herzen der Menschen bewegt. Sobald ich gehört habe, ich solle doch zu diesem Thema im Landtag reden, war dies das bestimmende Thema. Jede und jeder hat seine