Protocol of the Session on February 18, 2016

cen einräumen. Die gute Betreuungsstruktur in den Graduiertenschulen - oftmals ist Mehrfachbetreuung die Regel - findet Eingang in die Promotionsordnung. Das ist der richtige Weg und darum ausdrücklich zu begrüßen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Ich stelle fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 18/3835 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.

Da aufgrund der Wortmeldungen offensichtlich die Absicht besteht, die Angelegenheit im Ausschuss weiter zu beraten, will ich Sie darauf hinwiesen, dass die Überweisung von mündlichen Berichten an den Ausschuss nicht vorgesehen ist. Im Zuge des Selbstbefassungsrechts haben Sie natürlich die Möglichkeit, das im Fachausschuss weiter miteinander zu erörtern.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 auf:

Differenzierten Ersten allgemeinbildenden Schulabschluss ermöglichen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/3838

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem Abgeordneten der CDU-Fraktion, Peter Sönnichsen, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Ihnen zu Beginn meiner Ausführungen mit einigen Zahlen verdeutlichen, warum wir diesen Antrag gestellt haben: Laut Datenbank des Statistischen Bundesamtes haben im Schuljahr 2013/14 fast 47.000 Schülerinnen und Schüler in Deutschland die Schule ohne einen anerkannten Schulabschluss verlassen. In SchleswigHolstein waren es rund 2.300 Schülerinnen und Schüler. Bei circa 30.000 Schulabgängern in Schleswig-Holstein sind das fast 8 % dieses Schuljahrgangs. Davon sind 5 % Schülerinnen und Schüler mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf.

Das Dramatische hinter den Zahlen ist, dass diese jungen Menschen es besonders schwer haben werden, einen Berufsschulabschluss zu erzielen. Sie verlassen die Schule ohne Aussicht auf eine berufliche Perspektive beziehungsweise mit nur sehr geringen Anschluss- und Teilhabechancen im beruflichen Bereich. Laut Berufsbildungsbericht 2015 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung liegt die Ungelerntenquote der 20- bis 29Jährigen bei 52,1 %. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind Zahlen, mit denen wir uns nicht zufriedengeben können.

Mir ist klar, und wir alle wissen natürlich, dass es bereits jetzt unterschiedliche Möglichkeiten gibt, den Ersten allgemeinbildenden Schulabschluss nachträglich zu erwerben. Unsere berufsbildenden Schulen bieten vielen Jugendlichen dazu die Chance.

(Beifall CDU)

Ebenso besteht für Schülerinnen und Schüler, deren schulische Leistungen erkennen lassen, dass sie Schwierigkeiten beim Erreichen dieses Schulabschlusses haben, die Option, in einer flexiblen Übergangsphase darauf vorbereitet zu werden. Hier können sie die achte und neunte Jahrgangsstufe in drei Jahren durchlaufen. Erste Erfolge zur Reduzierung des Anteils junger Erwachsener ohne einen Schulabschluss konnten damit schon erzielt werden. Das ist auch gut so.

Auf der anderen Seite werden nicht alle Schülerinnen und Schüler trotz intensiver Bemühungen in der Lage sein, das Niveau der KMK-vereinbarten Bildungsstandards für den Ersten allgemeinbildenden Schulabschluss zu erreichen. Dennoch verfügen sie über Fertigkeiten und Kompetenzen, die sie oft zu einer Berufsausbildung befähigen und die gesellschaftlich anerkannt gehören.

Ebenso verlassen Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Schule ohne einen anerkannten Abschluss. Sie erhalten mit Erreichen der für sie festgelegten Ziele ihres Förderplans den Abschluss des Förderzentrums, zum Beispiel mit dem Schwerpunkt Lernen. Anders ausgedrückt: Sie erhalten ein Zeugnis, das bundesweit maximal als Teilnahmebestätigung gewertet wird. In der Schulstatistik werden sie aber als Schulabbrecher gewertet mit dem Makel, es nicht geschafft zu haben. Ich bin der Auffassung: Das ist ihnen gegenüber nicht fair, das haben sie nicht verdient.

(Beifall CDU)

(Jette Waldinger-Thiering)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit unserem Antrag möchten wir diesen jungen Menschen die Möglichkeit geben, optimistisch in die Zukunft zu blicken, mit einer Chance auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Ein Schulabschluss erleichtert nicht nur die gesellschaftliche Teilhabe, sondern stärkt auch das Selbstwertgefühl jedes Einzelnen.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das stimmt!)

Unser Vorschlag sieht daher vor, dass wir den betroffenen Schülerinnen und Schülern einen anerkannten Schulabschluss geben. Aus dem Abschluss soll hervorgehen, inwieweit von den Anforderungen des Ersten allgemeinbildenden Schulabschlusses abgewichen beziehungsweise an welchen Stellen der Lehrplan individuell angepasst wurde. Das sorgt für Klarheit bei den Schülerinnen und Schülern und auch bei den zukünftigen Ausbildungsbetrieben und Arbeitgebern. Auch diese können nachvollziehen, wo die Stärken ihres Gegenübers liegen, wissen wir doch alle, wie wichtig es im Arbeitsleben genommen wird, was nicht im Zeugnis steht. Schreiben wir also die vorhandenen Stärken hinein! Damit erleichtern wir diesen jungen Menschen den Weg in eine Ausbildung und damit in eine positive Zukunft.

Wir, die CDU-Fraktion, sind entscheidungsfähig, sonst hätten wir den Antrag nicht gestellt. Wir sind aber auch gern bereit, das Anliegen im Ausschuss zu vertiefen. - Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und Anita Klahn [FDP])

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Kai Vogel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, eben erlebt zu haben, wie breit die CDU bildungspolitisch auch personell aufgestellt ist.

(Anita Klahn [FDP]: Ach Mensch, Kai, was soll denn das? - Hans-Jörn Arp [CDU]: Das ist stillos!)

- Das war in diesem Fall gar nicht stillos gemeint, sondern ich fand die Rede des Kollegen Sönnichsen wirklich mehr als brauchbar. Ich fand sie absolut passend und wollte nur darlegen, warum man das in bestimmten Bereichen ein bisschen differenzierter

betrachten sollte. Das war in dem Moment eine ehrliche Bewunderung und gar nicht unangemessen.

(Anita Klahn [FDP]: Manchmal gehen Kom- plimente schief!)

- Manchmal gehen sie schief, aber man muss sie auch akzeptieren, wenn sie ehrlich gemeint sind.

(Zurufe)

Herr Abgeordneter, Sie haben jetzt das Wort für Ihre Rede. Ich glaube, Sie sind richtig verstanden worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lang erklärtes Ziel unser Bildungspolitik ist es, keinen Jugendlichen auf dem Weg zu einem Abschluss zu verlieren. Der qualifizierte Schulabschluss ist ein grundlegender Schritt, damit der Einstieg in den Beruf beziehungsweise eine weitere Qualifizierung erfolgen kann.

Durchschnittlich knapp 1.000 Schülerinnen und Schüler - der Kollege Sönnichsen hat es dargestellt -, die den Ersten allgemeinbildenden Abschluss erlangen wollten, verlassen jedes Jahr die Schulen in Schleswig-Holstein bedauerlicherweise ohne Abschluss. Das entspricht einem Anteil von rund 3 % an der Gesamtzahl aller Schülerinnen und Schüler, die die Schule verlassen. Ich sprach von denjenigen, die einen Abschluss erlangen wollten. Und jeder Jugendliche ohne Abschluss - darin sind wir uns sicherlich einig -, ist einer zu viel.

Diesen Jugendlichen allerdings einen Schulabschluss unterhalb des Ersten allgemeinbildenden Abschlusses anzubieten, finde ich schwierig. Die Gründe für ein Nichterlangen des Abschlusses sind sehr vielfältig. Häufig sind ein hoher Absentismus oder mangelnde Leistungsbereitschaft der Grund dafür. Ich glaube allerdings kaum, dass hier eine Regelung des differenzierten Abschlusses sinnvoll greift. Sinnvoller wäre es sicherlich zu schauen, wie es uns gelingen kann, Schülerinnen und Schüler mit sehr hohen Fehlzeiten - häufig ist es Schwänzen wieder für die Schule zu motivieren oder besser greifende Unterstützung beim Beheben von Lerndefiziten zu bieten. Ich sehe hier auch ein wenig die Gefahr, dass das Angebot eines „Hauptschulabschlusses light“ ein falsches Signal setzt und diejenigen Schüler demotiviert, die eine reale Perspektive haben, den Standard des Ersten Allgemeinbildenden Bildungsabschlusses zu erreichen, wenn

(Peter Sönnichsen)

auch die einfachere Alternative ohne größere Anstrengungen zu erhalten ist.

Weitere 4 bis 5 % - darauf hat Herr Sönnichsen ebenfalls hingewiesen - aller Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein haben einen anerkannten sonderpädagogischen Förderbedarf. Ich glaube, um die Schülerinnen und Schüler ging es Ihnen in dem Antrag ohnehin primär. Für diese Schülerinnen und Schüler ist es sicher motivierend, einen anerkannten Abschluss zu erlangen. Sie erhalten in vielen Schulen ein Zeugnis, wenn sie die Schule verlassen, doch leider kein anerkanntes. Diese Jugendlichen haben sich angestrengt, um an den Abschlussarbeiten und Prüfungen erfolgreich teilzunehmen, doch der sonderpädagogische Förderstatus ermöglicht es ihnen nicht, ein offizielles Abschlusszeugnis zu erhalten.

Ein schwerwiegendes Problem scheint mir darin zu liegen, dass ein solcher differenzierter Schulabschluss für die Wirtschaft nicht wesentlich attraktiver ist als keiner. Auf jeden Fall sollte man, bevor man ein solches Modell umsetzt, sehr genau mit den Dualpartnern erörtern, in welchen Branchen und Berufsbildern eine Nachfrage nach Schülerinnen und Schülern mit einer solchen geringen Qualifikation besteht. Es bringt am Ende auch nichts zu suggerieren: „Jetzt habt ihr einen Abschluss!“, aber sie kommen dann trotzdem nicht in eine Ausbildung.

Ich habe zudem große Bedenken, gerade in diesem sensiblen Bereich einen schleswig-holsteinischen Sonderweg zu gehen. Die Sache läge vielleicht anders, wenn es unter den Bundesländern in der KMK-Konferenz einen Konsens gäbe, einen solchen Schulabschluss einzurichten. Es gibt zwar eine Arbeitsgruppe genau zu diesem Thema, doch die Ergebnisse der entsprechenden KMK-Arbeitsgruppe sind noch vollkommen offen. Nach meiner Kenntnis werden diese im Sommer diesen Jahres erwartet.

Ich schlage deshalb folgendes Verfahren vor: Der Antrag der CDU wird in den Bildungsausschuss überwiesen - das hatten Sie, Herr Sönnichsen, ja bereits auch schon vorgeschlagen -, und er wird dann aufgerufen, wenn die entsprechende Meinungsbildung in der Kultusministerkonferenz stattgefunden hat. Sobald dies der Fall ist, sollte der Bildungsausschuss darüber beraten, ob er zum Antrag der CDU und eventuell ergänzenden Materialien eine schriftliche Anhörung der beteiligten Institutionen und Verbände durchführen will. Dabei ist im Hinblick auf das Ende der Legislaturperiode natürlich etwas Zeitmanagement erforderlich. Doch ich

glaube, es wäre am Ende auch kein Unglück, wenn wir den Antrag in der 19. Legislaturperiode neu auf die Tagesordnung nehmen, denn in der Sache sind wir uns - glaube ich - sehr einig. Ich hoffe, dass dies ein Verfahren ist, das für alle Seiten akzeptabel ist und bitte, entsprechend zu beschließen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und Ines Strehlau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Anke Erdmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viele haben das schon angesprochen, die Zahlen von Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss sind frappierend. Gerade, Anfang Februar 2016, gab es die neue PISA-Auswertung über die low-performing Students. Die Zahlen für Deutschland liegen zwar unter dem OECD-Durchschnitt, sie sind aber trotzdem sehr beunruhigend, wenn man sieht, dass 9 % der Schülerinnen und Schüler in allen drei Bereich - Mathe, Lesekompetenz und Naturwissenschaften - unterhalb der normalen Erwartung bleiben. Sie erreichen gerade einmal die Stufe 1 oder noch weniger. Das ist wirklich nur ein ganz rudimentäres Wissen, und das bei 15-jährigen Schülerinnen und Schülern. Da bin ich mit Ihnen, Herr Sönnichsen, einer Meinung, dass uns das weiter bewegen muss. Wenn man sich die Zahlen der Caritas vom letzten Sommer anschaut - die schaut sich ja immer an, wie es eigentlich bundesweit aussieht -, dann muss man feststellen: Wir liegen auch im Bundesvergleich etwas über dem Durchschnitt, was die Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss anbelangt.

Bei dem Antrag der Union ist mir auch in Ihrer Rede, Herr Sönnichsen, nicht so ganz klar geworden, um wen es gehen soll. Soll es um die Förderschülerinnen und -schüler gehen - das haben Sie einmal kurz erwähnt -, oder soll es um alle gehen? Wenn es um die Förderschülerinnen und -schüler gehen soll, gibt es dazu eine KMK-Initiative, die gerade am wachsen ist.

Wenn es um alle gehen soll, dann ist mir noch nicht ganz klar, wie das konkret aussehen soll und - das ist jetzt ein bisschen vertauschte Rollen zwischen CDU und Grünen - was für Auswirkungen das auf die Motivation haben wird. Gut finde ich erst einmal, dass Sie auf die Individualisierung setzen. Das

(Kai Vogel)

gefällt mir ganz gut. Ob das aber bezogen auf den Ersten allgemeinbildenden Abschluss für alle Schülerinnen und Schüler der richtige Weg ist, weiß ich nicht. Deshalb freue ich mich, wenn wir das im Ausschuss beraten. Wenn das für alle gelten soll, dann glaube ich, brauchen wir auch eine Anhörung. An der Stelle habe ich nämlich mehr Fragen als Antworten.

Ich glaube, bei der Frage, wie wir eigentlich mehr Schülerinnen und Schüler zum Ersten allgemeinbildenden Schulabschluss bekommen, muss eher gefragt werden, was wir den Schulen an Rückenwind mitgeben können. Wir sind gar nicht so schlecht aufgestellt, auch das muss man sagen. Die FlexKlassen hatten Sie schon angesprochen. Das ist eine Errungenschaft der Großen Koalition, die auch gute Ergebnisse zeitigt. Genau das Gleiche gilt für das Handlungskonzept Schule & Arbeitswelt, wo Coaches schon in der Sekundarstufe I Berufsberatung machen. Die Jugendberufsagenturen, die Britta Ernst und Ines Strehlau hier nach vorn gebracht haben, gibt es auch. Die kümmern sich darum, wie man den Übergang vernünftig gestaltet bekommt. Es geht nicht nur um Abschlüsse, sondern es geht hier vor allem auch um Anschlüsse.

Ich finde solche Angebote wie Produktives Lernen oder auch Praxisklassen durchaus sinnvoll, die Schülerinnen und Schüler - die 9 %, um die es hier geht; in Mathe sind es sogar 18 % - bekommen wir möglicherweise nicht durch ein Mehr desselben, sondern eher durch andere Zugänge, mit einer sehr praxisbezogenen Schulausrichtung auf der Spur. Ich finde aber auch, dass wir solche Projekte wie „Mathe macht stark“ oder „Niemanden zurücklassen“ noch weiter pushen können. Darüber reden wir heute Nachmittag noch einmal im weiteren Sinne, wenn es um die Qualitätsentwicklung geht.